Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahressonderzahlung. Tarifbindung, Gewerkschaftsbeitritt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tarifvertraglich begründete Ansprüche werden nur dann von der Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien erfasst, wenn diese Tarifbindung im Zeitpunkt des Entstehens der Ansprüche bereits vorliegt.

2. Der Anspruch auf die Sonderzahlung nach § 18 BRTV Apothekenmitarbeiter entsteht nicht erst im Zeitpunkt seiner Fälligkeit, sondern sukzessive in Höhe von jeweils 1/12 für jeden vollen Kalendermonat, für den er geleistet wird.

3. Eine Apothekenmitarbeiterin, die erst drei Wochen vor dem Ende ihres Arbeitsvertrages der Gewerkschaft beitritt, kann dadurch auch keinen anteiligen Anspruch auf die Sonderzahlung nach § 18 BRTV mehr erwerben.

 

Normenkette

TVG § 3; BRTV für Apothekenmitarbeiter § 18

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 16.06.2006; Aktenzeichen 2 Ca 188/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.04.2008; Aktenzeichen 10 AZR 258/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen in Sachen 2 Ca 188/06 vom 16.06.2006 abgeändert:

Der Klageantrag zu 1. wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin zu 19/20, der Beklagte zu 1/20 zu tragen.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf eine tarifliche Sonderzahlung.

Die Klägerin trat am 01.10.2004 als pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte in die Dienste des Beklagten, welcher Inhaber einer Apotheke ist. Die Klägerin bezog ein Gehalt in Höhe von 1.492,80 EUR brutto bei einer Arbeitsverpflichtung von 38,5 Wochenstunden. Das entsprechende Tarifgehalt hätte 1.386,99 EUR brutto bei 39,5 Wochenstunden betragen.

Am 05.09.2005 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin, wie zuvor mündlich angekündigt, fristgerecht zum 15.10.2005. Während der Kündigungsfrist, nämlich am 24.09.2005 trat die Klägerin der Apothekengewerkschaft ADEXA bei. Der Beklagte seinerseits ist – und war bereits zuvor – Mitglied der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein.

Die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein als Arbeitgeberverband und die Apothekengewerkschaft ADEXA schlossen am 02.11.2004 den Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter. § 18 dieses Bundesrahmentarifvertrages bestimmt unter der Überschrift „Sonderzahlung” folgendes:

  1. „Jeder Mitarbeiter erhält jährlich eine Sonderzahlung in Höhe von 100 % seines tariflichen Monatsverdienstes. Bei Änderungen der Gehaltshöhe im Laufe des Kalenderjahres ist der tarifliche Jahresdurchschnitt zugrunde zu legen. Das gilt nicht für Änderungen durch Neufestsetzung des Tarifgehaltes oder Einstufung in eine andere Berufsjahrgruppe. Für Pharmaziepraktikanten errechnet sich die Sonderzahlung aus dem Durchschnitt der während des Ausbildungsverhältnisses tariflich vorgesehenen Ausbildungsvergütung.
  2. Dem Apothekeninhaber bleibt die Festsetzung des Auszahlungszeitpunktes einschließlich Auszahlung in Teilbeträgen vorbehalten. Die Auszahlung erfolgt jedoch spätestens mit dem Novembergehalt.
  3. Den vollen oder gekürzten Betrag nach Absatz 1 oder 6 erhalten alle Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis im Jahr der Auszahlung mindestens zwölf Monate besteht. Bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 des vollen oder gekürzten Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat. Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt, besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 des vollen Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat. Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis nicht länger als sechs Monate besteht, haben keinen Anspruch auf Sonderzahlung. Hat ein Mitarbeiter Elternzeit (§§ 15, 16 BErzGG) erhalten, ermäßigt sich die Sonderzahlung um ein 1/12 für jeden vollen Monat der genommenen Zeit. Der Anspruch verringert sich ferner zeitanteilig für die Dauer eines unbezahlten Urlaubs sowie für krankheitsbedingte Fehlzeiten, für die nach § 9 Gehaltsfortzahlung nicht zu leisten ist. Ausscheidende Mitarbeiter haben Anspruch auf 1/12 des vollen oder gekürzten Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahres. In Abweichung von Absatz 2 ist die Zahlung mit dem letzten Gehalt zu leisten. Soweit ein ausscheidender Mitarbeiter zuviel erhalten hat, ist er zur Rückzahlung verpflichtet.
  4. Soweit Ansprüche irgendwelcher Art von der Höhe des Arbeitsentgelts abhängig sind, werden Zahlungen nach § 18 nicht mitgerechnet.
  5. Während des Kalenderjahres aufgrund betrieblicher, einseitig vom Apothekeninhaber festgelegter oder vereinbarter Regelungen bereits gezahlte oder noch zu zahlende Sondervergütungen, insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld, Gratifikationen, Jahresabschlussvergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen und dergleichen können auf die Sonderzahlung nach § 18 angerechnet werden.
  6. Der Apothekeninhaber ist für jedes Jahr berechtigt, die Sonderzahlung auf bis zu 50 % des tariflichen Monatsverdienstes zu kürzen, sofern...

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