Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des Geltungsbeginns einer Tarifvertragsnorm
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist in einem Tarifvertrag neben der Geltung einer Tarifvertragsnorm ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens eines inhaltlich bestimmten Gesetzes die Feststellung des danach maßgebenden Zeitpunktes durch die Tarifvertragsparteien vereinbart, handelt es sich bei der in Ausführung dieser Vereinbarung getroffenen Feststellung der Tarifvertragsparteien um einen deklaratorischen Akt, der nicht nach § 1 Abs 2 TVG der Schriftform bedarf.
2. Die Feststellung des Geltungsbeginns der Norm kann als deklaratorischer Akt von den Tarifvertragsparteien auch noch längere Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes getroffen werden; sie unterliegt nicht den der Rückwirkung von Tarifnormen gezogenen Schranken.
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats: "Feststellung des Geltungsbeginns des § 3 Buchst g BAT-O im Land Berlin auf den 21. Juni 1992 (Inkrafttreten des Hochschulpersonal-Übernahmegesetzes vom 11. Juni 1992) durch die Tarifvertragsparteien am 25./26. April 1994.
2. Auslegung der Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst g BAT-O gestrichen mit Wirkung vom 1. Mai 1994 durch § 1 Nr 1 des Änderungstarifvertrages Nr 4 zum BAT-O vom 25. April 1994.
Normenkette
TVG § 1 Abs. 2; BGB § 126 Abs. 2; BAT-O § 3 Buchst. g; HSchulPersÜG BE § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten, soweit es für die Revisionsinstanz noch von Interesse ist, darüber, ob dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O zusteht.
Der am 14. August 1957 geborene Kläger, der der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften als Mitglied angehört, ist Tierarzt. Er war seit dem 1. September 1986 als Wissenschaftlicher Assistent in der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin der H -Universität zu B beschäftigt. Ab 1. Juli 1991 erhielt er Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O. Durch den Änderungsvertrag der damaligen Arbeitsvertragsparteien vom 25. September 1991 wurde ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. September 1991 auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Obgleich darin die Zahlung von Vergütung entsprechend der Besoldungsgruppe C 1 der Bundesbesoldungsordnung vereinbart worden ist, erhielt der Kläger weiter Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O.
Am 21. Juni 1992 trat in Berlin das Hochschulpersonal-Übernahmegesetz (HPersÜG) vom 11. Juni 1992 in Kraft, am 3. Juli 1992 das Gesetz zur Fusion der Fachbereiche Veterinärmedizin, Lebensmitteltechnologie und Agrarwissenschaft in Berlin (Fusionsgesetz FusG) vom 23. Juni 1992. Im Hinblick auf die in dem letztgenannten Gesetz angeordnete Zusammenführung der Fachbereiche Veterinärmedizin der Beklagten und der H -Universität unterzeichneten die Parteien am 30. April 1993 einen bis zum 31. März 1996 befristeten Arbeitsvertrag, in dem es heißt:
§ 1
(1) Herr Dr. F wird vom 1. April 1993 an
als vollbeschäftigter Wissenschaftlicher Assi-
stent im Angestelltenverhältnis im FB Veterinär-
medizin ... eingestellt.
(2) Für das Arbeitsverhältnis gelten die Rechte
und Pflichten, die sich für Wissenschaftliche As-
sistenten aus dem Gesetz über die Hochschulen im
Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz - BerlHG)
sowie aus den zur Durchführung dieses Gesetzes
erlassenen Bestimmungen ergeben.
...
§ 2
Herr Dr. F erhält eine monatliche Vergü-
tung in Höhe der Dienstbezüge eines Beamten der
Besoldungsgruppe 1 der Bundesbesoldungsordnung C
unter entsprechender Anwendung der zweiten Besol-
dungs-Übergangsverordnung (2. BesÜV) i.V.m. der
Verordnung zur Änderung der zweiten Besoldungs--
Übergangsverordnung (Besoldungsübergangs-Ände-
rungsverordnung - BesÜÄndV).
Bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages übergab der Kläger dem Vertreter der Beklagten einen schriftlichen Vorbehalt, in dem er u. a. auf die Minderung seines Gehaltes von der VergGr. I b BAT-O auf die Besoldungsgruppe C 1 bei der Beklagten hinwies und "die Unterzeichnung des Arbeitsangebotes bzw. Arbeitsvertrages unter dem Vorbehalt der rechtlichen Klärung der Zulässigkeit der Schlechterstellung in den aufgeführten Punkten" erklärte. Die Beklagte ließ sich dadurch nicht zu einer Vertragsänderung bewegen. Der Kläger, der für die Beklagte als Wissenschaftlicher Assistent in der von dieser übernommenen im Ostteil von B gelegenen medizinischen Tierklinik/Tierpoliklinik tätig ist, erhält daher seit der Geltung dieses Vertrages Vergütung in Höhe der Besoldung der Besoldungsgruppe C 1 Bundesbesoldungsordnung.
Er vertritt die Auffassung, ihm stehe ab 1. April 1993 ein tariflicher Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. I b BAT zu.
Die Entwicklung der für Wissenschaftliche Assistenten einschlägigen Tarifbestimmungen des BAT-O stellt sich wie folgt dar:
§ 3 BAT-O
Dieser Tarifvertrag gilt nicht für
...
g) Hochschullehrer, wissenschaftliche Assisten-
ten, Lektoren, Verwalter von Stellen wissen-
schaftlicher Assistenten, wissenschaftliche
Hilfskräfte und Lehrbeauftragte an Hochschu-
len, Akademien und wissenschaftlichen For-
schungsinstituten sowie künstlerische Lehr-
kräfte an Kunsthochschulen, Musikhochschulen
und Fachhochschulen für Musik,
...
Übergangsvorschrift zu Buchst. g):
Buchstabe g) gilt erst von dem Zeitpunkt an, von
dem an in dem jeweiligen Bundesland ein dem Hoch-
schulrahmengesetz entsprechendes Hochschulrecht
in Kraft tritt. Der jeweils maßgebende Zeitpunkt
wird von den Tarifvertragsparteien festgestellt.
Durch § 1 Nr. 1 c des Änderungstarifvertrages Nr. 4 zum BAT-O vom 25. April 1994 ist die Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O mit Wirkung vom 1. Mai 1994 gestrichen worden.
In den Redaktionsverhandlungen vom 25./26. April 1994, in denen die Tarifvertragsparteien u. a. Einvernehmen über diesen Tarifvertrag erzielt haben, ist von ihnen auch die in Satz 2 der Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O vereinbarte Feststellung getroffen worden. Die von der TdL aufgenommene, von den Tarifvertragsparteien nicht unterzeichnete Niederschrift lautet diesbezüglich wie folgt (Abschnitt IV Nr. 1):
Gemäß Satz 2 der ab 1. Mai 1994 gestrichenen
Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O stel-
len die Tarifvertragsparteien fest, daß § 3
Buchst. g BAT-O in den neuen Bundesländern und in
Berlin von den nachstehenden Zeitpunkten an gilt:
Berlin mit Wirkung vom 21. Juni 1992
...
Der Kläger vertritt die Auffassung, da die Feststellung des Zeitpunktes der Geltung von § 3 Buchst. g BAT-O Tarifnormcharakter habe, bedürfe sie für ihre Wirksamkeit der Schriftform, also der Unterschriften der Tarifvertragsparteien. Überdies sei die rückwirkende Inkraftsetzung der Ausschlußnorm des § 3 Buchst. g BAT-O nicht möglich; er habe sich darauf verlassen können, daß bis zur Feststellung des Zeitpunktes durch die Tarifvertragsparteien der BAT-O zu seinen Gunsten Wirksamkeit entfalte. Er erfülle die Voraussetzungen der VergGr. I b Fallgr. 16 und/oder 18 BAT-O.
Durch gerichtlichen Teilvergleich vom 13. Dezember 1994 haben sich die Parteien im Berufungsrechtszug darauf geeinigt, daß ihr Arbeitsverhältnis bis zum 31. März 1999 mit vierjähriger Verlängerungsmöglichkeit fortbesteht.
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - hilfsweise beantragt
festzustellen, daß er ab 1. April 1993 in die
VergGr. I b der Anl. 1 a zum BAT-O eingruppiert
ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, der Kläger habe auf die Geltung des BAT-O - für seine Vergütung - nicht vertrauen können, da er bei Vertragsschluß gewußt habe, daß bezüglich der Ausschlußvorschrift des § 3 Buchst. g BAT-O eine Übergangsvorschrift gegolten habe. Er habe nach Inkrafttreten des HPersÜG im Juni 1992 wissen müssen, daß der BAT-O auf danach begründete Arbeitsverhältnisse Wissenschaftlicher Assistenten keine Anwendung mehr finde. Dem entspreche - hinsichtlich seiner Vergütung - der mit ihm geschlossene Arbeitsvertrag vom 30. April 1993.
Das Arbeitsgericht hat die den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende Eingruppierungsfeststellungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers unter deren Zurückweisung im übrigen für die Zeit bis zum 30. April 1994 nach dem Hilfsantrag erkannt und bezüglich der Entscheidung über diesen die Revision zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm auch für die Zeit ab 1. Mai 1994 Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O zu zahlen. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision insoweit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet, diejenige der Beklagten begründet. Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O ab 1. April 1993.
I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken besteht (z. B. Senatsurteil vom 19. März 1986 - 4 AZR 470/84 - AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
II. Die danach zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Ein tariflicher Anspruch des Klägers auf Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O besteht nicht, denn dieser Tarifvertrag gilt nach § 3 Buchst. g BAT-O nicht für den Kläger. Diesem steht auch nach seinem eigenen Vorbringen weder ein Anspruch nach § 6 Abs. 2 HPersÜG auf Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe zu noch hat er Anspruch darauf kraft des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
1. Als Wissenschaftlicher Assistent fällt der Kläger nach § 3 Buchst. g BAT-O nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des BAT-O. Diese Vorschrift gilt für das Land Berlin mit Wirkung vom 21. Juni 1992; an diesem Tage ist in diesem das HPersÜG in Kraft getreten.
1.1 Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, daß der Kläger als Wissenschaftlicher Assistent zu dem Personenkreis gehört, der nach § 3 g BAT-O von dessen Geltungsbereich ausgenommen ist. Daß das am 21. Juni 1992 in Kraft getretene HPersÜG ein dem Hochschulrahmengesetz entsprechendes Hochschulrecht im Sinne von Satz 1 der bei Abschluß des Arbeitsvertrages der Parteien am 30. April 1993 noch in Geltung befindlichen Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O zum Inhalt hat, ist zwischen ihnen gleichfalls nicht streitig.
1.2 Der Streit der Parteien geht vielmehr zum einen darum, ob der maßgebende Zeitpunkt des Inkrafttretens des dem Hochschulrahmengesetz entsprechenden HPersÜG von den Tarifvertragsparteien am 25./26. April 1994 überhaupt formgerecht und damit wirksam im Sinne des Satzes 2 der Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O festgestellt worden ist. Zum anderen streiten sie darüber, ob § 3 Buchst g BAT-O wegen der erst am 25./26. April 1994 von den Tarifvertragsparteien getroffenen Feststellung des Inkrafttretens eines dem Hochschulrahmengesetz entsprechenden Hochschulrechts im Lande Berlin - sollte diese formgemäß sein - ab 21. Juni 1992 und damit "rückwirkend" Geltung entfalten kann.
Im Ergebnis folgt der Senat der Auffassung der Beklagten, daß § 3 Buchst. g BAT-O zum vorgenannten Zeitpunkt in Kraft getreten ist.
1.3 Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger den Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O für die Zeit bis zum 30. April 1994 zuerkannt. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der BAT-O habe kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das am 1. April 1993 von den Parteien begründete Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden. Zwar gelte nach § 3 Buchst. g BAT-O dieser Tarifvertrag nicht für Wissenschaftliche Assistenten. Das Inkrafttreten dieser Ausnahmevorschrift sei nach der einschlägigen Übergangsvorschrift aber bis zu dem Zeitpunkt hinausgeschoben gewesen, von dem an in dem jeweiligen Bundesland ein dem Hochschulrahmengesetz entsprechendes Hochschulrecht in Kraft trete. Außerdem habe die einschlägige Übergangsvorschrift in Satz 2 vorgesehen, daß der jeweils maßgebende Zeitpunkt von den Tarifvertragsparteien festgestellt werde. Diese Feststellung habe nicht der Schriftform gemäß § 1 Abs. 2 TVG bedurft. Denn die maßgebende inhaltliche Regelung der Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O sei in ihrem Satz 1 geregelt. Die von den Tarifvertragsparteien nach Satz 2 der Übergangsvorschrift noch zu treffende "Feststellung des maßgebenden Zeitpunktes" habe offenbar nur von den Tarifvertragsparteien für möglich gehaltene Unklarheiten darüber beseitigen sollen, welche von den einzelnen Bundesländern zu erlassenden Rechtsvorschriften als "ein dem Hochschulrahmengesetz entsprechendes Hochschulrecht" anzusehen seien. Zwar hätten die Tarifvertragsparteien den Zeitpunkt für das Land Berlin auf den 21. Juni 1992 und damit auf den Tag des Inkrafttretens des HPersÜG festgestellt. Da diese Feststellung jedoch erst im April 1994 erfolgt sei, könne sie das seit dem 1. April 1993 zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mehr erfassen. Mangels einer entsprechenden Feststellung der Tarifvertragsparteien habe der Kläger bei Abschluß des Arbeitsvertrages am 30. April 1993 darauf vertrauen dürfen, daß der BAT-O im vollen Umfang auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finde und die für ihn nachteiligen Bestimmungen des Arbeitsvertrages verdränge. Nach den Grundsätzen der Rückwirkung von belastenden Tarifnormen hätten die tarifunterworfenen Arbeitnehmer im April 1993, d. h. zehn Monate nach Inkrafttreten des "entsprechenden Hochschulrechts" im Juni 1992, mit einer "rückwirkenden" Feststellung nicht mehr rechnen müssen; erst recht hätten die Tarifvertragsparteien das inzwischen gewachsene Vertrauen in die Geltung des BAT-O auch für Wissenschaftliche Assistenten nicht durch eine erst im April 1994 mit Rückwirkung auf Juni 1992 getroffene Feststellung enttäuschen dürfen. Ab dem 1. Mai 1994 sei die verdrängende Wirkung des BAT-O gegenüber der vertraglichen Regelung dadurch entfallen, daß die Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O gemäß § 1 Nr. 1 c des Änderungstarifvertrages Nr. 4 zum BAT-O vom 25. April 1994 mit Wirkung vom 1. Mai 1994 gestrichen worden sei. Deshalb sei die Ausnahmevorschrift des § 3 Buchst. g BAT-O anzuwenden, so daß der BAT-O ab 1. Mai 1994 auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht mehr anwendbar sei. Die ursprünglich verdrängte vertragliche Regelung lebe wieder auf.
1.4 Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, soweit es eine unwirksame "rückwirkende" Feststellung der Geltung des § 3 Buchst. g BAT-O annimmt. Im übrigen ist ihm zu folgen.
1.4.1 Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht darin, daß die von den Tarifvertragsparteien in Ausführung von Satz 2 der früheren Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O getroffene Feststellung des Inkrafttretens eines dem Hochschulrahmengesetz entsprechenden Hochschulrechts im Lande Berlin nicht der Schriftform im Sinne von § 126 Abs. 2 BGB bedurfte, also der Unterzeichnung des Vertrages durch beide Parteien, die § 1 Abs. 2 TVG für Tarifverträge vorschreibt. Diesem Formerfordernis entspricht die von den Tarifvertragsparteien am 25./26. April 1994 getroffene Feststellung der Geltung des § 3 Buchst. g BAT-O im Lande Berlin ab 21. Juni 1992 nicht. Denn die von der TdL aufgenommene Niederschrift über die Redaktionsverhandlungen der Tarifvertragsparteien vom 25./26. April 1994, in denen sie die in Satz 2 der Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O vorgesehene Feststellung getroffen haben, ist nicht von den Tarifvertragsparteien, sondern lediglich von dem Protokollführer der TdL unterzeichnet worden.
Die von den Tarifvertragsparteien in Ausführung von Satz 2 der Übergangsvorschrift getroffene Feststellung bedurfte jedoch als deklaratorischer Akt nicht der Schriftform.
Nach § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Das Gesetz stellt das Schriftformerfordernis somit nur für vertragliche Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien auf. Um eine solche handelt es sich bei der in Satz 2 der Übergangsvorschrift vorgesehenen Feststellung der Tarifvertragsparteien nicht. Ab welchem Zeitpunkt Wissenschaftliche Assistenten usw. von der Geltung des BAT-O ausgenommen sind, haben die Tarifvertragsparteien in Satz 1 der Übergangsvorschrift vereinbart. In diesem ist der Geltungsbeginn des § 3 Buchst. g BAT-O tatbestandlich mit nicht weiter ergänzungsbedürftigem Inhalt bestimmt. Er soll erst von dem Zeitpunkt an gelten, "von dem an in dem jeweiligen Bundesland ein dem Hochschulrahmengesetz entsprechendes Hochschulrecht in Kraft tritt". Diese Vorschrift bedurfte keiner ergänzenden vertraglichen Regelung der Tarifvertragsparteien. Eine solche haben sie auch nicht in Satz 2 der Übergangsvorschrift zu § 3 Buchst. g BAT-O vorgesehen. Denn dieser lautet nicht, daß der jeweils maßgebende Zeitpunkt des Inkrafttretens eines dem Hochschulrahmengesetz entsprechenden Hochschulrechts zwischen den Tarifvertragsparteien noch "vereinbart" wird; vielmehr haben die Tarifvertragsparteien bestimmt, daß dieser von ihnen "festgestellt" wird. Feststellen bedeutet "etwas ermitteln" (Brockhaus/Wahrig, 1981, Stichwort: "Feststellen", S. 726). Die Feststellung spricht aus, was ist, ist also deklaratorisch (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 94 I 1). Dementsprechend erschöpft sich das Feststellungsurteil in der deklaratorischen, rechtsbezeugenden Feststellung (Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., vor § 253 Rz 5; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 253 Vorbem. Rz 4).
Soweit sich die Tarifvertragsparteien der juristischen Fachsprache bedienen, ist davon auszugehen, daß sie diese in deren Sinn verwenden (z. B. Urteil des Senats vom 19. August 1987 - 4 AZR 128/87 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fernverkehr). Es besteht kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß die Tarifvertragsparteien des BAT-O zwischen einer noch zu treffenden Vereinbarung und der von ihnen vereinbarten zu treffenden Feststellung zu unterscheiden wissen. Anhaltspunkte dafür, sie hätten entgegen dem Wortlaut des Satzes 2 der Übergangsvorschrift den Willen gehabt, über den Zeitpunkt des Beginns der Geltung des § 3 Buchst. g BAT-O eine Vereinbarung zu treffen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr verstehen sie, wie die tatsächliche Umsetzung des Satzes 2 der Übergangsvorschrift am 25./26. April 1994 zeigt, die darin vorgesehene Feststellung nicht als tarifvertragliche Normsetzung im Sinne von § 1 Abs. 2 TVG.
Die vereinbarte Feststellung verfolgte ersichtlich nur den Zweck, eine Hilfe für die Anwendung des Tarifvertrages zu geben, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat. Diesem Zweck dienende Niederschriftserklärungen, auch wenn sie zwischen den Tarifvertragsparteien abgestimmt sind, rechnen nicht zum Tarifinhalt, wenn sie diesem nicht beigefügt sind (BAG Urteil vom 27. August 1986 - 8 AZR 397/83 - AP Nr. 28 zu § 7 BUrlG Abgeltung; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 1 Rz 234 a, 235; Däubler, TVG, 3. Aufl., Abschn. D I 2 Nr. 114).
1.4.2 Das Inkrafttreten des HPersÜG am 21. Juni 1992 hat die Geltung des § 3 Buchst. g BAT-O zur Folge gehabt, ohne daß es dazu als weitere Voraussetzung der in Satz 2 der Übergangsvorschrift vorgesehenen Feststellung dieses Zeitpunktes durch die Tarifvertragsparteien bedurfte. Hat die von den Tarifvertragsparteien am 25./26. April 1994 getroffene Feststellung nur rechtsbezeugenden, deklaratorischen Charakter, spricht sie also nur aus, was ist, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgeht, stellt sich nicht das Problem der Zulässigkeit rückwirkender tarifvertraglicher Regelungen, auf das es ausführlich eingeht.
Mit dem Inkrafttreten des Berliner HPersÜG vom 11. Juni 1992 am 21. Juni 1992 gilt nach Satz 1 der Übergangsvorschrift der § 3 Buchst. g BAT-O, also seit diesem Zeitpunkt ohne Rückwirkung. Lediglich die Feststellung dieses Zeitpunktes ist von den Tarifvertragsparteien erst später, nämlich am 25./26. April 1994 getroffen worden. Als deklaratorische Feststellung hat diese aber keine Rückwirkung entfaltet, sondern durch sie sind die Tarifunterworfenen lediglich erst mit zeitlicher Verzögerung darüber ins Bild gesetzt worden, welchen Zeitpunkt die Tarifvertragsparteien übereinstimmend als maßgebend für den Beginn der Geltung des § 3 Buchst. g BAT-O ansehen.
Es besteht auch kein sachlicher Grund, die zeitlich verzögerte deklaratorische Feststellung wegen der Besonderheiten des Einzelfalles den Regeln zu unterwerfen, die für die Rückwirkung tarifvertraglicher Normen gelten. Die Rechtsanwendung des Satzes 1 der Übergangsregelung stellt die Tarifunterworfenen keineswegs vor besondere Schwierigkeiten. Der Tatbestand, der den Beginn der Geltung des § 3 Buchst. g BAT-O zur Folge hat, ist ausreichend deutlich beschrieben. Der Kläger hat auch selbst nicht geltend gemacht, es habe erhebliche Unsicherheiten bei der Anwendung gegeben.
Das am 20. Juni 1992 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin verkündete HPersÜG muß der Kläger für sich gelten lassen. Dieses regelt die Übernahme des hauptberuflich beschäftigten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals in Rechtsverhältnisse des Berliner Hochschulgesetzes vom 12. Oktober 1990. Der Kläger ist zudem auch durch den mehr als zehn Monate später, nämlich am 30. April 1993 geschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien darüber ins Bild gesetzt worden, daß für das Arbeitsverhältnis der Parteien die Rechte und Pflichten gelten, die sich für Wissenschaftliche Assistenten aus dem Gesetz über die Hochschulen im Land Berlin sowie aus den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Bestimmungen ergeben (§ 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages). In Rechtspositionen seines Arbeitsvertrages ist nicht rückwirkend eingegriffen worden.
2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus § 6 Abs. 2 HPersÜG. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus dieser Vorschrift, nach der die nicht übernommenen, jedoch nach Maßgabe von § 4 HPersÜG weiterbeschäftigten Dienstkräfte in ihrem bisherigen Rechtsverhältnissen verbleiben, folgt, daß diese Dienstkräfte bei der Übernahme vertraglich nicht schlechtergestellt werden dürfen. Denn dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, daß er vor dem 1. April 1993 Anspruch auf eine höhere Vergütung als diejenige nach der Besoldungsgruppe C 1 der Bundesbesoldungsordnung hatte. In seinem Arbeitsvertrag mit der H -Universität vom 25. September 1991 ist zwischen den damaligen Arbeitsvertragsparteien die Zahlung von Vergütung nach der "VergGr. C 1" der Bundesbesoldungsordnung vereinbart worden. Zwar hat der Kläger tatsächlich in der Zeit vom 1. Juli 1991 bis 31. März 1993 Vergütung nach der VergGr. I b der Anl. 1 a zum BAT-O erhalten. Auf welchen Gründen dies beruht, hat der Kläger nicht näher erläutert. Insbesondere hat er es versäumt darzulegen, inwiefern durch die tatsächliche Abweichung von der Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 25. September 1991 ein durch § 6 Abs. 2 HPersÜG geschützter vertraglicher Anspruch auf Zahlung von Vergütung nach der VergGr. I b BAT-O zur Entstehung gelangt ist.
3. Auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt der Anspruch auf die vom Kläger geforderte Vergütung nicht. Der Kläger hat zwar in der Verhandlung vor dem Senat diesen rechtlichen Gesichtspunkt angesprochen. Es fehlt jedoch jeglicher Tatsachenvortrag des Klägers zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung ihrer Wissenschaftlichen Mitarbeiter durch die Beklagte und demzufolge an diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2, § 91 a, § 97 Abs. 1 ZPO.
Schaub Schneider Bott
Müller-Tessmann J. Ratayczak
Fundstellen
Haufe-Index 439122 |
BB 1997, 268 (L1-2) |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 33/97 (L1-2) |
NZA 1997, 556 |
NZA 1997, 556-558 (LT1-2) |
RdA 1997, 189 (L1-2) |
ZAP-Ost, EN-Nr 52/97 (S) |
ZTR 1997, 121-123 (LT1-2) |
AP § 1 TVG (L1-2), Nr 28 |
AP § 3 BAT-O (LT1-2), Nr 1 |
AR-Blattei, ES 1550.14 Nr 20 (LT1-2) |
ArbuR 1997, 124 (L1-2) |
EzA-SD 1997, Nr 2, 16 (L1-2,S1) |
EzA § 1 TVG Form, Nr 2 (LT1-2) |
EzBAT § 3 Buchst g BAT, Nr 6 (LT1-2) |
NJ 1997, 274-275 (LT1-2) |
RAnB 1997, 191 (L) |