Entscheidungsstichwort (Thema)
BAT-O - räumlicher Geltungsbereich
Leitsatz (redaktionell)
1. Der räumliche Geltungsbereich des BAT-O wird dadurch bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis in dem in Art 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet begründet ist (§ 1 Abs 1 BAT-O). Dies ist der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis einen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch besteht.
2. Wurde ein Angestellter für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, so ist dieser Bezug gegeben.
3. Auf Ort und Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses, den Wohnort des Angestellten und darauf, ob die Beschäftigungsdienststelle ihren Sitz im Beitrittsgebiet hat, kommt es nicht an.
Normenkette
BAT-O § 1 Abs. 1 Buchst. a.F.assung 1990-12-10
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 oder der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung findet. Der Kläger ist Angestellter im Umweltbundesamt und Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), die ebenso wie die Beklagte Partei beider Tarifverträge ist.
Aus Anlaß der deutschen Einheit wurden dem Umweltbundesamt zusätzliche Stellen für Bewerber aus dem Beitrittsgebiet zur Verfügung gestellt. Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1991 - zunächst befristet und ab 1. Juni 1992 auf unbestimmte Zeit - im Fachbereich I des Umweltbundesamtes beschäftigt. Dieser Fachbereich ist im Dienstgebäude Mauerstraße 45 - 52 im ehemaligen Berlin-Ost untergebracht. Die Fachbereiche II und III sowie die zentrale Verwaltungsabteilung des Umweltbundesamtes befinden sich im Dienstgebäude Bismarckplatz 1 im ehemaligen Berlin-West. Die Beklagte wendet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers den BAT-O an.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf sein Arbeitsverhältnis sei der BAT anzuwenden, der - unstreitig - günstigere Arbeitsbedingungen enthält als der BAT-O.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß auf das Beschäftigungsverhält-
nis zwischen ihm und der Beklagten der Bundes--
Angestelltentarifvertrag (BAT) sowie die diesen
ergänzenden und ändernden Tarifverträge in der
jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, der BAT-O sei anzuwenden, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers im Beitrittsgebiet begründet sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und auf Antrag der Beklagten die Sprungrevision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision hat Erfolg. Sie führt zur Klageabweisung.
I. Das Arbeitsgericht hat angenommen, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde der BAT Anwendung, weil es nicht gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a BAT-O im Beitrittsgebiet begründet sei. Im Beitrittsgebiet begründet seien nur Arbeitsverhältnisse, die in diesem Gebiet ihren rechtlichen Mittelpunkt hätten. Dieser befinde sich jedoch für das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht in Berlin-Ost, sondern in Berlin-West, weil die Dienststelle des Klägers dort ihren Sitz habe.
Diese Ausführungen des Arbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT-O Anwendung.
Gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für die Arbeitnehmer des Bundes, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (künftig: Beitrittsgebiet) begründet sind. Beide Voraussetzungen erfüllt das Arbeitsverhältnis des Klägers.
1. Der Kläger fällt unter den persönlichen Geltungsbereich des BAT-O. Er wird aufgrund des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrags vom 3. März 1992 als Angestellter der Beklagten in einer angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit beschäftigt.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch im Beitrittsgebiet begründet und unterliegt damit dem räumlichen Geltungsbereich des BAT-O, weil der Kläger für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt worden ist und dort auf unbestimmte Zeit beschäftigt wird.
a) Die Tarifparteien haben für die Geltung des BAT-O darauf abgestellt, daß die Arbeitsverhältnisse "in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begründet sind". Wann dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.
aa) Der erkennende Senat hat ohne nähere Begründung und nicht tragend diese Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis bejaht, das vor der deutschen Einheit zur Post der ehemaligen DDR begründet worden und gemäß Art. 13 Abs. 2 Einigungsvertrag auf die dortige Beklagte überführt worden war (BAG Urteil vom 30. Juli 1992 - 6 AZR 11/92 - AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Im Beitrittsgebiet begründet ist ein Arbeitsverhältnis jedoch nicht nur dann, wenn es bereits vor der deutschen Einheit bestand. Dies folgt daraus, daß § 1 Abs. 1 BAT-O ausdrücklich auf das "in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet" und nicht etwa auf das Gebiet der ehemaligen DDR abstellt. Aber auch aus dem übrigen Tarifwortlaut ("deren Arbeitsverhältnisse ... begründet sind") ist zu entnehmen, daß es nicht darauf ankommt, in welchem Zeitpunkt der Vergangenheit das Arbeitsverhältnis errichtet wurde und ob dieser vor oder nach der deutschen Einheit lag. Der Anwendung des BAT-O steht somit nicht entgegen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem Tag der deutschen Einheit, dem 3. Oktober 1990, geschlossen wurde. Dies hat das Arbeitsgericht richtig angenommen.
bb) Zu Recht hat das Arbeitsgericht es auch für unerheblich gehalten, daß der Arbeitsvertrag nach den bindenden Feststellungen des Arbeitsgerichts im Dienstgebäude am Bismarckplatz und somit im ehemaligen Berlin-West abgeschlossen wurde.
Aus der zuletzt genannten Stelle des Tarifwortlauts ("begründet sind") ist zu entnehmen, daß der Akt der Errichtung des Arbeitsverhältnisses nicht nur, was seinen Zeitpunkt (vgl. oben aa), sondern auch was seinen Ort anbelangt unmaßgeblich sein soll. Der Gegenwartsbezug des Tarifmerkmals läßt vielmehr erkennen, daß es für die Geltung des BAT-O ausreicht, wenn das Arbeitsverhältnis gegenwärtig einen Bezug zum Beitrittsgebiet hat. Dafür, ob dies der Fall ist, kann es nicht auf den vom Arbeitsgericht mit Recht als zufällig bezeichneten Ort des Arbeitsvertragsschlusses ankommen, ebensowenig auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers.
cc) Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist im Beitrittsgebiet begründet, weil es einen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch vorhanden ist.
Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "begründet ist", daß der Grund für etwas gelegt wird (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1980). Kommt es aber darauf an, daß das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet seinen Grund hat, dann kommt diesem Gebiet für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs des BAT-O schon vom Tarifwortlaut her entscheidende Bedeutung zu. Dem BAT-O unterfallende Arbeitsverhältnisse sind somit dadurch gekennzeichnet, daß sie einen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweisen, wobei dieser, wie sich aus der von den Tarifparteien gewählten Gegenwartsform ergibt, gegenwärtig noch fortbestehen muß. Entfallen aber, wie dargelegt, für die Beurteilung Zeitpunkt und Ort des Arbeitsvertragsschlusses als Anknüpfungspunkte, so kommt entscheidend in Betracht, ob der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses im Beitrittsgebiet liegt und ob das Arbeitsverhältnis dort gegenwärtig durchgeführt wird, ob der Angestellte also ständig im Beitrittsgebiet beschäftigt wird. Beides trifft für das Arbeitsverhältnis des Klägers zu.
Nach den bindenden Feststellungen des Arbeitsgerichts wird der Kläger deshalb im Dienstgebäude des Umweltbundesamtes im ehemaligen Berlin-Ost beschäftigt, weil dem Umweltbundesamt Stellen zur Verfügung gestellt worden sind, um Bewerber aus dem Beitrittsgebiet beschäftigen zu können. Der Kläger gehörte zu den Bewerbern, denen vom Zeitpunkt der Einstellung an ein Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet übertragen wurde. Der dadurch begründete Bezug seines Arbeitsverhältnisses zum Beitrittsgebiet ist auch gegenwärtig noch vorhanden, weil der Kläger nach wie vor ständig im Dienstgebäude Mauerstraße arbeitet.
b) Zu Unrecht will das Arbeitsgericht auf das Arbeitsverhältnis den BAT anwenden, weil sich die Dienststellenleitung des Umweltbundesamtes im Gebäude Bismarckplatz befindet und somit die Arbeitsplätze im Gebäude Mauerstraße keine eigene Dienststelle bildeten.
Diese Betrachtungsweise verkennt Sinn und Zweck der Regelung des § 1 Abs. 1 BAT-O. Ausgangspunkt dieser Regelung ist, daß der BAT nur in den alten Bundesländern gilt. Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag hat die Erstreckung tariflicher Arbeitsbedingungen auf das Beitrittsgebiet von einer ausdrücklichen - bisher für den BAT nicht getroffenen - Vereinbarung der Tarifparteien abhängig gemacht. Dadurch wurde den Tarifparteien die Möglichkeit eröffnet, durch vorübergehende unterschiedliche Tarifregelungen den unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in den alten und den neuen Bundesländern Rechnung zu tragen. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifparteien des BAT-O Gebrauch gemacht. Bezwecken dessen Regelungen somit, den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen im Beitrittsgebiet bis zur vollen Übernahme der Arbeitsbedingungen des BAT Rechnung zu tragen, so kann für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs des BAT-O nicht auf den Sitz der Dienststelle, sondern nur auf die Lage des Arbeitsplatzes als der Stelle, an der die Arbeit auf Dauer zu leisten ist, abgestellt werden. Auf unbestimmte Zeit zu leisten ist die Arbeit im Beitrittsgebiet auch dann, wenn der Arbeitsplatz - wie der Kläger vorträgt - nur vorübergehend bestehen sollte. Insoweit kommt es allein auf den Inhalt des Arbeitsvertrages an. Da der Arbeitsvertrag des Klägers keine zeitliche Begrenzung der Tätigkeit am Ort des Arbeitsverhältnisses im Beitrittsgebiet enthält, hat der Kläger die Arbeit auf Dauer im Beitrittsgebiet zu leisten.
3. Der von der Revisionserwiderung gerügte Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Im Hinblick auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse in den alten Bundesländern und im Beitrittsgebiet ist es nicht sachwidrig, für eine Übergangszeit den auseinanderklaffenden Grundbedingungen entsprechende unterschiedliche Tarifregelungen zu vereinbaren.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Peifer Dr. Jobs Dr. Armbrüster
Bengs Elias
Fundstellen
Haufe-Index 440865 |
BAGE 76, 57-62 (LT1-3) |
BAGE, 57 |
BB 1994, 1642 |
BB 1994, 1785 |
BB 1994, 1785-1786 (LT1-3) |
DB 1994, 2037-2038 (LT1-3) |
EBE/BAG 1994, 146-147 (LT1-3) |
D-spezial 1994, Nr 12, 8 (T) |
NZA 1995, 133 |
NZA 1995, 133-134 (LT1-3) |
ZAP-Ost, EN-Nr 171/94 (S) |
ZTR 1994, 461-462 (LT1-3) |
AP § 1 BAT-O (LT1-3), Nr 1 |
EzA § 4 TVG Geltungsbereich, Nr 4 (LT1-3) |
EzBAT § 1 BAT Allg. Geltungsbereich, Nr 4 (LT1-3) |
MDR 1994, 1226-1227 (ST) |
NJ 1994, 542-543 (LT) |
PersR 1994, 535-536 (LT1-3) |
VersorgVerw 1996, 31 (L) |
ZfPR 1995, 22 (L) |