Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungszulage bei Abwesenheitsvertretung
Leitsatz (redaktionell)
Vertretungszulage nach § 24 Abs. 2 BAT für einen Angestellten, der arbeitsvertraglich zur Abwesenheitsvertretung verpflichtet ist und vorübergehend zeitlich überwiegend Vertretungsaufgaben wahrnimmt.
Normenkette
BGB § 242; BAT § 24
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 23.07.1991; Aktenzeichen 8 Sa 403/91) |
ArbG Wuppertal (Urteil vom 29.01.1991; Aktenzeichen 7 Ca 1950/90) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Juli 1991 – 8 Sa 403/91 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger eine tarifliche Vertretungszulage zusteht.
Der Kläger ist bei dem Beklagten als Angestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der Fassung des Tarifvertrages für den Bundesverband für den Selbstschutz vom 17. Mai 1982 Anwendung. Der Kläger erhält Vergütung nach VergGr. V b BAT.
Der Kläger ist in der Dienststelle W. als Fachbearbeiter beschäftigt. Nach Ziffer 5.1.2 der vorläufigen Dienstvorschrift Nr. 5 für den Dienstbetrieb an den Dienststellen des Beklagten wird der Dienststellenleiter bei Abwesenheit und während seines Urlaubs durch den Fachbearbeiter vertreten. Bei Abwesenheit über einen längeren Zeitraum wird ein Vertreter auf Vorschlag der Landesstelle durch die Bundeshauptstelle bestimmt.
Mit Wirkung vom 1. Juni 1989 wurde der Dienststellenleiter der Dienststelle W. zur Landesstelle Essen abgeordnet. Mit Schreiben vom 19. Juni 1989 wurde der Leiter der Dienststelle H., der Zeuge St., zusätzlich mit der vertretungsweisen Wahrnehmung der Aufgaben des Leiters der Dienststelle W. beauftragt. Mit Wirkung zum 1. April 1990 wurde die Stelle des Dienststellenleiters der Dienststelle W. neu besetzt. Der Dienststellenleiter erhält Vergütung nach VergGr. IV a BAT.
Der Kläger begehrt für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 31. März 1990 die Zahlung einer Zulage nach § 24 BAT in Höhe des Differenzbetrages zwischen seiner Vergütung nach VergGr. V b BAT und der Vergütung nach VergGr. IV a BAT.
Die tarifliche Bestimmung des § 24 BAT hat, soweit sie vorliegend von Interesse ist, folgenden Wortlaut:
§ 24 Vorübergehende Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit.
(1) Wird dem Angestellten vorübergehend eine andere Tätigkeit (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1) übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner Vergütungsgruppe entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 bis 5), und hat er sie mindestens einen Monat ausgeübt, erhält er für den Kalendermonat, in dem er mit der ihm übertragenen Tätigkeit begonnen hat, und für jeden folgenden vollen Kalendermonat dieser Tätigkeit eine persönliche Zulage.
(2) Wird dem Angestellten vertretungsweise eine andere Tätigkeit (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1) übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner Vergütungsgruppe entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 bis 5), und hat die Vertretung länger als drei Monate gedauert, erhält er nach Ablauf dieser Frist eine persönliche Zulage für den letzten Kalendermonat der Frist und für jeden folgenden vollen Kalendermonat der weiteren Vertretung. …
(3) Die persönliche Zulage bemißt sich aus dem Unterschied zwischen der Vergütung, die dem Angestellten zustehen würde, wenn er in der höheren Vergütungsgruppe eingruppiert wäre, und der Vergütung der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist.
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe eine Zulage nach § 24 BAT deshalb zu, weil er während der Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 31. März 1990 überwiegend die Dienstaufgaben des Dienststellenleiters der Dienststelle W. wahrgenommen habe. Der von dem Beklagten mit der Vertretung des Dienststellenleiters beauftragte Zeuge St. habe diese Tätigkeit wegen der ihm ebenfalls obliegenden Leitung der Dienststelle H. nur zu weniger als 50 v. H. seiner Arbeitszeit ausüben können. Da der Beklagte dies von vornherein habe erkennen können, sei der Anspruch zumindest nach Treu und Glauben begründet.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis 31. März 1990 eine persönliche Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen der VergGr. V b Fallgruppe 2 und der VergGr. IV a des BVS-Tarifvertrages in der Fassung vom 17. Mai 1982 zu zahlen und die nachzuzahlenden Beträge jeweils ab Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte vertritt die Auffassung, dem Kläger stehe ein Anspruch auf die Zulage nicht zu. Dem Kläger sei die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienststellenleiters weder vorübergehend noch vertretungsweise übertragen worden. Mit der Vertretung des Dienststellenleiters sei der Zeuge St. beauftragt worden. Dieser habe die Dienstaufgaben des Dienststellenleiters auch zeitlich überwiegend wahrgenommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 31. März 1990 ein Anspruch auf eine Zulage nach § 24 BAT nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, die tariflichen Voraussetzungen nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BAT seien nicht erfüllt. Zwar habe ein Vertretungsfall vorgelegen, da der bisherige Dienststellenleiter zur Landesstelle Essen abgeordnet worden sei. Die Vertretung sei jedoch nicht dem Kläger, sondern ausdrücklich dem Zeugen St. übertragen worden.
Die Übertragung der Vertretung an den Zeugen St. durch den Beklagten sei auch nicht rechtsmißbräuchlich gewesen. Eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung hätte nur dann vorgelegen, wenn der Beklagte gewußt hätte oder hätte wissen müssen, daß der Zeuge St. die Vertretung nicht wahrnehmen konnte und deshalb der Kläger die Aufgaben nahezu vollständig wahrnehmen mußte. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Der Kläger sei zur Vertretung des Dienststellenleiters bei dessen Abwesenheit verpflichtet gewesen. Auch wenn die Vertretungstätigkeit im Klagezeitraum überwogen hätte, läge noch keine rechtsmißbräuchliche Übertragung der Vertretung an den Zeugen St. vor, da es im Ermessen des Klägers gelegen habe, welche Aufgaben er bei Abwesenheit des Zeugen St. erledigte und welche er diesem zur Bearbeitung überließ.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf eine Zulage nach § 24 BAT nicht zu.
1. Die tariflichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT liegen nicht vor. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die vom Kläger mit der Revision nicht angegriffen werden, ist dem Kläger die vorübergehende Wahrnehmung der Tätigkeit des Dienststellenleiters, die den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr. IV a BAT entspricht, nicht übertragen worden. Diese Tätigkeit ist durch die Bundeshauptstelle der Beklagten vielmehr ausdrücklich dem Leiter der Dienststelle H, dem Zeugen St., übertragen worden. Dies entspricht auch der Ziffer 5.1.2 Satz 2 der vorläufigen Dienstvorschrift, die im Falle einer längeren Abwesenheit des Dienststellenleiters die Bestimmung eines Vertreters durch die Bundeshauptstelle vorsieht.
2. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß auch die tariflichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf eine Zulage nach § 24 Abs. 2 BAT nicht vorliegen. Dem Kläger ist die Tätigkeit des Dienststellenleiters auch nicht vertretungsweise übertragen worden.
a) Zwar lag in der Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 31. März 1990 ein Fall der Vertretung i.s. von § 24 Abs. 2 BAT vor, da der bisherige Dienststellenleiter wegen seiner Abordnung zur Landesstelle Essen die ihm übertragene Tätigkeit vorübergehend nicht wahrnehmen konnte (vgl. BAG Urteil vom 25. Oktober 1967 – 4 AZR 12/67 – AP Nr. 1 zu § 24 BAT und BAGE 24, 452 = AP Nr. 2 zu § 24 BAT); die Vertretung ist jedoch nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem Zeugen St. und nicht dem Kläger übertragen worden.
b) Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, daß ihm ein Anspruch nach § 24 Abs. 2 BAT deshalb zustehe, weil ihm arbeitsvertraglich die Vertretung des Dienststellenleiters übertragen worden sei und er diese Tätigkeit im Klagezeitraum überwiegend ausgeübt habe. Damit kann er jedoch keinen Erfolg haben.
Zwar trifft es zu, daß die Vertretung des Dienststellenleiters bei Abwesenheit und im Urlaub dem Kläger nach Ziffer 5.1.2 Satz 1 der vorläufigen Dienstvorschrift arbeitsvertraglich übertragen ist. Insoweit liegt jedoch nicht die vertretungsweise Übertragung einer anderen Tätigkeit i.S. von § 24 Abs. 2 Satz 1 BAT, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner Vergütungsgruppe entspricht, vor. Auf den zeitlichen Umfang der Ausübung dieser Tätigkeit kommt es deshalb nicht an.
Die Vertretung des Dienststellenleiters im Falle der Abwesenheit und des Urlaubs gehört zu der vom Kläger auf Dauer auszuübenden Tätigkeit. Sie ist deshalb in die tarifliche Bewertung seiner Tätigkeit bei der Eingruppierung mit einzubeziehen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT; vgl. BAG Urteil vom 5. September 1973 – 4 AZR 549/72 – AP Nr. 3 zu § 24 BAT; Urteil vom 29. September 1982 – 4 AZR 1161/79 – AP Nr. 66 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Deshalb stellt dieser Teil seiner Tätigkeit keine „andere Tätigkeit” i.S. von § 24 Abs. 2 BAT dar. Die Abwesenheitsvertretung wird auch dann nicht zu einer „anderen Tätigkeit”, wenn sie für einen vorübergehenden Zeitraum zeitlich überwiegt. Da der Beklagte dem Zeugen St. die Vertretung des Dienststellenleiters übertragen hatte und der Kläger diesen in Ausübung seiner auf Dauer übertragenen Aufgabe bei Abwesenheit vertrat, vermag diese Abwesenheitsvertretung deshalb einen Anspruch auf die Zulage nach § 24 Abs. 2 BAT nicht zu begründen (vgl. BAG Urteil vom 25. Februar 1987 – 4 AZR 217/86 – AP Nr. 14 zu § 24 BAT).
3. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer rechtsmißbräuchlichen Verwendung der Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT begründet.
Der Kläger macht selbst nicht geltend, daß ihm die Vertretung des Dienststellenleiters auf Dauer hätte übertragen werden müssen (vgl. BAG Urteil vom 10. Februar 1988 – 4 AZR 585/87 – AP Nr. 15 zu § 24 BAT, m.w.N.; Urteil vom 16. Januar 1991 – 4 AZR 301/90 – AP Nr. 3 zu § 24 MTA, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Deshalb kommt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt, eine rechtsmißbräuchliche Verwendung der Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT allenfalls unter dem Gesichtspunkt in Betracht, daß die vertretungsweise Übertragung einer Tätigkeit an einen Angestellten erfolgt ist, der diese Tätigkeit gar nicht wahrnehmen kann, und sie deshalb notwendigerweise von einem anderen Angestellten wahrgenommen werden muß.
Ein rechtsmißbräuchliches Verhalten des Beklagten bei der Übertragung der vertretungsweisen Wahrnehmung der Aufgaben des Dienststellenleiters an den Zeugen St. verneint das Landesarbeitsgericht jedoch mit der Begründung, daß der Zeuge St. die Aufgaben des Dienststellenleiters der Dienststelle W wahrnehmen konnte und die Übertragung der Vertretung an ihn auch deshalb nicht rechtsmißbräuchlich gewesen wäre, wenn der Kläger tatsächlich überwiegend die Aufgaben des Dienststellenleiters wahrgenommen haben sollte. Dies folge daraus, daß dem Kläger die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienststellenleiters bei dessen Abwesenheit als Daueraufgabe oblegen und es in seinem Ermessen gestanden habe, in welchem Umfange er diese Aufgaben bei Abwesenheit des Zeugen St. erledigte oder nicht.
Diese Begründung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Zeuge St. Vertretungsaufgaben wahrgenommen und hätte sie auch in erweitertem Umfange wahrnehmen können und müssen, wenn sie nicht vom Kläger in seiner Funktion als Abwesenheitsvertreter erledigt worden wären. Als Abwesenheitsvertreter hatte der Kläger insoweit einen Ermessensspielraum. Er konnte die Aufgaben des Dienststellenleiters in Vertretung des Zeugen St. wahrnehmen oder sie diesem zur Erledigung überlassen. Daraus folgert das Landesarbeitsgericht mit Recht, daß ein rechtsmißbräuchliches Verhalten des Beklagten nicht vorlag.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Der ehrenamtliche Richter Grimm ist wegen Beendigung der Amtszeit an der Unterschrift verhindert. Matthes, Stabenow
Fundstellen