Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch Kürzung bei Mutterschaftsurlaub
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Kürzungsbefugnis nach § 8d MuSchG bezieht sich auch auf tarif- und einzelvertragliche Urlaubsansprüche.
2. Für die Einschränkung des Kürzungsrechts nach § 8d MuSchG bedarf es jedenfalls einer ausdrücklichen tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Regelung.
Orientierungssatz
Auslegung des § 15 (Allgemeine Urlaubsbestimmungen) des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 1.7.1974.
Normenkette
TVG § 1; MuSchG § 8d
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 18.05.1982; Aktenzeichen 11 Sa 1601/81) |
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 22.10.1981; Aktenzeichen 1 Ca 351/81) |
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 13. Juni 1977 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt.
Am 5. Mai 1980 gebar die Klägerin ein Kind und nahm nach Ablauf der Mutterschutzfristen in der Zeit vom 1. Juli bis 4. November 1980 Mutterschaftsurlaub in Anspruch. Seit dem 5. November 1980 hat sie ihre Tätigkeit bei der Beklagten wieder aufgenommen.
Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 1. Juli 1974 (MTV) anzuwenden. § 15 MTV lautet auszugsweise:
"I. Allgemeine Urlaubsbestimmungen
.....
4. Bei Krankheit und unbezahlter Freistellung von
der Arbeit kann, wenn die Arbeitsunterbrechung
länger als 6 zusammenhängende Kalendermonate im
Kalenderjahr dauert, der Urlaub für jeden wei-
teren angefangenen Monat um 1/12 gekürzt werden.
Dies gilt nicht bei Arbeitsunfällen im Sinne der
RVO.
.....
7. Der Urlaub muß im laufenden Urlaubsjahr gewährt
und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs
auf das nächste Urlaubsjahr ist nur ausnahmsweise
statthaft. Urlaubsansprüche erlöschen, wenn sie
nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres gel-
tend gemacht sind."
Die Beklagte kürzte den tariflichen Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 1980 von insgesamt 24 Arbeitstagen um 8 Arbeitstage. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 26. März 1981 eingereichten und am 3. April 1981 der Beklagten zugestellten Klage.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Jahr 1980 weitere acht Urlaubstage zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagziel weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die von ihr begehrten Urlaubstage nicht zu. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Beklagte wirksam den der Klägerin zustehenden Jahresurlaub um acht Tage gekürzt hat.
Die Befugnis zu dieser Kürzung ergibt sich aus § 8 d MuSchG. Nach dieser durch das Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 geschaffenen und am 1. Juli 1979 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub der Mutter für jeden Kalendermonat, für den sie Mutterschaftsurlaub in Anspruch nimmt, um ein Zwölftel kürzen. Diese Kürzungsmöglichkeit bezieht sich nicht nur auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz, sondern auch auf den einzelvertraglich vereinbarten und den durch Tarifvertrag geregelten Urlaubsanspruch (vgl. BAG Urteil vom 15. Februar 1984 - 5 AZR 192/82 - AP Nr. 1 zu § 8 d MuSchG 1968; ebenso die einhellige Meinung im Schrifttum, vgl. z. B. Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., § 8 d Rz 7; Gröninger/Thomas, MuSchG 1985, § 8 d Anm. 2 b; Meisel/Hiersemann, Nachtrag zum Mutterschutz und Mutterschaftshilfe, 2. Aufl., § 8 d MuSchG Rz 5; Zmarzlik/Zipperer, MuSchG, 3. Aufl., § 8 d Anm. 2). Voraussetzung ist damit lediglich, daß es sich um den Jahresurlaub handelt (Bulla/Buchner, aaO, § 8 d Rz 7). Von der Kürzungsmöglichkeit des § 8 d MuSchG wird daher grundsätzlich auch der nach § 15 MTV zu gewährende Erholungsurlaub erfaßt.
Entgegen der Auffassung der Revision wird die Befugnis des Arbeitgebers zur Kürzung des Urlaubsanspruchs nach § 8 d MuSchG nicht durch § 15 I Nr. 4 MTV eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob die Befugnis nach § 8 d MuSchG tarifvertraglich einschränkbar ist (vgl. BAG Urteil vom 14. November 1963 - 5 AZR 498/62 - AP Nr. 2 zu § 4 ArbPlSchG), weil § 15 I Nr. 4 MTV eine Regelung zum Mutterschaftsurlaub nicht enthält. Diese Tarifbestimmung enthält die Befugnis für den Arbeitgeber, bei Krankheit und unbezahlter Freistellung von der Arbeit den Urlaub zu kürzen. Ein solches Recht steht dem Arbeitgeber nach gesetzlichen Regelungen nicht zu. Die Bestimmung ist jedenfalls insoweit unbedenklich, als der gesetzliche Mindesturlaub davon nicht beeinträchtigt wird (vgl. dazu BAG Urteil vom 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 - BAG 45, 199). Diese zusätzliche Kürzungsbefugnis für den Arbeitgeber soll aus naheliegenden sozialpolitischen Gründen nicht gelten, wenn die Krankheit auf einem Arbeitsunfall beruht. Enthält aber die Regelung damit ein im Gesetz nicht vorgesehenes Kürzungsrecht des Arbeitgebers für Ansprüche des Arbeitnehmers, kann sie nicht zugleich die Einschränkung bzw. den zeitlichen Ausschluß eines bestehenden gesetzlichen Kürzungsrechts des Arbeitgebers zum Inhalt haben, das im übrigen bei Abschluß des Tarifvertrags noch nicht bestanden hat. Dazu hätte es jedenfalls einer weiteren Regelung bedurft, die dies ausspricht (vgl. insoweit im Ergebnis ebenso BAG vom 14. November 1963, aaO).
Die Klägerin hat im Jahre 1980 insgesamt vier volle Kalendermonate Mutterschaftsurlaub in Anspruch genommen. Damit war die Beklagte berechtigt, den der Klägerin zustehenden Erholungsurlaub von 24 Tagen um vier Zwölftel, also um acht Urlaubstage, zu kürzen. Diese Befugnis hat die Beklagte gegenüber der Klägerin ausgeübt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Dr. Blaeser Bea
Fundstellen
Haufe-Index 441585 |
BB 1986, 2063-2064 (LT1-2) |
DB 1986, 2339-2339 (LT1-2) |
RdA 1986, 338 |
RdA 1987, 60 |
AP § 8d MuSchG 1968 (LT1-2), Nr 2 |
EzA § 8 d MuSchG, Nr 2 (LT1-2) |
EzBAT § 48 BAT, Nr 2 (LT1-2) |