Entscheidungsstichwort (Thema)
Teiltheaterbetriebszulage als Fundusverwalter
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf eine anteilige Theaterbetriebszulage für einen Fundusverwalter erfordert sowohl teilweise unregelmäßige tägliche Arbeitszeit als auch teilweise nicht nur gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit.
Orientierungssatz
1. Sonntagsarbeit an nur einem Sonntag im Jahr reicht für den Anspruch auf anteilige Theaterbetriebszulage nicht aus.
2. Auslegung des Bezirks-Zusatztarifvertrages zum BAT für den Bereich des Kommunales Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen (BZT-A/NRW).
Normenkette
BAT Anlage SR; BAT § 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 03.05.1985; Aktenzeichen 16 (10) Sa 1568/84) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 31.07.1984; Aktenzeichen 5 Ca 2975/83) |
Tatbestand
Der Kläger, der der Gewerkschaft ÖTV angehört, ist seit dem 1. Januar 1980 als Fundusverwalter beim Theater der Beklagten beschäftigt. Er erhält Vergütung nach VergGr. V c BAT.
Dem Kläger obliegen die Materialbeschaffung für die Gewandabteilung und die Verwaltung des Materiallagers und des Kostümfundus. Er hat eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 Stunden. Während der Spielzeit des Theaters ist er an durchschnittlich zwei Arbeitstagen pro Woche von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr tätig. Im übrigen arbeitet er von 7.00 Uhr bis 16.30 Uhr. In der Zeit vom 1. September 1982 bis zum 31. August 1983 wurde er an einem Sonntag in der Zeit von 11.00 bis 16.00 Uhr eingesetzt, während eine Beschäftigung an Feiertagen nicht erfolgte.
Die Beklagte zahlte dem Kläger bis zum Monat August 1982 die volle Theaterbetriebszulage. Danach stellte sie die Zahlung ein.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm wenigstens die anteilige Theaterbetriebszulage in Höhe von 3,50 DM brutto für jeden Arbeitstag zustehe und hat diese für den Zeitraum vom 1. September 1982 bis zum 31. August 1983 mit seiner Klage geltend gemacht. Seine Tätigkeit als Fundusverwalter werde ebenso wie diejenige der Requisiten-, Rüst- und Magazinmeister von den Sonderregelungen für Angestellte an Theatern und Bühnen der Anlage 2 k zum BAT (SR 2 k BAT) erfaßt. In Nr. 6 SR 2 k BAT sei die Zahlung einer Theaterbetriebszulage vorgesehen, die im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, der die Beklagte angehöre, bezirklich vereinbart werde. Voraussetzung für die Zahlung der vollen Theaterbetriebszulage sei danach eine üblicherweise geteilte tägliche Arbeitszeit und nicht nur gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit. Nach § 5 Abs. 3 a) bb) des Bezirks-Zusatztarifvertrages zum BAT für den Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen (BZT-A/NRW) bestehe ein Anspruch auf eine anteilige Theaterbetriebszulage, wenn diese Voraussetzungen nur teilweise vorliegen. Dies könne nur so verstanden werden, daß es ausreichend sei, wenn nur eine Voraussetzung vorliege. Demgemäß stehe ihm die anteilige Theaterbetriebszulage zu, da seine tägliche Arbeitszeit an zwei Arbeitstagen pro Woche geteilt sei. Dieser Dienst erfordere Aufwendungen und bedinge besondere Erschwernisse, zu deren Ausgleich die Theaterbetriebszulage diene.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 791,-- DM
brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß die Tätigkeit des Klägers nicht von den Sonderregelungen für Angestellte an Theatern und Bühnen (SR 2 k BAT) erfaßt werde. Der Kläger sei nicht Requisitenmeister. Er übe vielmehr eine Mischtätigkeit aus, die neben der Fundusverwaltung reine Bürotätigkeiten umfasse. Außerdem stehe ihm kein Anspruch auf die anteilige Theaterbetriebszulage zu, weil seine Tätigkeit deren Voraussetzungen nicht erfülle. Diese erforderten kumulativ eine unregelmäßige Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit. Der Kläger werde aber an Feiertagen gar nicht eingesetzt und sei im Anspruchszeitraum nur an einem Sonntag zur Arbeitsleistung herangezogen worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, da dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Theaterbetriebszulage nicht zusteht.
Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Der Kläger ist nicht nach § 3 Buchst. c) BAT vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen, weil er nicht zum künstlerischen Theaterpersonal oder technischen Theaterpersonal mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit zählt. Die Angestellten, die nicht zu diesen Personengruppen rechnen und für die die Vorschriften des BAT somit gelten, sind in Nr. 1 Abs. 1 der Sonderregelungen für Angestellte an Theatern und Bühnen (SR 2 k BAT) ausdrücklich aufgeführt. So fallen unter die Sonderregelungen unter anderem Requisiten-, Rüst-, Magazin- und Gewandmeister und auch Verwaltungsangestellte.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Tätigkeit des Klägers als Fundusverwalter diejenige eines Verwaltungsangestellten. Unter dem Fundus eines Theaters ist der gesamte Bestand seiner Ausstattungsstücke zu verstehen. Zum Fundus gehören damit Requisiten, Dekorationen, Kostüme, Rüstungen und Waffen sowie ähnliche Ausstattungsstücke. Entsprechend differenzieren die Tarifvertragsparteien die Tätigkeit der mit diesen Ausstattungsstücken befaßten Angestellten. So bezieht sich die Tätigkeit des Magazinmeisters auf Dekorationen, die des Requisitenmeisters auf Requisiten, die des Rüstmeisters auf Rüstungen, Waffen und ähnliche Gegenstände und die des Gewandmeisters auf Kostüme, wie sich aus den Protokollerklärungen Nrn. 3, 1O, 11 und 15 zu Abschnitt VII der Anlage 1 a zum BAT (Vergütungsordnung/VKA) ergibt. Der Kläger ist überwiegend mit der Verwaltung des Kostümfundus, der Materialbeschaffung für die Gewandabteilung und der Verwaltung des Materiallagers beschäftigt. Damit übt er, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, Verwaltungstätigkeiten aus, die als Hilfstätigkeiten für den Gewandmeister anzusehen sind. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten werden aber auch Verwaltungsangestellte, die derartige Tätigkeiten ausüben, von den Sonderregelungen für Angestellte an Theatern und Bühnen erfaßt (Nr. 1 Abs. 1 SR 2 k BAT).
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer anteiligen Theaterbetriebszulage beurteilt sich demgemäß nach folgenden tariflichen Bestimmungen:
Nr. 6 SR 2 k BAT:
(1) Der Angestellte, der nicht nur gelegentlich
Sonn- und Feiertagsarbeit leisten muß und
üblicherweise unregelmäßige tägliche Arbeits-
zeiten hat, erhält eine Theaterbetriebszulage.
Bei welchen Angestellten diese Voraussetzungen
vorliegen und in welcher Höhe die Theaterbe-
triebszulage nach Abs. 2 zu zahlen ist, wird
bezirklich vereinbart.
(2) ....
Im Bereich der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände wird die Theaterzulage
bezirklich vereinbart.
Für den Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein- Westfalen bestimmt § 5 Abs. 3 des Bezirks-Zusatztarifvertrages zum BAT:
Zu Nr. 6
a) Absätze 1 und 2:
aa) Angestellte, die unter den mit dem Dienst im
Theater verbundenen besonderen Erschwernissen
arbeiten, welche die üblicherweise unregel-
mäßige tägliche Arbeitszeit (unterschiedlicher
Beginn und unterschiedliches Ende oder ge-
teilte tägliche Arbeitszeit) und die nicht
nur gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit
mit sich bringen, erhalten als Abgeltung hier-
für je Arbeitstag eine Theaterbetriebszulage
in Höhe von 6,75 DM (volle Theaterbetriebs-
zulage).
bb) Der Angestellte, der die in Satz 1 genannten
Voraussetzungen nur teilweise erfüllt, erhält
je Arbeitstag eine Theaterbetriebszulage in
Höhe von 3,5O DM (anteilige Theaterbetriebs-
zulage).
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Theaterbetriebszulage nach § 5 Abs. 3 a) bb) BZT-A/NRW nicht zusteht. Diese Vorschrift sei so auszulegen, daß ein Anspruch auf anteilige Theaterbetriebszulage nur bestehe, wenn der Angestellte üblicherweise unregelmäßige Arbeitszeit habe und außerdem zur Sonn- und Feiertagsarbeit herangezogen werde. Da der Kläger nur in Ausnahmefällen Sonntagsarbeit leiste, erfülle er diese Voraussetzungen nicht.
Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Bei der Tarifauslegung ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei sind jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden können (BAG 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Der Wortlaut des als Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte anteilige Theaterbetriebszulage allein heranzuziehenden § 5 Abs. 3 a) bb) BZT-A/NRW verlangt eine teilweise Erfüllung der einen Anspruch auf Zahlung der vollen Theaterbetriebszulage begründenden Voraussetzungen. Die volle Theaterbetriebszulage ist dann zu zahlen, wenn der Angestellte üblicherweise unregelmäßige Arbeitszeit (unterschiedlicher Beginn und unterschiedliches Ende oder geteilte tägliche Arbeitszeit) hat und nicht nur gelegentlich Sonn- und Feiertagsarbeit leistet. Die in § 5 Abs. 3 a) bb) BZT-A/NRW geforderte teilweise Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen eröffnet nach allgemeinem Sprachgebrauch eine zweifache Auslegung. Es könnte einerseits ausreichend sein, daß nur eine Voraussetzung vorliegen muß. Auch dann ist nämlich ein Teil der Voraussetzungen erfüllt. Es könnte andererseits aber auch gefordert sein, daß beide Voraussetzungen zu einem Teil, d. h. in einem geringeren zeitlichen Umfang als bei der vollen Theaterbetriebszulage erfüllt sein müssen.
Läßt der Wortlaut einer Tarifnorm eine mehrfache Auslegung zu, so ist der tarifliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Dieser führt zu dem Ergebnis, daß die Tarifvertragsparteien als Voraussetzungen für den Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Theaterbetriebszulage sowohl unregelmäßige Arbeitszeit als auch Sonn- und Feiertagsarbeit fordern.
In Nr. 6 Abs. 1 SR 2 k BAT haben die Tarifvertragsparteien die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung einer Theaterbetriebszulage festgelegt. Diese erfordern kumulativ üblicherweise unregelmäßige tägliche Arbeitszeit und nicht nur gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit (Clemens/Scheuring/Stein- gen/Wiese, BAT, Band III, Erl. 1 zu Nr. 6 SR 2 k; Böhm/Spiertz, BAT, Band 4, Erl. 2 zu Nr. 6 SR 2 k). Damit ist ein Rahmen für bezirkliche Vereinbarungen vorgegeben, denen die Bestimmung der Angestellten, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, und die Höhe der Theaterbetriebszulage vorbehalten bleiben. In diesem Rahmen haben die Tarifvertragsparteien im Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen in § 5 Abs. 3 a BZT-A/NRW die Voraussetzungen für die Zahlung der vollen und der anteiligen Theaterbetriebszulage festgelegt. Aus diesem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt, daß die Tarifvertragsparteien auch eine anteilige Theaterbetriebszulage nur dann gewähren wollen, wenn die beiden für den Theaterbetrieb typischen Erschwernisse, nämlich die unregelmäßige tägliche Arbeitszeit und Sonn- und Feiertagsarbeit vorliegen. Entsprechend wird bei der anteiligen Gewährung auch nur eine teilweise Erfüllung dieser Voraussetzungen gefordert. Diese kann sich nur aus einem geringeren zeitlichen Umfang der Belastung des Angestellten ergeben, rechtfertigt aber nicht den Schluß, daß die Tarifvertragsparteien auf eine der Voraussetzungen der Theaterbetriebszulage in Überschreitung des in Nr. 6 Abs. 1 SR 2 k BAT vorgegebenen Rahmens ganz verzichten wollten. Die Bestimmung des geringeren zeitlichen Umfangs der Erfüllung der Voraussetzungen der Theaterbetriebszulage nach § 5 Abs. 3 a) bb) BZT-A/NRW führt nach dem reinen Wortlaut der Tarifnorm zu dem Ergebnis, daß der Angestellte teilweise nicht nur gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit leisten muß. Dies kann nur so ausgelegt werden, daß gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit ausreichend ist. "Gelegentlich" bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch "zuweilen", "manchmal" oder "ab und zu" (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort: gelegentlich). Damit ist ein geringeres zeitliches Maß ausgedrückt als mit der Voraussetzung der "nicht nur gelegentlichen" Sonn- und Feiertagsarbeit, die den Anspruch auf Zahlung der vollen Theaterbetriebszulage begründet.
Auch gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit in diesem Sinne kann jedoch nur dann vorliegen, wenn der entsprechende Arbeitseinsatz des Angestellten in überschaubaren Zeiträumen erfolgt. Insoweit kommt der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Unter dessen Berücksichtigung ist nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht einen Arbeitseinsatz des Klägers ohne Feiertagsarbeit und an nur einem Sonntag im Jahr zur Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Zahlung der anteiligen Theaterbetriebszulage nicht hat ausreichen lassen. Die Revision war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Preuße Schmalz
Fundstellen
RdA 1986, 408 |
AP § 2 BAT (LT), Nr 2 |
RiA 1987, 185-185 (T) |
ZUM 1989, 201-202 (LT1) |