Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug und Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Betriebsübernehmer lehnt besondere Arbeitsvertragsgestaltung eines Kellners ab
Normenkette
BGB §§ 615, 613a, 133, 293f, 157
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 08.03.1991; Aktenzeichen 7 Sa 124/90) |
ArbG Ulm (Urteil vom 05.09.1990; Aktenzeichen 1 Ca 140/90) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. März 1991 – 7 Sa 124/90 – aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 5. September 1990 – 1 Ca 140/90 – wird zurückgewiesen, jedoch der Urteilstenor des Arbeitsgerichts wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.609,92 DM brutto abzüglich 9.220,80 DM (Arbeitslosengeld) und abzüglich 1.220,– DM netto (Zwischenverdienst) zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten erster Instanz tragen der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5.
Die Beklagte trägt ferner die Kosten der Berufung und der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger arbeitete vom 1. Dezember 1986 bis zum 31. Dezember 1989 als Kellner im Restaurantbetrieb „D.”. Grundlage seiner Tätigkeit war die mit den damaligen Pächtern des Betriebes getroffene schriftliche Vereinbarung vom 16. Dezember 1986, die durch eine Zusatzvereinbarung vom 1. Oktober 1988 ergänzt wurde. Darin heißt es, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung:
„Teilzeit-Arbeitsvertrag
Zwischen dem Betrieb Restaurant D. (Betriebsinhaber W. und G. A.), U., und Herrn K. S., wird dieser Teilzeit-Arbeitsvertrag abgeschlossen.
Sofern nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gilt der jeweils gültige Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe, abgeschlossen vom Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg e.V., mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten bzw. Union Ganymed.
Anlaß ist die schwankende Arbeitszeit bzw. Arbeitsanfall im Restaurant D., hervorgerufen durch die unterschiedliche Anzahl und unregelmäßige Häufigkeit von Veranstaltungen in den gepachteten Wirtschaftsräumen. Außerdem finden häufig außerhalb der Pachträume (Z., Dreifaltigkeitskirche usw.) Veranstaltungen zu wechselnden Zeiten statt. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01. Dezember 1986. Herr S. wird als Kellner beschäftigt. Er übernimmt aber, wenn erforderlich, auch dem Service-Bereich verwandte Tätigkeiten (Büfettätigkeit o.ä.). Die Arbeitszeiten richten sich nach den oben genannten Erfordernissen. Herr S. bekommt seine Arbeitstage bzw. Arbeitszeiten von Frau F. A. oder ihres Vertreters so früh wie möglich mitgeteilt; er sollte mindestens 80 % dieser Termine einhalten.
(…)
1. Nachtrag zum Teilzeit-Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 1986
(…)
Vergütung: Herr S. erhält eine Umsatzbeteiligung von 14 % (bei Veranstaltungen im Wirtschaftsraum D. 15 %) brutto aus dem von ihm erzielten Umsatz an Speisen und Getränken unter täglicher Ablieferung der Gesamteinnahmen und Abrechnung am Monatsende; mindestens aber DM 14,– brutto je geleistete Arbeitsstunde. (…).”
Im November 1989 teilte der damalige Pächter des Restaurants dem Kläger mit, daß das Pachtverhältnis am 31. Dezember 1989 enden und die Beklagte den Betrieb weiterführen werde. Daraufhin kam es zu Gesprächen der Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte lehnte den Wunsch des Klägers ab, ihn zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen und bot ihm stattdessen einen Arbeitsvertrag als Vollzeitbeschäftigter an. Auf die Einwände des Klägers reagierte die Beklagte mit der Bemerkung, der Kläger solle Vertrauen zur Beklagten haben. Als der Kläger entgegnete, zuerst habe er Vertrauen zu seinem bisherigen Vertrag, wurde ihm „Büroverbot” erteilt. Mit Schreiben vom 15. und 30. Dezember 1989 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich auf, sie möge ihm den Dienstplan für die erste Januarwoche des Jahres 1990 mitteilen. Ebenfalls unbeantwortet blieb sein Schreiben vom 2. Januar 1990, in dem er der Beklagten seine Arbeitskraft anbot unter gleichzeitigem Hinweis, er habe sich vorsorglich arbeitslos gemeldet. Schließlich begehrte der Kläger mit Schreiben vom 26. März 1990 von der Beklagten erfolglos die Zahlung des Arbeitslohnes für die Monate Januar und Februar 1990.
Der Kläger bezog im Zeitraum vom 6. Januar bis 31. August 1990 insgesamt 9.220,80 DM Arbeitslosengeld. Aus tageweiser Aushilfstätigkeit, die er im einzelnen nach Datum und Verdienst aufgeschlüsselt hat, erzielte er in den Monaten März bis Juli 1990 insgesamt mindestens 1.220,– DM netto.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger den Arbeitslohn für die Monate Januar bis August 1990 abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes und des Nebenverdienstes geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm den Arbeitslohn unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Den Arbeitslohn berechne er – die einzelnen Beträge sind unstreitig – wie folgt: Den aus den monatlichen Lohnabrechnungen von Januar bis Dezember 1989 ermittelten durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 2.326,24 DM, die Weihnachtsgratifikation nicht mitgerechnet, multipliziere er mit der Anzahl der Monate, für die er Verzugslohn beanspruche (= 8). Hinzu komme ein Zuschlag von 10 %, weil durch eine von der Beklagten vorgenommene Preiserhöhung um diesen Prozentsatz der erzielbare Umsatz entsprechend gestiegen sei. Von dieser Summe setze er die Einkünfte aus Nebentätigkeiten in Höhe von 1.220,– DM netto ab. Auf den sich so ergebenden Betrag lasse er sich das erhaltene Arbeitslosengeld anrechnen.
Weiter hat der Kläger behauptet, er habe die Vertrags form vom 16. Dezember 1986 wegen starker gesundheitlicher Einschränkungen (Beinleiden) gewählt. Er habe auf diese Weise erreichen wollen, nur arbeiten zu müssen, wenn es seine Gesundheit zulasse.
Der Kläger hat in der ersten Instanz beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 19.250,88 brutto abzüglich auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangener DM 9.220,80 netto zu zahlen;
- hilfsweise (ohne die angenommene Umsatzsteigerung) die Beklagte zu verurteilen, 17.389,92 DM brutto abzüglich auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangener DM 9.220,80 netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, Annahmeverzug liege nicht vor. Der Kläger sei nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages selbst auf ihre Aufforderung hin noch nicht einmal zur Leistung verpflichtet gewesen. Vor diesem Hintergrund habe er nicht hinreichend dargetan, daß er ihre eventuellen Angebote überhaupt angenommen hätte.
Ferner sei sie deshalb nicht in Annahmeverzug geraten, weil der Kläger seine Arbeitskraft nicht tatsächlich angeboten, sondern es abgelehnt habe, einen den veränderten betrieblichen Bedingungen angepaßten Arbeitsvertrag als Vollzeitbeschäftigter abzuschließen. Auf § 613 a BGB könne sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil diese Vorschrift den Arbeitnehmer nicht vor notwendigen Umstrukturierungen im Arbeitsablauf schütze. Bei der Art und der Qualität der von ihr, der Beklagten, zu erbringenden Leistung müsse für sie die Sicherheit bestehen, jeweils ausreichendes und somit fest angestelltes Personal zur Verfügung zu haben. Auf Grund der für sie betriebswirtschaftlich unumgänglichen Beschäftigung von mehr Vollzeitkräften seien praktisch keine Tätigkeiten mehr angefallen, für deren Erledigung der Kläger benötigt worden wäre. Hiervon abgesehen sei eine Berufung des Klägers auf § 613 a BGB rechtsmißbräuchlich.
Selbst wenn Annahmeverzug vorliege, sei ein Anspruch des Klägers zu verneinen: Seine Schreiben hätten sich nur auf Anfang Januar 1990 bezogen. Ferner sei die Höhe der geltend gemachten Ansprüche unrichtig: Eine eventuell dem Kläger zustehende Vergütung könne nicht aus dem Durchschnitt des beim Vorpächter erzielten Einkommens ermittelt werden. Vielmehr gelte gemäß § 4 Abs. 1 BeschFG eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Maximal diese Arbeitszeit könne der Vergütungsabrechnung zugrunde gelegt werden. Im übrigen habe der Kläger mehr als die angegebenen 1.220,– DM aus Aushilfstätigkeiten erzielt. Er sei bereits seit längerer Zeit vollschichtig erwerbstätig (Beweis: Betriebsleiter H. und eidliche Parteivernehmung des Klägers). Weiter hat die Beklagte zweitinstanzlich behauptet, der Kläger habe im fraglichen Zeitraum mindestens 3.760,– DM verdient; er habe 3.200 Stunden gearbeitet (Beweis: jeweils Parteivernehmung). Auch das Arbeitsamt habe ihr gegenüber bestätigt, der Kläger habe im fraglichen Zeitraum mehr als vor dem Arbeitsgericht angegeben verdient.
Falls die Angaben des Klägers zu seinem Nebenverdienst jedoch zutreffend sein sollten, habe er sich jedenfalls böswillig im Sinne des § 615 Satz 2 BGB verhalten. Er habe sich nicht nur beim Arbeitsamt als arbeitssuchend melden dürfen, sondern habe eigene Anstrengungen zur Stellenerlangung unternehmen müssen. In der allgemeinen Hotel- und Gaststättenzeitung sei ab Januar 1990 pro Ausgabe mindestens eine Stelle aus Ulm und Umgebung angeboten worden, die für den Kläger in Betracht gekommen sei. Auch habe der Kläger eine eigene Stellenanzeige aufgeben müssen.
Schließlich habe der Kläger wegen seines prozessualen Verhaltens etwaige Ansprüche verwirkt. Er habe in erster Instanz trotz Nachfrage zunächst die später eingeräumte Tätigkeit in den „S.” in N. verschwiegen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang des Hilfsantrages stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die lediglich von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Auf seinen Antrag war das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, mangels einer schuldrechtlichen Leistungsverpflichtung des Klägers fehle es an den Voraussetzungen des Annahmeverzuges. Anders als in einem Abrufarbeitsverhältnis sei der Kläger nach dem Inhalt des Vertrages vom 16. Dezember 1986 nicht verpflichtet, auf die Aufforderung der anderen Vertragspartei hin tätig zu werden. Er könne auf jedes Ansinnen des Vertragspartners, zu einer bestimmten Zeit zu arbeiten, vielmehr selbst entscheiden, „ob er dem Folge leisten wolle. Wenn es in der Vereinbarung heiße, Herr S. … sollte mindestens 80 % der Termine einhalten”, beinhalte dies eine Erwartung (sollte) der anderen Vertragspartei und führe nicht zu einer Verpflichtung des Klägers. Erst dann, wenn der Kläger die Bitte der anderen Vertragspartei akzeptiere, komme es zu einer Verpflichtung, die jeweils versprochene Arbeit zu leisten. Der Vertrag vom 16. Dezember 1986 regele deshalb nur die Konditionen, die gelten sollten, wenn sich die Vertragsparteien jeweils über eine vom Kläger zu erbringende Tätigkeit geeinigt hätten.
II. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe nicht den gesamten zur Verfügung stehenden Auslegungsstoff berücksichtigt. Zudem hat es die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es über die Würdigung des Wortlautes der Vereinbarung hinaus weitere Auslegungskriterien außer acht gelassen hat, obwohl nach dem Vortrag der Parteien Veranlassung bestand, auch auf außerhalb der Vereinbarung liegende Umstände einzugehen.
1. Die Auslegung der nichttypischen Vereinbarung vom 16. Dezember 1986 durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin nachprüfbar, ob die Auslegung mit den Denkgesetzen oder dem Wortlaut der Erklärung vereinbar ist, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB u.a.) verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen ist (ständige Rechtsprechung, BAG Urteil vom 27. August 1970 – 2 AZR 519/69 – BAGE 22, 424 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB; BAGE 53, 17, 19 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).
2. Einer solchen, sachlich beschränkten Überprüfung hält die Auslegung des Vertrages durch das Landesarbeitsgericht nicht stand. Nach § 133 BGB muß das Gericht bei der Auslegung einer Willenserklärung den wirklichen Willen erforschen. Das bedeutet, daß nicht nur auf den Wortlaut abzustellen ist, sondern alle Begleitumstände zu würdigen sind, die für die Frage, welchen Willen die Beteiligten gehabt haben, von Bedeutung sind. Fehlt eine solche Würdigung, so kann die vom Tatsachenrichter vorgenommene Auslegung keinen Bestand haben (BAGE 22, 424, 426 = AP, a.a.O., zu 1 a der Gründe, m.w.N.). Zu berücksichtigen sind sämtliche Umstände, die für die Ermittlung des Vertrags- oder Erklärungsinhalts von Bedeutung sein könnten (BAG Urteil vom 17. April 1970 – 1 AZR 302/69 – AP Nr. 32 zu § 133 BGB).
a) Das Berufungsgericht hat seine Auffassung ausschließlich auf die unter I zitierte Formulierung, insbesondere auf das Wort „sollte” gestützt. Auf andere Umstände innerhalb des Wortlautes der Vertragsurkunde, die für die Beantwortung der Frage „Verpflichtung des Klägers” oder nur „Rahmenvertrag für zukünftige Verpflichtungen” von Bedeutung sein könnten, geht das Berufungsgericht nicht ein. Für die Ermittlung des wirklichen Willens der Vertragspartner enthält bereits die schriftliche Vereinbarung selbst noch weitere, bedeutsame Formulierungen. So ist schon die Bezeichnung der Vereinbarung als „Teilzeit-Arbeitsvertrag” in der Überschrift und im Vertragstext ein Indiz für den Willen der Vertragsparteien, eine konkrete Arbeitsverpflichtung des Klägers in einem üblichen Arbeitsverhältnis und nicht nur einen Rahmenvertrag zu begründen. Auch die eingangs im Vertrag geregelte Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe indiziert diesen Willen. Das gleiche folgt aus der Textpassage „Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01. Dezember 1986”. Dem angefochtenen Urteil läßt sich nicht entnehmen, ob das Gericht diese Gesichtspunkte überhaupt berücksichtigt oder aber letztlich für nicht tragend befunden hat.
b) Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem zweiten Auslegungsschritt die außerhalb der Erklärung liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAGE 22, 424 = AP, a.a.O.; Urteil vom 29. November 1973 – 5 AZR 207/73 – AP Nr. 8 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch). Diesen Auslegungsschritt hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, obwohl dazu nach dem Vortrag der Parteien Veranlassung bestand.
aa) So kommt den vom Kläger vorgelegten, vom Landesarbeitsgericht unberücksichtigt gebliebenen Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis Dezember 1989 Bedeutung zu. Obwohl eine Willenserklärung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens ihren grundsätzlich unveränderlichen Erklärungswert erhält, kann auch späteres Verhalten der Parteien zumindest als Indiz für die Auslegung von Bedeutung sein (BAG Urteil vom 17. April 1970 – 1 AZR 302/69 – AP, a.a.O.; BAG Urteil vom 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – zu II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen; GK-TzA-Mikosch, Art. 1 § 4 BeschFG Rz 62). Die Lohnabrechnungen lassen eindeutige Rückschlüsse auf die Handhabung der Vereinbarung vom 16. Dezember 1986 durch den Kläger und die Vorpächter in dem Sinne zu, daß ein häufiger und kontinuierlicher Einsatz des Klägers über einen längeren Zeitraum – anders als nur bei gelegentlichem Abruf – gegen die Annahme spricht, die Vertragsparteien hätten für jede Aufforderung der damaligen Pächter einen eigenständigen Arbeitsvertrag schließen wollen.
bb) Schließlich ist der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage zwischen den Vertragspartnern – soweit nach dem bisherigen Vortrag erkennbar – zu berücksichtigen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl., § 133 Anm. 5 b dd). Insofern hätte sich das Landesarbeitsgericht mit der Einleitung des Hauptabschnitts in der Vereinbarung befassen müssen, wo es heißt: „Anlaß ist die schwankende Arbeitszeit bzw. Arbeitsanfall im Restaurant D., hervorgerufen durch die unterschiedliche Anzahl und unregelmäßige Häufigkeit von Veranstaltungen in den gepachteten Wirtschaftsräumen. Außerdem finden häufig außerhalb der Pachträume (…) Veranstaltungen zu wechselnden Zeiten statt.” Ferner hat der Kläger vorgetragen, er habe die Vertragsform vom 16. Dezember 1986 wegen starker gesundheitlicher Einschränkungen (Beinleiden) gewählt. Er habe auf diese Weise erreichen wollen, nur arbeiten zu müssen, wenn es seine Gesundheit zulasse.
c) Fehlt eine Auslegung oder ist – wie vorliegend – die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung einer privatrechtlichen Willenserklärung unvollständig, kann das Revisionsgericht selbst auslegen, wenn der festgestellte Sachverhalt eine abschließende Klärung erlaubt und weitere Feststellungen der Auslegungsumstände nicht in Betracht kommen (BAGE 16, 215, 225 = AP Nr. 9 Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht, zu 2 d der Gründe; BAGE 53, 17 ff. = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.
aa) Die Auslegung der Vereinbarung vom 16. Dezember 1986 ergibt, daß die Vertragsparteien mit Wirkung vom 1. Dezember 1986 einen Arbeitsvertrag mit einer daraus sich ergebenden grundsätzlichen Arbeitsverpflichtung des Klägers geschlossen haben. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses haben sich die Vorpächter in ihrem Interesse, nämlich wegen des schwankenden Arbeitsanfalls, ein weitergehendes Direktionsrecht hinsichtlich der Dauer und der Lage der Arbeitszeit des Klägers vorbehalten, als dies nach dem in der Vereinbarung in Bezug genommenen Inhalt des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe vorgesehen war.
Dem Kläger seinerseits wurde das Recht eingeräumt, der einseitigen Ausübung des Direktionsrechtes in eingeschränktem Umfang zu widersprechen, wie die vereinbarte Quote von 80 % der wahrzunehmenden Termine zeigt.
Für diese Auslegung spricht – wie bereits unter II 2 a angedeutet – in erheblichem Maße bereits der Wortlaut der Vereinbarung, in welcher die Begriffe „Teilzeit-Arbeitsvertrag” bzw. „Arbeitsverhältnis” verwendet werden. Diese Begriffe haben – auch im allgemeinen Sprachgebrauch – eine bestimmte Bedeutung, und zwar nicht im Sinne einer Rahmenvereinbarung für eine unbestimmte Vielzahl noch abzuschließender Vereinbarungen. Dafür, daß die damaligen Vertragspartner von einem einheitlichen Arbeitsvertrag ausgingen, spricht auch die Formulierung: „Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1. Dezember 1986.” Wie ferner bedeutsam ist, haben die Vertragspartner einige Elemente der vom Berufungsgericht insgesamt verneinten Arbeitspflicht, nämlich Art und Ort der zu erbringenden Arbeitsleistung, genau bestimmt (Arbeitsort: D. Art der Arbeit: „Herr S. wird als Kellner beschäftigt. Er übernimmt aber, wenn erforderlich, auch dem Service-Bereich verwandte Tätigkeiten – Büfettätigkeit o.ä. –”). Lediglich die Arbeitszeiten sollten vom Arbeitsanfall in den gepachteten Wirtschaftsräumen abhängen, also grundsätzlich dem einseitigen Direktionsrecht des Arbeitgebers mit der vorgenannten geringfügigen zeitlichen Einschränkung unterliegen. Demgegenüber bedürfte es für die allein auf einen Teil des Wortlauts gestützte Annahme, die Vertragspartner hätten seinerzeit nur eine Rahmenvereinbarung treffen wollen, deutlicherer Anhaltspunkte als dem vom Landesarbeitsgericht hervorgehobenen. Zusatz „er sollte mindestens 80 % dieser Termine einhalten”. Wenn zuvor ausdrücklich vom Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis die Rede ist, reicht allein die nachträgliche Verwendung des Wortes „sollte” nicht aus, um der Vereinbarung den Bedeutungsgehalt eines schlichten Rahmenvertrages für künftige, noch abzuschließende Arbeitsverhältnisse zu geben, zumal der fragliche Zusatz zwanglos auch dahin verstanden werden kann, der Kläger solle in gewissem Umfang berechtigt sein, der einseitigen Ausübung des Direktionsrechtes durch den Arbeitgeber zu widersprechen.
bb) Diese Auslegung entspricht auch dem erkennbaren Sinn und Zweck des Vertrages und der bestehenden Interessenlage der damaligen Vertragsparteien.
Der mit dem Vertrag in erster Linie verfolgte Zweck lag darin, den Einsatz des Klägers im Interesse des Arbeitgebers möglichst flexibel zu handhaben. Das ergibt sich aus der Formulierung „Anlaß ist die schwankende Arbeitszeit bzw. Arbeitsanfall im Restaurant D. …. Außerdem finden häufig außerhalb der Pachträume … Veranstaltungen zu wechselnden Zeiten statt”. Daneben sollten die gesundheitlichen Belange des Klägers berücksichtigt werden, der unwidersprochen vorgetragen hat (§ 138 Abs. 3 ZPO), mit der Vereinbarung dieser Vertragsform habe seinem damaligen Beinleiden Rechnung getragen werden sollen. Dies erschien etwa bei einer zeitlich über Gebühr erfolgten Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber verständlich.
cc) Schließlich spricht auch die bisherige Handhabung der Vereinbarung vom 16. Dezember 1986 gegen die Auslegung des Landesarbeitsgerichts. Der Kläger ist seit der Einstellung offensichtlich in geregeltem zeitlichen Umfang für die Rechtsvorgänger der Beklagten tätig geworden. Dies ist jedenfalls für das Jahre 1989 ziffernmäßig belegt, in dem der Kläger einen monatlichen Durchschnittsbruttoverdienst von 2.326,24 DM erzielt hat, der sich aus den Lohnabrechnungen Januar bis Dezember 1989 ermitteln läßt. Im fraglichen Zeitraum hat der Monatsverdienst nie unter 1.543,23 DM brutto gelegen, wobei der Kläger zwischen 1.543,23 DM und 3.279,73 DM monatlich brutto erhalten hat. Auch im Hinblick hierauf erscheint die Annahme lebensfremd, die Vertragspartner hätten jeweils den Abschluß eines eigenständigen Arbeitsvertrages vereinbaren wollen.
3. In dieses so bestehende Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den Vorpächtern ist die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB eingetreten. Die Rechtstatsache des Betriebsübergangs als solche ist unter den Parteien unstreitig. Diese Annahme ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Bei dem Restaurant „D.” handelt es sich unzweifelhaft um einen Betrieb im Sinne des § 613 a BGB. Dieser Betrieb ist mit Wirkung spätestens zum 1. Januar 1990 von dem Vorpächter W. A. auf die Beklagte übergegangen, denn die für die Wahrung des Betriebscharakters erforderlichen Betriebsmittel (in erster Linie Räumlichkeiten, Inventar etc.) hat letztere tatsächlich übernommen. Die Beklagte hat spätestens zu diesem Zeitpunkt auch die Organisations- und Leitungsmacht über den funktionsfähigen Betrieb erhalten. Bereits Mitte Dezember hat die Beklagte nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers in den Räumen der D. ein Büro unterhalten und den Betrieb ab der ersten Januarwoche ohne Unterbrechung weitergeführt.
b) Dieser Übergang ist durch Rechtsgeschäft erfolgt. Auch davon gehen die Parteien aus, wobei sowohl die Art des Rechtsgeschäfts als auch die Rechtsnatur des die Nutzung verschaffenden Vertrages grundsätzlich gleichgültig sind (BAGE 48, 345, 349 f. = AP Nr. 41 zu § 613 a BGB, zu II 2 b der Gründe; BAGE 48, 59, 62 f. = AP Nr. 44 zu § 613 a BGB, zu B I 3 der Gründe; KR-M. Wolf, 3. Aufl., § 613 a BGB Rz 39 f.). Nach dem Sinn und Zweck des § 613 a BGB ist es ferner unerheblich, ob die Beklagte dieses Rechtsgeschäft unmittelbar mit dem Vorpächter oder aber – was hier naheliegender ist – mit dem Eigentümer/Verpächter abgeschlossen hat (ständige Rechtsprechung vgl. BAG Urteil vom 13. November 1986 – 2 AZR 771/85 – AP Nr. 57 zu § 613 a BGB, zu II 1 a der Gründe, m.w.N.).
c) Der Einwand der Beklagten, § 613 a BGB schütze den Kläger nicht vor notwendigen Umstrukturierungen im Arbeitsablauf, geht fehl. Die ohnehin unsubstantiierten Behauptungen der Beklagten zum Erfordernis der Umstrukturierung können als wahr unterstellt werden. Wenn der neue Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht mehr zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen kann, dann ist es – und darauf weist die Revision zutreffend hin – Sache des Arbeitgebers, hier der Beklagten, dem Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Änderungskündigung auszusprechen. Dies hat die Beklagte jedoch unstreitig unterlassen.
d) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Dezember 1989 (– 7 Sa 253/89 – DB 1990, 1828) darauf stützen, dem Kläger sei die Berufung auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verwehrt. Für eine Verwirkung fehlt es bereits an dem notwendigen „Zeitmoment”. Die Verwirkung eines Rechtes setzt nämlich u.a. voraus, daß seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist (vgl. bereits BAGE 6, 165, 167 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Verwirkung, zu III der Gründe; ferner BAG Urteil vom 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 –, zu I 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Kläger hat nicht nur keine Zeit verstreichen lassen, sondern bereits vor der Betriebsübernahme am 15. und 30. Dezember 1989 sowie am 2. Januar 1990 die Übersendung der Dienstpläne von der Beklagten verlangt. Ausdrücklich hat er sich am 26. März 1990 auf § 613 a BGB berufen. Auf die erstmalige Beantwortung seiner Schreiben seitens der Beklagten vom 30. März 1990 hat der Kläger bereits am 3. Mai 1990 Klage erhoben.
4. Auch die Voraussetzungen des Gläubigerverzuges (§§ 615, 293 ff. BGB) liegen vor.
Der Kläger hat zwar im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 1990 keine Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht, er hat ihr jedoch am 30. Dezember 1989 und 2. Januar 1990 ein wirksames wörtliches Angebot gemäß § 295 Satz 1 zweite Alternative BGB gemacht, ohne daß diese durch Zuweisung von Arbeit ihrer Mitwirkungsverpflichtung nachgekommen ist (zur Mitwirkungspflicht vgl. Senatsurteil vom 21. März 1985 – 2 AZR 201/84 – AP Nr. 35 zu § 615 BGB). Die Mitwirkungsverpflichtung in Form der Aufstellung eines Dienstplans unter Zuweisung von Arbeit ergab sich hier zusätzlich aus den besonderen Vereinbarungen im Vertrag vom 16. Dezember 1986 (siehe oben zu II 2 c).
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Schreiben vom 30. Dezember 1989 und 2. Januar 1990 hätten sich nur auf Anfang Januar bezogen. Jedenfalls im Schreiben vom 2. Januar 1990 hat der Kläger seine Arbeit grundsätzlich angeboten und seine generelle Bereitschaft „an einer Weiterbeschäftigung” zu den alten Vertragsbedingungen bekundet. Ein solches umfassendes Angebot ist außerdem im Schreiben vom 26. März 1990 enthalten, in welchem der Kläger noch einmal ausdrücklich auf die wiederholten Angebote seiner Arbeitskraft hinweist.
5, Dem Kläger stehen Ansprüche aus § 615 Satz 1 BGB in Höhe des in der Berufungsinstanz anhängig gewesenen Betrages zu.
a) Anhängig war insoweit nur noch ein Betrag in Höhe von 17.389,92 DM brutto abzüglich an die Bundesanstalt für Arbeit übergegangener 9.220,80 DM netto. Im Umfang des erstinstanzlich vom Kläger verfolgten Mehrbetrages von 1.860,96 DM brutto (wegen Umsatzsteigerung) ist das insoweit abweisende Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig geworden; weil der Kläger keine Berufung eingelegt hat. Zu Recht geht der Kläger angesichts des von Monat zu Monat wechselnden Verdienstes von einer Durchschnittsberechnung aus. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zu stellen, wie wenn letzterer in Bezugszeitraum gearbeitet hätte (BAG Urteil vom 18. Januar 1963 – 5 AZR 200/62 – AP Nr. 22 zu § 615 BGB, zu II 3 der Gründe). Es gilt das Lohnausfallprinzip (KR-Becker, 3. Aufl., § 11 KSchG Rz 26; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 95 I 2). Für die Berechnung des Nachzahlungsanspruchs kommt es auf einen Vergleich der tatsächlich erzielten Bruttovergütung mit der von dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber geschuldeten Bruttovergütung an, wobei grundsätzlich der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsachen ist, aus denen sich die Höhe des mutmaßlich erzielten Einkommens ergibt (KR-Becker, a.a.O., § 11 KSchG Rz 55; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 615 Rz 46). Nach der Zusatzvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 1986 wurde der Kläger leistungsabhängig, nämlich auf Umsatzbeteiligungsbasis (14 % bzw. 15 % brutto) vergütet. Wie in diesem Zusammenhang anerkannt, ist bei leistungsabhängiger Entlohnung die Vergütung zu zahlen, die der Dienstpflichtige bei Weiterarbeit erzielt hätte (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, a.a.O.). Fehlt eine Vergleichsperson, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der Arbeitnehmer dieselben Verdienste wie in der Vergangenheit erzielt hätte. Abzustellen ist auf eine angemessene Vergleichsperiode. Dabei werden schon drei Monate im allgemeinen für ausreichend gehalten (MünchKomm-Schaub, a.a.O.; vgl. auch BAG Urteil vom 29. September 1971 – 3 AZR 164/71 – AP Nr. 28 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG). Angesichts des schwankenden Verdienstes des Klägers im Jahre 1989 ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Kläger einen repräsentativeren Zeitraum von 12 Monaten seiner Berechnung zugrundegelegt hat, zumal ein solcher auch nach der für Urlaubsgeld etc. im letzten Absatz des Vertrages vereinbarten Klausel von den Vertragsparteien benutzt wurde. Danach errechnet sich für den Verzugszeitraum ein mutmaßlicher Verdienst in Höhe von 8 × 2.326,24 DM = 18.609,92 DM brutto.
Ob auf Grund des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes 1989 bereits ein Erfahrungssatz dahingehend besteht, der Arbeitnehmer hätte im Verzugs Zeitraum tatsächlich den gleichen Verdienst gehabt, mit der Folge, daß der Arbeitgeber hinreichende Tatsachen zur Erschütterung dieses Erfahrungssatzes darlegen und beweisen muß (so Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 95 I 2), oder ob es bei dem allgemeinen Grundsatz bleibt, nachdem der Arbeitnehmer die Höhe seines Verdienstes behaupten und notfalls beweisen muß (vgl. MünchKomm-Schaub, 2. Aufl., § 615 Rz 46; KR-Becker, 3. Aufl., § 11 KSchG Rz 55) kann offen bleiben. Bereits aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, daß der Kläger mindestens diesen Verdienst auch tatsächlich erzielt hätte. Der Kläger stand seit dem 6. Januar 1990 ununterbrochen dem Arbeitsamt (Arbeitsvermittlung) zur Verfügung. Zuvor am 2. Januar 1990 hatte er die Beklagte vergeblich zur Zuweisung von Arbeit aufgefordert, die ihn, wie schon dem Angebot eines Vollzeitarbeitsvertrages zu entnehmen ist, zumindest im bisherigen Umfang hätte einsetzen können.
b) Auf den mutmaßlich erzielten Bruttoverdienst muß sich der Kläger anrechnen lassen, was er von Januar bis August 1989 anderweit erhalten oder böswillig zu erwerben unterlassen hat (§ 615 Satz 2 BGB).
aa) Dem hat der Kläger zunächst bezüglich des in der Höhe unstreitigen Arbeitslosengeldes durch die Formulierung des Klageantrages Rechnung getragen.
bb) Ferner war anderweit erzielter oder erzielbarer Verdienst anzurechnen. Grundsätzlich trifft den Arbeitgeber die Behauptungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Anrechnungspflicht (BAG Urteil vom 19. Juli 1978 – 5 AZR 748/77 – AP Nr. 16 zu § 242 BGB Auskunftspflicht, zu III 2 b der Gründe, m.w.N.; KR-Becker, 3. Aufl., § 11 KSchG Rz 55, m.w.N.). Das heißt, er muß behaupten und beweisen, daß der Arbeitnehmer anderweit gearbeitet hat. Dieser Darlegungspflicht ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Sie behauptet zwar, der Kläger sei im fraglichen Zeitraum vollschichtig erwerbstätig gewesen und habe mindestens 3.760,– DM verdient und mindestens 3.200 Stunden gearbeitet. Das wird aber nicht näher substantiiert; offensichtlich handelt es sich dabei um willkürlich geschätzte Zahlen, wie schon die Gegenüberstellung von Arbeitsstunden und Verdienst zeigt. Eine im Zusammenhang mit der Höhe eines etwaigen Zwischenverdienstes bestehende Auskunftspflicht des Arbeitnehmers entsprechend § 74 c Abs. 2 HGB entbindet den Arbeitgeber nicht davon, geeignete Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, die für eine anderweitige Erwerbstätigkeit sprechen (BAG Urteil vom 19. Juli 1978 – 5 AZR 748/77 –, a.a.O.; KR-Becker, a.a.O.). Eine solche Tatsache kann nicht schon darin gesehen werden, daß der Kläger erst auf die entsprechende Behauptung der Beklagten einen Nebenverdienst von 1.220,– DM eingeräumt hat. Vielmehr mußte die Beklagte, nachdem der Kläger seinen Nebenverdienst im einzelnen unter Angabe des Arbeitgebers nach Tagen aufgeschlüsselt hatte nunmehr darlegen, weswegen sie, bzw. ihr Betriebsleiter H., Veranlassung gehabt haben, von einer weiteren Erwerbstätigkeit des Klägers auszugehen, etwa weil sie vom Kläger oder von Dritten davon erfahren habe. Die Beklagte hat sich jedoch allein auf die Behauptung beschränkt, der Kläger habe anderweitig gearbeitet. Unerfindlich bleibt in diesem Zusammenhang, wie der Kläger in acht Monaten 3.200 Stunden, d.h. 400 Stunden im Monat gearbeitet und dafür lediglich insgesamt (mindestens) 3.760,– DM (Stundenlohn ca. 1,18 DM, brutto oder netto?) erhalten haben soll. Anzurechnen ist deshalb nur der vom Kläger eingeräumte Nebenverdienst von 1.220,– DM netto.
cc) Dieser Nettoverdienst kann nicht unmittelbar vom geschuldeten Bruttoverdienst abgezogen werden. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Kläger ursprünglich auch den richtigen Antrag angekündigt, die Beklagten zu verurteilen, an ihn 18.609,92 DM brutto abzüglich 1.220,– DM Nebenverdienst zu zahlen. In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht ist dann jedoch der Antrag in der jetzt anhängigen Form gestellt worden. Zieht man jedoch den erzielten Nettoverdienst rechnerisch unmittelbar vom Bruttoverdienst ab, so werden damit Steuer- und Sozialversicherungspflicht verkürzt. Der Senat hat deshalb den Urteilstenor des Arbeitsgerichts entsprechend klargestellt. Diese Richtigstellung verstößt trotz des um 1.220,– DM erhöhten Ausgangsbetrages nicht gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO, weil dem Kläger nichts anderes, nämlich dieselbe Vergütung bei Abzug des Zwischenverdienstes von 1.220,– DM netto von dem sich aus 18.602,92 DM brutto ergebenden Nettobetrag, aber auch nicht mehr zugesprochen wird, als zuletzt beantragt.
dd) Eine Anrechnung böswillig unterlassenen Erwerbs gemäß § 615 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Insoweit können die Darlegungen der Beklagten zu ihren Gunsten als wahr unterstellt werden. Sie rechtfertigen kein anderes Ergebnis, weil die Beklagte, worauf die Revision zutreffend hinweist, jedenfalls nicht behauptet hat, der Kläger habe die für die Böswilligkeit erforderliche positive Kenntnis von einer zumutbaren Arbeitsmöglichkeit gehabt (BAGE 6, 306 und BAG Urteil vom 18. Juni 1965 – 5 AZR 351/64 – AP Nr. 1 und 2 zu § 615 BGB Böswilligkeit). Dies gilt im Ergebnis auch hinsichtlich der dem Kläger von der Beklagten angebotenen Vollzeitbeschäftigung. Ein Arbeitnehmer unterläßt nicht böswillig die anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft, wenn er es ablehnt, eine vom Arbeitgeber unter Überschreitung der Grenzen seines Direktionsrechts zugewiesene Tätigkeit zu verrichten (BAG Urteil vom 3. Dezember 1980 – 5 AZR 477/78 – AP Nr. 4 zu § 615 BGB Böswilligkeit). Da die Beklagte den Kläger lediglich zu geänderten Vertragsbedingungen weiterbeschäftigen wollte, käme ihre erfolgreiche Berufung auf § 615 Satz 2 BGB einer Umgehung des Erfordernisses einer Änderungskündigung (vgl. oben II 3 c) gleich.
6. Soweit sich die Beklagte schließlich auf eine prozessuale Verwirkung des Anspruchs wegen eines angeblich vom Kläger versuchten Prozeßbetruges beruft, zielt das auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ab. Auch dieser hat keinen Erfolg. Eine von Amts wegen zu beachtende unzulässige Rechtsausübung kommt u.a. dann in Betracht, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl., § 242 Anm. 4 C b). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles (vgl. BAGE 26, 161, 175 = AP Nr. 3 zu § 9 MuSchG 1968, zu IV 4 der Gründe). Diese Umstände lassen im vorliegenden Fall nicht den Schluß zu, der Kläger habe durch eine lediglich verspätete Mitteilung von Nebenverdienst in Höhe von 1.220,– DM eine Pflichtverletzung begangen. Tatsächlich hat der Kläger die nötigen Daten – wenn auch erst nach der Klageerhebung und auf Hinweis der Beklagten im Schriftsatz vom 28. August 1990 – so aber doch rechtzeitig vor Schluß der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug mit Schriftsatz vom 3. September 1990 mitgeteilt. Für die Annahme eines versuchten Prozeßbetruges fehlt es somit schon an dem objektiven Erfordernis des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Thieß, Beckerle
Fundstellen