Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstreckung der tariflichen Vorschriften über die Urlaubskasse des Baugewerbes auf Arbeitgeber mit Sitz in Polen, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden. Niederlassung in Deutschland als Betrieb iSd. Arbeitnehmerentsenderechtes. Parallelsache zum Urteil vom 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 –. Arbeitnehmerentsenderecht
Orientierungssatz
- Sowohl das Arbeitnehmerentsendegesetz als auch der BRTV-Bau und der VTV/1999 sind anwendbar, wenn der gesamte Betrieb eines Arbeitgebers ein Betrieb des Baugewerbes ist. Als Betrieb gilt auch eine selbständige Betriebsabteilung. Das gilt unabhängig von der Fiktion in § 1 Abs. 4 AEntG, nach der die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer eines ausländischen Arbeitgebers ohnehin einen Betrieb iSd. AEntG und der tariflichen Vorschriften darstellen.
- Unterhält ein ausländischer Arbeitgeber in Deutschland eine Niederlassung, mit der er seine bauwirtschaftlichen Aktivitäten mit entsandten Arbeitnehmern reguliert, liegt auf jeden Fall eine selbständige Betriebsabteilung vor.
- Im Hinblick darauf konnte der Senat unentschieden lassen, ob die Regelung in § 1 Abs. 4 AEntG mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar ist.
Normenkette
AEntG § 1; TVG § 5; Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV); Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe i.d.F. vom 28. Januar 1999 (VTV/1999) § 59; EGBGB Art. 34; SGB III § 285; BUrlG § 13 Abs. 2; BDSG §§ 4, 28; EG Art. 49-50; Richtlinie 96/71/EG – Entsenderichtlinie Art. 1 Abs. 1; Assoziationsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedsstaaten und der Republik Polen Art. 37, 41-42, 55; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; ArbGG § 61 Abs. 2; AEntG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3-4; SGB III § 211 Abs. 1; BaubetriebeVO § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Eingangssatz; Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe i.d.F. vom 28. Januar 1999 (VTV/1999) § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin im Jahre 1999 verpflichtet war, an den vom Beklagten betriebenen Urlaubskassenverfahren der Bauwirtschaft teilzunehmen.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft polnischen Rechts mit Sitz in L. Sie erbringt durch Werkverträge baugewerbliche Arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland und entsendet zu diesem Zweck ständig polnische Arbeitnehmer nach Deutschland. Dafür unterhält sie in Berlin eine Zweigniederlassung.
Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) iVm. den Vorschriften des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Der VTV in der Fassung vom 28. Januar 1999 ist in Kraft getreten am 1. Januar 1999 (VTV/1999). Sowohl der BRTV, als auch der VTV/1999 wurden für allgemeinverbindlich erklärt (vgl. die AVE vom 19. März 1999, Bundesanzeiger Nr. 64 vom 7. April 1999).
Der Beklagte verlangt von der Klägerin die Teilnahme am Urlaubskassenverfahren in Form von Auskünften und Beitragszahlungen beginnend mit dem 1. Januar 1999. Die Klägerin erteilte einige der im Urlaubskassenverfahren vorgesehenen Auskünfte und zahlte unter Vorbehalt auch einen Teil der danach zu entrichtenden Beiträge.
Die Klägerin hält die Allgemeinverbindlicherklärung von BRTV und VTV/1999 für unwirksam und ist der Auffassung, diese Tarifverträge seien rechtswidrig. Außerdem seien die Voraussetzungen einer Erstreckung nach § 1 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) nicht gegeben. Die von diesem Gesetz vorgesehene Unterwerfung ausländischer Arbeitgeber unter die tariflichen Vorschriften verstoße zudem gegen internationale Vereinbarungen und Europarecht sowie gegen das Grundgesetz.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß sie nicht verpflichtet ist, im Kalenderjahr 1999 am Urlaubskassenverfahren des Baugewerbes teilzunehmen und im Rahmen dieses Verfahrens für die im Jahre 1999 in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer, die einer Arbeitserlaubnis bedurften und im Rahmen der deutsch-polnischen Regierungsvereinbarung über die Entsendung von Arbeitnehmern in die Bundesrepublik Deutschland bei Werkverträgen mit Dritten tätig wurden, dem Beklagten Auskünfte zu erteilen und Sozialkassenbeiträge zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat ferner in der Berufungsinstanz Widerklage erhoben mit dem Antrag,
die Klägerin zu verurteilen,
ihm auf dem hierfür vorgesehenen Formular Auskunft zu erteilen hinsichtlich jedes einzelnen gewerblichen Arbeitnehmers, den sie seit dem 1. Januar 1999 in die Bundesrepublik Deutschland entsandt hat, über
- Name, Vorname, Geburtsdatum und Heimatadresse,
- Bankverbindung im In- oder Ausland, soweit insoweit vorhanden,
- Art der Tätigkeit während der Beschäftigung in Deutschland,
- Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung in Deutschland;
- ihm Auskunft zu erteilen auf dem hierfür vorgesehenen Formular über Name, Vorname, Geburtsdatum, Beschäftigungszeit und Höhe des Bruttolohns in Deutsche Mark jedes einzelnen von der Klägerin nach Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmers für die jeweiligen Monate Januar bis August 1999 sowie die Höhe des für die einzelnen vorgenannten Monate jeweils fällig gewordenen Urlaubskassenbeitrages zu erteilen;
- für den Fall, daß die Klägerin ihre Auskunftspflichten gem. 1. innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, ein in das Ermessen des Gerichts gestellte angemessene Entschädigung in Geld, mindestens jedoch 1.000,00 DM zu zahlen;
- und für den Fall, daß sie ihre Auskunftspflichten gem. Ziff. 2 innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, eine Entschädigung in Höhe von 55.148,10 DM zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, es bestünden weder gegen den BRTV und den VTV/1999, noch gegen ihre gesetzliche Erstreckung auf ausländische Arbeitgeber rechtliche Bedenken. Die Klägerin schulde ihm auf Grund des VTV/1999 die eingeklagten Auskünfte. Die Entschädigung für den Fall der Nichterfüllung hat er – vom Zahlenwerk her unstreitig – berechnet, indem er anhand der ihm vorliegenden Meldungen der Klägerin an die Arbeitsämter gem. § 3 AEntG die beschäftigten Arbeitnehmer feststellt, die tarifliche Arbeitszeit und den tariflichen Mindestlohn zugrunde legt und vom so ermittelten Betrag 80 % angesetzt hat.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in der erstinstanzlichen Fassung stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auch in der geänderten Fassung abgewiesen. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt hat, nicht zur Erteilung von Auskünften verpflichtet zu sein, hat das Landesarbeitsgericht die Klage für unzulässig und im übrigen für unbegründet gehalten. Die Widerklage hat es nur für teilweise begründet gehalten und die Klägerin verurteilt, dem Beklagten Auskunft über die Namen der in den Monaten Januar bis August 1999 von der Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmer und die an diese Arbeitnehmer in den vorbezeichneten Monaten jeweils gezahlten Bruttolöhne zu erteilen. Für den Fall, daß diese Auskunft nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erteilt wird, hat es die Klägerin verurteilt, an den Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 13.784,53 DM zu zahlen. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen. Der vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilten Auskunftspflicht ist die Klägerin zwischenzeitlich nachgekommen.
Gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision ihren Feststellungsantrag weiter und wendet sich gegen ihre Verurteilung zu Auskunftspflichten und zum Schadenersatz für den Fall, daß sie diese Auskunftspflichten nicht erfüllt. Der Beklagte verfolgt mit seiner Revision den Auskunftsanspruch weiter, soweit das Landesarbeitsgericht die Widerklage abgewiesen hat. Für den Fall, daß die Klägerin insoweit den Auskunftsanspruch nicht erfüllt, begehrt er in der Revisionsinstanz noch die Verurteilung zu Entschädigungen wie folgt: Soweit die Angaben über das Geburtsdatum und die Beschäftigungszeit nicht gemacht werden zu zumindestens 1.000,00 DM und im übrigen zu 13.784,53 DM. Der Beklagte erklärt in der Revisionsinstanz den Rechtsstreit insoweit für erledigt, als das Landesarbeitsgericht die Klägerin zu Auskünften verurteilt hat und insoweit, als der weiterverfolgte Antrag auf Entschädigung für den Fall der Nichterteilung der Auskünfte hinter dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag zurückbleibt. Die Klägerin tritt der Erledigungserklärung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist teilweise unzulässig und im übrigen unbegründet. Die Revision des Beklagten ist begründet.
- Die Revision der Klägerin ist insoweit unzulässig, als sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts richtet, die Feststellungsklage gegen die Verpflichtung, dem Beklagten Auskünfte zu erteilen, als unzulässig abzuweisen. Insofern finden sich in der Revisionsbegründung keine Ausführungen. Damit ist die Klägerin ihrer Pflicht zur Begründung der Revision nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO aF = § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO nF nicht nachgekommen. Zur Begründung eines Rechtsmittels gehört es, daß der Revisionskläger sich nicht nur mit jedem einzelnen Anspruch, sondern auch mit allen tragenden Entscheidungsgründen der Vorinstanz hinsichtlich dieses Anspruchs auseinandersetzt (BAG 11. März 1998 – 2 AZR 497/97 – BAGE 88, 171, für die Berufung).
Soweit die Revision der Klägerin zulässig ist und sich gegen die Abweisung ihrer Klage richtet, ist sie unbegründet.
- Hinsichtlich des Antrags der Klägerin festzustellen, daß sie für das Jahr 1999 dem Beklagten keine Beiträge schuldet, ist die Klage zulässig. Insbesondere fehlt ihr nicht das Rechtsschutzinteresse (§ 256 ZPO). Zwischen den Parteien stehen in der Höhe unbestimmte Beitragsansprüche des Beklagten im Raum. Die Klägerin hat ein Interesse daran, mit einer negativen Feststellungsklage die Rechtslage zu ihren Gunsten zu klären.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den negativen Feststellungsantrag, mit dem sich die Klägerin gegen ihre Beitragspflicht wandte, abgewiesen. Die Normwirkungen des BRTV und VTV/1999 als dem Urlaubskassenverfahren zugrunde liegende Tarifverträge sind gem. § 1 AEntG auf die Klägerin erstreckt. Das verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die Klägerin schuldete demnach im Jahre 1999 Beiträge.
Auf das Rechtsverhältnis der ausländischen Klägerin zu dem Beklagten ist § 1 AEntG kollisionsrechtlich anwendbar. Die Bestimmung wird nicht durch Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes verdrängt.
Für die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts sind die Vorschriften über das für vertragliche Schuldverhältnisse geltende Kollisionsrecht (Art. 27 bis 37 EGBGB) maßgebend. Zu beurteilen ist dabei das Rechtsverhältnis der Klägerin zu dem Beklagten als Träger einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 Nr. 15 BRTV. Danach hat der Beklagte die Aufgabe, die Auszahlung der Urlaubsvergütung zu sichern, die ein Arbeitgeber tarifvertraglich gegenüber den nach § 1 BRTV in den räumlichen, betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden Bauarbeitern schuldet. Diese Regelungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Inhalt der davon betroffenen Arbeitsverhältnisse.
Der Anwendung des § 1 AEntG steht nicht entgegen, daß zwischen der polnischen Klägerin und ihren nach Deutschland entsandten Arbeitern das Arbeitsvertragsrecht des polnischen Firmensitzes Anwendung findet (vgl. Art. 30 Abs. 2 EGBGB). Das folgt aus Art. 34 EGBGB. Danach sind die Bestimmungen des deutschen Rechts anzuwenden, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln (vgl. dazu BAG 12. Dezember 2001 – 5 AZR 255/00 – AP EGBGB n.F. Art. 30 Nr. 10). Schon nach dem Gesetzeswortlaut finden die entsprechenden Rechtsnormen allgemeinverbindlicher Tarifverträge “zwingend Anwendung”. Das war auch das Ziel des historischen Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 13/2414 S 9) bei der Novellierung des AEntG durch Art. 10 des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S 3843; BT-Drucks. 14/45 S 25; vgl. Ulber AÜG: Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Arbeitnehmer-Entsendegesetz 2. Aufl. § 1 AEntG Rn. 7 mwN; Koberski/Asshoff/Hold Arbeitnehmer-Entsendegesetz 2. Aufl. § 1 AEntG Rn. 139 ff.; Hanau NJW 1996, 1369, 1370, 1372; Junker RdA 1998, 44, 45).
Entgegen der Ansicht der Revision verdrängen § 285 Abs. 2 SGB III iVm. § 3 der Anwerbestoppausnahmeverordnung vom 17. September 1998 (BGBl. I S 2893) nicht die Anwendbarkeit des AEntG. Sie regeln, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer, die auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung – hier die “Vereinbarung … über die Entsendung von Arbeitnehmern polnischer Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen” vom 30. Mai 1990 (BGBl. II S 602) mit späteren Änderungen vom 13. Januar 1992 (BGBl. II S 93) und vom 1. März/30. April 1993 (BGBl. II S 1125) – beschäftigt werden, eine Arbeitserlaubnis erhalten. Die Erteilung einer Arbeitserlaubnis setzt nach § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III voraus, daß die ausländischen Arbeitnehmer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Diese für die Erteilung der Arbeitserlaubnis vorausgesetzte Bedingung ist mit dem Regelungsgehalt des § 1 AEntG nicht vergleichbar. Stellt die Arbeitsverwaltung fest, daß ungünstigere Arbeitsbedingungen gewährt werden, muß sie die Arbeitserlaubnis widerrufen. Das Arbeitserlaubnisrecht räumt den betroffenen Arbeitnehmern also keine eigenen Rechtspositionen auf gleiche Vergütung ein (Kasseler Handbuch/Düwell 2. Aufl. Abschn. 4.5 Rn. 88). Demgegenüber ist in § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG der tariflichen Urlaubskasse das Recht auf Einzug von Beiträgen eingeräumt, um den ausländischen Arbeitnehmern in derselben Höhe wie inländischen Arbeitnehmern Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld zu sichern.
Die Voraussetzungen, die in § 1 AEntG für die Anwendung der den Beitragseinzug regelnden Rechtsnormen aufgestellt sind, liegen vor.
- Die Klägerin ist – wie es § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG voraussetzt – eine Arbeitgeberin mit Sitz im Ausland, deren Betrieb überwiegend Bauleistungen iSd. § 211 Abs. 1 SGB III erbringt. Ihr Betrieb unterfällt der Baubetriebe-Verordnung. Der Beklagte ist – wie es § 1 Abs. 3 AEntG voraussetzt – eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, die im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaubsansprüchen im Baugewerbe Beiträge einzieht und Leistungen gewährt.
BRTV und VTV/1999, deren Rechtsnormen der Beklagte unterliegt (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 5 VTV/1999), erfüllen auch die Erstreckungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 und Abs. 3 AEntG. Sie enthalten Regelungen für das Baugewerbe, hinsichtlich des Erholungsurlaubs, des Urlaubsentgelts und eines zusätzlichen Urlaubsgeldes. Die tariflichen Bestimmungen sind auch wirksam für allgemeinverbindlich erklärt.
Soweit das AEntG die Allgemeinverbindlicherklärung zur Tatbestandsvoraussetzung macht, nimmt es § 5 TVG in Bezug. Diese Bestimmung gilt – wie das gesamte TVG – nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (4. Mai 1977 – 4 AZR 10/76 – BAGE 29, 138) nur für Arbeitsverhältnisse, die deutschem Arbeitsrecht unterliegen. Erforderlich ist nach dem Gesetz daher nur, daß für deutschem Arbeitsrecht unterliegende Arbeitsverhältnisse ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag vorliegt. Das ist bei diesen Tarifverträgen der Fall. Entgegen der Revision ist die Allgemeinverbindlicherklärung bezogen auf die dem deutschem Arbeitsrecht unterliegenden Arbeitsverhältnisse nicht zu beanstanden.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG kann ein Tarifvertrag ua. dann für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn zum einen die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens die Hälfte der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und zum anderen die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die mögliche Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages ist durch die Gerichte für Arbeitssachen zu überprüfen. Es spricht jedoch der erste Anschein für die Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung. Es bedarf daher eines Parteivortrages, der geeignet ist, erhebliche Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG aufkommen zu lassen, damit das Gericht die mögliche Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung überprüft (BAG 28. März 1990 – 4 AZR 536/89 – AP TVG § 5 Nr. 25 = EzA TVG § 5 Nr. 10; ArbG Kassel 18. Januar 2001 – 6 Ca 686/99 – DB 2001, 1419 ff.; Kretz Arbeitnehmer-Entsendegesetz C Rn. 32 f.). An einem solchen Vorbringen fehlt es.
Die Klägerin hat es auch nicht vermocht aufzuzeigen, daß kein öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung bestanden habe oder das Bundesministerium für Arbeit mit der Allgemeinverbindlicherklärung seinen außerordentlich weiten Beurteilungsspielraum (dazu BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – BVerfGE 44, 322, 344; BAG 28. März 1990 – 4 AZR 536/89 – aaO; BVerwG 3. November 1988 – 7 C 115/86 – BVerwGE 80, 355) überschritten habe.
- Gegen die gesetzlichen Bestimmungen über die Allgemeinverbindlicherklärung bestehen verfassungsrechtlich keine Bedenken (vgl. BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 439/79 – BVerfGE 55, 7 ff.; BAG 22. September 1993 – 10 AZR 371/92 – BAGE 74, 226).
- Für die vor dem Senat vertretene Ansicht, im Hinblick auf die Erstreckung der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifnormen auf ausländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedürfe es einer über die Bestimmungen des TVG hinausgehenden Veröffentlichung, gibt es keine Rechtsgrundlage.
Nach § 1 Abs. 1 AEntG reicht die Erstreckung von Tarifnormen nur soweit, wie “auch inländische Arbeitgeber ihren im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmern mindestens die am Arbeitsort geltenden tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen gewähren müssen”. Dieses “Arbeitsortprinzip” dient der Verhinderung der Diskriminierung ausländischer Arbeitgeber (BT-Drucks. 13/2414 S 8). Es ist deshalb auch dann eingehalten, wenn – abhängig vom Sitz des Arbeitgebers – zwar auch im Inland unterschiedliche Arbeitsbedingungen gelten, jedoch nur die niedrigsten dieser Arbeitsbedingungen auf den ausländischen Arbeitgeber erstreckt werden (Koberski/Asshoff/Hold aaO § 1 AEntG Rn. 169). Diese Voraussetzung war und ist nach dem BRTV gegeben. Es galt und gilt einheitlich eine Urlaubsdauer von 30 Arbeitstagen erhöht um fünf Arbeitstage für Schwerbehinderte (§ 8 Nr. 1.1 und 1.2 BRTV). Zwar war die Urlaubsvergütung bis zum 31. Dezember 2000 unterschiedlich geregelt, weil für Betriebe mit Sitz in den alten Ländern außer Bayern und Berlin eine erhöhte Urlaubsvergütung galt (§ 8 Nr. 4.1 BRTV). Diese Voraussetzung erfüllen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland aber gerade nicht, so daß für sie nur die niedrigere Urlaubsvergütung anzuwenden war (Koberski/Asshoff/Hold aaO § 1 AEntG Rn. 175).
Unschädlich war auch, daß nach § 8 Nr. 17 BRTV der gesamte § 8 nicht für Arbeitgeber mit Sitz in Bayern und in Berlin galt. Die dort geltenden Tarifverträge bleiben nicht hinter den außerhalb der vorgenannten alten Länder geltenden Ansprüchen hinsichtlich der Urlaubsdauer und der Urlaubsvergütung zurück. Dies ergibt sich in Bayern aus § 2 Nr. 1 und Nr. 2 und § 5 Nr. 1 der “Urlaubsregelung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern” und für Berlin aus § 3 Nr. 2.1 und Nr. 2.2 sowie Nr. 5.2 bis Nr. 5.4 des “Tarifvertrages zur Ergänzung des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe”.
Auch die Beschränkungen in § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 AEntG sind eingehalten.
Entsprechend Nr. 1 der genannten Bestimmung stellt § 8 Nr. 15.2 BRTV sicher, daß der ausländische Arbeitgeber nicht gleichzeitig zu Beiträgen an die deutsche Urlaubskasse und an eine vergleichbare Einrichtung im Staat seines Sitzes herangezogen wird. Weist der Arbeitgeber nach, im Staat seines Betriebssitzes Beiträge zu einer vergleichbaren Urlaubskasse zu entrichten, so hat der Beklagte keine Ansprüche auf Beiträge. In gleicher Weise ist entsprechend Nr. 2 der genannten gesetzlichen Bestimmung in § 8 Nr. 13 BRTV gewährleistet, daß das Verfahren eine Anrechnung derjenigen Leistungen vorsieht, die der ausländische Arbeitgeber zur Erfüllung des gesetzlichen, tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Urlaubsanspruchs seines Arbeitnehmers “bereits erbracht” hat. Nach dieser Bestimmung ist gewährter Urlaub, soweit er nicht rechnerisch auf Zeiten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vor der Entsendung entfällt, auf den Urlaubsanspruch nach dem BRTV anzurechnen.
Entgegen der Revision verstößt es nicht gegen höherrangiges Recht, daß die Tarifvertragsparteien im BRTV und im VTV/1999 besondere Regelungen für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer getroffen haben. Das verstößt weder gegen § 1 AEntG noch überschreitet es die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG finden die dort genannten Tarifverträge “auch” auf ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seine nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer Anwendung. Mit dieser Formulierung wird (entgegen Fritzsche Die Vereinbarkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes sowie der erfassten Tarifverträge mit höherrangigem Recht S 250) nicht verlangt, daß eine buchstabengetreue Identität der tariflichen Normen für deutsche und ausländische Arbeitgeber gilt. Das zeigt die Regelung in § 1 Abs. 3 AEntG, nach der “in den betreffenden Tarifverträgen (…) sichergestellt” sein muß, daß bestimmte Doppelbelastungen nicht eintreten. Der Gesetzgeber hat damit tarifliche Regelungen ermöglicht, die – ohne Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, die über die in Deutschland gewährten hinausgehen – an die Besonderheiten des Auslandsbezuges anknüpfen.
Diese Grenze ist eingehalten. Die Bestimmungen des BRTV und des VTV/1999 dienen und dienten der sicheren Umsetzung des AEntG gerade gegenüber ausländischen Arbeitgebern und knüpften damit an die Besonderheiten des Auslandsbezuges an. Im BRTV finden sich zunächst die genannten Regelungen, die § 1 Abs. 3 AEntG fordert. § 8 Nr. 6.1 Buchst. f BRTV enthielt 1999 eine Sonderregelung für die Urlaubsabgeltung von entsandten Arbeitnehmern. §§ 55 ff. VTV/1999 enthielten Regelungen über das Verfahren, die allein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland betrafen. Sie regelten im wesentlichen eine gegenüber deutschen Arbeitgebern erweiterte Meldepflicht und legten fest, daß sowohl der Anspruch auf Urlaubsvergütung als auch der auf Urlaubsabgeltung des Arbeitnehmers – anders als bei deutschen Arbeitnehmern – sich gegen den Beklagten und nicht den Arbeitgeber richtete.
- Diese Regelungen, die nur für Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgebern mit Sitz im Ausland und ihren entsandten Arbeitnehmern gelten, scheitern auch nicht an einer mangelnden Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Diese beruht allerdings nicht auf dem TVG. Dieses erfaßt – wie dargelegt – nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur Arbeitsverhältnisse, die deutschem Arbeitsrecht unterliegen. Aus dem dargestellten Gesamtzusammenhang des AEntG ergibt sich jedoch, daß dies im genannten Umfange selber den Tarifvertragsparteien eine entsprechende Regelungsbefugnis verleiht (dazu Wank/Börgmann NZA 2001, 177, 185).
- Der Erstreckung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge auf die Klägerin steht das Günstigkeitsprinzip nicht entgegen. Eine Einbeziehung in das Urlaubskassenverfahren kommt nur dort nicht in Betracht, wo es auf Grund des gebotenen Günstigkeitsvergleichs in Bezug auf das materielle Recht gar nicht zu einer Anwendung der deutschen Urlaubsvorschriften kommt (BT-Drucks. 13/2414 S 9). Die Bestimmungen des Gesetzes sind insoweit einschränkend auszulegen (dazu zB Kretz aaO C Rn. 88). Es ist allerdings weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß die aus Polen entsandten Arbeitnehmer der Klägerin hinsichtlich ihrer Urlaubsansprüche besser gestellt sind, als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer nach Maßgabe der allgemeinverbindlichen Tarifverträge des Baugewerbes.
Die Erstreckung der Tarifnorm durch das AEntG geht auch nicht ins Leere. Die in Bezug genommenen Tarifnormen sind wirksam.
Entgegen der Revision bestehen keine Zweifel an der Tarifzuständigkeit der Spitzenorganisationen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, die den BRTV und den VTV/1999 abgeschlossen haben.
Es ist Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Tarifvertrag, daß die tarifvertragschließenden Parteien nach ihrer Satzung für den Abschluß dieses Tarifvertrages zuständig sind (vgl. Oetker in: Wiedemann 6. Aufl. § 2 TVG Rn. 43 ff.; Kempen/Zachert 3. Aufl. § 2 TVG Rn. 108 ff.). In Verfahren vor dem Senat ist vorgetragen worden, die tarifschließenden Spitzenorganisationen seien satzungsgemäß nur für den Abschluß “bundesweiter Tarifverträge” zuständig. Diesem Vortrag ist nicht gem. § 293 ZPO weiter nachzugehen. Er ist unerheblich. Das gilt auch unter Berücksichtigung dessen, daß der BRTV – wie dargelegt – die Länder Berlin und Bayern von der Urlaubsregelung ausschloß bzw. ausschließt. Dies erfolgte im Hinblick auf inhaltlich gleichwertige Regelungen in diesen Ländern und war deshalb eine bundesbezogene tarifpolitische Entscheidung.
Die erstreckten Tarifverträge begegnen auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) keinen Bedenken.
Weder ist es gleichheitswidrig, daß für Arbeitgeber mit Sitz im In- und Ausland unterschiedliche Regelungen bestanden und bestehen, noch daß das Urlaubskassenverfahren lediglich Arbeiter, nicht aber Angestellte betrifft. Das gilt auch für die Erstreckung des Systems auf ausländische Arbeiter im Gegensatz zu ausländischen Angestellten. Damit stellt sich nicht die Frage, ob sich einzelne Gleichheitswidrigkeiten auf Auskunfts- und Beitragspflichten der Klägerin auswirken.
Allgemeinverbindliche Tarifverträge sind am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen (BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 439/79 – aaO); das gilt auch, soweit sie durch das AEntG allgemein erstreckt sind. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG folgt eine Begrenzung der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen. Den Tarifvertragsparteien steht eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Regelungsfolgen, und ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben (BAG 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – AP GG Art. 3 Nr. 291 = EzA GG Art. 3 Nr. 93).
Den ihnen danach zustehenden Gestaltungsspielraum haben die Tarifvertragsparteien des BRTV und des VTV/1999 nicht überschritten.
- Das gilt zunächst insoweit, als die Tarifvertragsparteien unterschiedliche Regelungen für Arbeitgeber mit Sitz im Inland und Arbeitgeber mit Sitz im Ausland getroffen haben. Soweit die Regelungen den Schutz vor Doppelbelastungen sowie abrechnungstechnische Besonderheiten, die an den Austritt des Arbeitnehmers aus dem Urlaubskassensystem durch Beendigung der Entsendung anknüpfen, betreffen, ergibt sich der unterschiedliche Regelungsbedarf unmittelbar aus dem zu regelnden Sachverhalt. Soweit das Meldeverfahren und die Abrechnung der Vergütungs- und Abgeltungsansprüche im Jahre 1999 unterschiedlich geregelt waren, war auch dies gerechtfertigt. Das AEntG trat in seiner ursprünglichen Fassung am 1. März 1996 in Kraft (Gesetz vom 26. Februar 1996 BGBl. I S 227). Der Beklagte mußte sich erstmalig einen Überblick über die ausländischen Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in die Bundesrepublik entsandten, verschaffen. Es war nicht sachwidrig, für eine gewisse Zeit verschärfte Regelungen für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland zu schaffen.
Gleiches gilt (entgegen ArbG Wiesbaden 7. Januar 2002 – 3 Ca 8/00 – DB 2002, 1274) insoweit, als sowohl der BRTV nach seinem § 1 Abs. 3, als auch der VTV/1999 – soweit er an § 8 BRTV anknüpft – lediglich Arbeiter, nicht aber Angestellte einbezogen.
Es ist anerkannt, daß die Tarifvertragsparteien zwischen Arbeitern und Angestellten unterscheiden können, wenn dies dem Ziel der flexiblen Personalanpassung im produktiven Bereich dient und wenn tatsächlich anteilig erheblich mehr Arbeiter als Angestellte im produktiven Bereich tätig sind. Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben von dieser Möglichkeit im BRTV hinsichtlich der Kündigungsfristen Gebrauch gemacht. In § 12 Nr. 1.1 BRTV ist eine verkürzte Grundkündigungsfrist und in § 12 Nr. 1.2 BRTV für Arbeitsverhältnisse von weniger als drei Jahren Dauer eine gegenüber der gesetzlichen Regelung verkürzte Kündigungsfrist vereinbart. Nach § 11 Nr. 1 RTV Angestellte richtet sich die Kündigungsfrist für Angestellte dagegen im wesentlichen nach den gesetzlichen Vorschriften. Diese Differenzierung ist aus den genannten Gründen zulässig (vgl. BAG 2. April 1992 – 2 AZR 516/91 – AP BGB § 622 Nr. 38 = EzA BGB § 622 n.F. Nr. 43).
Dabei ist es unerheblich, ob eine derartige Fluktuation tatsächlich stattfindet oder ob die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes sie lediglich ermöglichen wollen. Allein das mit dem Tarifvertrag verfolgte Ziel rechtfertigt die Differenzierung. Es macht auch keinen Unterschied, daß in der Gruppe der Angestellten teilweise auch Arbeitnehmer – zB Poliere – erfaßt sind, die mit dem produktiven Bereich Kontakt haben. Hier ist zu berücksichtigen, daß es ein Interesse der Arbeitgeberseite gibt, höher qualifizierte Arbeitnehmer als Stammbelegschaft zu halten.
Überschreiten die Tarifvertragsparteien den ihnen von der Verfassung gewährten Gestaltungsspielraum aber nicht dadurch, daß sie im produktiven Bereich eine erhöhte Fluktuation der Arbeitnehmer ermöglichen, ist es ihnen auch unbenommen, die dadurch für die Arbeitnehmer entstehenden negativen sozialen Folgen durch tarifliche Regelungen auszugleichen. Dazu gehört es auch, den Arbeitnehmern zu ermöglichen, ihren Urlaub zusammenhängend zu nehmen, obwohl eine erhöhte Fluktuation die Möglichkeit kürzerer Arbeitsverhältnisse, in denen ein zusammenhängender Urlaubsanspruch nicht entsteht, eher wahrscheinlich macht. Das geschieht durch das Urlaubskassenverfahren der Bauwirtschaft (Senat 19. September 2000 – 9 AZR 504/99 – BAGE 95, 312).
Soweit sich die Urlaubsvergütung bei Arbeitern (§ 8 Nr. 4 BRTV) und Angestellten (§ 10 Nr. 5 und Nr. 6 RTV Angestellte) unterschiedlich berechnet, ergibt sich dies aus unterschiedlichen Vergütungssystemen und ist deshalb nicht zu beanstanden.
Auch durch die Erstreckung dieses Systems auf Arbeiter, die von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland nach Deutschland entsandt werden, ist der Gleichheitssatz nicht verletzt. Das gilt unabhängig davon, ob diese Arbeitnehmer tatsächlich eine Fluktuation im Inland aufweisen und damit auf Grund des Urlaubskassensystems in die Lage versetzt werden, ihren Urlaubsanspruch bei einem Arbeitgeberwechsel “mitzunehmen”. Bezogen auf diese Arbeitnehmer ist das Urlaubskassenverfahren der Bauwirtschaft wegen der ihnen damit insgesamt zugute kommenden Vorteile gerechtfertigt.
Die Regelungen des Urlaubskassenverfahrens sind im Zusammenhang mit den materiellrechtlichen Urlaubsbestimmungen des BRTV zu sehen. Nach § 8 Nr. 1.1 dieser Vorschrift hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf 30 Arbeitstage, also sechs Wochen, Erholungsurlaub jährlich. Das ist das Doppelte dessen, was dem internationalen Standard nach dem Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 (BGBl. II 1975, S 746) entspricht, das lediglich drei Arbeitswochen jährlich garantiert (Art. 3 Nr. 3). § 8 Nr. 4.1 BRTV gewährt darüber hinaus neben der Entgeltfortzahlung im Urlaub eine erhöhte Urlaubsvergütung. Die so gewährten Ansprüche werden gem. § 8 Nr. 15.1 BRTV durch das Urlaubskassenverfahren gesichert. Das erfolgt einmal dadurch, daß mit dem Beklagten eine Institution zur Verfügung steht, die durch Eintreibung der Beiträge dafür sorgt, daß die Urlaubsansprüche auch tatsächlich gewährt werden, weil sie es für Arbeitgeber unattraktiv macht, sich ihnen zu entziehen. Das erspart es dem Arbeitnehmer weitgehend, seine Ansprüche in gerichtlichen Verfahren durchzusetzen. Das ist insbesondere im laufenden Arbeitsverhältnis – das erfahrungsgemäß viele Arbeitnehmer davon abhält, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen – von Bedeutung. Hier ist zudem zu berücksichtigen, daß die erhöhten Ansprüche regelmäßig nur in Deutschland durchgesetzt werden können, was ein zusätzliches Hindernis für die betroffenen Arbeitnehmer darstellt. Dieser Durchsetzungsmechanismus für Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer wird – wie dargelegt – auch nicht durch behördliche Kontrollverfahren überflüssig. Es kommt hinzu, daß beim Urlaubskassenverfahren die Ansprüche des Arbeitnehmers auch dann gesichert sind, wenn sich – ggf. nach Abwicklung eines Insolvenzverfahrens – herausstellt, daß sie beim Arbeitgeber uneinbringlich sind (dazu Senat 20. Februar 2001 – 9 AZR 661/99 – BAGE 97, 71).
Daß ausländische Angestellte – obwohl sie möglicherweise hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Fluktuation ausländischen Arbeitern gleichstehen – nicht in den Tarifvertrag einbezogen sind, ist aus der Systematik des AEntG gerechtfertigt. Dieses dient der Vermeidung gespaltener Arbeitsmärkte und den daraus resultierenden sozialen Spannungen (BT-Drucks. 13/2414 S 7). Für die Angestellten können aber keine gespaltenen Arbeitsmärkte eintreten, da es insofern keine allgemeinverbindlichen Tarifverträge gibt.
Der BRTV und der VTV/1999 verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Unabdingbarkeit in § 13 Abs. 2 BUrlG.
Nach dieser Bestimmung kann von an sich unabdingbaren Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes im “Baugewerbe oder sonstigen Wirtschaftszweige(n), in denen als Folge häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfange üblich sind” durch Tarifvertrag abgewichen werden, “soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist”. Ob im Baugewerbe tatsächlich in erheblichem Umfange Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr üblich sind, ist unerheblich. Diese Voraussetzung bezieht sich – wie die Struktur der Vorschrift zeigt – lediglich auf “sonstige Wirtschaftszweige”.
Die Regelungen des BRTV und des VTV/1999 sind zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Regelungen nach den tatsächlichen Verhältnissen zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich sind. Das ist – wie dargelegt – nur für andere Wirtschaftszweige im einzelnen zu prüfen und wird vom Gesetzgeber hier vorausgesetzt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die gefundenen Regelungen inhaltlich sicherstellen, daß im Falle kurzer Arbeitsverhältnisse zusammenhängende Urlaubsansprüche gewährt werden können. Das ist beim Urlaubskassenverfahren der Fall (vgl. Senat 19. September 2000 – 9 AZR 504/99 – aaO).
Die in § 1 Abs. 3 AEntG geregelte Anwendung der das Urlaubskassenverfahren betreffenden tariflichen Rechtsnormen auf das Rechtsverhältnis des Beklagten zu der Klägerin verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Die Berufung der Revision auf das deutsch-polnische Werkvertragsabkommen ist nicht geeignet, die Geltung des § 1 Abs. 3 AEntG für die Klägerin auszuschließen. Die Klägerin beruft sich auf ein Verwaltungsabkommen iSv. Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG, das ohne jede gesetzgeberische Beteiligung zustande gekommen ist. Da sich der innerstaatliche Rang völkerrechtlicher Vereinbarungen nach dem Umsetzungsakt richtet (Streinz in: Sachs 2. Aufl. GG Art. 59 Rn. 63), kann ein Verwaltungsabkommen nicht die Einschränkung eines innerstaatlichen Gesetzes bewirken (Streinz in: Sachs aaO Rn. 81). Schon wegen dieses Rangverhältnisses geht das AEntG dem deutsch-polnischen Werkvertragsabkommen vor (aA Reim Auf dem Weg nach Europa S 167).
Da nur die Wirkungen eines einzelnen völkerrechtlichen Abkommens, nicht aber allgemeine Regeln des Völkerrechts in Frage stehen, ist keine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 iVm. Art. 25 Satz 2 GG erforderlich (BVerfG 13. Mai 1996 – 2 BvL 33/93 – BVerfGE 94, 315).
Die Erstreckung des Urlaubskassenverfahrens auf einen polnischen Arbeitgeber wie die Klägerin ist auch mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar.
- Die Bestimmungen der Art. 49 und 50 EG, die die Dienstleistungsfreiheit regeln, betreffen nur den “freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedsstaaten”. Da die Klägerin ihren Sitz in einem Land hat, das nicht Mitglied der EG ist, finden diese Regelungen auf sie keine Anwendung (Reim aaO S 71).
- Die EG Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 ABl. GG 1997 L 18/1) gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat. Sie führt in den Erwägungsgründen unter Ziff. 20 aus, einzelstaatliche Rechtsvorschriften, die den Zugang von Dienstleistungserbringern aus Drittländern betreffen, blieben “unberührt”. Damit gebietet und verbietet die Richtlinie den Mitgliedsstaaten insoweit keine Handlungen.
Aus dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits vom 16. Dezember 1991 (ABl. EG 1993 L 348/1 ff.; Assoziationsabkommen), das ein Beitrittsabkommen iSd. Art. 310 EG ist, kann die Klägerin nichts herleiten. Bestimmungen in Beitrittsabkommen gewähren nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (29. Januar 2002 – Rs C-162/00 – NZA 2002, 377 ff.) nur dann unmmittelbare Rechte, wenn ihre Durchführung nicht vom Erlaß eines weiteren Aktes abhängt.
Die in den genannten Beitrittsabkommen enthaltenen Regelungen über den Dienstleistungsverkehr (Art. 55) und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 42) hängen von weiteren – bisher nicht getroffenen – Umsetzungsakten des Assoziationsrates ab.
Soweit Art. 37 Abs. 1, 2. Spiegelstrich des Assoziationsabkommens polnischen Arbeitnehmern Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt, gilt dies ausdrücklich nicht für Arbeitnehmer, die unter bilaterale Abkommen iSv. Art. 41 fallen, sofern diese Abkommen nichts anderes bestimmen. Damit sind Arbeitnehmer ausgeschlossen, die unter das deutsch-polnische Werkvertragsabkommen fallen. Denn dieses regelt nur den Zugang zum Arbeitsmarkt im Rahmen einer Entsendung zur Durchführung von Werkverträgen und gewährt keinen darüber hinausgehenden Zugang zum Arbeitsmarkt (Art. 3 Abs. 1). Gemäß Art. 41 Abs. 1, 1. Spiegelstrich des Assoziationsabkommens sollen zwar die bestehenden Erleichterungen für den Zugang zur Beschäftigung für polnische Arbeitnehmer, die die Mitgliedsstaaten im Rahmen bilateraler Abkommen gewähren, beibehalten und nach Möglichkeit verbessert werden. Dies gilt nach dem Eingangssatz dieses Absatzes aber nur vorbehaltlich der Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates. Nach diesem Vorbehalt geht das AEntG dem deutsch-polnischen Werkvertragsabkommen vor.
- Der Senat ist nicht verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung nach Art. 234 Abs. 2 EG anzurufen. Eine derartige Anrufungspflicht besteht nicht, soweit die Auslegung nach dem Wortlaut der anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig oder in der Rechtsprechung des EuGH geklärt ist (EuGH 6. Oktober 1982 – Rs C-283/81 – AP EWG-Vertrag Art. 177 Nr. 11). So ist es hier.
Die in § 1 Abs. 3 AEntG geregelte Erstreckung allgemeinverbindlicher Tarifverträge auf ausländische Arbeitgeber verletzt auch nicht die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG). Es liegt insoweit kein unzulässiger Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit oder die Tarifautonomie vor.
- Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit schützt für jedermann und alle Berufe das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen, sowie auch die Koalition als solche und ihr Recht, durch spezifische koalitionsmäßige Betätigung die in der Vorschrift genannten Zwecke zu verfolgen. Als individuelles Freiheitsrecht umfaßt sie auch das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben (BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74 – BVerfGE 55, 7 ff.): negative Koalitionsfreiheit. In den Schutzbereich fällt ferner der Bestand und die Betätigung der Koalitionen zum Zweck der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Dazu gehört insbesondere auch der Abschluß von Tarifverträgen (BVerfG 10. Januar 1995 – 1 BvF 1/90 – BVerfGE 92, 26 ff.): Tarifautonomie.
- Es verstößt nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit, daß durch das AEntG tarifvertragliche Normen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber erstreckt werden, die den Koalitionen nicht angehören. Ebenso wie bei der Allgemeinverbindlicherklärung ist dies letztlich durch die den Koalitionen nach Art. 9 Abs. 3 GG zugewiesene öffentliche Aufgabe, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen aus eigener Verantwortung zu gestalten, gerechtfertigt. Das gilt auch, wenn man davon ausgeht, auf die Außenseiter würde ein indirekter Druck ausgeübt, einer Koalition beizutreten (BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74 – BVerfGE 55, 7 ff.).
Auch die Tarifautonomie ist nicht verletzt. Sowohl Arbeitgeber mit Sitz im In- wie auch im Ausland sind frei, die auf sie erstreckten allgemeinverbindlichen Tarifverträge durch speziellere zu verdrängen. So hat das Bundesarbeitsgericht vor Inkrafttreten des AEntG entschieden, daß speziellere Tarifverträge solchen Tarifverträgen vorgehen, die für allgemeinverbindlich erklärt worden sind und eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien betreffen (26. Januar 1994 – 10 AZR 611/92 – BAGE 75, 298). Diese Rechtsprechung hat es auch weiter angewandt, nachdem das AEntG am 1. März 1996 in Kraft getreten ist (vgl. 25. Juli 2001 – 10 AZR 599/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 242 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 15).
Es ist Arbeitgebern des Baugewerbes mit Sitz im Ausland, die Bauarbeiter nach Deutschland entsenden, ebenso wie vergleichbaren deutschen Arbeitgebern, nicht möglich, speziellere Tarifverträge abzuschließen, die darauf gerichtet sind, die Wirkungen der Erstreckung von Tarifverträgen nach dem AEntG auszuschließen. Das folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG für ausländische Bauarbeitgeber und aus § 1 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 AEntG für inländische Bauarbeitgeber. Diese Bestimmungen ergänzen die Regelung über die zwingende Wirkung allgemeinverbindlicher Tarifverträge (§ 5 Abs. 4 TVG) dahingehend, daß die entsprechenden Rechtsnormen ausnahmslos angewandt werden sollen. Zwar war der historische Gesetzgeber des AEntG in der ursprünglichen Fassung vom 26. Februar 1996 noch davon ausgegangen, die Regelungen in § 1 Abs. 1 und Abs. 3 AEntG hätten gegenüber den Bestimmungen des TVG lediglich klarstellenden Charakter (BT-Drucks. 13/2414 S 9). Der Gesetzgeber hat aber zwischenzeitlich durch Art. 10 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 zu erkennen gegeben, daß er das System der Erstreckung von Tarifverträgen absichern will. Die entsprechenden Änderungen dienen nach dem Willen des historischen Gesetzgebers der wirksamen Durchführung des Gesetzes (BT-Drucks. 14/45 S 17). Mit einer wirksamen Durchführung des Gesetzes wäre es nicht vereinbar, wenn durch speziellere, für die Arbeitnehmer ungünstigere tarifliche Regelungen anderer Koalitionen das Urlaubskassensystem ausgehebelt werden könnte.
Dieser Eingriff in die Tarifautonomie ist vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Die gesetzliche Regelung dient hier dem Schutz der positiven Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien, die die für allgemeinverbindlich erklärten und gesetzlich erstreckten Tarifverträge abgeschlossen haben. Im Hinblick auf die Konkurrenzsituation in der Bauwirtschaft wäre das Urlaubskassenverfahren durch andere tarifliche Regelungen zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich gefährdet.
Es ist unschädlich, daß sich die Erstreckungswirkung der Tarifnormen direkt aus dem Gesetz ergibt und ohne Beteiligung der Tarifvertragsparteien zustande kommt. Der Gesetzgeber ist frei, die geeignete Rechtsform auszuwählen, auf Grund derer er die Erstreckung der Allgemeinverbindlichkeit bewirkt (BVerfG 18. Juli 2000 – 1 BvR 948/00 – AP AEntG § 1 Nr. 4 = EzA GG Art. 9 Nr. 69). Es bestehen hier auch unter Berücksichtigung des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) keine Bedenken, daß er sich hier für die Rechtsform des Gesetzes entschieden hat. Die Auswirkungen des Gesetzes waren bei seiner Verabschiedung ausreichend erkennbar.
Die Erstreckung der das Urlaubskassenverfahren regelnden allgemeinverbindlichen Tarifverträge auf die ausländische Klägerin ist entgegen den Angriffen der Revision mit der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar.
Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber Arbeitgebern mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer in die Bundesrepublik Deutschland entsenden, ebenso behandelt, wie Arbeitgeber mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, die Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Der Gleichheitssatz verlangt nur, daß sich eine unterschiedliche Behandlung von Personengruppen auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen läßt (BVerfG 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 – BVerfGE 103, 310 ff.). Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber allen denjenigen Unternehmen, die in der Bundesrepublik Deutschland tätig sein wollen, gleiche Belastungen auferlegt, um so den von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes gefundenen Schutz der Arbeitnehmer abzusichern.
Der Gesetzgeber durfte das AEntG im wesentlichen auf die Baubranche beschränken. Er konnte davon ausgehen, daß die dort üblicherweise durch allgemeinverbindliche Tarifverträge geregelten Arbeitsbedingungen unter einem besonderen Druck standen (aA MünchArb/Löwisch/Rieble 2. Aufl. § 268 Rn. 115).
Ohne Erfolg ist die Rüge der Revision, die Klägerin werde verfassungswidrig durch die Fiktion des § 1 Abs. 4 AEntG benachteiligt.
Es bedarf keiner Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG. Eine mögliche Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung wäre nämlich nicht entscheidungserheblich. Die Klägerin hat erstmals in der Revisionsinstanz vorgetragen, bezogen auf ihren Gesamtbetrieb beschäftige sich überwiegend Arbeitnehmer, die nicht in der Bauwirtschaft tätig seien. Das ist unbeachtliches neues Vorbringen (§ 561 ZPO aF = § 559 ZPO nF).
Im übrigen wären auch nach dem tatsächlichen Vorbringen der Klägerin in der Revisionsinstanz die erstreckten Tarifverträge auf sie anwendbar. Im AEntG ist nicht nur auf den Betrieb als Ganzes, sondern auch auf die einzelnen Betriebsabteilungen abgestellt. Voraussetzung für die Erstreckung ist, daß “der Betrieb überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch erbringt”. Damit ist der gesamte Abs. 1 der genannten Vorschrift des SGB III in Bezug genommen worden. § 211 Abs. 1 Satz 4 SGB III bestimmt also, daß ein Betrieb auch eine Betriebsabteilung sein kann. Das folgt aus der Inbezugnahme in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG auf die Baubetriebe-Verordnung. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Eingangssatz dieser Verordnung stellen auf “Betriebe und Betriebsabteilungen” ab. Ebenso knüpft das zu erstreckende Tarifrecht der Bauwirtschaft seit langem an die Betriebsabteilung an: Selbständige Betriebsabteilungen gelten als Betriebe sowohl iSd. BRTV als auch des VTV/1999 (jeweils § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2). Würde – wie die Revision meint – bei entsendenden Arbeitgebern nur auf den gesamten Betrieb abgestellt, führte dies im Ergebnis zu einer Besserstellung, die das AEntG verhindern soll.
Wann im einzelnen in diesem Sinne von einer Betriebsabteilung auszugehen ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls liegt eine Betriebsabteilung in Deutschland vor, wenn der ausländische Arbeitgeber hier eine Niederlassung unterhält, von der aus er den Einsatz in Deutschland koordiniert. Das ist bei der Klägerin nach ihrem Vorbringen in der Revisionsinstanz der Fall.
Die von der Revision geltend gemachte Ungleichbehandlung, daß Arbeitgeber mit Sitz im Ausland nach ihrem heimatlichen Arbeitsrecht gezwungen sein können, für einen Entsendezeitraum Urlaubsleistungen zu erbringen, für die sie zwar Beiträge geleistet haben, denen aber keine Ansprüche gegen den Beklagten gegenüberstehen, besteht nicht. Eine solche Situation kann bei bestimmungsgemäßer Anwendung der erstreckten Tarifverträge nicht eintreten.
Im Jahre 1999 konnten sich Probleme ergeben, daß das Urlaubskassenverfahren lediglich Ansprüche des Arbeitnehmers gegen die Urlaubskasse vorsah, während das ausländische Recht möglicherweise Leistungen der Urlaubskasse nicht als Leistungen mit befreiender Wirkung anerkannte, wenn die Arbeitgeber Urlaub gewährten oder nach ausländischem Recht Urlaubsabgeltungsansprüche entstanden. Da die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft die Aufgabe hat, die Auszahlung der Urlaubsvergütung zu sichern (§ 8 Nr. 15.1 Satz 1 BRTV), gehörte es nicht zu ihrer von den Tarifvertragsparteien bestimmten Aufgabe, Beiträge einzuziehen, ohne daß dem entsprechende Leistungen an die Arbeitnehmer gegenüberstanden. Die Kasse durfte deshalb Leistungen an die Arbeitnehmer nur insoweit erbringen, als diese die nach dem ausländischen Recht erforderlichen und möglichen Mitwirkungshandlungen erbrachten, die den Arbeitgeber von seiner Leistungspflicht befreiten. War das nach ausländischem Recht nicht möglich, entstand kein Auszahlungsanspruch des Arbeitnehmers, vielmehr war – nach den allgemein für Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland für die Urlaubsvergütung geltenden Regeln – die Zahlung an den Arbeitgeber zu leisten, sobald dieser seinerseits gezahlt hatte.
Daß derartige Überprüfungen für den Beklagten möglicherweise mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden sind, muß außer Betracht bleiben. Es ist Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, die für den Beklagten geltenden Tarifverträge auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland zu erstrecken.
Mögliche zusätzliche Belastungen, die sich aus dem ausländischen Steuer- und Sozialversicherungsrecht ergeben, können keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes begründen. Sie folgen aus den Besonderheiten des Abgabenrechts als öffentlichem Recht, das an das Territorialitätsprinzip anknüpft.
- Damit sind der BRTV sowie der VTV/1999 wirksam auf die Klägerin erstreckt. Diese schuldete deshalb nach § 8 Nr. 15.1 BRTV und § 61 VTV/1999 sowie § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG Beiträge.
Soweit sich die Revision der Klägerin gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage richtet, ist sie unbegründet. Die Revision des Beklagten ist begründet, soweit die Widerklage abgewiesen wurde. Die Widerklage war ursprünglich in vollem Umfange begründet. Sie ist begründet, soweit sie der Beklagte in der Revisionsinstanz weiterverfolgt. Im übrigen hat sie sich erledigt.
Durch die Revision der Klägerin ist der Auskunftsanspruch in die Revisionsinstanz gelangt. Der Beklagte hat – was auch noch in der Revisionsinstanz möglich ist (ArbGV-Düwell § 75 Rn. 33; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 75 ArbGG Rn. 61) – beantragt festzustellen, daß der Antrag in der Hauptsache erledigt ist. Diese Feststellung ist zu treffen, da die Widerklage ursprünglich zulässig und begründet war.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Widerklage ist – auch soweit das Landesarbeitsgericht sie abgewiesen hat – begründet. In dem Umfange, in dem das Landesarbeitsgericht zwar dem Antrag des Beklagten auf Erteilung von Auskünften entsprochen hat, jedoch für den Fall der Nichterteilung der Auskünfte eine niedrigere Entschädigung als beantragt festgesetzt hat, ist der Rechtsstreit erledigt, weil die Klage insoweit ursprünglich zulässig und begründet war.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Ott, Kranzusch
Die Richterin am BAG Reinecke ist infolge Krankheit dienstunfähig. Sie ist an der Un-terschrift verhindert.
Düwell
Fundstellen
NZA 2003, 519 |
IPRspr. 2002, 58 |
NJOZ 2003, 1448 |