Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Ortszuschlags beim Vergleichsentgelt gemäß § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder. Beteiligung der öffentlichen Hand iSv. § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O
Orientierungssatz
1. § 5 TVÜ-Länder knüpft grundsätzlich an die Verhältnisse zum Überleitungsstichtag 1. November 2006 an. Spätere Änderungen im Familienstand oder in den übrigen Verhältnissen, die für den nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder zu berücksichtigenden Ortszuschlag maßgeblich sind, führen nicht zu einer Neuberechnung des Vergleichsentgelts.
2. Dies gilt auch für die Frage, ob eine andere Person nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-Länder iVm. § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT/BAT-O ortszuschlagsberechtigt ist. Das folgt aus dem Zweck der Überleitungsregelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-Länder, die den Besitzstand der Erwerbsgemeinschaft der Ehegatten zum Überleitungsstichtag wahren soll.
Normenkette
SGB V § 124 Abs. 5 S. 1, § 126; SGB X § 1 Abs. 2, § 31 S. 1; Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12. Oktober 2006 (TVÜ-Länder) § 5 Abs. 2 Sätze 1, 2 Hs. 1; BAT-O § 29 Abschn. B Abs. 5, 7 S. 3
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 13.02.2014; Aktenzeichen 3 Sa 160/12) |
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 8 Ca 2722/08 E) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 13. Februar 2014 – 3 Sa 160/12 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 13. Mai 2009 – 8 Ca 2722/08 E – abgeändert.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 965,46 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 452,73 Euro seit 16. November 2008 sowie aus 512,73 Euro seit 25. November 2008 zu zahlen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über weitere Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Februar bis Oktober 2008 iHv. 965,46 Euro brutto.
Die Beklagte ist eine Handwerkskammer. Die verheiratete Klägerin ist bei ihr seit dem 16. Februar 1998 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich gemäß § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 9. Februar 1998 nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung. Seit dem 1. November 2006 finden der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12. Oktober 2006 (TVÜ-Länder) Anwendung. § 5 TVÜ-Länder lautet auszugsweise wie folgt:
(1) |
Für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TV-L wird für die Beschäftigten nach § 4 ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der Bezüge, die im Oktober 2006 zustehen, nach den Absätzen 2 bis 6 gebildet. |
(2) |
1Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O setzt sich das Vergleichsentgelt aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag der Stufe 1 oder 2 zusammen. 2Ist auch eine andere Person im Sinne von § 29 Abschnitt B Absatz 5 BAT/BAT-O ortszuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt, wird die Stufe 1 und der jeweilige Anteil des Unterschiedsbetrages der Ortszuschlagsstufe 1 und 2 beziehungsweise des Familienzuschlags der Stufe 1, den die andere Person aufgrund von Teilzeitbeschäftigung nicht mehr erhält, zugrunde gelegt; findet der TV-L am 1. November 2006 auch auf die andere Person Anwendung, geht der jeweils individuell zustehende Teil des Unterschiedsbetrages zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlags in das Vergleichsentgelt ein. …” |
„(5) |
Steht der Ehegatte eines Angestellten als Angestellter, Beamter, Richter oder Soldat im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen, der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der höchsten Tarifklasse zu, erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des für ihn maßgebenden Ortszuschlages zur Hälfte; dies gilt auch für die Zeit, für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. |
(7) |
1Öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 2, 5 und 6 ist die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. 2Dem öffentlichen Dienst steht die Tätigkeit im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gleich, an der der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder einer der dort bezeichneten Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. 3Dem öffentlichen Dienst steht ferner gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Familienzuschläge, Ortszuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. 4Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft im Bereich des Bundes und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder der für das Tarifrecht zuständige Minister oder die von ihm bestimmte Stelle, im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände der zuständige Mitgliederverband.” |
Der Ehemann der Klägerin ist bei der D GmbH beschäftigt. Alleinige Gesellschafterin der D GmbH ist die A GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die AOK Sachsen-Anhalt ist. Im Leiharbeitsvertrag vom 9. Dezember 2005 zwischen der D GmbH und dem Ehemann der Klägerin ist ua. geregelt, dass dieser seine Tätigkeit als Hausmeister im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung erbringt und seine Vergütung analog der jeweils gültigen Bestimmungen des BAT/AOK-Neu und der dazu gehörenden aktuellen Arbeits- und Dienstvereinbarungen der AOK Sachsen-Anhalt erfolgt.
Die Beklagte ermittelte bei der Überleitung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin in den TV-L zum 1. November 2006 das Vergleichsentgelt zunächst unter Zugrundelegung des hälftigen Differenzbetrags zwischen dem Ortszuschlag der Stufe 1 und dem der Stufe 2. Mit Schreiben vom 30. Juni 2008 teilte sie der Klägerin dann mit, dass bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts der Ortszuschlag der Stufe 1 hätte zugrunde gelegt werden müssen, weil ihr Ehemann im „BAT-Bereich” verblieben sei, Anspruch auf den vollen Ortszuschlag der Stufe 2 habe und diesen unter Beachtung der tariflichen Ausschlussfrist rückwirkend ab Februar 2008 auch tatsächlich erhalten werde. Die Beklagte kürzte dementsprechend das Entgelt der Klägerin mit Wirkung ab Februar 2008 um den bislang bezogenen hälftigen Unterschiedsbetrag zwischen Ortszuschlagsstufe 1 und 2.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Vergleichsentgelt sei unter Zugrundelegung des Ortszuschlags der Stufe 2 zu ermitteln gewesen. Ihr Ehemann sei nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt. Die AOK Sachsen-Anhalt sei an der D GmbH nicht im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O beteiligt. Die Krankenkasse sei nur Gesellschafterin der A GmbH. Die von der AOK Sachsen-Anhalt als Hauptkundin an die D GmbH für deren Dienstleistungen gezahlten Leistungsentgelte stellten weder eine direkte Beteiligung noch eine Beteiligung „in anderer Weise” dar. Für die Monate Februar bis April 2008 habe sie folglich Anspruch auf einen Differenzbetrag iHv. monatlich 101,82 Euro brutto zwischen dem ihr zustehenden und dem von der Beklagten gezahlten Entgelt und somit auf 305,46 Euro brutto für diesen Zeitraum. In den Monaten Mai bis Oktober 2008 habe der Differenzbetrag jeweils 110,00 Euro brutto betragen, so dass die Beklagte weitere 660,00 Euro brutto zu zahlen habe.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 965,46 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der Ehemann der Klägerin eine andere Person im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-Länder iVm. § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT-O sei, die auf der Grundlage des BAT/AOK-Neu den vollen Familienzuschlag erhalte, der einen Verheiratetenzuschlag beinhalte. Seine Arbeitgeberin erhalte zur Finanzierung ihrer Aufgaben Leistungsentgelte und Zuschüsse der AOK Sachsen-Anhalt und damit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Hieraus ergebe sich gemäß § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O eine Beteiligung der AOK SachsenAnhalt an der D GmbH. Das Vergleichsentgelt der Klägerin sei deshalb unter Zugrundelegung der Ortszuschlagsstufe 1 zu ermitteln gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 8. Juli 2010 – 3 Sa 366/09 – die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Senat hat mit Urteil vom 16. Februar 2012 – 6 AZR 562/10 – unter Aufhebung des Berufungsurteils die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, weil es bzgl. der behaupteten Beteiligung der AOK Sachsen-Anhalt an der Arbeitgeberin des Ehemanns der Klägerin weiterer Aufklärung bedürfe.
Im Rahmen der Fortsetzung des Berufungsverfahrens hat die Beklagte angeführt, die AOK Sachsen-Anhalt sei durch Leistung von Zuschüssen und auch „in anderer Weise” an der D GmbH beteiligt. Zum 1. Oktober 2007 habe die AOK Sachsen-Anhalt den operativen Bereich des Kompetenzzentrums Rechnungsprüfung an die D GmbH übertragen. Dabei obliege dieser in Eigenregie die Bearbeitung und Prüfung von Rechnungen für Hilfsmittel, Pflegehilfsmittel, Hebammenhilfe, Heilmittel, häusliche Krankenpflege, Pflegesachleistungen und Pflegeeinsätzen. Die D GmbH sei ferner für die Erteilung von Zulassungen für Leistungserbringer von Heilmitteln bzw. Hilfsmitteln zuständig. Es handle sich um öffentliche Aufgaben der Krankenkassen im Rahmen der Krankenbehandlung. Die Klägerin hat die eigenständige Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die D GmbH bestritten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen und wiederum die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die zulässige Klage ist begründet. Bei der Berechnung des Vergleichsentgelts der verheirateten Klägerin ist nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder die Ortszuschlagsstufe 2 zugrunde zu legen. Dies begründet die geltend gemachte Forderung iHv. 965,46 Euro brutto. § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-Länder kommt nicht zur Anwendung. Der Ehemann der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine andere Person im Sinne von § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT-O. Seine Tätigkeit bei der D GmbH steht nicht nach § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O dem öffentlichen Dienst gleich.
I. Der Beklagten obliegt der Nachweis einer Beteiligung der AOK Sachsen-Anhalt an der Arbeitgeberin des Ehemanns der Klägerin im Sinne von § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O (BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 562/10 – Rn. 14). Dieser ist ihr auch nach Fortsetzung des Berufungsverfahrens nicht gelungen.
1. Eine Beteiligung der AOK Sachsen-Anhalt an der D GmbH durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen ist unverändert nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Im fortgesetzten Berufungsverfahren hat die Beklagte nur vorgetragen, dass „jährlich finanzielle Zuschüsse” geleistet würden. Damit blieb weiterhin offen, um welche Art von Zuschüssen es sich handeln soll (vgl. BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 562/10 – Rn. 23).
2. Die Beklagte hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass eine Beteiligung nach § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O „in anderer Weise” vorliegt.
a) Die nur mittelbare Beteiligung der AOK Sachsen-Anhalt an der D GmbH würde für eine Beteiligung „in anderer Weise” im Tarifsinne nur dann ausreichen, wenn die D GmbH zumindest auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen würde oder ihre wirtschaftliche Betätigung im öffentlichen Interesse läge. Eine Erfüllung öffentlicher Aufgaben ergibt sich aber nicht aus einer Abrechnungsprüfung für die AOK Sachsen-Anhalt. Aus der Entrichtung von Leistungsentgelten für die Inanspruchnahme von Diensten oder für die Lieferung von Waren kann keine Beteiligung abgeleitet werden (BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 562/10 – Rn. 21, 22).
b) Die nunmehr behauptete Übertragung öffentlicher Aufgaben auf die D GmbH zum 1. Oktober 2007 ist für die streitige Bildung des Vergleichsentgelts schon wegen des angegebenen Zeitpunkts unbeachtlich. § 5 TVÜ-Länder knüpft grundsätzlich an die Verhältnisse zum Überleitungsstichtag 1. November 2006 an. Spätere Änderungen im Familienstand oder in den übrigen Verhältnissen, die für den Anspruch auf den Ortszuschlag maßgeblich sind, führen nach der tariflichen Regelung nicht zu einer Neuberechnung des Vergleichsentgelts (vgl. BAG 22. April 2010 – 6 AZR 966/08 – Rn. 15, BAGE 134, 160; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2007 G § 5 Rn. 7; Breier/ Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Juni 2009 Teil B 3 § 5 TVÜ-Länder Rn. 6). Dies gilt auch für die Frage, ob eine andere Person nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-Länder iVm. § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT-O ortszuschlagsberechtigt ist. Das folgt aus dem Zweck der Überleitungsregelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-Länder, die den Besitzstand der Erwerbsgemeinschaft der Ehegatten zum Überleitungsstichtag wahren soll (vgl. zu § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-Bund BAG 9. Juni 2011 – 6 AZR 867/09 – Rn. 13 mwN; zu § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVÜ-VKA BAG 17. Dezember 2009 – 6 AZR 668/08 –Rn. 14).
c) Zudem hat das Landesarbeitsgericht bei seiner erneuten Entscheidung die Bedeutung des Rechtsbegriffs „in anderer Weise” verkannt.
aa) Die Revision führt zutreffend an, dass die behauptete Prüfung und Bearbeitung von Abrechnungen durch die D GmbH die Annahme der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nicht rechtfertigt.
(1) Die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung werden durch die Krankenkassen wahrgenommen (vgl. BSG 16. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R – Rn. 20). Deren Hauptaufgabe besteht im Vollzug einer zwecks Erfüllung der staatlichen Grundaufgabe „Schutz in Fällen von Krankheit” geschaffenen detaillierten Sozialgesetzgebung. Sie besteht darin, als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung öffentlich-rechtlich geregelten Krankenversicherungsschutz für die Versicherten zu gewähren. Untrennbarer Teil dieser Aufgabe sind auch die sich aus dem Leistungserbringungsrecht ergebenden Rechte und Pflichten der Krankenkassen (vgl. BSG 22. Oktober 2014 – B 6 KA 3/14 R – Rn. 29 mwN). Auf der Grundlage der von den Leistungserbringern übermittelten Daten besteht für die gesetzlichen Krankenkassen die Verpflichtung zur Bearbeitung ihrer Abrechnungen.
(2) Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die D GmbH durch die vorgetragene Bearbeitung von Abrechnungen eine öffentliche Aufgabe selbst wahrnimmt oder ihre auf privatrechtlicher Basis als Dienstleistung erbrachte Tätigkeit im öffentlichen Interesse liegt.
(a) Die öffentliche Aufgabe als solche könnte nicht übertragen werden, sondern nur ihre praktische Durchführung. Als Krankenversicherungsträger ist die AOK Sachsen-Anhalt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 Abs. 1 SGB IV, § 4 Abs. 1 SGB V). Im Rahmen dieser Selbstverwaltung hat sie den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (zu § 4 Abs. 4 Satz 1 SGB V und § 69 Abs. 2 SGB IV vgl. Mühlhausen in Becker/Kingreen SGB V 4. Aufl. § 4 Rn. 11 ff.; Krauskopf/ Krauskopf SozKV Stand Januar 2014 § 4 SGB V Rn. 24). Die Durchführung von Verwaltungsaufgaben durch Dritte ist vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 4 Satz 3 SGB V anerkannt. Vor diesem Hintergrund könnte aus Kostengründen eine Übertragung der fraglichen Arbeiten auf die D GmbH erfolgt sein. Die öffentliche Aufgabe verbliebe dennoch bei der AOK Sachsen-Anhalt. Die Prüfung und Bearbeitung von Abrechnungen durch die D GmbH könnte nur eine Unterstützungsleistung darstellen, welche der AOK Sachsen-Anhalt gegen Zahlung von Leistungsentgelt die Erfüllung der ihr nach dem SGB V auferlegten Verpflichtungen erleichtert. Dies begründet keine Beteiligung im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O (BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 562/10 – Rn. 22).
(b) Der Durchführungsweg, dh. die Erledigung von Abrechnungsarbeiten durch die D GmbH, liegt für sich betrachtet nicht im öffentlichen Interesse.
bb) Die Beklagte hat auch nicht belegt, dass die D GmbH durch die behauptete Erteilung von Zulassungen nach § 124 SGB V öffentliche Aufgaben erfüllt oder im öffentlichen Interesse tätig wird. Nach § 124 Abs. 1 SGB V dürfen Heilmittel als Dienstleistungen nur von zugelassenen Leistungserbringern an Versicherte abgegeben werden. Die Zulassung wird nach § 124 Abs. 5 Satz 1 SGB V ua. von den Landesverbänden der Krankenkassen erteilt.
Sie ergeht in Form eines Verwaltungsakts (BSG 19. September 2013 – B 3 KR 8/12 R – Rn. 14, BSGE 114, 237). Es ist nicht ersichtlich, dass der D GmbH die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts nach § 31 Satz 1 SGB X zustand oder zusteht. Sie ist mangels gesetzlicher Ermächtigung keine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X (vgl. KassKomm/Mutschler SGB X Stand Juni 2014 § 1 Rn. 8).
cc) Dem Vortrag der Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, dass die AOK Sachsen-Anhalt an der D GmbH „in anderer Weise” beteiligt ist, weil diese Bestätigungen nach § 126 Abs. 1a Satz 2 SGB V in der erst ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2426) erteilt. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die D GmbH eine sog. Präqualifizierungsstelle ist (zum sog. Präqualifizierungsverfahren vgl. BSG 21. Juli 2011 – B 3 KR 14/10 R – Rn. 19, BSGE 109, 9). Vor der Gesetzesänderung sah § 126 SGB V eine solche eigenständige Beteiligung privater Stellen nicht vor. Die behauptete Tätigkeit der D GmbH könnte wiederum nur eine vergütete Unterstützungsleistung gewesen sein.
II. Bei der Berechnung des Vergleichsentgelts ist folglich nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder die Stufe 2 des Ortszuschlags zugrunde zu legen. Die Klägerin kann deshalb für die Monate Februar bis Oktober 2008 weitere 965,46 Euro brutto beanspruchen. Die Höhe der Forderung ist zutreffend berechnet (BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 562/10 – Rn. 25) und steht zwischen den Parteien nicht mehr in Streit.
III. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf die begehrten Prozesszinsen nach § 291 BGB. Prozesszinsen sind nach § 291 Satz 2 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr zu leisten. Die Verzinsungspflicht beginnt nach § 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit (BAG 15. September 2009 – 9 AZR 645/08 – Rn. 60). Die Klägerin hatte zunächst 452,73 Euro brutto eingeklagt. Die Klage wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 15. November 2008 zugestellt, so dass der Zinslauf am 16. November 2008 begann. Mit Klageerweiterung vom 19. November 2008, welche der Beklagten ausweislich Postzustellungsurkunde am 24. November 2008 zugestellt wurde, hat die Klägerin 965,46 Euro brutto verlangt. Dieser Betrag umfasste die bereits eingeklagten 452,73 Euro brutto. Dementsprechend kann die Klägerin ab dem 25. November 2008 Prozesszinsen aus dem Differenzbetrag von 512,73 Euro brutto beanspruchen.
IV. § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 4 BAT-O steht einer Verurteilung der Beklagten nicht entgegen (BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 562/10 – Rn. 26).
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, JerchelKammann
Fundstellen
Haufe-Index 8391164 |
BB 2015, 2228 |