Entscheidungsstichwort (Thema)
Drainagearbeiten als baugewerbliche Tätigkeiten. Landwirtschaftliches Lohnunternehmen
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Zum Vorliegen eines gerichtlichen Geständnisses
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau; ZPO § 160 Abs. 3, §§ 263-264, 267, 288, 290, 532; BGB § 177; RVO § 776
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 18.11.1991; Aktenzeichen 16 Sa 74/91) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 08.11.1990; Aktenzeichen 5 Ca 11/90) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 1991 – 16 Sa 74/91 – aufgehoben, soweit es über den Auskunftsanspruch der Klägerin für den Monat Februar 1990 entschieden hat.
2. Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8. November 1990 – 5 Ca 11/90 – zurückgewiesen.
3. Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 1/20 die Klägerin, zu 19/20 die Beklagte.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in der Zeit von Juli 1988 bis Februar 1990 einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und daher zur Auskunftserteilung und Beitragszahlung an die Klägerin verpflichtet ist.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (im folgenden: ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Für den Zeitraum Juli 1988 bis Januar 1990 nimmt sie die Beklagte auf Beitragszahlung hinsichtlich der beschäftigten Arbeiter (31.248,61 DM) und für den Monat Februar 1990 auf Auskunftserteilung gemäß den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes (VTV) in Anspruch. Für den Fall der Nichterteilung der Auskunft verlangt die ZVK die Zahlung einer Entschädigung.
Die am 1. Juli 1988 durch notariellen Vertrag gegründete und am 1. November 1988 in das Handelsregister eingetragene Beklagte betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand laut Handelsregistereintrag die „Durchführung von Arbeiten im Rahmen des Drainage-, Erd- und Kulturbaus” ist.
Im Rahmen eines außergerichtlichen Schriftwechsels hatte die ZVK mit Schreiben vom 8. August 1989 bei der Beklagten u. a. wie folgt angefragt:
„Zur abschließenden Klärung der Frage, ob ihr Betrieb dem betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe unterliegt … möchten wir Sie um Beantwortung der folgenden Fragen bitten.
Wieviel Prozent der betrieblichen Gesamtarbeitszeit entfallen jeweils auf:
1. Drainagearbeiten (einschließlich der Grabenräumungs- und Faschinierungsarbeiten, des Verlegens von Drainagerohrleitungen sowie des Herstellens von Vorflut- und Schleusenanlagen)?
…”
Daraufhin teilte die Beklagte der ZVK mit Schreiben vom 20. September 1989 u. a. mit:
„Die Aufteilung der betrieblichen Arbeiten setzt sich zusammen aus
1. Drainage-Arbeiten, einschließlich Grabenräumung etc. ca. 85 %
…”
Die ZVK ist der Meinung, der Betrieb der Beklagten falle mit diesen Tätigkeiten unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, weil arbeitszeitlich überwiegend Arbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 2 VTV durchgeführt würden.
Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 in den Fassungen vom 12. November 1986 und 6. Januar 1989 hat – soweit vorliegend von Interesse – folgenden Wortlaut:
„§ 1
Geltungsbereich
(1) …
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
2. Aptierungs- und Drainierungsarbeiten, wie das Entwässern von Grundstücken und urbar zu machenden Bodenflächen einschließlich der Grabenräumungs- und Faschinierungsarbeiten, des Verlegens von Drainagerohrleitungen sowie des Herstellens von Vorflut- und Schleusenanlagen;”
Die ZVK hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 31.248,61 DM zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der RVO versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, im Monat Februar 1990 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen des Baugewerbes im Monat Februar 1990 angefallen sind.
- Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an sie eine Entschädigung von 3.000,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, in ihrem Betrieb würden arbeitszeitlich überwiegend, d. h. zu über 50 %, baufremde Arbeiten verrichtet; sie habe den Begriff „Drainagearbeiten” in Unkenntnis der Sach- und Rechtslage in der vorgerichtlichen Korrespondenz und im Rahmen ihres Sachvortrages in der ersten Instanz verwendet. Eine genaue Analyse der tatsächlich in ihrem Betrieb erbrachten Tätigkeiten habe ergeben, daß reine Drainage-/Baggerarbeiten nur zu etwa 20 % der Gesamtarbeitszeit erbracht würden. Im übrigen habe sie im Klagezeitraum folgende Arbeiten zu folgenden Prozentsätzen, bezogen auf die betriebliche Gesamtarbeitszeit, verrichtet:
1. Drainage-Arbeiten/Baggerarbeiten ca. 20 % 2. Mäharbeiten und Reinigungsarbeiten ca. 25 % 3. Werkstatt-, Schlosserarbeiten und Lkw-Reparaturen ca. 15 % 4. Laden zwischengelagerten Materials, Siloguts, Misthaufen u. ä. ca. 15 % 5. Brandschadenssanierung, Aufladen von Schutt und Abbruch ohne baulichen Zusammenhang ca. 10 % 6. Holzschnitt- und Abfallbeseitigung ca. 5 % 7. Reinigungsarbeiten an Rohren u. ä. ca. 10 %.
Weiter behauptet die Beklagte, den der ZVK mit Schreiben vom 20. September 1989 gemachten Angaben lägen bezüglich der prozentualen Aufteilung der einzelnen Tätigkeiten die Umsatzzahlen, nicht aber die betriebliche Arbeitszeit zugrunde.
Letztlich meint die Beklagte, der VTV finde auf ihren Betrieb alleine schon deshalb keine Anwendung, weil sie ihre Arbeiten fast ausschließlich auf landwirtschaftlich genutzten Flächen in Schleswig-Holstein erbringe, und zwar entweder im Auftrage von Landwirten oder aber – und zwar ganz überwiegend – im Auftrage der örtlichen Wasser- und Bodenverbände. Sie sei deshalb ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen und unterliege damit dem Lohn- und dem Rahmentarifvertrag für landwirtschaftliche Lohnunternehmen in Schleswig-Holstein.
Dieser Lohntarifvertrag in den Fassungen vom 3. Mai 1988 und 13. März 1989 (im folgenden: LTV) hat – soweit vorliegend von Interesse – folgenden Wortlaut:
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die unter den jeweils geltenden Rahmentarifvertrag für landwirtschaftliche Lohnunternehmen in Schleswig-Holstein fallen, jedoch nicht für Stücklohnarbeiten in der Holzwerbung.”
Der Rahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer in ländlichen Lohnunternehmen in Schleswig-Holstein in der Fassung vom 3. Mai 1988 (im folgenden: RTV) lautet hinsichtlich seines Geltungsbereiches wie folgt:
„§ 1
Geltungsbereich
Der Tarif gilt:
- räumlich: Für das Land Schleswig-Holstein;
- fachlich: Für Lohnunternehmen in der Land- und Forstwirtschaft sowie ähnliche ländliche Dienstleistungsbetriebe;
- persönlich: Für die arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, die in den unter b) genannten Betrieben beschäftigt sind.”
Die Beklagte hat eine Bestätigung des Landesverbandes der Lohnunternehmer in Land- und Forstwirtschaft Schleswig-Holstein e. V. vorgelegt, daß sie seit 25. Januar 1990 Mitglied dieses Verbandes ist. Außerdem trägt sie vor, sie sei Mitglied der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft in Kiel.
Das Arbeitsgericht hat der zunächst nur auf Auskunftserteilung gerichteten Klage lediglich für den Zeitraum Juli 1988 bis Januar 1990 stattgegeben, die Auskunftsklage für den Monat Februar 1990 hat es abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung und die ZVK Anschlußberufung eingelegt. Nach entsprechender Abänderung des Klageantrages durch die ZVK hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte dann zur Zahlung von Beiträgen für bei ihr beschäftigte Arbeiter in Höhe von 31.248,61 DM für den Zeitraum Juli 1988 bis Januar 1990 und zur Erteilung von Auskunft für den Monat Februar 1990 verurteilt.
Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte Klageabweisung. Sie rügt auch, daß das Landesarbeitsgericht die Änderung der Klageanträge durch die ZVK in der Berufungsinstanz als zulässig angesehen hat. Die ZVK beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nur insoweit begründet, als sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung für den Monat Februar 1990 an die ZVK wendet. Im übrigen ist sie unbegründet, da der Betrieb der Beklagten für die Zeit von Juli 1988 bis Januar 1990 dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfiel und sie deshalb zur Zahlung der geforderten Beiträge an die ZVK verpflichtet war.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Übergang von der Auskunfts- zur Zahlungsklage durch die ZVK in der Berufungsinstanz sei zulässig, weil keine Klageänderung vorliege. Wenn man aber eine solche annehme, sei sie zulässig, weil die Beklagte sich rügelos auf diese eingelassen habe.
Die Zahlungs- und die Auskunftsklage seien begründet. Der Betrieb der Beklagten werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Im Klagezeitraum seien Drainagearbeiten einschließlich Grabenräumungsarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 2 VTV arbeitszeitlich gesehen überwiegend durchgeführt worden. Das Vorbringen der Beklagten im Verfahren vor dem Arbeitsgericht stelle ein Geständnis dar, daß sie im Klagezeitraum zu 85 % der Gesamtarbeitszeit Drainage- und Grabenräumungsarbeiten im Sinne der Tarifnorm erbracht habe. Dieses Geständnis habe die Beklagte nicht wirksam widerrufen.
Unabhängig davon habe die ZVK aber auch schlüssig dargelegt, daß 85 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf Drainage- und Grabenräumungsarbeiten entfallen seien; dieses habe die Beklagte nicht ausreichend substantiiert bestritten. Der Betrieb der Beklagten sei auch im Februar 1990 vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt worden. Die Tarifverträge für die landwirtschaftlichen Lohnunternehmen in Schleswig-Holstein kämen, auch wenn die Beklagte ab Februar 1990 Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes geworden sein sollte, nicht zur Anwendung, weil deren Betrieb vom fachlichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge nicht erfaßt werde. Mithin könne weder eine Tarifkonkurrenz noch eine Tarifpluralität eintreten. Die Beklagte betreibe weder ein Lohnunternehmen in der Land- und Forstwirtschaft, noch einen ähnlichen ländlichen Dienstleistungsbetrieb. Für die Auslegung des Begriffes „Lohnunternehmen in der Land- und Forstwirtschaft” müsse auf die zu § 776 Abs. 1 Nr. 2 RVO ergangene Rechtsprechung und das entsprechende Schrifttum zurückgegriffen werden. Entscheidend sei danach, ob die durchgeführten Arbeiten spezifisch landwirtschaftlicher Natur seien. Die Beklagte habe aber solche speziellen landwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht überwiegend durchgeführt.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nur zum Teil gefolgt werden.
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Übergang von der Auskunfts- zur Zahlungsklage durch die ZVK keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Ob diese Umstellung des Klageantrags nach § 264 Nr. 3 ZPO nicht als Änderung der Klage anzusehen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Selbst wenn eine Klageänderung vorgelegen hätte, wäre diese nach § 263 ZPO zulässig, weil die Beklagte sich auf die abgeänderte Klage vor dem Landesarbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 1991 widerspruchslos eingelassen hat und damit nach § 267 ZPO ihre Einwilligung zur Klageänderung unwiderlegbar vermutet wird.
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Schriftsatz mit der Änderung des Klageantrages dem Beklagtenvertreter erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 1991 übergeben worden ist. Dadurch wurde der Beklagtenvertreter nämlich nicht zur widerspruchslosen Einlassung auf den abgeänderten Klageantrag gezwungen. So hätte er z. B. die Möglichkeit gehabt, eine Vertagung der Verhandlung zu beantragen oder aber der Änderung zu widersprechen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch mit zutreffender Begründung bejaht, daß die Beklagte durch ein wirksames gerichtliches Geständnis diejenigen Tatsachen zugestanden hat, aus denen sich ergibt, daß ihr Betrieb nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 2 VTV dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfällt.
a) Das Verhalten und die Erklärungen einer Prozeßpartei, die das Berufungsgericht als gerichtliches Geständnis im Sinne des § 288 ZPO ausgelegt hat, unterliegen der freien Auslegung durch das Revisionsgericht, da sie Prozeßhandlungen darstellen (vgl. BAG Urteil vom 2. März 1971 – 1 AZR 227/70 – AP Nr. 2 zu § 18 BSeuchG, m.w.N.).
b) Ein Geständnis im Sinne des § 288 ZPO ist die Erklärung einer Partei, eine von der Gegenseite behauptete Tatsache sei wahr. Grundsätzlich setzt dies voraus, daß eine beweisbelastete Partei zunächst eine ihr günstige Tatsache vorträgt, welche dann vom Prozeßgegner zugestanden wird. Trägt in einem Rechtsstreit eine Partei eine ihr ungünstige Tatsache vor, welche der Prozeßgegner bislang noch nicht behauptet hat, so gilt diese Tatsache erst dann als zugestanden, wenn der Prozeßgegner sich diese zu eigen macht – sogenanntes vorweggenommenes Geständnis – (BGH NJW 1978, 885).
c) Die Beklagte hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht schriftsätzlich vorgetragen, daß in ihrem Betrieb im Klagezeitraum zu 85 % „Drainage-Arbeiten einschließlich Grabenräumung” durchgeführt worden sind. Damit hat sie im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO „Tatsachen zugestanden”.
Tatsachen sind nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörende Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt (BAG Urteil vom 25. August 1982, BAGE 40, 67 = AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifliche Übung).
Daß die Tätigkeiten, welche nach dem Sachvortrag der Beklagten zu 85 % in ihrem Betrieb ausgeführt worden sind, „Drainage- bzw. Grabenräumungsarbeiten” darstellen, ist ein Werturteil, das die Beklagte getroffen hat. Solche von einer Partei getroffenen Werturteile stellen dann das Zugestehen von Tatsachen im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO dar, wenn die Mehrzahl der vernünftig Denkenden denselben oder dieselben Vorgänge gleichermaßen würdigt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., § 284 Einführung 4) A.a). Dabei ist insbesondere auch darauf abzustellen, ob es in dem Berufskreis, dem beide Prozeßparteien angehören, eine begriffliche Einordnung von bestimmten Vorgängen gibt.
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand laut Handelsregistereintrag die Durchführung von Arbeiten im Rahmen des Drainage-, Erd- und Kulturbaus ist; die Klägerin ist Einzugsstelle für die Beiträge nach dem VTV. Damit sind beide Parteien im Bereich des Baugewerbes tätig. Es ist somit davon auszugehen, daß beide an die von der Beklagten durchgeführten Arbeiten denselben Bewertungsmaßstab anlegen. Wenn daher die Beklagte von ihr durchgeführte Tätigkeiten als Drainage- bzw. Grabenräumungsarbeiten bewertet, räumt sie ein, daß sie Tätigkeiten verrichtet, die nach dem Sprachgebrauch der im Bereich des Drainagebaus und des Erdbaus tätigen Unternehmen als solche bezeichnet werden. So mußte das auch die ZVK verstehen.
Bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfange eine Prozeßpartei ein Geständnis im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO abgegeben hat, ist sowohl das prozessuale als auch das vorprozessuale Verhalten der Partei mitzuberücksichtigen (BAG Urteil vom 2. März 1971, aa0).
Die Beklagte hatte vorprozessual mit Schreiben vom 20. September 1989 der ZVK u. a. mitgeteilt:
„Die Aufteilung der betrieblichen Arbeiten setzt sich zusammen aus:
Drainage-Arbeiten, einschließlich Grabenräumung etc. ca. 85 %”.
Nachdem die ZVK zuvor mit Schreiben vom 8. August 1989 um die Mitteilung gebeten hatte, wieviel Prozent der „betrieblichen Gesamtarbeitszeit” auf Drainagearbeiten (einschließlich der Grabenräumungs- und Faschinierungsarbeiten, des Verlegens von Drainagerohrleitungen sowie des Herstellens von Vorflut- und Schleusenanlagen) entfalle, ist die Antwort der Beklagten nur so zu verstehen, daß die mitgeteilten 85 % „der betrieblichen Arbeiten” auf der Grundlage der betrieblichen Gesamtarbeitszeit und nicht auf derjenigen des erzielten Umsatzes berechnet worden sind.
Aufgrund dieser vorprozessualen Erklärung der Beklagten ist auch ihr Sachvortrag vor dem Arbeitsgericht so auszulegen, daß sie die vorgetragenen „85 % Drainage-Arbeiten einschließlich Grabenräumung” ebenso anhand der betrieblichen Gesamtarbeitszeit errechnet hat, wie sie das bereits außergerichtlich getan hatte.
d) Diese zunächst nur schriftlichen Erklärungen der Beklagten können deshalb die Wirkungen eines gerichtlichen Geständnisses nach § 288 Abs. 1 ZPO entfalten, weil sie auch in der mündlichen Verhandlung abgegeben worden sind. So hat sich die Beklagte in der Kammerverhandlung vom 19. Juli 1990 laut Protokoll des Arbeitsgerichts ausdrücklich „auf die Tarifkonkurrenz in – 5 Ca 11/90 – bezogen” und „dies zum Gegenstand auch in diesem Verfahren” gemacht.
Damit hat sie ihren bisherigen Sachvortrag zu Art und Umfang der in ihrem Betrieb ausgeübten Tätigkeit zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Ihre Erklärung ist so auszulegen, daß sie der Meinung ist, auf Grund dieser (schriftsätzlich bereits geschilderten) Tätigkeiten liege in ihrem Betrieb eine sogenannte Tarifkonkurrenz vor.
Daß keine ausdrückliche Aufnahme dieses Geständnisses in die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 ZPO erfolgt ist, ist für die Wirksamkeit desselben ohne Belang, da § 288 Abs. 1 ZPO nur für ein Geständnis vor dem beauftragten oder ersuchten Richter die Protokollierung als Wirksamkeitsvoraussetzung fordert.
e) Dieses Vorbringen der Beklagten hat sich die ZVK zu eigen gemacht. Sie hat in ihrem Schriftsatz vom 5. September 1990 ausdrücklich darauf Bezug genommen, daß die von der Beklagten behaupteten Arbeiten nicht vom fachlichen Geltungsbereich des Rahmentarifvertrages für Arbeitnehmer in ländlichen Lohnunternehmen in Schleswig-Holstein erfaßt werden, sondern vom Geltungsbereich des VTV, weil sie in dessen § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 2 ausdrücklich genannt seien. Damit hat die ZVK auf die von der Beklagten geschilderten Tätigkeiten Bezug genommen und sie dadurch zum Gegenstand des eigenen Sachvortrages gemacht, indem sie ausführt, daß der Betrieb aufgrund dieser Tätigkeiten dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 2 VTV unterfällt.
f) Mithin hat die Beklagte vor dem Arbeitsgericht nach § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden, daß in ihrem Betrieb zu mehr als der Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten verrichtet werden, welche unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 2 VTV fallen.
g) Dieses Geständnis, das auch für das Berufungsverfahren bindend bleibt, § 532 ZPO, hat die Beklagte nicht wirksam nach § 290 ZPO widerrufen.
Sie hat nicht bewiesen, daß das Geständnis durch einen Irrtum veranlaßt worden ist. Ein solcher Irrtum liegt dann vor, wenn das Geständnis in unbewußter Unkenntnis des wirklichen Sachverhalts, gleichgültig ob verschuldet oder unverschuldet, abgegeben worden ist (RG 11, 408). Die Beklagte hat vorgetragen, es seien „bedauerlicherweise erst zu spät detailliert und aufgelistet die einzelnen Tätigkeiten aufgeführt worden”, „im Zweifel” habe sie sich über den benutzten Oberbegriff „Drainagearbeiten” und dessen Inhalt geirrt.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, aus diesem Vorbringen der Beklagten ergebe sich nicht, inwieweit sie den von ihr verwendeten Begriff der Drainagearbeiten und Grabenräumungsarbeiten verkannt bzw. irrtümlich unzutreffende Angaben über die Aufteilung dieser Tätigkeiten auf die betriebliche Gesamtarbeitszeit vorgenommen habe.
So hat die Beklagte insbesondere nicht konkret vorgetragen, was sie unter den Begriffen „Drainagearbeiten und Grabenräumungsarbeiten” verstanden hat und warum sie bestimmte, von ihr ausgeübte Tätigkeiten irrtümlich unter diese Begriffe eingeordnet hat.
h) Demnach ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Betrieb der Beklagten nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 2 VTV für den Zeitraum von Juli 1988 bis Januar 1990 dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfallen ist. Somit hat es die Beklagte auch zu Recht zur Nachentrichtung der der Höhe nach unstreitigen Beiträge für bei ihr beschäftigte Arbeiter für diesen Zeitraum an die ZVK verurteilt.
3. Der ZVK steht aber der geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung gegen die Beklagte für den Monat Februar 1990 nicht zu.
Ab diesem Monat besteht für den Betrieb der Beklagten eine sogenannte Tarifpluralität, da er sowohl dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV als auch demjenigen des RTV für landwirtschaftliche Subunternehmen und dem des entsprechenden LTV unterfällt.
a) Der RTV gilt fachlich für Lohnunternehmen in der Land- und Forstwirtschaft sowie ähnliche Dienstleistungsbetriebe und persönlich für die arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, die in diesen Betrieben beschäftigt sind (§ 1 RTV). Der LTV gilt für alle Arbeitnehmer, die unter den jeweils geltenden RTV fallen, jedoch nicht für Stücklohnarbeiten in der Holzwerbung (§ 1 LTV).
Der Senat geht davon aus, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der „Lohnunternehmen in der Land- und Forstwirtschaft” im selben Sinne verstehen, wie er auch in § 776 Abs. 1 Nr. 2 RVO gebraucht wird. Dort heißt es:
„§ 776
(Umfang der landwirtschaftlichen Unfallversicherung)
I. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung umfaßt vorbehaltlich des § 644 die folgenden Unternehmen und die in ihnen tätigen gegen Arbeitsunfall Versicherten:
…
2. Land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen,”
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 19. März 1991 – 2 RU 58/90 – NZA 1991, 867) ist für die Annahme, daß ein Lohnunternehmen im Sinne des § 776 RVO vorliegt, von entscheidender Bedeutung, ob der Betrieb für einen landwirtschaftlichen Unternehmer Tätigkeiten ausübt, bei denen es sich um solche mit „spezifisch landwirtschaftlicher Natur” handelt. Dabei ist es für die Abgrenzung von untergeordneter Bedeutung, ob der Betrieb hauptsächlich für Landwirte tätig ist und ob die Arbeiten sonst von dem landwirtschaftlichen Unternehmer selbst oder mit eigenen Arbeitskräften ausgeführt werden.
Alleine der Umstand, daß ein Unternehmen im Bereich der Landwirtschaft tätig ist, sagt nichts darüber aus, ob die dabei verrichteten Tätigkeiten landwirtschaftlicher Natur sind. Ein land- oder forstwirtschaftliches Lohnunternehmen liegt nur dann vor, wenn die Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar der Bodenbewirtschaftung, d. h. der überwiegend planmäßigen Aufzucht und Aberntung von Bodengewächsen als dem eigentlichen Wesen der Landwirtschaft zu dienen bestimmt ist (so auch Urteil des Senats vom 26. Januar 1994 – 10 AZR 611/92 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Legt man diese Begriffsbestimmung zugrunde, so kann dem Landesarbeitsgericht nicht in seiner Meinung gefolgt werden, der Betrieb der Beklagten sei kein Lohnunternehmen im Tarifsinne.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie arbeite fast ausschließlich auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Auch die ZVK führt aus, die Beklagte habe die Drainagearbeiten auf landwirtschaftlich genutzten und zu nutzenden Grundstücken sowie die Grabenräumungsarbeiten im Zusammenhang mit landwirtschaftlich genutzten bzw. zu nutzenden Grundstücken durchgeführt. Weiter trägt sie vor, alle diese Tätigkeiten dienten der Entwässerung der von Gräben und Drainagerohren durchzogenen landwirtschaftlich genutzten bzw. zu nutzenden (urbar zu machenden) Flächen.
Daraus ist zu folgern, daß ohne die von der Beklagten durchgeführten Arbeiten eine ordnungsgemäße Bodenbewirtschaftung durch die Landwirte nicht möglich wäre. Damit sind die Tätigkeiten des Betriebes als solche landwirtschaftlicher Natur anzusehen. Dafür spricht auch, daß die Beklagte Mitglied der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft ist. Auch die Tatsache, daß die Beklagte ihre landwirtschaftlichen Arbeiten im Auftrage der örtlichen Wasser- und Bodenverbände durchführt, ändert daran nichts. Entscheidend, ob die Beklagte ein Lohnunternehmen der Land- und Forstwirtschaft betreibt, ist nicht, wer ihr Auftraggeber ist, sondern, ob sie Tätigkeiten ausübt, die dazu dienen, daß die Landwirte auf Wiesen, Äckern und Feldern eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bewirtschaftung durchführen können.
b) Die Beklagte ist seit 25. Januar 1990 Mitglied im Landesverband der Lohnunternehmer in der Land- und Forstwirtschaft Schleswig-Holstein e. V., der Tarifvertragspartei des RTV und des LTV ist.
Dies hat der Landesverband am 17. Dezember 1991 schriftlich bestätigt. Soweit die ZVK einen wirksamen Beitritt der Beklagten zu diesem Verband deshalb bestreitet, weil die Beklagte laut Satzung und Eintragung ins Handelsregister nur gemeinschaftlich durch alle drei Geschäftsführer handeln kann, der Beitritt aber nur von einem Geschäftsführer erklärt worden ist, geht dieses Vorbringen ins Leere. Da sich die im Rechtsstreit ordnungsgemäß vertretene Beklagte auf einen wirksamen Beitritt zum Landesverband der Lohnunternehmer in Land- und Forstwirtschaft Schleswig-Holstein e. V. beruft, stellt dies zumindest eine konkludente Genehmigung des bislang möglicherweise schwebend unwirksamen Vertrages über den Verbandsbeitritt dar, § 177 Abs. 1 BGB.
c) Damit unterfällt der Betrieb der Beklagten ab Februar 1990 sowohl dem räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten VTV als auch demjenigen des RTV und LTV bezüglich der im Betrieb beschäftigten Arbeiter.
Aus diesem Grunde besteht in den Fällen, in denen ein Arbeiter des Betriebes der tarifschließenden Gewerkschaft des RTV (Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft) angehört, eine sogenannte Tarifkonkurrenz, weil beide Parteien des Arbeitsverhältnisses gleichzeitig an zwei von verschiedenen Tarifvertragsparteien abgeschlossene Tarifverträge gebunden sind und deshalb zwei Tarifverträge auf dasselbe Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Die Bindung an den VTV tritt wegen dessen Allgemeinverbindlichkeit ein, § 5 Abs. 4 TVG, diejenige an den RTV wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit, § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 TVG.
In den Fällen, in welchen Arbeiter der Beklagten nicht Mitglieder der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft sind, kommt es nicht zu einer solchen Tarifkonkurrenz, weil für diese Arbeiter nach § 5 Abs. 4 TVG nur die Normen des allgemein verbindlichen VTV zwingend Anwendung finden.
Dies führt zum Vorliegen einer sogenannten Tarifpluralität, weil die Beklagte an zwei von verschiedenen Gewerkschaften geschlossene Tarifverträge gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeiter je nach Tarifbindung entweder nur einer der beiden Tarifverträge oder aber beide konkurrierend Anwendung finden.
Diese Tarifpluralität ist dadurch zu lösen, daß der allgemeinere VTV, hinter den spezielleren, weil sachnäheren Tarifvertrag, nämlich den RTV, zurücktritt. Dies hat zur Folge, daß ab Februar 1990 der Betrieb der Beklagten bezüglich der dort beschäftigten Arbeiter nicht mehr vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird. Dies hat der Senat in einem mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Rechtsstreit entschieden. Auf die Entscheidungsgründe dieses Parallelverfahrens wird insoweit Bezug genommen (vgl. BAG Urteil vom 26. Januar 1994 – 10 AZR 611/92 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Damit steht der ZVK für Februar 1990 der geltend gemachte Auskunftsanspruch gegen die Beklagte nicht zu, so daß insoweit auf die Revision der Beklagten hin die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen war.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Kähler, Harnack
Fundstellen