Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderurlaub eines Lehrers während der Schulferien
Leitsatz (redaktionell)
Ein in Deutschland als Lehrer tätiger türkischer Arbeitnehmer, der in der Türkei seinen zweimonatigen Wehrdienst leistet, kann für in diese Zeit fallende Schulferien jedenfalls dann keine Vergütung verlangen, wenn Sonderurlaub vereinbart ist.
Normenkette
BAT Anlage SR; UrlV BE 1963; BAT § 50; BGB §§ 146, 150-151; ZPO § 256; BGB § 145
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 20.01.1984; Aktenzeichen 11 Sa 123/83) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.08.1983; Aktenzeichen 20 Ca 71/83) |
Tatbestand
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist bei dem beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die ihn ergänzenden und ändernden Bestimmungen Anwendung.
Mit Schreiben vom 4. Mai 1983 bat der Kläger, ihm zur Ableistung seines am 14. Juni 1983 beginnenden zweimonatigen Wehrdienstes in der Türkei für die Zeit vom 13. bis 15. Juni und vom 1. bis 19. August 1983 Dienstbefreiung zu erteilen. Das Schulamt des beklagten Landes teilte mit Schreiben vom 25. Mai 1983 dem Kläger mit, er werde für die Zeit vom 13. Juni bis 19. August 1983 unter Fortfall der Vergütung beurlaubt. Am 31. Mai 1983 nahm der Kläger seinen Antrag zurück mit der Begründung, daß die in die Zeit vom 16. Juni bis 31. Juli 1983 fallenden Sommerferien nicht berücksichtigt werden könnten. Er beantragte nunmehr nur noch Dienstbefreiung für die Zeit vom 1. bis zum 19. August 1983. Das Schulamt des beklagten Landes erwiderte mit Schreiben vom 13. Juni 1983, eine Abänderung des Bescheids vom 25. Mai 1983 sei nicht möglich. Der Kläger verrichtete daraufhin in der Zeit zwischen dem 13. und dem 15. Juni 1983 seinen Schuldienst. Dem beklagten Land gegenüber erklärte er dies damit, daß er den Wehrdienst ohne weiteres auch drei Tage später antreten könne. Anschließend fuhr der Kläger in die Türkei und kehrte am 19. August 1983 nach Ableistung des Wehrdienstes zurück.
Der Kläger begehrt die Fortzahlung seiner Vergütung für die Zeit vom 16. Juni bis 31. Juli 1983. Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verpflichten, den
ihm gewährten Sonderurlaub auf die Zeit
vom 1. August bis 19. August 1983 zu
beschränken und ihm für die Zeit vom
16. Juni bis 31. Juli 1983 die Arbeits-
vergütung fortzuzahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger begehrt Zahlung der Vergütung für die Zeit vom 16. Juni bis 31. Juli 1983. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht daraus, daß der Kläger den Klageanspruch nicht beziffert hat, keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage hergeleitet. Allerdings handelt es sich vorliegend nicht, wie das Berufungsgericht offenbar meint, um eine unbezifferte Leistungsklage. Vielmehr ist das Begehren des Klägers als auf Feststellung gerichtet anzusehen, daß das beklagte Land ihm für die Zeit vom 16. Juni bis 31. Juli 1983 die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung schuldet. Dieser Antrag ist zulässig.
1. Zwar fehlt es in aller Regel an einem rechtlichen Interesse an der alsbaldigen Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, wenn der Kläger dasselbe Prozeßziel durch eine Leistungsklage erreichen kann. Zuzulassen ist die Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, jedoch dann, wenn sie nach den Besonderheiten des Falles zu einer abschließenden oder doch prozeßwirtschaftlich sinnvollen Entscheidung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: vgl. z. B. BAG 4, 149 = AP Nr. 6 zu § 256 ZPO; Urteil vom 22. Januar 1958 - 4 AZR 191/56 - AP Nr. 1 zu § 1 RuhegeldG Hamburg; vgl. auch BGH in MDR 1984, 28). Über die Höhe der Vergütung, die dem Kläger für die Zeit der Schulferien zustünde, falls seine Rechtsauffassung zuträfe, bestehen zwischen den Parteien keine Meinungsverschiedenheiten. Durch die Bezifferung des Klageanspruchs würde somit die Streiterledigung nicht gefördert.
2. Das Feststellungsinteresse entfällt auch nicht deshalb, weil es zur Erfüllung der Vergütungsforderung des Klägers eines vollstreckbaren Leistungstitels bedarf. Bei dem beklagten Land als juristischer Person des öffentlichen Rechts ist davon auszugehen, daß es die Urteile staatlicher Gerichte vollzieht, auch wenn kein vollstreckbarer Titel vorliegt (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 1, 60 = AP Nr. 2 zu Art. 3 GG; BAG 8, 279 = AP Nr. 25 zu § 256 ZPO; BAG 8, 333 = AP Nr. 56 zu § 3 TOA; BAG 12, 290 = AP Nr. 40 zu § 256 ZPO; BAG Urteil vom 4. Mai 1982 - 3 AZR 1205/79 - AP Nr. 54 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht für die Zeit vom 16. Juni bis 31. Juli 1983 kein Anspruch auf Vergütung zu. Er befand sich während dieser Zeit in unbezahltem Sonderurlaub.
1. Nach § 50 Abs. 2 BAT kann der Angestellte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Bezüge Sonderurlaub erhalten, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es gestatten. Anders als der Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz wird der Sonderurlaub nicht vom Arbeitgeber gewährt und zeitlich festgelegt. Es bedarf vielmehr einer Vereinbarung der Parteien. Diese läßt zwar, ebenso wie die Gewährung des Erholungsurlaubs, das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand unberührt. Die Pflicht des Angestellten zur Arbeitsleistung und die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Entgelts ruhen jedoch (vgl. BAG Beschluß vom 8. November 1978 - 4 AZR 213/77 - AP Nr. 10 zu § 50 BAT). Eine solche Vereinbarung ist zwischen dem beklagten Land und dem Kläger für die Zeit vom 16. Juni bis 19. August 1983 und damit auch für die Dauer der Sommerferien getroffen worden.
2. Mit Schreiben vom 4. Mai 1983 hatte der Kläger dem beklagten Land angetragen (§ 145 BGB), ihm zur Ableistung seines Wehrdienstes in der Türkei vom 13. bis 15. Juni und vom 1. bis 19. August 1983 "Dienstbefreiung" zu gewähren. Das beklagte Land lehnte durch sein Schreiben vom 25. Mai 1983 dieses Vertragsangebot des Klägers ab und bot seinerseits dem Kläger an, ihn für die Zeit vom 13. Juni bis zum 19. August 1983 unter Fortfall der Vergütung zu beurlauben (§ 150 Abs. 2 BGB). Im Schreiben vom 31. Mai 1985 lehnte der Kläger diesen Antrag ab und verband damit das neue Angebot, den Sonderurlaub nunmehr auf die Zeit vom 1. bis 19. August 1983 zu beschränken. Diesen Antrag lehnte das beklagte Land wiederum dadurch ab, daß es im Schreiben vom 13. Juni 1983 auf seinem bisherigen Angebot vom 25. Mai 1983 beharrte und es erneuerte. Dieses zuletzt gültige Angebot des beklagten Landes nahm der Kläger dadurch an, daß er sich in die Türkei begab und dort vom 16. Juni bis zum 19. August 1983 seinen Wehrdienst leistete. Dieses Verhalten war als Annahme dieses Angebots anzusehen. Dadurch, daß der Kläger seine Abwesenheit auf die Zeit vom 16. Juni (nicht 13. Juni) bis 19. August 1983 beschränkte, lehnte er den Antrag des beklagten Landes nicht wiederum ab (§ 146 BGB). Dem Schreiben vom 13. Juni 1983 war zu entnehmen, daß es dem beklagten Land allein darum ging, auch die Schulferien in den Sonderurlaub einzubeziehen, weil diese Zeit nicht als Beschäftigungszeit im Sinne des § 19 BAT angerechnet werden könne. Die Auslegung des Antrags des beklagten Landes vom 13. Juni 1983 ergibt somit, daß dieser auch teilweise, d. h. beschränkt auf die Zeit vom 16. Juni bis 19. August 1983, angenommen werden konnte. Der vertraglichen Vereinbarung steht nicht entgegen, daß es an Feststellungen darüber fehlt, ob der Kläger die Annahme des Angebots dem beklagten Land gegenüber erklärt hat. Des Zugangs der Annahmeerklärung gegenüber dem beklagten Land bedurfte es nicht. Der im Hinblick auf den Abreisetermin des Klägers späte Zeitpunkt des letzten Schreibens des beklagten Landes läßt erkennen, daß dieses auf die Erklärung der Annahme ihm gegenüber verzichtet hat (§ 151 Satz 1 BGB).
3. Mit dieser Entscheidung setzt der erkennende Senat sich nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 1965 - 5 AZR 181/64 - (AP Nr. 96 zu § 611 BGB Urlaubsrecht). Dort hat der Fünfte Senat die Auffassung vertreten, einem Lehrer dürfe nicht unter Gewährung eines nicht beantragten Sonderurlaubs die vertragliche Vergütung für die Ferien vorenthalten werden.
Zwar ist die Rechtslage in beiden Fällen insofern vergleichbar, als nach Nummer 5 Abs. 1 Satz 2 der SR 2 l BAT die beamtenrechtlichen Bestimmungen entsprechend anzuwenden sind. Daraus folgt, daß aufgrund des § 7 der hier anwendbaren Berliner Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamten und Richter (Erholungsurlaubsverordnung - EUrlVO) in der Fassung vom 26. April 1983 (GVBl. 1983, 776) der Anspruch des Klägers auf Erholungsurlaub als durch die Schulferien abgegolten gilt, der Kläger jedoch während der Ferien aus zwingenden dienstlichen Gründen in angemessenem Umfang zur Dienstleistung herangezogen werden kann. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die dadurch bewirkte Lockerung der Pflichtenbindung, die für Lehrer während der Schulferien gilt, die Erteilung von Sonderurlaub ausschließt. Der Fünfte Senat hat dies nur für die einseitige Erteilung von Sonderurlaub bejaht. Es spricht aber nichts dagegen, die beiderseitigen Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis, soweit dem nicht Gesetz oder Tarifvertrag entgegenstehen, jedenfalls durch Vereinbarung auch für Zeiten zum Ruhen zu bringen, in denen - wie hier - die eine Seite aus betriebsorganisatorischen Gründen vorübergehend nicht oder nur eingeschränkt leistungspflichtig ist. Dies ist auch die Auffassung des Fünften Senats in dem genannten Urteil, der seine Entscheidung u. a. darauf gestützt hat, daß eine entsprechende Vereinbarung der Parteien fehle.
Dr. Leinemann Dr. Peifer Dr. Freitag
Dr. Liebers Hennecke
Fundstellen
Haufe-Index 441526 |
NJW 1987, 1574 |
NZA 1987, 84 |
RdA 1987, 127 |
AP § 50 BAT (LT), Nr 13 |
AR-Blattei, Ausländische Arbeitnehmer Entsch 31 (LT1) |
AR-Blattei, ES 330 Nr 31 (LT1) |