Urlaubsanspruch bei Freistellung ungeimpfter Pflegekraft

Bei der Freistellung von ungeimpften Pflegekräften während der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind diese Zeiten bei der Urlaubsberechnung zu berücksichtigen. Das entschied das BAG und sprach einer Arbeitnehmerin nur einen anteilig gekürzten Urlaubsanspruch zu.

Ob Arbeitgeber nicht geimpfte Pflegekräfte für die Zeit, in der eine einrichtungsbezogene Impfpflicht galt, unbezahlt freistellen durften oder das nur nach behördlichem Beschäftigungsverbot möglich war, hat zahlreiche Arbeitsgerichte unterer Instanzen beschäftigt -mit unterschiedlichem Ausgang. Das BAG hat diese Frage jetzt geklärt: Arbeitgeber waren zur unbezahlten Freistellung berechtigt. In einem weiteren Fall ging es zudem um den Urlaubsanspruch einer freigestellten Pflegekraft während der Zeit dieser Freistellung.

Der Fall: Arbeitgeber kürzt Urlaub während Freistellung

Die Arbeitnehmerin ist in einem Seniorenwohnheim als Alltagsbegleiterin beschäftigt ist. Sie wurde von ihrem Arbeitgeber Anfang April 2022 unter Verweis auf die damaligen Regelungen im Infektionsschutzgesetz unbezahlt von der Arbeit freigestellt, da sie - obwohl ab März 2022 die einrichtungsbezogene Impflicht galt - keinen Nachweis erbringen konnte, dass sie geimpft oder genesen war oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden konnte.

Die Freistellung sollte so lange gelten, bis die Arbeitnehmerin die geforderten Nachweise vorlegt, längstens aber bis zum Jahresende. Ab dem 1. September 2022 verfügte das zuständige Gesundheitsamt dann ein ebenfalls befristetes Tätigkeitsverbot.

Der Arbeitgeber zahlte während der Freistellung von April bis Ende August 2022 keine Vergütung. Er meinte außerdem, der Urlaubsanspruch der Klägerin sei für jeden vollen Monat der Freistellung anteilig zu kürzen. Wegen der streitgegenständlichen fünfmonatigen Freistellung sei rechnerisch von einem um 12,5 Tage geringeren Urlaubsanspruch auszugehen, aufzurunden auf 13 Tage. Die Arbeitnehmerin verlangte Vergütung für die Zeit der Freistellung. Zudem wollte sie gerichtlich festgestellt wissen, dass ihr für das Jahr 2022 weitere 13 Urlaubstage zustehen.

BAG: Urlaubsanspruch darf gekürzt werden

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für den streitigen Zeitraum hat. Auch mit dem Antrag auf Feststellung eines ungekürzten Urlaubsanspruchs blieb die Arbeitnehmerin weitestgehend erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht entschied zu ihren Gunsten, dass sie Anspruch auf einen halben Urlaubstag hat.

Auf weitere 12,5 Urlaubtage für das Jahr 2022 habe sie dagegen keinen Anspruch. Das Gericht begründete dies damit, dass die Freistellung aufgrund eines fehlenden Immunisierungsnachweises eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs notwendig mache. Laut BAG sind die Arbeitstage, die die Arbeitnehmerin wegen dieser Freistellung nicht leistete, weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Auch nach der EuGH-Rechtsprechung setzte der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub voraus, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin tatsächlich gearbeitet hat. Anderes gelte nur, wenn der Umstand, dass der Arbeitnehmende nicht gearbeitet hat, allein auf Entscheidungen des Arbeitgebers beruht.

Freistellung ungeimpfter Pflegekräfte keine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber

Das war laut BAG hier nicht der Fall, da der Arbeitgeber mit der vorliegenden Freistellung lediglich die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes umgesetzt habe. Zudem hätte die Arbeitnehmerin es in der Hand gehabt, wieder in der Einrichtung arbeiten zu können, indem sie die gesetzlich geforderten Immunisierungsnachweise vorgelegt hätte.

Da sie sich aber freiwillig gegen die Coronaimpfung entschieden habe, sei die Freistellung nach dem damaligen § 20a Abs. 1 IfSG  nicht vergleichbar mit anderen Fällen einer einseitigen Freistellung durch den Arbeitgeber, wie beispielsweise die Freistellung nach einer Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist.

Das BAG entschied jedoch, dass die Arbeitnehmerin Anspruch auf einen halben Urlaubstag habe. Es habe keine Rechtsgrundlage für die zu ihren Lasten vom Arbeitgeber vorgenommene Aufrundung bei der Neuberechnung des Urlaubsanspruchs gegeben.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Juni 2024, Az. 5 AZR 167/23; Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 19. April 2023, Az. 12 Sa 621/22


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