Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung für Teilzeitbeschäftigte nach Arbeitszeitverkürzung
Leitsatz (redaktionell)
Wird der Stundenlohn der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer zum Ausgleich einer tariflichen Arbeitszeitverkürzung erhöht, haben teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bei unveränderter Arbeitszeit Anspruch auf eine entsprechende Lohnerhöhung je Arbeitsstunde.
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats: "Arbeitszeitverkürzung mit Entgeltausgleich".
2. Auslegung des § 3 (Arbeitszeit) des Manteltarifvertrages für die Zigarrenindustrie im Bundesgebiet vom 30.5.1989.
Normenkette
TVG § 1; BeschFG Art. 1 § 2 Abs. 1; BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 05.02.1991; Aktenzeichen 4 Sa 814/90) |
ArbG Wetzlar (Entscheidung vom 31.05.1990; Aktenzeichen 1 Ca 135/90) |
Tatbestand
Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Zigarrenindustrie, als Arbeiterin beschäftigt. Die Parteien haben einzelvertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vereinbart. Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden der Zigarrenindustrie als Mitglied an.
Durch den Manteltarifvertrag für die Zigarrenindustrie im Bundesgebiet vom 30. Mai 1989 (MTV) wurde die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mit Wirkung zum 1. Januar 1990 von 40 auf 39 Stunden herabgesetzt. Der Lohntarifvertrag für die Zigarrenindustrie im Bundesgebiet vom 30. Mai 1989 (LTV) enthält die auf der Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden berechneten Lohnsätze (Akkordlöhne/Zeitlöhne). MTV und LTV enthalten Regelungen über die Erhöhung der Lohnsätze bei Verkürzung der Wochenarbeitszeit.
Die Klägerin hat im Januar 1990 145 Arbeitsstunden sowie im Februar 1990 120 Arbeitsstunden erbracht und hierfür einen Tariflohn von 9,38 DM brutto pro Stunde erhalten. Mit der Klage begehrt sie für diese Arbeitsstunden einen Stundenlohn von 9,61 DM in der rechnerisch unstreitigen Gesamthöhe der Differenz von 60,95 DM brutto.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf Zahlung eines um 2,50 % höheren Stundenlohns (= 9,61 DM) für die im Januar und Februar 1990 geleisteten Arbeitsstunden. An der tariflichen Arbeitszeitverkürzung müsse sie durch eine entsprechende Lohnerhöhung teilnehmen. Die Arbeitszeitverkürzung gelte auch für Teilzeitbeschäftigte, da diese nicht ausdrücklich ausgenommen seien. Eine Ausklammerung der Teilzeitbeschäftigten verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte gemäß § 2 BeschFG. Die ihr zustehende Lohnerhöhung betrage nach dem tariflich festgelegten Erhöhungsfaktor 2,50 %.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 60,95 DM brutto
nebst 4 % Zinsen seit dem 5. April 1990 zu verur-
teilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die tarifliche Arbeitszeitverkürzung gelte nur für Vollzeitbeschäftigte. Hierfür bestehe ein sachlicher Grund, da Teilzeitbeschäftigte infolge ihrer ohnehin kürzeren Arbeitszeit geringeren Belastungen ausgesetzt seien. Der Tarifvertrag enthalte auch keine Lohnerhöhung, sondern nur einen Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung. Es werde lediglich der rechnerische Stundenlohn der Vollzeitbeschäftigten erhöht, jedoch nicht deren Wochen- bzw. Monatslohn. Die Klägerin begehre keine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich, sondern eine tariflich nicht vorgesehene Lohnerhöhung bei gleichbleibender Arbeitszeit.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils mit der Maßgabe, daß sie Zinsen nur aus dem Nettobetrag beansprucht. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und - unter Beschränkung des Zinsanspruchs auf den Nettobetrag - zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klage ist in der Hauptsache begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin 60,95 DM brutto zu zahlen. Denn sie schuldet der Klägerin für die Monate Januar und Februar 1990 einen um 2,5 % erhöhten Stundenlohn von 9,61 DM. Dies folgt aus den tariflichen Regelungen über die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung auf 39 Stunden wöchentlich ab 1. Januar 1990.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der MTV und der LTV mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Die Klägerin unterfällt als teilzeitbeschäftigte gewerbliche Arbeitnehmerin (Arbeiterin) dem persönlichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge. Der MTV gilt gemäß seinem § 1 Nr. 3 u.a. für "Arbeitnehmer", während der LTV seinen persönlichen Geltungsbereich in Ziff. I Nr. 3 auf "alle gewerblichen Arbeitnehmer" erstreckt. Eine Regelung, die Teilzeitbeschäftigte von diesem umfassenden persönlichen Geltungsbereich ausnimmt, enthält keiner der beiden Tarifverträge. Aus der Sonderregelung des § 12 MTV für Arbeitnehmer mit "vereinbarter geringerer Arbeitszeit", d. h. Teilzeitbeschäftigte, folgt vielmehr ausdrücklich, daß der MTV auch für diese Arbeitnehmergruppe gilt.
Damit sind für die Klageforderung folgende Bestimmungen des MTV heranzuziehen:
"§ 3
Arbeitszeit
1. Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der
Ruhepausen beträgt wöchentlich 40 Stunden. Sie
verkürzt sich
ab 1.1.1990 auf 39 Stunden
ab 1.5.1991 auf 38,5 Stunden
ab 1.5.1992 auf 38 Stunden.
Die Form der Umsetzung der Arbeitszeitverkür-
zung wird durch Vereinbarung zwischen Be-
triebsleitung und Betriebsrat unter Berück-
sichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten
geregelt. Die Umsetzung erfolgt durch
Verkürzung der Wochenarbeitszeit und/oder
Gewährung von freien, bezahlten Tagen.
Es können auch Mischformen, auch für einzelne
Betriebsabteilungen und Arbeitnehmergruppen
unterschiedlich, vereinbart werden.
...
3. Wird die Wochenarbeitszeit an einzelnen Tagen
verkürzt, so sind die Zeitlohnsätze und Ak-
kordlöhne des Lohntarifvertrages - die auf der
Basis der 40-Stundenwoche errechnet wurden -
für jede halbe Stunde Arbeitszeitverkürzung um
1,25 % zu erhöhen.
Jede halbe Stunde Wochenarbeitszeitverkürzung
entspricht drei bezahlten, freien Arbeitstagen
im Kalenderjahr. Tritt ein Arbeitnehmer im
Laufe eines Kalenderjahres neu in den Betrieb
ein oder scheidet er aus, so werden die zuste-
henden bezahlten freien Tage entsprechend der
Beschäftigungszeit im Kalenderjahr verrechnet.
...
...
§ 4
Allgemeine Entgeltbestimmungen
1. Die Entgelte und Ausbildungsvergütungen werden
in gesonderten Tarifverträgen geregelt.
2. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine mo-
natliche Abrechnung, aus der sich der Brutto-
verdienst und die Abzüge ergeben. Ein regelmä-
ßiger Entgeltzahlungstag ist betrieblich fest-
zulegen. ...
3. Soweit bei der Gehaltsabrechnung Stundensätze
erforderlich sind, betragen diese
bis 31.12.1989 1/173
ab 01.01.1990 1/169
ab 01.05.1991 1/167
ab 01.05.1992 1/165
des normalen Monatsentgeltes.
..."
Weiterhin sind folgende Regelungen des LTV heranzuziehen:
"I.
Geltungsbereich
...
Anmerkung
Die wöchentliche Arbeitszeit verkürzt sich ab
01.01.1990 von 40 auf 39 Stunden.
Die nachfolgenden unter Ziff. II. aufgeführten
Akkordlöhne sowie die Zeitlöhne unter Ziff. III.
gelten für eine wöchentliche Arbeitszeit von 40
Stunden.
Erfolgt die Umsetzung durch Gewährung von drei
freien, bezahlten Tagen und durch eine Verkürzung
der Wochenarbeitszeit um eine halbe Stunde, so
sind die Lohnsätze um 1,25 % zu erhöhen.
Erfolgt die Umsetzung ohne Gewährung von freien
Tagen durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit um
eine Stunde, so beträgt der Erhöhungsfaktor
2,50 %."
Der Klägerin steht nach dem LTV unstreitig ein Stundenlohn von 9,38 DM brutto zu. Dieser ist um 2,5 % zu erhöhen, da sich für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer der Stundenlohn um 2,5 % zur Umsetzung der verminderten Wochenarbeitszeit mit vollem Lohnausgleich erhöht hat. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 BeschFG.
Nach § 2 Abs. 1 BeschFG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 2 BeschFG gilt auch im Bereich der Vergütung (BAG Urteil vom 25. September 1991 - 4 AZR 631/90 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; BAGE 63, 181 = AP Nr. 29 zu § 11 BUrlG; BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 27. Juli 1988 - 5 AZR 244/87 - AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat danach Anspruch auf ein anteiliges Entgelt, das dem Verhältnis seiner Arbeitsleistung zu derjenigen eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Hieraus folgt, daß der Teilzeitbeschäftigte an einer Lohnerhöhung für entsprechende Vollzeitbeschäftigte unmittelbar teilnimmt (vgl. BAG Urteil vom 27. Juli 1988 - 5 AZR 244/87 - AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Aus welchem Grund die Vergütung der Vollzeitbeschäftigten erhöht wird, ist für die anteilmäßige Bemessung der Vergütung der Teilzeitbeschäftigten grundsätzlich unerheblich. Im vorliegenden Fall war die tarifliche Verkürzung der Wochenarbeitszeit Grund und Motiv der Erhöhung der Lohnsätze (vgl. BAG Urteil vom 29. April 1987 - 4 AZR 560/86 - AP Nr. 57 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; BAG Urteil vom 18. Dezember 1963 - 4 AZR 89/63 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lederindustrie). Dies ändert aber nichts daran, daß dies zu einer finanziellen Besserstellung der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer je geleisteter Arbeitsstunde führt. Nach dem Zweck des § 2 Abs. 1 BeschFG muß die finanzielle Besserstellung auch dem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer anteilmäßig zugute kommen. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer je geleisteter Arbeitsstunde schlechter zu stellen.
Der Revision kann durchaus eingeräumt werden, daß die Arbeitszeitverkürzung für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer der Verminderung des Stresses dieser Arbeitnehmer diente und für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der geringeren Arbeitszeit ein solches Motiv für eine Arbeitszeitverkürzung nicht in Betracht kommt. Der Tarifvertrag sieht auch keine Arbeitszeitverkürzung für Teilzeitbeschäftigte vor. Die Arbeitszeitverkürzung für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bedingt aber nicht notwendig eine automatische Lohnerhöhung je Arbeitsstunde zum Zwecke des Lohnausgleichs. Ebensowenig muß die weggefallene (verkürzte) Arbeitszeit bezahlt werden. Wenn sich die Tarifvertragsparteien jedoch dazu entschließen, den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern eine Lohnerhöhung je geleisteter Arbeitsstunde zu gewähren, können teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hiervon nicht ausgeschlossen werden.
Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nach der tariflichen Regelung solle nur bei einer Arbeitszeitverkürzung der durch diese an sich gesunkene Lohn erhöht werden, ohne Arbeitszeitverkürzung bewende es bei den Lohnsätzen des LTV, ist verfehlt. Der MTV legt für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer eine Arbeitszeitverkürzung auf 39 Stunden ab 1. Januar 1990 fest und befaßt sich ebensowenig wie der LTV mit Lohnsätzen "ohne Arbeitszeitverkürzung", da es diese Fallgestaltung für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer überhaupt nicht gibt. Das Landesarbeitsgericht hat ferner verkannt, daß sich für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer der tatsächliche Stundenlohn je geleisteter Arbeitsstunde - bezogen auf ein Kalenderjahr - ausnahmslos um 2,5 % erhöht hat. Diese Lohnerhöhung steht daher auch den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zu.
Für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist die 39-Stunden-Woche eingeführt (§ 3 Ziff. 1 MTV). Die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 39 Stunden erfolgt entweder durch gleichmäßige wöchentliche Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichzeitiger Lohnerhöhung oder durch die Gewährung bezahlter freier Tage. Hierbei entspricht nach § 3 Ziff. 3 Abs. 2 MTV jede halbe Stunde Wochenarbeitszeitverkürzung drei freien Arbeitstagen im Kalenderjahr, das sind bei einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf 39 Stunden sechs freie Arbeitstage im Kalenderjahr. An sechs Arbeitstagen wird 6 x 8 = 48 Stunden gearbeitet. Bei 48 freien Stunden im Kalenderjahr wird damit auf den Schnitt des Kalenderjahres in 48 Wochen die Arbeitszeit um eine Stunde verkürzt. Die restlichen Wochen des Kalenderjahres entfallen auf den Urlaub und sind deshalb ohnehin arbeitsfrei.
Aus der Gesamtregelung des MTV ergibt sich, daß die so vollzogene Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 39 Stunden für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mit vollem Lohnausgleich erfolgt. Der Lohnausgleich beträgt bei einer Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 39 Stunden 2,5 % (§ 3 Ziff. 3 Abs. 1 MTV). Werden statt der Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um eine Stunde sechs freie Arbeitstage gewährt, wie dies § 3 Ziff. 3 Abs. 2 MTV vorsieht, sind diese - ebenso wie die übrige Arbeitszeit - mit dem bisherigen (nicht erhöhten) Stundenlohn zu vergüten. In der Bezahlung der freien Tage liegt dann der Lohnausgleich für die verkürzte Arbeitszeit. Verteilt man nämlich die sechs arbeitsfreien Tage (= 48 Stunden) auf die 48 Arbeitswochen des Kalenderjahres, entfällt auf jede dieser 48 Arbeitswochen eine bezahlte Freistunde. Durch die Freistunde wird die 39-Stunden-Woche verwirklicht. Die Bezahlung der Freistunde mit dem bisherigen (nicht erhöhten) Stundenlohn entspricht einer Lohnerhöhung (Lohnausgleich) von 2,5 %, wenn man die Vergütung für die freie (bezahlte) Arbeitsstunde auf die tatsächliche Arbeitszeit von 40 Stunden verteilte. Dann aber ist damit die 39-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich erreicht.
Bei einer Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 39,5 Stunden mit drei freien bezahlten Arbeitstagen im Kalenderjahr gilt entsprechendes. Die drei freien bezahlten Arbeitstage ergeben 3 x 7,9 = rd. 24 Arbeitsstunden. Werden diese auf 48 Arbeitswochen verteilt, entfällt auf jede Arbeitswoche eine halbe freie bezahlte Arbeitsstunde, die - wie die übrige Arbeitszeit - mit einem Lohnzuschlag (Lohnausgleich) in Höhe von 1,25 % vergütet wird (§ 3 Ziff. 3 Abs. 1 MTV). Durch die halbe Freistunde wird die 39-Stunden-Woche verwirklicht. Die Bezahlung dieser halben Stunde entspricht einer weiteren Lohnerhöhung von rd. 1,25 %, wenn man die Vergütung auf die tatsächliche Arbeitszeit von 39,5 Stunden verteilte. Dann ist aber auch insoweit die 39-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich erreicht. Gegenüber der vorher geltenden 40-Stunden-Woche hat sich der Stundenlohn um 1,25 % (für die 39,5-Stunden-Woche) plus 1,25 % (für die halben freien Tage) = 2,5 % erhöht.
Jeder vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer arbeitet damit im Jahresdurchschnitt wöchentlich 39 Stunden bei vollem Lohnausgleich mit 2,5 %, d. h. der Stundenlohn hat sich für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer um 2,5 % erhöht. Infolgedessen muß sich auch gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG der Stundenlohn eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entsprechend erhöhen.
Eine weitere Überlegung führt zu dem gleichen Ergebnis: Da für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer die 39-Stunden-Woche eingeführt ist und praktiziert wird, sei es durch die regelmäßige Verkürzung der Arbeitszeit oder bezahlte freie Tage, beträgt die Arbeitszeit der Klägerin nunmehr 30/39 eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Deshalb steht ihr auch Anspruch auf 30/39 der Vergütung eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers zu. Da ihr keine zusätzlichen freien bezahlten Arbeitstage gewährt werden, ist ihr Lohn entsprechend dem Lohn eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers um 2,5 % zu erhöhen.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten steht der Klägerin eine Lohnerhöhung von 2,5 % zu. Wäre die Klägerin Angestellte, wäre die anteilmäßige Erhöhung ihrer Stundenvergütung unproblematisch. Denn nach § 4 Ziff. 3 MTV sind bei der Gehaltsabrechnung nach der Arbeitszeitverkürzung auf 39 Stunden die Stundensätze statt - wie vor der Arbeitszeitverkürzung - mit 1/173 nunmehr mit 1/169 zu errechnen. Dies bedeutet eine um die Arbeitszeitverkürzung anteilmäßig erhöhte Vergütung für Angestellte. Wollte man Arbeiter nicht entsprechend behandeln, käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen Arbeitern und Angestellten.
Die Beklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO auch die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Schaub Schneider Dr. Etzel
Wiese Schamann
Fundstellen
Haufe-Index 439168 |
BAGE 69, 278-285 (LT1) |
BAGE, 278 |
BB 1992, 856 |
BB 1992, 856-858 (LT1) |
DB 1992, 998-999 (LT1) |
DStR 1992, 690-690 (T) |
BuW 1992, 336 (K) |
EBE/BAG 1992, 58-60 (LT1) |
AiB 1992, 585-586 (LT1) |
NZA 1992, 611 |
NZA 1992, 611-613 (LT1) |
RdA 1992, 222 |
SAE 1992, 328-330 (LT1) |
ZTR 1992, 255-256 (LT1) |
AP §2 BeschFG 1985 (LT1), Nr 16 |
AR-Blattei, ES 1560 Nr 29 (LT1) |
EzA § 2 BeschFG 1985, Nr 16 (LT1) |
MDR 1992, 590 (LT1) |