Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsbezüge beim Landeswohlfahrtsverband Hessen
Leitsatz (redaktionell)
Laufende Versorgungsbezüge unterfallen nicht der tariflichen Ausschlußfrist des § 70 Abs 2 BAT in der Fassung vom 23. Februar 1961.
Normenkette
BAT §§ 46, 70
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 14.08.1980; Aktenzeichen 12/7 Sa 155/79) |
ArbG Wetzlar (Entscheidung vom 16.01.1979; Aktenzeichen 1/2 Ca 501/78) |
Tatbestand
Der im Jahre 1911 geborene Kläger war vom 1. April 1926 bis 30. September 1974 bei dem Beklagten bzw. seinem Rechtsvorgänger als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Seit seinem Ausscheiden bezieht er Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die im Januar 1977 768,10 DM und im Januar 1980 881,90 DM monatlich betrug. Daneben hat er Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den Grundsätzen für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Bediensteten und Arbeiter des Bezirksverbandes des Regierungsbezirks Wiesbaden vom 14. Mai 1925, 29 April 1927 und 30. März 1928. Versorgungsberechtigt sind alle nichtbeamteten vollbeschäftigten Personen, wenn sie nach einer Wartezeit von zehn Jahren infolge Invalidität oder Erreichens der Altersgrenze ausscheiden, sofern sie bei Eintritt in den Dienst des Rechtsvorgängers des Beklagten im Vollbesitz der Wettbewerbsfähigkeit gewesen sind. Das Ruhegeld beträgt nach zehnjähriger Dienstzeit 35 v.H. des jeweiligen Grundlohnes derjenigen Lohngruppe und Stufe, der der Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden aus der Beschäftigung angehörte. Es steigt mit jedem weiter zurückgelegten Dienstjahr bis zum vollendeten 25. Dienstjahr um 2 v.H. und von da ab um 1 v.H. bis zum Höchstbetrag von 75 v.H. oder 80 v.H. des Grundlohnes. Ferner heißt es in § 5:
"(3) Als Grundlohn gilt der am 1. April und 1. Oktober jeden Jahres nach den geltenden Lohnsätzen zu berechnende Jahresverdienst. Das Jahr wird zu 300 Arbeitstagen gerechnet. Das Ruhegeld ist halbjährlich nach dem vorbezeichneten Jahresverdienst neu zu berechnen und gilt für das auf die genannten Zeitpunkte folgende Halbjahr.
(4) Neben dem Ruhegeld werden die sozialen Zulagen (Hausstands- oder Frauenzulage, Kinderzulage und dergl.) in gleicher Höhe und unter den gleichen Voraussetzungen wie an im Dienst befindliche Arbeitnehmer gewährt.
(5) Etwaige Überstunden und andere unregelmäßige Bezüge werden in den Grundlohn nicht einbezogen."
Weiterhin ist eine Hinterbliebenenversorgung nach dem Tode des Versorgungsberechtigten vorgesehen. In § 13 heißt es dann:
"Stehen einem Ruhegeldempfänger Bezüge aufgrund des Vierten Buches der Reichsversicherungsordnung (Invalidenversicherung) oder des Angestelltenversicherungsgesetzes zu, so kommen auf die nach diesen Grundsätzen zu bewilligenden Versorgungsbezüge die aufgrund der Reichsversicherungsordnung oder des Angestellten- Versicherungsgesetzes zustehenden Bezüge zur Hälfte zur Anrechnung.
Insoweit solche Bezüge auf freiwilliger voller Beitragsleistung des Arbeitnehmers beruhen, sind sie nicht anzurechnen."
Im März 1941 teilte der Rechtsvorgänger des Beklagten dem Kläger mit, daß dieser nach zehnjähriger Beschäftigung Ansprüche auf der Grundlage der Versorgungsordnung erworben habe. Zugleich bot er ihm an, der Befreiung des Klägers von der gesetzlichen Angestelltenversicherung zuzustimmen, wenn der Kläger sich freiwillig weiterversichere. Noch im März 1941 antwortete der Kläger, für den Fall, daß ihm die Hälfte der Beiträge erstattet würde, würde er sich so weiterversichern, daß die erworbene Rentenanwartschaft aufrecht erhalten bleibe. Von 1941 bis 1957 war der Kläger von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, aber freiwillig weiterversichert. Die dazu erforderlichen Beiträge wurden vom Kläger und Beklagten je zur Hälfte getragen.
Mit der Klage begehrt der Kläger für das Jahr 1977 eine Sonderzuwendung in Höhe von 1.967,-- DM; weiter verlangt er die Berücksichtigung einer Zulage bei der Bemessung seiner Versorgungsbezüge und der begehrten Sonderzuwendung.
Für die Jahre 1974 bis 1976 gewährte der Beklagte Sonderzuwendungen nach dem (Hessischen) Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 21. Dezember 1964 (GVBl HE 247), nachdem er in einigen Rechtsstreitigkeiten mit ehemaligen Bediensteten unterlegen war. Am 1. Juli 1975 trat das Zweite Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern - 2. BesVNG - vom 23. Mai 1975 in Kraft (BGBl I, 1173). Hierauf wurde in Art. 4 des Hessischen Anpassungsgesetzes zum Zweiten Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (Hessisches Anpassungsgesetz zum 2. BesVNG - HAnpG-2.BesVNG -) vom 23. Dezember 1976 (GVBl HE 1, 547) das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung neu gefaßt. Anspruchsberechtigt sind u.a. frühere Angestellte und Arbeiter und deren Hinterbliebene, die Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder Ruhelohn nach anderen als den in § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung bezeichneten Vorschriften erhalten. Wegen des Begriffes der Versorgungsbezüge heißt es in Art. 4 § 1 Abs. 2:
"Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder Ruhelohn im Sinne des Abs. 1 Nr. 3 sind Versorgungsleistungen, die anstelle von Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung voll vom Arbeitgeber oder vom Träger der Versorgungslast gezahlt werden und die zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt haben."
In der Folgezeit vertrat der Beklagte im Anschluß an einen Erlaß des Hessischen Ministers des Innern vom 5. April 1977 die Auffassung, daß der Kläger keine Sondervergütung mehr beanspruchen könne.
Die Angestellten des Beklagten erhalten seit dem 1. Januar 1971 aufgrund eines Tarifvertrages vom 19. Februar 1971 Zulagen. Hierzu heißt es in § 2:
"(1) Die Angestellten, die in der Vergütungsgruppe X bis II BAT eingruppiert sind, erhalten eine monatliche Zulage nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.
(2) Die Höhe der Zulage richtet sich nach der Vergütungsgruppe, in die der Angestellte eingruppiert ist. Sie beträgt ...
...... (4) Die Zulage wird nur für Zeiträume gewährt, für die dem Angestellten Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge zustehen; § 36 Abs. 2 BAT ist entsprechend anzuwenden.
Die Zulage ist bei der Bemessung der Zuwendung, des Übergangsgeldes und des Sterbegeldes zu berücksichtigen."
Die Zulage in der Vergütungsgruppe des Klägers beträgt 100,-- DM.
Der Kläger hat mit einer am 4. August 1978 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, daß die bisher gezahlte Sonderzuwendung im Jahre 1977 nicht weggefallen sei, da der Beklagte ihn nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorge. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, daß seine Rente aus der Sozialversicherung anzurechnen sei. Ferner müsse der Beklagte bei der Bemessung der ruhegeldfähigen Bezüge die Zulage berücksichtigen. Für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 31. Juli 1978 ergebe sich ein Nachzahlungsanspruch von 3.450,--DM (46 Monate x 100 x 75 v.H.). Da der Beklagte die Zulage bei der Bemessung der Sonderzuwendung außer Acht gelassen habe, ergebe sich für die Jahre von 1974 bis 1977 ein weiterer Anspruch in Höhe von 300,-- DM.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 5.717,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9. August 1978 zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, daß dem Kläger schon nach dem Gesetz von 1964 kein Anspruch auf Sonderzuwendungen zugestanden habe. In jedem Fall sei ein etwaiger Anspruch durch das Hessische Anpassungsgesetz vom 23. Dezember 1976 beseitigt worden. Der Kläger beziehe keine beamtenähnliche Versorgung, sondern eine Gesamtversorgung wie die bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versicherten Angestellten. Der Gesetzgeber habe auch gute Gründe gehabt, den Anspruch auf Sonderzuwendungen zu beseitigen. Die Gesamtversorgung des Klägers sei um 468,41 DM höher als die Bezüge eines vergleichbaren aktiven Arbeitnehmers. Zulagen seien schon nach dem Wortlaut der Versorgungsordnung bei der Bemessung der Versorgungsbezüge nicht zu berücksichtigen. Im übrigen seien die Ansprüche auch weitgehend verjährt und verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten im wesentlichen zurückgewiesen. Es hat nur einen Teil der Sozialversicherungsrente auf die Sonderzuwendungen angerechnet und die Nachforderungen für 1974 und 1975 als verjährt angesehen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine Sonderzuwendung für das Jahr 1977 zu. Dagegen ist die Zulage bei der Berechnung des Ruhegeldes sowie bei der Sonderzuwendung für das Jahr 1976 zu berücksichtigen.
I. Seit Inkrafttreten des Hessischen Anpassungsgesetzes vom 23. Dezember 1976 zum Zweiten Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechtes in Bund und Ländern haben die ruhegeldberechtigten ehemaligen Angestellten des Beklagten ihren Anspruch auf Sonderzuwendungen verloren.
1. Nach dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung i.d.F. vom 23. Mai 1975 (BGBl I, 1238) mit der Änderung durch Art. 14 Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3091) sind ehemalige Angestellte und Arbeiter nicht in den Kreis der Bezugsberechtigten von Sonderzuwendungen aufgenommen. Die Ansprüche des Klägers können sich mithin nur nach Hessischem Landesrecht richten.
2. Dem Kläger steht ein Anspruch nach Art. 4 § 1 Hessisches Anpassungsgesetz zum 2. BesVNG nicht zu. Anspruchsberechtigt sind nur solche früheren Angestellten und Arbeiter sowie deren Hinterbliebene, die Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder Ruhelohn nach anderen als in § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung näher bezeichneten Rechtsvorschriften erhalten. Der Kläger erhält keine Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder einen entsprechenden Ruhelohn.
In Art. 4 § 1 Abs. 2 Hessisches Anpassungsgesetz zum 2. BesVNG sind die Begriffe des Versorgungsbezuges und des Ruhelohnes näher bestimmt. Der Kreis der Anspruchsberechtigten wurde auf diese Weise eingeschränkt. Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder Ruhelohn sind nur solche Versorgungsleistungen, die anstelle von Rentenleistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen voll vom Arbeitgeber oder vom Träger der Versorgungslasten gezahlt werden und die zur Befreiung von der Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen geführt haben. Die Versorgung des Klägers wird nicht voll vom Beklagten erbracht. Die Parteien haben im Jahre 1941 vereinbart, daß sich der Kläger gegen Erstattung der halben Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig weiterversicherte. Das ermöglichte dem Beklagten nach § 13 seiner Versorgungsgrundsätze die von der Sozialversicherung gezahlte Rente auf das Ruhegeld anzurechnen und nur den vorausgesetzten Versorgungsfehlbedarf zu decken. Die von den Parteien getroffene Regelung entsprach der sozialversicherungsrechtlichen Lage. Der Kläger wurde nach § 11 AVG in der Fassung vom 28. Mai 1924 (RGBl I, 563) von der Versicherungspflicht befreit. Er konnte sich nach § 20 AVG freiwillig weiterversichern und hierzu auch gegenüber dem Beklagten verpflichten.
Vergeblich weist der Kläger darauf hin, daß der Beklagte nach seiner Gesamtversorgungszusage den Versorgungsbedarf ohne Rücksicht auf etwaige Änderungen der Rentenversicherung decken muß. Hierauf kommt es nicht entscheidend an. Zweck der von den Parteien gewählten Versorgungsform war, den Kläger über die Verpflichtung zur freiwilligen Weiterversicherung an der Aufbringung der Mittel für die Altersversorgung zu beteiligen und dem Beklagten eine Anrechnung zu ermöglichen. Eine derartige Konstruktion ist mit § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG vereinbar.
3. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe bereits aufgrund des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 21. Dezember 1964 (GVBl HE, 247) einen Anspruch auf Sonderzuwendungen erworben, der ihm durch die Änderung des Hessischen Anpassungsgesetzes nicht mehr entzogen werden könne.
a) Richtig ist allerdings, daß die Rechtslage vor 1976 für den Kläger günstiger war. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Hessischen Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 21. Dezember 1964 waren anspruchsberechtigt Versorgungsempfänger, denen laufende Versorgungsbezüge zustehen. Zu den Versorgungsbezügen zählte nach § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Gesetzes auch Ruhelohn, der den Angestellten und Arbeitern sowie deren Hinterbliebenen nach anderen als den in § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes aufgezählten Rechtsgrundlagen gezahlt wurde. Versorgungsleistungen juristischer Personen des öffentlichen Rechtes waren danach nicht ausgenommen. Im Unterschied zum Hessischen Anpassungsgesetz zum 2. BesVNG kannte das Gesetz von 1964 weitere Einschränkungen nicht. Der Beklagte hat demnach zu Recht nach dem Gesetz vom 21. Dezember 1964 Sonderzuwendungen an seine Bediensteten gezahlt.
b) Diese günstigere Rechtslage konnte aber vom Hessischen Gesetzgeber zum Nachteil der Versorgungsberechtigten geändert werden.
Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Versorgungsberechtigten seien gegen den Entzug von Sonderzuwendungen ebenso geschützt wie gegen den Entzug von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz verbiete den Entzug oder die Einschränkung des Anspruchs und sichere diesen auch gegen gesetzliche Änderungen. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Sozialversicherungsrente ist nicht mit Sonderzuwendungen vergleichbar. Sonderzuwendungen wurden vom Hessischen Gesetzgeber für Beamte, Richter, Beamte im Vorbereitungsdienst, Wahlbeamte und im öffentlichen Dienst versorgte Angestellte und Arbeiter geschaffen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 Gesetz von 1964). Sie dienen zur Aufstockung der Bezüge und der Alimentation aus besonderem Anlaß. Sie können demnach nur im gleichen Umfang verfassungsrechtlich geschützt sein wie Beamtenbezüge. Das Bundesverfassungsgericht hat aber überzeugend ausgeführt, daß es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums gibt, nach dem das sogenannte 13. Monatsgehalt, Leistungszulagen oder Urlaubsgelder gegen eine Änderung oder den Entzug geschützt sind (BVerfGE 16, 94, 110, 112, 44, 249, 263). Daraus folgt, daß der Gesetzgeber nicht gehindert ist, Ansprüche auf Sonderzuwendungen für die Zukunft zu beseitigen.
II. Dagegen ist dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis darin zuzustimmen, daß der Kläger die Berücksichtigung der aufgrund des Tarifvertrages von 1971 gezahlten Zulagen bei der Bemessung seines Ruhegehaltes für die Zeit vom 1. Januar 1975 bis 31. Juli 1978 in Höhe von 2.325,-- DM (31 Monate x 100,-- DM x 75 v.H.) verlangen kann.
1.a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß sich der Anspruch nach den Versorgungsgrundsätzen des Beklagten richtet. Diese Versorgungsgrundsätze sind jedoch lückenhaft. Nach § 5 Abs. 3 der Versorgungsgrundsätze wird nur der Grundlohn bei der Bemessung des Ruhegeldes berücksichtigt. Dagegen sind in § 5 Abs. 5 unregelmäßig gezahlte Zulagen von der Berücksichtigung bei der Bemessung des Ruhegeldes ausgenommen. In § 5 Abs. 4 ist bestimmt, daß die im öffentlichen Dienst üblichen Sozialzulagen weiter gezahlt werden, solange die Voraussetzungen gegeben sind, die auch bei aktiven Arbeitnehmern erfüllt sein müssen. Sie bleiben mithin ebenfalls bei der Bemessung des Ruhegeldes unberücksichtigt. An regelmäßig gezahlte Zulagen oder Sonderzuwendungen ist bei der Fassung der Versorgungsgrundsätze nicht gedacht worden, sei es, weil sie im öffentlichen Dienst in den zwanziger Jahren nicht üblich, sei es, weil sie bei dem Beklagten noch nicht bekannt waren.
Die Versorgungsgrundsätze sind ergänzend dahin auszulegen, daß auch die Zulagen und Sonderzuwendungen bei der Bemessung des Ruhegeldes zu berücksichtigen sind. Diese ergänzende Vertragsauslegung kann der Senat selbst vornehmen, weil der gesamte Sachverhalt lückenlos festgestellt ist (BAG vom 27. April 1972 - 5 AZR 449/71 - AP Nr. 72 zu § 611 BGB Gratifikation, zu 1 der Gründe; vom 25. Mai 1973 - 3 AZR 405/72 - AP Nr. 160 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu II vor 1 und zu II 1 der Gründe, jeweils mit weiterem Nachweis). Die ergänzende Vertragsauslegung muß sich danach richten, wie in den Versorgungsgrundsätzen feste und gleichbleibende Zulagen sowie Sonderzuwendungen nach Treu und Glauben berücksichtigt worden wären, wenn man an sie gedacht hätte. Insoweit spricht alles dafür, daß regelmäßige Zulagen wie das Grundgehalt als ruhegehaltsfähig angesehen worden wären. Nach den Versorgungsgrundsätzen ist mit dem Grundgehalt derjenige Betrag ruhegehaltsfähig, auf den sich der Arbeitnehmer auf Dauer einrichten kann und durch den sein Lebensstandard bestimmt wird. Unregelmäßige Zulagen können den Lebensstandard eines Arbeitnehmers nur sehr eingeschränkt beeinflussen und daher bei der Abgrenzung des Versorgungsbedarfs vernachlässigt werden. Regelmäßig gezahlte Zulagen wirken sich aber wirtschaftlich in gleicher Weise wie das Grundgehalt aus. Auch durch sie wird der Lebensstandard geprägt. Eine versorgungsrechtliche Gleichstellung mit dem Grundgehalt liegt nahe. Der BGH wie auch der Senat haben immer darauf abgestellt, daß nicht die Bezeichnung eines Vergütungsbestandteils, sondern seine wirtschaftliche Bedeutung für die Beurteilung der Versorgungsfähigkeit maßgebend sein muß (BAG vom 10. Januar 1975 - 3 AZR 70/74 - AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt - Beamtenversorgung, zu III 3 der Gründe; vom 20. Oktober 1975 - 3 AZR 555/74 - AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Wertsicherung, beide mit insoweit zustimmender Anmerkung von Herschel; BGH vom 21. Januar 1971 - II ZR 153/68 - NJW 1971, 836 zu 3 der Gründe; vom 11. November 1974 - VIII ZR 106/73 - NJW 1975, 105, 106, zu III 3 der Gründe).
b) Da der Kläger aufgrund seiner mehr als vierzigjährigen Tätigkeit bei der Beklagten eine Gesamtversorgungsobergrenze von 75 v.H. erdient hat, kann er für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Juli 1978 eine Nachzahlung in Höhe von 2.325,-- DM (31 Monate x 100 x 75 v.H.) verlangen.
2. Dagegen wendet die Revision zu Unrecht ein, daß die Nachzahlungsansprüche infolge Ablaufs der tariflichen Verfallfrist erloschen seien. Nach § 70 Abs. 2 BAT in der Fassung vom 23. Februar 1961, der nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, verfallen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, soweit sie nicht auf die Zugehörigkeit zu einer höheren Vergütungsgruppe gerichtet sind, binnen einer Ausschlußfrist von drei Monaten, es sei denn, daß der BAT für den Anspruch eine Ausnahme gemacht hat oder daß der Anspruch zuvor schriftlich geltend gemacht worden ist. Von dieser tariflichen Verfallfrist werden jedoch weder das Stammrecht auf Altersversorgung noch die einzelnen monatlich fälligen Rentenbeträge erfaßt.
a) Die tarifliche Ausschlußfrist betrifft nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Der Revision ist zuzugeben, daß auch Versorgungsansprüche im Ruhestand aus dem Arbeitsverhältnis herrühren. Sie werden im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses erdient. Aber zwischen den Ansprüchen aus dem aktiven Arbeitsverhältnis und den nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwachsenden Versorgungsansprüchen bestehen Unterschiede. Im Ruhestand arbeiten die Vertragspartner nicht mehr zusammen; sie stehen nicht mehr in einem unmittelbaren Kontakt. Der Arbeitnehmer ist nicht mehr am Betriebsleben und dem betrieblichen Meinungsaustausch beteiligt. Der Arbeitgeber ist andererseits weniger auf eine schnelle Abwicklung aller Ansprüche angewiesen. Vielfach ist deren schnelle Abwicklung kaum möglich, weil die Berechnung der Versorgungsleistungen von Rentenleistungen des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers abhängt. Diese Besonderheiten rechtfertigen es, Versorgungsansprüche nicht in gleicher Weise verfallen zu lassen wie die Ansprüche aktiver Arbeitnehmer. Die Tarifpartner des öffentlichen Dienstes haben das erkannt und berücksichtigt.
b) Aus dem Zusammenhang der tariflichen Vorschriften im öffentlichen Dienst ergibt sich, daß die Tarifpartner Ansprüche wegen einer zusätzlichen Altersversorgung der Ausschlußfrist des § 70 BAT nicht haben unterwerfen wollen.
Nach § 46 BAT hat der Angestellte Anspruch auf Versorgung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Nach § 4 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersorgungsTV) vom 4. November 1966 hat der Arbeitgeber die in dem Tarifvertrag bezeichneten Arbeitnehmer zum Zwecke der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung grundsätzlich zu versichern. Entsprechendes gilt nach § 4 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) vom 6. März 1967 für die dort angeführten Arbeitnehmer. Nur in einigen Ausnahmefällen sind die vom BAT und seinen ergänzenden Tarifverträgen erfaßten Arbeitgeber der Verpflichtung zur Versicherung ihrer Arbeitnehmer bei der VBL enthoben (vgl. § 6 bzw. § 5 der genannten Tarifverträge). Aus diesem Tarifvertragssystem der Zusatzversorgung folgt, daß die Versorgungsverpflichtung eines Arbeitgebers regelmäßig dahin geht, dem Arbeitnehmer eine Zusatzversorgung bei einem Versorgungsträger, zumeist der VBL, zu verschaffen. Das bedeutet aber gleichzeitig, daß die Tarifpartner im öffentlichen Dienst unmittelbare Versorgungsansprüche gegen den Arbeitgeber weder vorgesehen noch vorausgesetzt haben.
Eine schnelle Abwicklung der Versorgungsansprüche wird von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes offensichtlich nicht erwartet. In der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes maßgeblich beeinflußt ist, wird in § 68 eine Ausschlußfrist für Versorgungs- oder Versichertenrenten bestimmt, die die Frist des § 70 Abs. 2 BAT bei weitem übersteigt. Es wäre unverständlich und kann nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprechen, daß immer dann, wenn ein Arbeitnehmer seine Versorgungsleistungen bei der VBL geltend macht, eine längere Zeitspanne zur Verfügung steht als dann, wenn Versorgungsansprüche unmittelbar gegen den Arbeitgeber zu verfolgen sind. Auch dies spricht dafür, daß § 70 Abs. 2 BAT nicht für Versorgungsansprüche gelten soll.
c) Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß ein Anspruch auf Verschaffung einer Zusatzversorgung gegen den Arbeitgeber oder ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber wegen unterbliebener Zusatzversorgung nicht von § 70 Abs. 2 BAT oder dem entspr. § 67 Abs. 2 MTA erfaßt wird (BAG vom 12. Januar 1974 - 3 AZR 114/73 - AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt - VBL; Urteil vom 24. Mai 1974 - 3 AZR 422/73 - AP Nr. 6, aaO, zu III der Gründe; Urteil vom 15. Mai 1975 - 3 AZR 257/74 - AP Nr. 7, aaO). Nichts anderes gilt wegen der einzelnen Versorgungsraten, wenn sie sich unmittelbar gegen den Arbeitgeber richten.
III. Der Kläger kann nur für das Jahr 1976 Nachzahlung der auf die Sonderzuwendung entfallenden Zulage in Höhe von 75,-- DM verlangen.
Nach § 5 Abs. 3 der Versorgungsgrundsätze wird nur der Grundlohn bei der Bemessung des Ruhegeldes berücksichtigt. Wie dargelegt wurde, sind dem Grundlohn solche Bezüge gleichgestellt, die den Lebensstandard ebenso wie das Grundgehalt prägen (II 1 a der Gründe). Hierzu gehört auch die Sonderzuwendung und die auf sie entfallende Zulage.
Die Sonderzuwendung stand dem Kläger bis zum Jahre 1976 noch zu (I 2 a der Gründe). Die Ansprüche für 1975 sind allerdings verjährt und der Beklagte hat auch die Einrede der Verjährung erhoben. Ab 1977 wurde der Anspruch auf Sonderzuwendung durch das Gesetz beseitigt (I 1 der Gründe). Daraus folgt, daß der Kläger nur für das Jahr 1976 noch 75,-- DM beanspruchen kann.
IV. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß seit Rechtshängigkeit die berechtigte Klageforderung zu verzinsen ist. Nach § 291 BGB hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen ohne Rücksicht darauf, ob er sich in Verzug befindet. Die Zinsforderung des Klägers ist nicht durch § 49 Abs. 5 BeamtVG ausgeschlossen. Auf den Kläger findet diese Vorschrift keine Anwendung, da er Angestellter und nicht Beamter war. Unabhängig davon werden in § 49 Abs. 5 BeamtVG nur Verzugszinsen, nicht aber Prozeßzinsen ausgeschlossen (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz, Stand Dez. 1982, § 49 Rz 9 m.w.N.).
Fundstellen
BAGE 42, 180-188 (LT1) |
BAGE, 180 |
BlStSozArbR 1984, 99-99 (T) |
JR 1985, 132 |
AP § 70 BAT (LT1), Nr 11 |
DÖD 1984, 67-67 (LT1) |
RiA 1984, 88-88 (T) |