Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Gesamtversorgungssystem. Anrechnung der Sozialversicherungsrente bei Zusammentreffen von Altersrente und Unfallrente. Auslegung einer Betriebsvereinbarung. Gleichbehandlung
Orientierungssatz
- Verwendet eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung einen Begriff des Sozialversicherungsrechts, ohne ihn selbst zu definieren, so ist er grundsätzlich entsprechend dem sozialversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch auszulegen.
- Wird in einer Betriebsvereinbarung der Begriff “Bezüge aus Renten der Rentenversicherung” verwendet, so ist darunter regelmäßig der volle gesetzliche Rentenanspruch des Versorgungsempfängers zu verstehen, unabhängig davon, wer ihn zur Auszahlung bringt, ob nur der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, oder auch – teilweise – der Träger der Unfallversicherung. Dies gilt insbesondere bei Anwendung des § 93 SGB VI, der dem Zweck dient, Nachteilsüberkompensationen durch zweckähnliche Versicherungsleistungen zu vermeiden.
- Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, zu der allein der Arbeitgeber beitragspflichtig ist, unterliegen nicht dem Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG.
- Bei Gesamtversorgungssystemen ist die Anrechnung auch des Teils der Unfallrente, der die immateriellen Schäden an Körper und Gesundheit des Verletzten ausgleichen soll, gleichheitswidrig. Anrechnungsfähig ist nur der Teil, der dazu dient, den Verdienstausfall des Geschädigten auszugleichen.
Normenkette
SGB VI § 33 Abs. 1-4, §§ 93, 280; SGB VII § 56; BGB § 394 S. 1; BetrAVG § 5 Abs. 2; BetrVG 1972 § 77
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 17. April 2002 – 8 Sa 758/01 – aufgehoben.
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Main vom 29. November 2000 – 10 Ca 4680/00 – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Januar 2001 abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.
- Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe die gesetzliche Rente des Klägers auf seine Betriebsrente anzurechnen ist.
Der am 8. Juli 1939 geborene, schwerbehinderte Kläger war seit 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete am 31. Juli 1999. Seit dem 1. August 1999 bezieht er eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte und von der Beklagten eine Betriebsrente. Der Kläger hat Anspruch auf eine Gesamtversorgung nach den “Richtlinien für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Betriebsangehörigen der G… Gemäß Ziffer VII. 23. der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1996” in der Fassung vom 2. September 1997/23. März 1998, einer Gesamtbetriebsvereinbarung (im folgenden: Richtlinien). Diese Richtlinien sehen ua. vor:
“I.
1. Ziel der betrieblichen Altersversorgung ist es, durch die Mithilfe der G… zu erreichen, daß dem wegen Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Erreichen der Altersgrenze nach mindestens 10jähriger Betriebszugehörigkeit ausscheidenden Betriebsangehörigen ein Mindesteinkommen zur Verfügung steht, durch das ein allzu fühlbares Absinken der Lebenshaltung vermieden wird.
II.
2. Die G… gewährt den Betriebsangehörigen, deren Arbeitsvertrag die Betriebsvereinbarung der G… zugrunde liegt und die eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder eine Altersrente aus den sozialen Rentenversicherungen erhalten, monatliche Leistungen, soweit die Renten aus den Rentenversicherungen zum Zeitpunkt deren Festsetzung die unter a – d genannten Vomhundertsätze nicht erreichen. Bei Berufsunfähigkeit wird der Zuschuß der G… nur für deren Dauer gezahlt. Es werden diejenigen Rententeile hierbei nicht angerechnet, die aus der Höherversicherung des Betriebsangehörigen herrühren. Die Bezüge aus Renten der Rentenversicherung (ohne Kinderzuschuß und Höherversicherungsrente) und aus Leistungen der G… betragen zum Zeitpunkt deren Festsetzung höchstens:
a) nach 10jähriger Dienstzeit 40 % des letzten Monatsgehaltes
b) nach 20jähriger Dienstzeit 55 % des letzten Monatsgehaltes
c) nach 30jähriger Dienstzeit 65 % des letzten Monatsgehaltes
d) nach 40jähriger Dienstzeit 75 % des letzten Monatsgehaltes.
Die Höchstbeträge der Bezüge steigen vom 11. bis 20. Dienstjahr um je 1 1/2 %, vom 21. bis zum 40. Dienstjahr um je 1 %.
…”
Durch eine weitere Gesamtbetriebsvereinbarung vom 7. Juni 1999 (GBV 99) wurden diese Richtlinien ergänzt. Sie lautet auszugsweise:
“Ziffer II. Abschn. 4 wird um folgenden Text ergänzt:
…
d) Abweichend von der Regelung der Ziffer II. Abschn. 4.a) und b) gilt für Mitarbeiter der Geburtsjahrgänge 1939 bis 1943 folgendes:
Der Berechnung der Leistung nach diesen Richtlinien wird eine anzurechnende Sozialversicherungsrente unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse nach dem Rentenrecht des Wachstums- und Beschäftigungs-Förderungsgesetzes (WFG) 1996 zugrunde gelegt. Damit diese Renten ermittelt werden können, ist die Vorlage des Rentenbescheides aus der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich.
…”
Der Gesamtversorgungsbetrag des Klägers beläuft sich auf 2.691,08 DM. Nach dem Rentenbescheid der BfA vom 1. Juli 1999 “beträgt die monatliche Rente 2.070,24 DM. Die Rente vermindert sich wegen des Zusammentreffens mehrerer Ansprüche – Anlage 7 – auf 1.860,49 DM”. Der Kläger erhält eine Unfallrente iHv. 354,04 DM, die der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. 209,75 DM auf die Altersrente anrechnet.
Für die Monate August bis Oktober 1999 ging die Beklagte bei der Betriebsrentenzahlung von dem geminderten Altersrentenbetrag aus und leistete (aufgerundete) 831,00 DM. Ab November 1999 berücksichtigte die Beklagte bei der Gesamtversorgung des Klägers den vollen Betrag der Altersrente iHv. 2.070,24 DM und berechnete dementsprechend das monatliche Ruhegeld auf 621,00 DM brutto. Diesen Betrag zahlt die Beklagte an den Kläger seit Januar 2000 aus, die Zahlungen für November und Dezember 1999 verrechnete sie teilweise mit der aus ihrer Sicht vorliegenden Überzahlung für die ersten drei Monate des Betriebsrentenbezuges.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung seines betrieblichen Ruhegeldes dürfe die Altersrente nur in Höhe der an ihn monatlich ausgezahlten 1.860,49 DM berücksichtigt werden. Unter den nach den Richtlinien anzurechnenden “Bezügen aus Renten der Rentenversicherung” sei dasjenige zu verstehen, was ihm tatsächlich zufließe. Die Unfallrente könne auf seinen betrieblichen Ruhegeldanspruch nicht angerechnet werden, da dies in den Richtlinien nicht vorgesehen sei. Er könne daher monatlich 210,00 DM brutto mehr verlangen, für die Zeit von August 1999 bis Oktober 2000 also 3.150,00 DM brutto. Hilfsweise hat er für den Fall einer Überzahlung in den ersten drei Monaten des Betriebsrentenbezuges die Einrede der Entreicherung erhoben.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.310,00 DM brutto zuzüglich 8,42 % Zinsen seit dem 19. Juli 2000 bis zum 31. August 2000 sowie nebst 9,26 % Zinsen seit dem 1. September 2000 sowie weitere 840,00 DM brutto nebst 9,26 % Zinsen ab dem 29. November 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach dem Rentenbescheid der BfA betrage “die Rente” des Klägers 2.070,24 DM, was dem von den Richtlinien verwendeten Begriff der “Bezüge” entspreche. Sinn und Zweck der Richtlinie sei es, dem Versorgungsberechtigten ein bestimmtes Versorgungsniveau zu erhalten, wobei es unerheblich sei, über welchen Sozialversicherungsträger eine Rente zur Auszahlung komme. Der auf die Altersrente angerechnete Teilbetrag der Unfallrente des Klägers trete an die Stelle der Rente aus der Rentenversicherung. Der überschießende Betrag diene dem Ausgleich der immateriellen Schäden infolge der unfallbedingten Schwerbehinderung, der weder vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung noch von der Beklagten berücksichtigt werde. Würde stattdessen auf den geminderten Rentenbetrag abgestellt, wie irrtümlich während der ersten Monate der Betriebsrentenleistung geschehen, so erhielte der Kläger wirtschaftlich die Unfallrente zum größeren Teil doppelt, was die Richtlinien nicht vorsähen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage fast vollumfänglich stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Ziel einer Klageabweisung weiter. Für den Fall einer erfolgreichen Revision haben die Parteien im Hinblick auf die Einrede der Entreicherung des Klägers einen Teilvergleich geschlossen, mit dem etwaige Rückzahlungsansprüche für die Zeit vom 1. August 1999 bis 31. Oktober 1999 abgegolten sind.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klage ist unbegründet, weil dem Kläger über den Betrag von 621,00 DM brutto monatlich hinaus nach den für die Betriebsrentenleistung maßgeblichen Richtlinien keine weiteren Versorgungsleistungen der Beklagten zustehen.
Zu Recht hat die Beklagte auf den Gesamtversorgungsanspruch des Klägers iHv. unstreitig 2.691,08 DM als “Bezüge aus den Renten der Rentenversicherung” die volle erdiente Sozialversicherungsrente iHv. 2.070,24 DM brutto und nicht nur den vom Rentenversicherungsträger zur Auszahlung gebrachten, nach § 93 SGB VI geminderten Betrag von 1.860,49 DM brutto in Anrechnung gebracht. Dies ergibt sich sowohl aus der Systematik wie dem Sinn und Zweck der für die Betriebsrentenberechnung maßgebenden Richtlinien und steht nicht im Gegensatz zu ihrem Wortlaut.
- Wegen ihres normativen Charakters sind Betriebsvereinbarungen ähnlich wie Tarifverträge gemäß den Regeln für die Auslegung von Gesetzen auszulegen (BAG 21. August 2001 – 3 AZR 746/00 – AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 78; 17. November 1998 – 1 AZR 221/98 – AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 101). Maßgeblich ist danach zunächst der Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebspartner im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit dies erkennbar zum Ausdruck gekommen ist. Zu beachten ist dabei der Gesamtzusammenhang der Regelung, weil er auf den wirklichen Willen der Betriebspartner und damit auf den Zweck der Regelung schließen lassen kann (BAG 22. Oktober 2002 – 3 AZR 40/02 –). Übernimmt ein Tarifvertrag ohne eigene Definition einen Begriff, der in einem Gesetz verwandt wird mit dem ein Sachzusammenhang besteht, so ist grundsätzlich die fachspezifische gesetzliche Bedeutung zugrunde zu legen (BAG 5. Februar 1971 – 4 AZR 66/70 – AP TVG § 1 Auslegung Nr. 120; 13. Mai 1981 – 4 AZR 1080/78 – BAGE 35, 251, 263).
- Das Landesarbeitsgericht hat die Richtlinien dahin ausgelegt, daß mit “Bezügen aus Renten der Rentenversicherungen” die vom Kläger “bezogene” Bruttorente gemeint sei. Unter Bezügen sei das zu verstehen, was jemand beziehe, also erhalte oder ausgezahlt bekomme. Der im Rentenbescheid des Klägers ausgewiesene Betrag von 2.070,24 DM sei als Zwischenprodukt, das sich aus den Entgeltpunkten, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Renteneckwert ergebe, lediglich eine Rechnungsgrundlage für die tatsächliche Rente, die unter Berücksichtigung von § 93 SGB VI 1.860,49 DM brutto betrage. Die Berechnungsweise der Beklagten führe im Ergebnis dazu, daß die Unfallrente des Klägers auf die Versorgungsleistung der Beklagten angerechnet werde, ohne daß die Richtlinien hierfür eine Anrechnungsbestimmung enthielten.
Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts tritt der Senat nicht bei.
1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Richtlinien eine Anrechnung der Unfallrente auf den Gesamtversorgungsanspruch des Klägers nicht vorsehen. Nach dem Wortlaut der Ziffer II. Abschn. 2. Sätze 1 und 4 der Richtlinien sind “Renten aus den Rentenversicherungen” bzw. “Bezüge aus Renten der Rentenversicherung” anzurechnen. Die jeweilige Verwendung des Plurals “Renten” läßt noch nicht den Schluß zu, damit seien auch Unfallrenten nach § 56 SGB VII gemeint. Der Plural bezieht sich ersichtlich auf die in der ersten Satzhälfte von Ziffer II. Abschn. 2. Satz 1 der Richtlinien ausdrücklich aufgezählten Rentenformen. Er entspricht dem sozialversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch, wo er als Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der Altersrenten, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten und Hinterbliebenenrenten dient (§ 33 Abs. 1 – 4 SGB VI). Nach Ziffer II. Abschn. 2. Satz 3 der Richtlinien sollen die Rententeile aus der Höherversicherung des Betriebsangehörigen nicht angerechnet werden, womit ebenfalls Modalitäten der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 280 SGB VI) angesprochen werden. Auch andere Anrechnungsvorschriften der Richtlinien oder der GBV 99 sprechen von “Bezügen aus der sozialen Rentenversicherung” oder von der “anzurechnenden Sozialversicherungsrente”. Hingegen finden Renten aus anderen Versicherungszweigen, etwa die Unfallrente, in den Richtlinien keine Erwähnung. Somit ergibt sich aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Richtlinien, daß durch sie direkt die Anrechnung einer Unfallrente auf den Gesamtversorgungsanspruch des Klägers nicht geregelt wird.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich jedoch aus dem Wortlaut der Ziffer II. Abschn. 2. Sätze 1 und 4 der Richtlinien nicht ableiten, daß es nur auf den tatsächlich ausbezahlten Rentenbetrag ankomme.
a) Ziffer II. Abschn. 2. Satz 1 der Richtlinien gibt den Betriebsrentnern bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Versorgungsleistungen, “soweit die Renten aus den Rentenversicherungen zum Zeitpunkt deren Festsetzung die unter a – d genannten Vomhundertsätze nicht erreichen”. Zu Recht macht die Revision geltend, daß sich daraus eine Einschränkung auf den letztlich vom Rentenversicherungsträger ausbezahlten Betrag nicht ergibt, sondern daß unter “Rente” auch der volle, vom Kläger erworbene gesetzliche Rentenanspruch verstanden werden kann, wie ihn der Rentenbescheid der BfA zum Ausdruck bringt. Dabei handelt es sich um die Feststellung des gesetzlichen Rentenanspruchs des Klägers und entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht um ein “Zwischenprodukt” eines Berechnungsvorgangs.
b) Der in Ziffer II. Abschn. 2. Satz 4 der Richtlinien verwendete Begriff der “Bezüge aus Renten der Rentenversicherung” läßt sich nicht auf den tatsächlichen Auszahlungsbetrag reduzieren. Bereits der Klammerzusatz dieser Bestimmung (“ohne Kinderzuschuß und Höherversicherungsrente”) macht deutlich, daß nicht in jedem Fall der auszuzahlende “Endbetrag” des Rentenbescheides maßgeblich sein soll. Alltagssprachlich wird unter Bezügen “Einnahme, Gehalt” (Wahrig Deutsches Wörterbuch 7. Aufl.) oder “Gehalt, Einkommen” (Duden Deutsches Universalwörterbuch 4. Aufl.) verstanden. Unter “Einkommen” im Sinne der Richtlinien ist jedoch der volle gesetzliche Rentenanspruch des Klägers zu verstehen. Denn dieser Rentenanspruch wird teilweise durch die Zahlung des Trägers der Unfallversicherung erfüllt, weil es sich um teilweise funktionsgleiche Leistungen unterschiedlicher Versorgungssysteme handelt, die an die Stelle des Lohnes treten, der bis zum Versicherungsfall verdient worden ist (BVerfG 19. Juli 1984 – 1 BvR 1614/83 – SozR 2200 § 1278 RVO Nr. 11). Dabei wirkt die Leistung der Unfallversicherung hinsichtlich des gesetzlichen Rentenanspruchs als Erfüllungssurrogat (BSG 31. März 1998 – B 4 RA 49/96 R – BSGE 82, 83, 88). Dies kommt bereits im Wortlaut des § 93 Abs. 1 SGB VI deutlich zum Ausdruck.
c) Auch Sinn und Zweck der nach den Richtlinien gewährten Gesamtversorgung sprechen dafür, daß mit “Bezügen aus Renten der Rentenversicherung” im Falle des Zusammentreffens von Ansprüchen aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung der volle gesetzliche Rentenanspruch eines Versorgungsempfängers gemeint ist. Entscheidend ist nach § 93 SGB VI, was dem Kläger insgesamt als gesetzliche Rente zufließt. Es kommt nicht darauf an, von wem er die Zahlungen auf seinen gesetzlichen Rentenanspruch erhält. Der gesetzliche Rentenanspruch des Klägers wird sowohl durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung als auch zum Teil durch den Träger der Unfallversicherung erfüllt. § 93 SGB VI verfolgt den Zweck, Nachteilsüberkompensationen (sog. Überversorgung) aus der Summierung teilweise zweckähnlicher Versicherungsleistungen aus zwei Zweigen der Sozialversicherung wegen der Belastung der aktuellen Pflichtbeitragszahler zu begrenzen, ohne den Unfallversicherungsausgleich für immaterielle Schäden, verletzungsbedingten Mehraufwand und besondere Betroffenheit im Beruf im wirtschaftlichen Ergebnis zu entziehen (BSG 31. März 1998 – B 4 RA 49/96 R – BSGE 82, 83, zu B 4 der Gründe). Soweit der Verletztenrente Einkommensersatzfunktion in gleicher Weise wie einer Rente der Rentenversicherung zukommt, ist sie auf diese anrechenbar, wobei dem Rentner in Form des Freibetrags nach § 93 Abs. 2 SGB VI stets ein Ausgleich der “immateriellen Schäden” verbleibt. Erhielte der Versicherte auch die Rente aus der Rentenversicherung ungekürzt gezahlt, so bekäme er mehr, als er hinsichtlich des versprochenen Sicherungsniveaus aus der Rentenversicherung und der Unfallversicherung insgesamt erwarten durfte. Er erhielte mehr, als er durch die Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit an Erwerbseinkommen verloren haben kann. Deshalb bestehen gegen die Anrechnungsregelung des § 93 SGB VI auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG 16. Mai 2001 – B 8 KN 2/00 R – BSGE 88, 138). Da sich das Gesamtversorgungssystem der Beklagten auf diesen sozialversicherungsrechtlichen Gesamtzusammenhang bezieht, ist nach Ziffer II. Abschn. 2. Satz 4 der Richtlinien der volle erworbene Rentenanspruch, nicht der nach § 93 SGB VI berechnete Auszahlungsbetrag auf den Gesamtversorgungsanspruch des Klägers in Anrechnung zu bringen.
d) Nach Ziffer II. Abschn. 2. der Richtlinien ist es für die Frage, was unter Bezügen aus Renten der Rentenversicherung zu verstehen ist, unerheblich, wer diese Versorgungsleistungen tatsächlich zur Auszahlung bringt. Die Gesetzgebungstechnik spielt keine Rolle. Es stand im Ermessen des Gesetzgebers, mit § 93 SGB VI die Unfallrente teilweise auf die gesetzliche Rente und nicht umgekehrt die gesetzliche Rente auf die Unfallversicherung anrechnen zu lassen – sei dies nun “wegen der größeren Sachnähe des Trägers der Unfallversicherung” oder um die beitrags- und auch steuerfinanzierte gesetzliche Altersrente auf Kosten der Unfallversicherung zu entlasten (BSG 31. März 1998 – B 4 RA 49/96 R – BSGE 82, 83). Es gibt keinerlei Hinweise in den Richtlinien, daß dieser – eher zufälligen – gesetzlichen Anrechnungsbestimmung irgendeine wirtschaftliche Bedeutung zukommen soll. Sinn und Zweck der Richtlinien sprechen vielmehr dafür, daß funktionsgleiche Erwerbsersatzeinkommen der Sozialversicherung bei der Gesamtversorgung berücksichtigt werden sollen.
Die aus der Anrechnung des vollen erworbenen gesetzlichen Rentenanspruchs folgende mittelbare Anrechnung der Unfallrente auf das Ruhegehalt verstößt nicht gegen betriebsrentenrechtliche Anrechnungsverbote.
1. Die Unfallrente des Klägers unterliegt nicht dem absoluten Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Zur gesetzlichen Unfallversicherung für den Kläger war ausschließlich die Beklagte beitragspflichtig (§ 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), so daß die entsprechende Versorgungsleistung nicht auf Beiträgen des Klägers beruhte (§ 5 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrAVG; BAG 19. März 2002 – 3 AZR 220/01 – AP BetrAVG § 5 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 5 Nr. 32).
2. Aus § 5 Abs. 2 BetrAVG ist jedoch nicht abzuleiten, daß der Arbeitgeber immer zur Berücksichtigung von ihm mitfinanzierter Versorgungsbezüge berechtigt sein soll. Vielmehr bleiben Anrechnungsverbote, die sich aus anderen Rechtsgründen ergeben, unberührt. Für Gesamtversorgungssysteme gilt danach, daß die Anrechnung auch des Teils der Unfallrente, der die immateriellen Schäden an Körper und Gesundheit des Verletzten ausgleichen soll, gleichheitswidrig ist. Anrechnungsfähig ist vielmehr nur der Teil, der dazu dient, den Verdienstausfall des Geschädigten auszugleichen (BAG 19. Juli 1983 – 3 AZR 241/82 – BAGE 43, 173, 182). Der Teil der Unfallrente, der der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bei vergleichbarer Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht, muß anrechnungsfrei bleiben (BAG 19. März 2002 – 3 AZR 220/01 – AP BetrAVG § 5 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 5 Nr. 32). Diese Anforderung wird vorliegend erfüllt, da nach § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge der Betrag der Verletztenrente aus der Unfallversicherung unberücksichtigt bleibt, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz gezahlt würde.
- Damit ist die Klage insgesamt abzuweisen. Soweit in den ersten drei Monaten des Rentenbezugs eine Überzahlung seitens der Beklagten erfolgte, hat sie mit den Aufrechnungen in den Monaten November und Dezember 1999 die Pfändungsfreigrenzen beachtet und nicht gegen § 394 Satz 1 BGB verstoßen. Wegen der vom Kläger erhobenen Einrede der Entreicherung (§§ 818 ff. BGB) haben die Parteien den Rechtsstreit durch den Teilvergleich vom 29. Juli 2003 in der Revisionsinstanz erledigt.
Unterschriften
Kremhelmer, Bepler, Breinlinger, D. Offergeld, H. Frehse
Fundstellen
NZA 2005, 712 |
SAE 2004, 161 |
ZTR 2004, 268 |
AP, 0 |
BAGReport 2004, 175 |
NJOZ 2005, 2402 |