Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Rentenbezug. Befristungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die in einem Tarifvertrag vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit tritt nicht ein, wenn der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann und der Arbeitnehmer noch vor Zustellung des Rentenbescheids vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung verlangt.
Orientierungssatz
- Eine tarifliche Regelung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit vorsieht, ist regelmäßig wirksam. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn sie die rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf des Monats vor Rentenbeginn vorsieht.
- Allerdings ist eine solche Tarifnorm einschränkend dahingehend auszulegen, daß das Arbeitsverhältnis dann nicht endet, wenn der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann und der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber noch vor Zustellung des Rentenbescheids die Weiterbeschäftigung verlangt.
- Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 22 SchwbG (in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung) ist nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer die Anerkennung als Schwerbehinderter erst nach Zustellung des Rentenbescheids beantragt hat und die Schwerbehinderung nicht offenkundig ist.
Normenkette
Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der AUTOKRAFT Partner im Norden vom 3. Juli 1998 § 25 I Abs. 2; GG Art. 12; SchwbG § 22
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23. Januar 2001 – 1 Sa 485 b/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund der Gewährung einer unbefristeten Rente wegen Berufsunfähigkeit geendet hat, und über Entgeltansprüche aus Annahmeverzug.
Der Kläger ist seit 1982 bei der Beklagten als Busfahrer zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.228,00 DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft betrieblicher Übung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der AUTOKRAFT Partner im Norden vom 3. Juli 1998 (MTV) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:
Ҥ 25 I Abs. 2:
Das Arbeitsverhältnis endet außerdem
…
b) vor dem Ende des Monats, ab dem der Arbeitnehmer eine unbefristete Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger erhält, ohne daß es einer vorherigen Kündigung bedarf,
…
3. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die AUTOKRAFT GmbH unverzüglich über zu Ziff. … 2 b) gestellte Anträge beim Rentenversicherungsträger zu unterrichten.
…”
Der Kläger erlitt am 17. November 1998 einen zweiten Herzinfarkt und war danach bis zum 20. April 2000 arbeitsunfähig. Mit Bescheid der LVA Schleswig-Holstein vom 16. September 1999, der dem Kläger im September 1999 zuging, wurde ihm auf seinen Antrag vom 28. Juli 1999 ab dem 1. Dezember 1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 1.324,78 DM monatlich bewilligt. Die tatsächliche Rentenzahlung begann erst am 19. Dezember 1998, weil der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 116 Abs. 1 SGB VI bezog.
Am 28. Oktober 1999 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter. Hierüber informierte er den Betriebsleiter der Beklagten mündlich. Mit Bescheid vom 31. Januar 2000 wurde der Kläger ab dem 28. Oktober 1999 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.
Eine Untersuchung des Klägers durch den Arbeitsmedizinischen Dienst am 28. März 2000 ergab, daß er als Busfahrer nicht mehr eingesetzt werden kann. Ihm sind danach lediglich Tätigkeiten mit leichter körperlicher Belastung zumutbar. Am 13. oder 14. April 2000 wurde der Kläger von dem Betriebsleiter der Beklagten darüber informiert, daß er nicht weiterbeschäftigt werde. Am 18. April 2000 bot der Kläger der Beklagten seine Arbeitskraft ab dem 21. April 2000 für alle Tätigkeiten mit Ausnahme der Personenbeförderung an. Mit Schreiben vom 2. Mai 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis bestehe unverändert fort. Weder sei eine Kündigung ausgesprochen worden, noch greife die Vorschrift des § 25 I Abs. 2 Buchst. b) MTV derzeit ein, da auf Grund der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nach § 22 SchwbG die Fürsorgestelle einzuschalten sei. Am selben Tag beantragte die Beklagte bei der Fürsorgestelle die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Fürsorgestelle stimmte mit am 11. Juli 2000 bei der Beklagten eingegangenem Bescheid der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Juli 2000 mit, auf Grund der Zustimmung der Fürsorgestelle sei das Arbeitsverhältnis ab dem 11. Juli 2000 beendet, weil eine Weiterbeschäftigung mangels eines für ihn geeigneten freien Arbeitsplatzes nicht möglich sei. Dagegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage gewandt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente habe nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt, weil er auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könne. Einen solchen Arbeitsplatz könne die Beklagte durch Umorganisation der vorhandenen Arbeitsplätze einrichten. Die Beklagte sei nach den tariflichen Bestimmungen verpflichtet, ihm das Entgelt als Busfahrer ab dem 21. April 2000 bis zum 30. Juni 2000 weiterzugewähren, auch wenn er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Zumindest müsse sie ihm das Entgelt für eine Tätigkeit zu geänderten, ihm zumutbaren Arbeitsbedingungen zahlen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit dem 11. Juli 2000 geendet hat,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.602,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf 1.746,00 DM ab dem 1. Mai 2000, auf weitere 4.428,00 DM ab dem 1. Juni 2000 und auf weitere 4.428,00 DM ab dem 1. Juli 2000 zu zahlen,
hilfsweise
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 21. April 2000 entsprechend seiner Eingruppierung zu vergüten.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe auf Grund der Zustimmung der Fürsorgestelle am 11. Juli 2000 geendet. Eine für den Kläger geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz habe nicht bestanden. Der Kläger könne nicht verlangen, daß durch Umorganisationsmaßnahmen ein für ihn zumutbarer Arbeitsplatz geschaffen werde. Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug stehe ihm nicht zu, weil er nicht mehr in der Lage sei, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung als Busfahrer zu erbringen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat allerdings entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht erst am 11. Juli 2000, sondern bereits am 30. November 1998 geendet. Deshalb steht dem Kläger für die Zeit vom 21. April 2000 bis zum 30. Juni 2000 Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug nicht zu. Der Hilfsantrag ist unzulässig.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Linsenmaier, G. Metzinger, Wilke
Fundstellen
Haufe-Index 884274 |
BAGE 2004, 114 |
BB 2003, 476 |
DB 2003, 561 |
NWB 2003, 813 |
ARST 2003, 213 |
FA 2003, 116 |
FA 2003, 127 |
JR 2003, 220 |
NZA 2003, 620 |
SAE 2003, 229 |
ZAP 2003, 337 |
AP, 0 |
EzA |
br 2003, 87 |
RdW 2003, 372 |
SPA 2003, 7 |