Entscheidungsstichwort (Thema)
Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich. Einstellung der Zahlung bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses von 21 Stunden oder weniger. Mindestbeschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden. keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Schadenersatz. fehlender Zurechnungszusammenhang
Orientierungssatz
1. Gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a in Verbindung mit der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich wird Arbeitsentgelt, das ein Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis erzielt, nur durch Überbrückungsbeihilfe ergänzt, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.
2. Diese Festlegung einer Mindestbeschäftigungsdauer ist wirksam. Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die mehr als 21 Stunden arbeiten und solchen, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 21 Stunden oder weniger beträgt, ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sowie Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls gerechtfertigt. Darum kann dahinstehen, ob § 4 Abs. 1 TzBfG Fälle der vorliegenden Art erfasst.
3. Für die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten genügen bloße Haushaltserwägungen nicht. Vielmehr muss die Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entsprechen und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sein. Die Grenzziehung zwischen Begünstigten und Benachteiligten muss unmittelbar an den sachlichen Grund anknüpfen.
4. Wird ein Schaden erst durch eine auf dem freien Willensentschluss des Arbeitnehmers beruhende Entscheidung ausgelöst, ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang nur gegeben, wenn für das schädigende Verhalten nach dem haftungsbegründenden Ereignis ein rechtfertigender Anlass bestand oder der Entschluss des Geschädigten durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und keine ungewöhnliche oder unangemessene Reaktion auf die Schädigung darstellt.
Normenkette
TzBfG § 4 Abs. 1; SGB III § 138 Abs. 3; AFG §§ 101-102; BGB § 241 Abs. 2, § 280; Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) §§ 3, 4 Ziff. 1 Buchst. a, b; Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. August 2012 – 3 Sa 185/12 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) über die Vollendung des 63. Lebensjahres hinaus fortbestand bzw. ob dem Kläger wegen Untergang dieses Anspruchs Schadenersatz zusteht.
Der am 15. Oktober 1943 geborene Kläger war von 1977 bis 30. November 2001 in Vollzeit bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TV SozSich Anwendung. Die Beklagte zahlte dem Kläger seit dem 1. Dezember 2001 Überbrückungsbeihilfe nach diesem Tarifvertrag. Seit dem 1. Juli 2004 erfolgte die Zahlung als Ergänzung des monatlichen Entgelts von 813,00 Euro brutto, das der Kläger in einem Arbeitsverhältnis mit der Firma S erzielte. In diesem Arbeitsverhältnis war eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 22,5 Stunden vereinbart. Die Überbrückungsbeihilfe betrug zuletzt 3.328,13 Euro brutto monatlich.
Die maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten:
1. |
Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden. |
2. |
Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. |
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Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen … teilzunehmen. |
… |
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§ 4 |
Überbrückungsbeihilfe |
1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:
- zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
- zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
Protokollnotiz zu Ziffer 1a
Eine ‚anderweitige Beschäftigung’ liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.
… |
§ 8 |
Ausschluss der Zahlung und Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfen und Beitragszuschüsse |
1. |
Überbrückungsbeihilfe und Beitragszuschuss werden nicht gezahlt für Zeiten, |
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… |
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c) |
nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes … aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt …” |
Mit Schreiben vom 27. Juni 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Überbrückungsbeihilfe sei ab dem 1. November 2006 möglicherweise einzustellen, weil er mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente beziehen könne. Wörtlich hieß es ua.:
„…
nach § 8 Abs. 1c, d TaSS muss die Zahlung von Leistungen eingestellt werden, wenn die materiellen Voraussetzungen zum Bezug der Altersrente … gegeben sind.
Dies könnte in Ihrem Fall eintreten, da Sie am 15.10.2006 das 63. Lebensjahr vollenden werden.
Sollten bei Ihnen die Voraussetzungen nach dem 31.10.2006 nicht eintreten, so bitte ich Sie, mir dies durch entsprechenden Nachweis des Rentenversicherungsträgers … anzuzeigen.
Wenn mir keine entsprechenden Nachweise vorgelegt werden, wird die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe zum 01.11.2006 eingestellt.”
Ab 1. November 2006 stellte die Beklagte die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe ein. Der Kläger hatte das Arbeitsverhältnis zur Firma S bereits mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 zum 31. Oktober 2006 gekündigt und zum 1. November 2006 ein Arbeitsverhältnis mit der Firma D Parkhotel (künftig: Parkhotel) mit einer monatlichen Bruttovergütung von 410,00 Euro bei einer monatlichen Arbeitszeit von 40 Stunden begründet. Er beantragte zur Vermeidung einer Rentenkürzung erst nach Vollendung seines 65. Lebensjahres Altersrente, die er seit dem 1. November 2008 bezieht.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2011 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zur Nachzahlung der Überbrückungsbeihilfe für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2008 auf.
Der Kläger hat mit seiner am 15. September 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, er habe noch bis zum 31. Oktober 2008 Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe gehabt. Unerheblich sei, dass er für das Parkhotel weniger als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich sei wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG nichtig. Diese Bestimmung gelte auch für Ansprüche, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstünden.
Hilfsweise hat der Kläger die begehrte Überbrückungsbeihilfe unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes begehrt. Dabei lässt er sich fiktiv das bei der Firma S erzielte Entgelt anrechnen. Die Beklagte habe ihm die Rechtslage, wonach die Überbrückungsbeihilfe über die Vollendung des 63. Lebensjahres hinaus weiterbezogen werden könne, die ihr aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. März 2005 (– 6 AZN 1013/04 –) bekannt gewesen sei, im Schreiben vom 27. Juni 2006 sowie in einem daraufhin mit dem zuständigen Sachbearbeiter geführten Gespräch wissentlich unzutreffend dargestellt. Hätte er das Arbeitsverhältnis mit der Firma S über den 31. Oktober 2006 hinaus fortgesetzt, hätte er keinen Anspruch auf vorgezogene Altersrente gehabt, weil das Entgelt die Hinzuverdienstgrenze überstiegen hätte. Das Arbeitsverhältnis zu der Firma S habe er nur beendet, weil er aufgrund der fehlerhaften Information keine Notwendigkeit mehr gesehen habe, im bisherigen Umfang weiterzuarbeiten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
an ihn 79.875,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 21. Oktober 2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich sei wirksam. § 4 Abs. 1 TzBfG erfasse früher in Vollzeit tätige, ausgeschiedene Arbeitnehmer wie den Kläger nicht.
Ein Schadenersatzanspruch bestehe nicht. Das Schreiben vom 27. Juni 2006 sei inhaltlich nicht falsch gewesen. Jedenfalls habe sie den Kläger nicht wissentlich falsch informiert. Im Übrigen bestehe der erforderliche Zurechnungszusammenhang nicht. Schließlich sei die Forderung verjährt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 33.281,30 Euro brutto stattgegeben. Es hat angenommen, die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich verstoße gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Für die Zeit vor dem 1. Januar 2008 sei der Anspruch jedoch verjährt. Gegen dieses Urteil haben die Parteien im Umfang ihres wechselseitigen Unterliegens Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Beklagte macht im Revisionsverfahren erstmals geltend, der Kläger sei entgegen seinem Vortrag ab dem 1. November 2006 tatsächlich rentenberechtigt gewesen, so dass auch aus diesem Grund keine Falschinformation vorgelegen habe. Von § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich werde auch eine Teilrente iSd. § 42 Abs. 1 SGB VI erfasst. Mit einem Entgelt von 813,00 Euro hätte der Kläger die Mindesthinzuverdienstgrenze für eine Drittelrente nach § 42 Abs. 2 SGB VI iVm. § 34 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a SGB VI im streitbefangenen Zeitraum nicht überschritten.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist auch in Bezug auf den hilfsweise erhobenen Schadenersatzanspruch zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt sich die Revision mit der dazu erfolgten Begründung des Landesarbeitsgerichts in einer den gesetzlichen Anforderungen noch genügenden Weise (vgl. dazu BAG 19. Dezember 2013 – 6 AZR 145/12 – Rn. 51) auseinander. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, es fehle an dem für eine Schadenersatzpflicht erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Die Ausführungen des Klägers lassen erkennen, dass er entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts den Wechsel des Arbeitsverhältnisses unter Reduzierung der Arbeitszeit für eine naheliegende und adäquate Reaktion auf die Auskünfte der Beklagten ansieht und deshalb den Kausalzusammenhang nicht durch seinen eigenen Willensentschluss für unterbrochen hält. Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Gründen des angegriffenen Urteils war im Hinblick darauf, dass das Revisionsgericht an die Revisionsgründe nicht gebunden ist, nicht erforderlich (vgl. BAG 19. April 2012 – 6 AZR 677/10 – Rn. 15). Ob die Ansicht des Klägers zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit der Revision.
II. Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte hat die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe rechtswirksam mit dem 31. Oktober 2006 eingestellt. Sie ist dem Kläger auch nicht zum Schadenersatz verpflichtet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend das Weiterbestehen eines Anspruchs auf die Überbrückungsbeihilfe über den 31. Oktober 2006 hinaus verneint. Der Anspruch ist dadurch erloschen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Arbeitszeit auf weniger als 21 Stunden wöchentlich reduziert hat.
a) Seit dem 1. November 2006 erzielte der Kläger kein Entgelt mehr, das gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich iVm. der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich durch die Überbrückungsbeihilfe ergänzt werden konnte, weil er seine Arbeitszeit auf weniger als 21 Stunden reduziert hatte. Darauf, ob die Reduzierung im bestehenden Arbeitsverhältnis geschieht oder – wie vorliegend – mit einem Wechsel des Arbeitgebers verbunden ist, kommt es nach dem eindeutigen Tarifwortlaut, der allein auf das Arbeitsentgelt „aus anderweitiger Beschäftigung” außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte abstellt, nicht an.
b) Die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich legt wirksam eine Mindestbeschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden für ein nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich berücksichtigungsfähiges Arbeitsverhältnis fest (vgl. ohne nähere Problematisierung BAG 27. September 2001 – 6 AZR 489/00 – zu I 2 der Gründe; 22. Dezember 1994 – 6 AZR 337/94 –). Dabei kann die von den Vorinstanzen unterschiedlich beantwortete Frage, ob § 4 Abs. 1 TzBfG auch Fälle wie den vorliegenden erfasst, dahinstehen (vgl. zur grundsätzlich möglichen Geltung dieser Bestimmung bei unterschiedlicher Behandlung von Teilzeitbeschäftigten untereinander BAG 28. Mai 2013 – 3 AZR 266/11 – Rn. 37). Die Differenzierung, die die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zwischen Arbeitnehmern, die mehr als 21 Stunden arbeiten, und solchen, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 21 Stunden oder weniger beträgt, zur Folge hat, ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sowie Art. 3 Abs. 1 GG, der durch § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG konkretisiert wird (BAG 25. April 2007 – 6 AZR746/06 – Rn. 23, BAGE 122, 215), gerechtfertigt. Das hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen angenommen.
aa) § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG setzt Paragraph 4 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. EG L 14 vom 20. Januar 1998 S. 9) um. Für die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten reicht es danach nicht aus, dass sie in einer allgemeinen und abstrakten Norm vorgesehen ist. Auch bloße Haushaltserwägungen genügen nicht. Vielmehr muss die Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entsprechen und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sein (EuGH 1. März 2012 – C-393/10 – [O'Brien] Rn. 64, 66). Dementsprechend verlangt das Bundesarbeitsgericht, dass sich die Prüfung, ob die unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist, am Zweck der Leistung zu orientieren hat (BAG 5. August 2009 – 10 AZR 634/08 – Rn. 32; vgl. aus der älteren Rechtsprechung BAG 26. September 2001 – 10 AZR 714/00 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 99, 140). Erforderlich ist, dass die Grenzziehung zwischen Begünstigten und Benachteiligten unmittelbar an den sachlichen Grund anknüpft (Laux in Laux/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 4 Rn. 61).
bb) Die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich soll einen Anreiz zur Wiedereingliederung der von den Stationierungsstreitkräften entlassenen Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt schaffen. Zur Erreichung dieses Zwecks ist sie geeignet und erforderlich.
(1) Der TV SozSich dient in der Gesamtschau mit dem Abkommen zur Änderung des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 21. Oktober 1971 (BGBl. II 1973 S. 143) einer Verbesserung der Rechtslage der bei den ausländischen Streitkräften beschäftigten Arbeitnehmer, insbesondere deren sozialer Sicherung (BT-Drs. 7/361 S. 2). Das Regelungskonzept des TV SozSich zielt auf eine schnelle Wiedereingliederung der entlassenen Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess. Das bringen § 3 Ziff. 1 und Ziff. 2 TV SozSich zum Ausdruck. Die im Zuge der Wiedereingliederung auftretenden Härten sollen durch die Überbrückungsbeihilfe gemindert werden (BT-Drs. 7/119 S. 11). Diese Beihilfe soll grundsätzlich nicht die einzige Leistung an den Arbeitnehmer sein, sondern nur die Differenz zwischen dem Arbeitsentgelt bei den Stationierungsstreitkräften und den anderen Einkünften des Arbeitnehmers ausgleichen. Verschafft sich der Arbeitnehmer derartige Einkünfte nicht, erhält er auch keine Überbrückungsbeihilfe. Daraus wird deutlich, dass § 4 Ziff. 1 und Ziff. 2 TV SozSich bis zur Absicherung durch eine gesetzliche Altersrente einen Anreiz schaffen sollen, damit der Arbeitnehmer entweder durch ein neues Arbeitsverhältnis im Arbeitsprozess verbleibt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, um auf diesem Weg wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert zu werden (vgl. BAG 10. Juli 2003 – 6 AZR 344/02 – zu 1 b aa und 2 der Gründe; 22. Dezember 1994 – 6 AZR 337/94 – zu II 2 der Gründe).
(2) Die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich entfaltet sich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich. Sie hält den Arbeitnehmer dazu an, in einem zeitlich bestimmten Mindestumfang zu arbeiten. Die Tarifvertragsparteien haben sich dabei bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden (vgl. BAG 22. Dezember 1994 – 6 AZR 337/94 – zu II 2 der Gründe). Sie haben die Grenze von 21 Stunden nicht willkürlich gegriffen, sondern sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten an der im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags geltenden Regelarbeitszeit von 42 Stunden orientiert. Zugleich haben sie berücksichtigt, dass nach der bei Abschluss des TV SozSich geltenden Rechtslage ein Arbeitnehmer als arbeitslos galt, der geringfügig beschäftigt war. Geringfügig war eine Beschäftigung von nicht mehr als 20 Stunden (§§ 101, 102 Abs. 1 AFG idF vom 25. Juni 1969, BGBl. I S. 582). Arbeitnehmer, die 20 oder weniger Stunden arbeiteten und daneben Leistungen der Arbeitsverwaltung erhielten, hatten demnach grundsätzlich bereits Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich. Mit der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich haben die Tarifvertragsparteien die beiden unterschiedlichen Tatbestände der Ergänzung von Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung und der Ergänzung von Leistungen aus Anlass der Arbeitslosigkeit in § 4 Ziff. 1 Buchst. a und b TV SozSich voneinander abgegrenzt und dabei zugleich einen angemessenen Abstand zur Arbeitslosigkeit iSd. §§ 101, 102 Abs. 1 AFG in der bei Abschluss des TV SozSich geltenden Fassung vorgesehen.
(3) Mit dieser rechtlichen Ausgestaltung haben die Tarifvertragsparteien entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die mehr als 21 Stunden arbeiten, und solchen die diese Stundenzahl unterschreiten, getroffen, ohne ihren Gestaltungsspielraum zu überschreiten. Allerdings trifft der Hinweis des Arbeitsgerichts zu, dass ein Teilzeitbeschäftigter im Einzelfall aus einer Tätigkeit von 21 Stunden oder weniger eine höhere Vergütung erzielen kann als ein anderer Teilzeitbeschäftigter in einem Arbeitsverhältnis mit mehr als 21 Stunden. Den Tarifvertragsparteien kam es aber ausgehend vom Regelungszweck des TV SozSich offenkundig nicht auf ein Mindestmaß an Einkommen und damit eine Minderung der Leistungen des Bundes an. Vielmehr wollten sie sicherstellen, dass Arbeitnehmer mit Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit ursprünglich mehr als 50 % des Arbeitsvolumens eines Vollzeitbeschäftigten überhaupt eine Erwerbstätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang iSd. bei Abschluss des TV SozSich geltenden § 102 AFG ausüben und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern (vgl. BSG 8. Oktober 1981 – 7 RAr 38/80 –). Diese Grenzziehung knüpft damit unmittelbar an den sachlichen Grund, eine Anreizwirkung zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu schaffen, an. Die ihr zugrunde liegenden Annahmen halten sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. dazu BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 931/12 – Rn. 27; 24. Oktober 2013 – 6 AZR 964/11 – Rn. 34).
(4) Die Regelung ist auch geeignet und erforderlich, den gewünschten Anreiz zu setzen. Das zeigen der Vortrag des Klägers, der einräumt, das Arbeitsverhältnis bei der Firma S an den Vorgaben des TV SozSich ausgerichtet zu haben und das Verhalten des Klägers im Verfahren – 6 AZR 383/12 –, der ebenfalls versucht hatte, das Arbeitsverhältnis nach den Vorgaben des TV SozSich zu gestalten.
(5) Die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Teilzeitbeschäftigten mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden bzw. 21 Stunden oder weniger ist nicht durch die zwischenzeitlichen Änderungen des Sozialversicherungsrechts entfallen. Die Höchstgrenze für geringfügige bzw. kurzzeitige Beschäftigungen iSd. § 102 AFG ist zwar nachfolgend auf 18 Stunden und später durch § 119 Abs. 3 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung bzw. § 138 Abs. 3 SGB III auf 15 Stunden abgesenkt worden (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Mai 2012 K § 138 Rn. 24). Dadurch ist zwar der Abstand zwischen einer Beschäftigungslosigkeit iSd. SGB III, die einen Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich begründen kann, und einem berücksichtigungsfähigen Arbeitsverhältnis iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich vergrößert worden. Zugleich ist damit aber auch die von den Tarifvertragsparteien verfolgte Anreizwirkung verstärkt worden. Der Arbeitnehmer soll eine Tätigkeit ausüben, die zu einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt führt. Das ist bei einer Tätigkeit mit mehr als 21 Stunden in größerem Maß zu bejahen als bei einer solchen mit 15 Stunden oder weniger.
2. Der Kläger hatte für die Zeit seit dem 1. November 2006 auch keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich. Er war zwar bei einer monatlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigungslos iSd. § 138 Abs. 3 SGB III. Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, Leistungen der Agentur für Arbeit bezogen zu haben, sondern offensichtlich von seinen Ersparnissen gelebt. Darum kann dahinstehen, ob einem Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich für die Zeit ab dem 1. November 2006 § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich entgegengestanden hätte, wie die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat. Ob der Kläger, wie von der Beklagten angenommen, zumindest eine Drittelrente hätte beziehen können, kann der Senat ohnehin nicht feststellen. Maßgeblich dafür wäre zunächst die individuelle Hinzuverdienstgrenze des Klägers (vgl. BSG 1. Februar 2005 – B 8 KN 6/04 R – Rn. 29). Diese ist vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Für deren Höhe sind auch keine unstreitigen Tatsachen in der Revisionsinstanz vorgetragen. Nicht entscheidungserheblich ist deshalb auch, ob der Anspruch auf eine solche oder eine andere Teilrente überhaupt zum Erlöschen der Überbrückungsbeihilfe gemäß § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich führt.
3. Dem Kläger steht die begehrte Zahlung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes (§ 280 Abs. 1 BGB iVm. § 241 Abs. 2 BGB) zu.
a) Der Kläger macht nicht geltend, die Beklagte habe Hinweis- und Aufklärungspflichten verletzt. Er beruft sich darauf, die Beklagte habe ihm wider besseren Wissens unzutreffende Auskünfte über eine ab dem 1. November 2006 bestehende Rentenberechtigung und den daraus folgenden Fortfall der Überbrückungsbeihilfe erteilt. Dem Arbeitgeber obliegt zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen (BAG 26. September 2012 – 10 AZR 370/11 – Rn. 63). Erteilt er aber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein (BAG 12. Dezember 2002 – 8 AZR 497/01 – zu II 2 a aa der Gründe; 23. Mai 1989 – 3 AZR 257/88 – zu 2 b der Gründe).
b) Die von der Beklagten mit Schreiben vom 27. Juni 2006 erteilten Informationen waren nicht falsch. Mit diesem Schreiben hat die Beklagte nur auf die Regelung des § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich sowie darauf hingewiesen, dass diese Regelung ab dem 1. November 2006 Wirkung entfalten „könnte”, weil der Kläger berechtigt sein könnte, eine vorgezogene Altersrente in Anspruch zu nehmen. Sie hat dem Kläger Gelegenheit gegeben, nachzuweisen, dass diese Voraussetzungen nicht vorlägen. Sie hat gerade nicht auf die Hinzuverdienstgrenzen abgestellt, sondern erkennbar allein auf die Möglichkeit des § 36 Satz 2 SGB VI, wonach eine Rente wegen Alters vorzeitig nach Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden kann. Sie hat dem Kläger insbesondere nicht mitgeteilt, er werde nach dem 31. Oktober 2006 unabhängig davon, ob er das Arbeitsverhältnis zur Firma S beibehalte, keinen Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe mehr haben. Im Kern handelt es sich bei diesem Schreiben um keine Auskunft über die Rentenberechtigung des Klägers, sondern um eine Anfrage nach einer solchen.
c) Es kann dahinstehen, ob der zuständige Sachbearbeiter nach Erhalt des Schreibens vom 27. Juni 2006 im Hinblick auf die damals noch bestehende Weisungslage (vgl. 2.2.8 der Erläuterungen zu § 2 Ziff. 2 TV SozSich idF vom Mai 2006) bei einer mündlichen Auskunft über die Rentenberechtigung des Klägers § 34 Abs. 3 SGB VI rechtswidrig nicht berücksichtigt hat (zum Fortbestand des Anspruchs auf die Überbrückungsbeihilfe, wenn die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, vgl. BAG 19. Dezember 2013 – 6 AZR 383/12 – Rn. 13 ff.), und ob sich die Beklagte dies zurechnen lassen müsste. Jedenfalls hat der Kläger, den insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. BAG 4. Mai 2010 – 9 AZR 184/09 – Rn. 65, BAGE 134, 202), nicht dargelegt, dass diese von ihm behauptete Pflichtverletzung kausal für den geltend gemachten Schaden gewesen wäre.
aa) Der Kläger hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass die behauptete Pflichtverletzung ursächlich für seine Entscheidung war, die Arbeitszeit auf weniger als 21 Stunden zu reduzieren. Das macht die Beklagte zu Recht geltend. Dem Kläger war nach seinem Vortrag die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bekannt. An ihr habe er das Arbeitsverhältnis mit der Firma S ausgerichtet, weil er sich im Hinblick auf die zur Absicherung seiner wirtschaftlichen Existenz notwendige Überbrückungsbeihilfe gehalten gesehen habe, im tariflich verlangten Umfang zu arbeiten. Erst und nur wegen des Wegfalls dieser Zahlung habe er es sich erlauben können, seine Wochenarbeitszeit zu reduzieren. Dadurch hat der Kläger sein Monatseinkommen von mehr als 4.100,00 Euro brutto (rund 3.300,00 Euro Überbrückungsbeihilfe zzgl. rund 800,00 Euro Entgelt) auf nur noch 410,00 Euro monatlich reduziert. Altersrente hat er unstreitig erst seit 1. November 2008 bezogen. Dies ist angesichts seines Vortrags, er sei gerade auf die Überbrückungsbeihilfe angewiesen gewesen, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern, nicht nachvollziehbar. Ausgehend davon wäre nachvollziehbar allein die Erhöhung der Arbeitszeit, die Begründung eines zweiten, zusätzlichen Arbeitsverhältnisses oder jedenfalls das Stellen eines Rentenantrags gewesen, um auf diese Weise Einkünfte in zumindest vergleichbarer Höhe zu erzielen. Die Tatsache, dass der Kläger keine dieser Handlungsmöglichkeiten gewählt hat, lässt den Rückschluss zu, dass er seine Arbeitszeit ohnehin reduzieren wollte. Angesichts dieser Umstände hätte es entgegen der Ansicht des Klägers näherer Darlegung bedurft, dass er das Arbeitsverhältnis mit der Firma S unverändert fortgesetzt hätte, wenn er die Möglichkeit gekannt hätte, weiterhin Überbrückungsbeihilfe zu beziehen.
bb) Zudem fehlt der für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Zurechnungszusammenhang. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.
(1) Der geltend gemachte Schaden ist durch die auf dem freien Willensentschluss des Klägers beruhende Entscheidung, den Arbeitgeber zu wechseln und die Arbeitszeit zu reduzieren, entstanden. Dadurch sind die Voraussetzungen für eine Weitergewährung der Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich, wie ausgeführt, entfallen. Bei derartigen Eingriffen des Geschädigten in den Kausalverlauf ist der dadurch ausgelöste Schaden dem Schädiger nur zuzurechnen, wenn für das schädigende Verhalten nach dem haftungsbegründenden Ereignis ein rechtfertigender Anlass bestand oder der Entschluss des Geschädigten durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und keine ungewöhnliche oder unangemessene Reaktion auf die Schädigung darstellt (BAG 21. November 2000 – 3 AZR 13/00 – zu B 2 b dd der Gründe; BGH 17. Oktober 2000 – X ZR 169/99 – zu 2 d der Gründe). Die Haftung entfällt, wenn die Handlung des Verletzten völlig unsachgemäß und unvertretbar ist (vgl. BGH 28. Januar 2010 – III ZR 75/09 – Rn. 6 mwN).
(2) Die Reaktion des Klägers auf die behauptete fehlerhafte Auskunft war nicht nachzuvollziehen. Ausgehend vom Vortrag des Klägers, der annimmt, dass die Beklagte um die fehlende Rentenberechtigung wusste, musste diese damit rechnen, dass der Kläger alles tun würde, um seinen bisherigen Lebensstandard beizubehalten. Angemessen wäre, wie ausgeführt, allenfalls die Reaktion gewesen, das Arbeitsverhältnis bei der Firma S zu beenden und Altersrente in Anspruch zu nehmen oder die Arbeitszeit zu erhöhen, sei es im Arbeitsverhältnis mit der Firma S, sei es durch Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses oder durch den Wechsel des Arbeitgebers unter Vereinbarung einer Stundenzahl von mehr als 22,5. Die Beklagte konnte nicht damit rechnen, dass der Kläger kündigen würde, um seine Arbeitszeit zu reduzieren, und so auf einen erheblichen Teil seines Einkommens verzichten würde.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Kammann, Cl. Peter
Fundstellen