Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine generelle Anwendung des § 45 SGB 10 bei Rücknahme von Honorarbescheiden
Orientierungssatz
Bei der Aufhebung von Honorarbescheiden im Kassenarztrecht ist § 45 SGB 10 auf die Rücknahme von Honorarbescheiden nicht generell anzuwenden. Das betrifft die Aufhebung von Honorarbescheiden sowohl aufgrund von Überprüfungen der Wirtschaftlichkeit der Leistungen (vgl BSG vom 16.1.1991 - 6 RKa 10/90 = BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4 und vom 31.7.1991 - 6 RKa 18/90 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7) als auch wegen Richtigstellungen (vgl BSG vom 13.3.1991 - 6 RKa 35/89 = SozR 3-2500 § 85 Nr 2), da die Honorarbescheide unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Überprüfung auf Wirtschaftlichkeit bzw der nachträglichen Richtigstellung stehen.
Normenkette
SGB 10 § 45
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 05.06.1991; Aktenzeichen II KaBf 14/88) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) nur zulassen, wenn
|
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Abs 2 Nr 1 aaO) oder |
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen |
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser |
Abweichung beruht (Abs 2 Nr 2 aaO) oder |
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene |
Entscheidung beruhen kann. |
Aus der abschließenden Natur der in § 160 Abs 2 SGG enthaltenen Aufzählung der Revisionszulassungsgründe ergibt sich, daß die - behauptete - sachliche Unrichtigkeit des Urteils des LSG kein Revisionszulassungsgrund ist. Angebliche materiell-rechtliche Mängel im Urteil des LSG dürfte das BSG nur überprüfen, wenn die Revision zugelassen und in zulässiger Weise eingelegt worden wäre.
Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Erforderlich ist eine Begründung, die dem Beschwerdegericht grundsätzlich die Möglichkeit gibt, allein anhand des Vorbringens des Beschwerdeführers und des angefochtenen Urteils darüber zu entscheiden, ob die Revision zuzulassen ist (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Genügt die Beschwerdebegründung diesen gesetzlichen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Der Kläger macht zunächst geltend, das Urteil des LSG sei in mehrfacher Hinsicht von Entscheidungen des BSG abgewichen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Er hat aber bei allen Divergenzrügen die Abweichung nicht hinreichend "bezeichnet".
Sein Vorbringen unter Punkt 1. b) seiner Beschwerdebegründung kann dahin verstanden werden, daß eine Divergenz insofern vorliege, als der Gemeinschuldner im Verwaltungsverfahren Sachverhaltselemente vorgetragen habe, die die Beklagte zu Ermessenserwägungen hätte veranlassen müssen, nach Auffassung des LSG aber keine Gesichtspunkte vorgetragen worden seien, die ernsthaft Anlaß zu Ermessenserwägungen hätten geben können. Abgesehen davon, daß es schon an einer klaren Darlegung des - angeblichen - Rechtssatzes, den das LSG hiermit aufgestellt haben soll, fehlt, wird im Kern nicht ein Rechtssatz, sondern die fehlerhafte Bewertung von Tatsachen und damit die Beweiswürdigung des LSG gerügt. Dies kann aber nicht Gegenstand einer Divergenz-, sondern allenfalls einer Verfahrensrüge nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sein, wobei ein Verfahrensmangel gem § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann. Die Beschwerde des Klägers ist insoweit schon aus diesem Grunde unzulässig.
Unter Punkt 1. c) seiner Beschwerdebegründung rügt der Kläger, das LSG habe Ermessenserwägungen der Beklagten ua deshalb nicht für erforderlich gehalten, weil sich die Rückforderung gegen den Betrüger selbst gerichtet habe. Das sei jedoch nicht der Fall, denn die Rückforderung richte sich nicht mehr gegen den rechtskräftig wegen Betruges verurteilten Gemeinschuldner, sondern gegen den Konkursverwalter. Mit diesem Vorbringen ist wiederum kein vom LSG aufgestellter Rechtssatz, mit dem es von einem eine Entscheidung des BSG tragenden Rechtssatz abgewichen sein soll, aufgezeigt worden. Darüber hinaus ist nicht substantiiert dargelegt worden, weshalb bei der Aufhebung von Honorarbescheiden gegenüber einem Kassenarzt, über dessen Vermögen nach Erlaß der Verwaltungsentscheidungen der Konkurs eröffnet worden ist, nachträglich Ermessenserwägungen erforderlich sein sollen, nur weil nach Eintritt des Konkurses der Konkursverwalter anstelle des Gemeinschuldners das sozialgerichtliche Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung von Honorarbescheiden fortführt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt ebenfalls unzulässig.
Die Begründung der Beschwerde genügt auch bei der unter Punkt 1. d) der Begründungsschrift gerügten Divergenz nicht den Anforderungen der Bezeichnungspflicht; denn der Kläger hat nicht hinreichend vorgetragen, daß die Entscheidung des LSG auf der behaupteten Abweichung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Aufhebung von Honorarbescheiden im Kassenarztrecht ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf die Rücknahme von Honorarbescheiden nicht generell anzuwenden. Das betrifft die Aufhebung von Honorarbescheiden sowohl aufgrund von Überprüfungen der Wirtschaftlichkeit der Leistungen (s dazu Urteile vom 16. Januar 1991 - 6 RKa 10/90 = BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4; vom 31. Juli 1991 - 6 RKa 18/90 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7) als auch wegen Richtigstellungen (vgl Urteil vom 13. März 1991 - 6 RKa 35/89 = SozR 3-2500 § 85 Nr 2), da die Honorarbescheide unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Überprüfung auf Wirtschaftlichkeit bzw der nachträglichen Richtigstellung stehen. In Anwendung dieser Entscheidungen wäre § 45 SGB X auch auf die Aufhebung der Honorarbescheide im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden gewesen. Bei dieser Rechtslage hätte es der Darlegung im einzelnen bedurft, warum die Entscheidung des LSG, die in anderem Zusammenhang von der Rechtsprechung des BSG zu § 45 SGB X abweichen soll, auf der Abweichung beruhen kann. Ausführungen hierzu fehlen jedoch gänzlich, so daß die Beschwerde auch hinsichtlich dieser Divergenzrüge unzulässig ist.
Der Kläger stützt die Nichtzulassungsbeschwerde des weiteren auf einen - angeblichen - Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG habe einen Beweisantrag zur Frage, ab welchem Zeitpunkt die Beklagte Kenntnis von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen hatte, mit nicht hinreichender Begründung abgelehnt. Bei dieser Verfahrensrüge, die sich in rechtlicher Hinsicht auf die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X bezieht, wären angesichts der oa Rechtsprechung des Senats zur Rücknahme von Honorarbescheiden Darlegungen erforderlich gewesen, daß die Entscheidung des LSG überhaupt auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann. In dieser Hinsicht hat der Kläger jedoch nichts vorgetragen.
Soweit der Kläger unter Punkt 3. b) seiner Beschwerdebegründung als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in mehrfacher Hinsicht geltend macht, hat er diese nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG "dargelegt". Abgesehen davon, daß er, soweit Entscheidungen des BSG zu der von ihm als grundsätzlich bezeichneten Frage schon vorliegen, die - erneute - Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargetan hat, beziehen sich die von ihm aufgeworfenen Fragen wiederum allein auf die Anwendung des § 45 SGB X. Diese Vorschrift ist jedoch - wie aufgezeigt - nach der Rechtsprechung des Senats auf die Rücknahme von Honorarbescheiden in der Regel nicht anzuwenden. Darlegungen dazu, aus welchem Grunde dennoch - ausnahmsweise - die Klärungsfähigkeit der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage gegeben sein sollte, fehlen, so daß der Darlegungspflicht nicht genügt worden ist.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 2 SGG ab.
Die Beschwerde war nach alledem zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen