Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.05.1995) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Mai 1995 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Vorinstanzen haben die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) zur Zahlung von Arbeitslosengeld verurteilt. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) ist die Klägerin in der Zeit vom 1. Juni 1992 bis 31. Juli 1994 als Bürogehilfin im Ingenieurbüro ihres Ehemannes bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden mit einem Arbeitsentgelt von 600,00 DM brutto monatlich beschäftigt gewesen. Sie habe damit eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde macht die BA die Zulassungsgründe der Abweichung von Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der grundsätzlichen Bedeutung geltend. Sie meint, das LSG sei von dem Urteil des 12. Senats vom 23. Juni 1994 – 12 RK 50/93 – (BSGE 74, 275 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 = NZS 1995, 31) abgewichen. Danach sei zu prüfen, wie die Beschäftigung tariflich einzustufen sei. Nur eine geringfügige Abweichung vom Tarifgehalt rechtfertige den Schluß, daß das gezahlte Entgelt noch Gegenleistung der verrichteten Arbeit sei. Dem Vorteil einer Beschäftigung in häuslicher Umgebung messe das BSG – im Gegensatz zum LSG – keine Bedeutung bei. Abweichend vom BSG halte das LSG auch eine wesentliche Abweichung vom Tarifgehalt für die Abgrenzung zwischen die Beitragspflicht begründender Beschäftigung und familienhafter Mitarbeit für unerheblich. Insoweit handele es sich nicht um eine Tatfrage. Grundsätzliche Bedeutung komme der Rechtssache zu, weil es für die Frage einer erheblich untertariflichen Entlohnung bei Beschäftigung im Betrieb des Ehegatten anders als im Steuerrecht Verlautbarungen von Sozialversicherungsträgern nicht gäbe, die für die Arbeitslosenversicherung leistungsrechtlich eine bundeseinheitliche Rechtsanwendung sicherstellten. Das LSG habe die zwischen den Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger erzielte Übereinstimmung, daß nur ein der Arbeitsleistung angemessenes, dh grundsätzlich ein tarifliches oder ortsübliches Arbeitsentgelt, die Beitragspflicht begründet, abgelehnt. Setze sich die Rechtsansicht des LSG durch, müßten die Weisungen der BA geändert werden. An der Klärung bestehe insbesondere Interesse, weil zu dieser Frage zahlreiche Verfahren anhängig seien.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig; die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt.
1. Die Abweichung von dem angeführten Urteil des BSG ist nicht in verfahrensrechtlich gebotener Weise bezeichnet. Zu diesem Zweck muß die Beschwerdebegründung die konkrete rechtliche Aussage herausarbeiten, die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt, und diese einer rechtlichen Aussage in einem Urteil des BSG gegenüberstellen (stRspR, vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990 RdNrn 164 ff). Die Abweichung muß also den rechtlichen Obersatz betreffen. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG begründet nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen, nicht aber die möglicherweise fehlerhafte Entscheidung im Einzelfall – mit anderen Worten im Vollzug der Subsumtion. Eine Abweichung läßt sich deshalb nur bezeichnen, wenn das LSG den vom BSG in der angeführten Entscheidung entwickelten Grundsätzen widersprochen hätte (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Dies ist jedoch in der Beschwerdebegründung nicht ausgeführt. Wegen des Begründungszusammenhangs des von der Beschwerdebegründung herangezogenen Urteils des BSG hätte sie darstellen müssen, daß die Abweichung des vereinbarten Entgelts von dem als Anhaltspunkt oder „Richtschnur” (BSG aaO) genannten Tarifgehalt Bedeutung als rechtliche Aussage im Obersatz hat und nicht nur als ein in eine Gesamtwürdigung eingehendes Begründungselement der Subsumtion anzusehen ist. Das BSG hat nämlich ausdrücklich hervorgehoben, die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe hänge von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (BSG aaO 278 f). Allein ausschlaggebende Bedeutung mit Wirkung eines Tatbestandsmerkmals kommt dem Tarifgehalt nach den weiteren Ausführungen des BSG gerade nicht zu (aaO 281: „Das gezahlte Entgelt, das über ein Taschengeld oder über Gefälligkeitsleistungen hinausgeht, braucht auch nicht genau dem Tarifgehalt einer Arzthelferin entsprechen, zumal Anhaltspunkte für eine Tarifbindung der Eheleute nicht gegeben sind und das Arbeitsentgelt zwischen den Vertragsparteien bei fehlender Tarifbindung frei vereinbart werden kann”). Wie die Beschwerdebegründung im übrigen nicht verkennt, hat das BSG aaO nicht ausgesprochen, nur ein das Tarifgehalt geringfügig unterschreitendes Arbeitsentgelt im Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten begründe ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis. Daß den Ausführungen aaO 281 ein solcher – die Entscheidung tragender -”Rechtssatz” zugrunde liegt, hat die Beschwerdebegründung nicht dargelegt und auch nicht darlegen können; denn der 12. Senat des BSG hatte in seinem die Versicherungspflicht betreffenden Urteil keinen Anlaß, einen solchen Satz aufzustellen. Der Vergleich mit dem als „Richtschnur” neben anderen Kriterien herangezogenen Tarifgehalt ließ die Feststellung eines angemessenen Arbeitsentgelts (12: 14 DM/Std netto) zu.
2. Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist in der Weise darzutun, daß die angestrebte Entscheidung des BSG geeignet ist, die Rechtseinheit zu erhalten oder die Rechtsfortbildung zu fördern. In diesem Sinne ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage über den entschiedenen Einzelfall hinaus nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre und ihre Klärungsfähigkeit nach den Gegebenheiten des zu beurteilenden Falles darzulegen (stRspr, vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; BVerwG NJW 1993, 2825 f). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie läßt die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG vermissen, die für die Abgrenzung von entgeltlicher Beschäftigung als Grundlage der Beitragspflicht und familienhafter Mitarbeit eine „Gesamtwürdigung” (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 11) verschiedener in der Rechtsprechung im einzelnen erörterter Anhaltspunkte fordert (vgl im einzelnen BSGE 74, 275, 278 ff = SozR 3-2500 § 5 Nr 17). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei diesem Stand der Rechtsprechung darzulegen, hätte die Beschwerdebegründung aufzeigen müssen, in welchem Sinne weiterhin ein Klärungsbedürfnis durch die Rechtsprechung besteht. Dazu reicht der Hinweis auf die Möglichkeit von Meinungsverschiedenheiten bei der von der Rechtsprechung geforderten Gesamtwürdigung nicht aus. Sie betrifft die Beurteilung von Umständen des Einzelfalls, die gerade nicht grundsätzlich bedeutsam ist. Die Bezugnahme auf von der Rechtsprechung des BSG abweichende Dienstanweisungen der BA kann die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur begründen, wenn dargestellt wird, inwiefern die Dienstanweisung verwaltungspraktischen Erfordernissen dient, denen die Rechtsprechung nicht genügt (vgl auch: BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Denkbar wäre auch darzulegen, daß die angeführte Rechtsprechung des BSG grundsätzlich „im Ansatz”) verfehlt sei, nicht nur ihre Konkretisierung in dem vom LSG entschiedenen Einzelfall. Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen. Der Hinweis auf anhängige Verfahren läßt nicht erkennen, daß diese ihren Grund in klärungsbedürftigen Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung und nicht nur in Schwierigkeiten der Beurteilung von Einzelfällen haben. Unterschiedliche Entscheidungen oder Entscheidungsbegründungen von Vorinstanzen allein begründen noch nicht die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 122 mwN).
Da die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen