Leitsatz (redaktionell)
1. Familienkrankenpflege wird für den Fall der Krankenhauspflegebedürftigkeit wegen derselben Krankheit für höchstens 78 Wochen innerhalb von je 3 Jahren gewährt. Ist innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Krankheit für 78 Wochen Familienkrankenhauspflege gewährt worden, so kann die KK nach Ablauf der ersten 3-Jahres-Frist die erneute Übernahme dieser Leistungen nicht mit der Begründung ablehnen, die Krankenhauspflegebedürftigkeit habe ununterbrochen weiterbestanden.
2. Die Frist nach RVO § 183 ist stets nach der Methode der starren Rahmen- oder Blockfrist zu berechnen.
Normenkette
RVO § 205 Abs. 1 Fassung: 1930-12-01, § 183 Abs. 2 Fassung: 1961-07-12, § 184 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Die Revision der beklagten Krankenkasse gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 1968 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der klagende Sozialhilfeträger macht gegen die beklagte Krankenkasse einen Ersatzanspruch nach §§ 1531 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend. Die Tochter des bei der Beklagten versicherten Beigeladenen ist nach Erkrankung an Kinderlähmung seit dem 8. August 1960 krankenhauspflegebedürftig. Während der ersten dreijährigen Rahmenfrist, die bis zum 7. August 1963 lief, gewährte die Beklagte mit Unterbrechungen für 78 Wochen Krankenhauspflege. Während der anschließenden drei Jahre, d. h. seit dem 8. August 1963, zahlte sie für die Zeiten, in denen das Kind stationär behandelt wurde (vom 8. August bis zum 8. Dezember 1963 und dann wieder ab 16. Januar 1964) und in denen der Beigeladene ihr Mitglied war, den Abgeltungsbetrag nach Abschnitt III des Verbesserungserlasses vom 2. November 1943 (Amtl. Nachrichten 1943, 485) in Höhe von täglich 1 DM. Darüber hinaus lehnte sie zunächst die Übernahme von Behandlungskosten ab, erkannte jedoch später - während des Berufungsverfahrens - im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 28. April 1967 (BSG 26, 243) ihre weitere Leistungspflicht dem Grunde nach an, allerdings nur im Rahmen der "gleitenden" Fristberechnung, bei deren Anwendung sie für die Zeit vom 16. März bis 31. Juli 1964 nicht leistungspflichtig wäre. Der Kläger, der seine Erstattungsforderung nach der Methode der "starren" Rahmenfrist (Blockfrist) berechnet, verlangt demgegenüber Ersatz auch für die genannte Zeit, insgesamt mithin für die Behandlungszeiten vom 8. August bis 8. Dezember 1963 und vom 16. Januar bis zum 12. Dezember 1964, und zwar in Höhe von 70 v. H. der Behandlungskosten gemäß einer mit der Krankenkasse geschlossenen Vereinbarung über die Durchführung der Heilbehandlung von Körperbehinderten. Das Berufungsgericht hat diesem Begehren unter Hinweis auf die angeführte Entscheidung des Senats entsprochen (Urteil vom 10. August 1968).
Mit der zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen die vom LSG angewandte Berechnungsweise. Sie beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es einen Ersatzanspruch des Klägers auch für die Zeit vom 16. März bis 31. Juli 1964 anerkannt hat, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat sie mit Recht auch für die noch streitige Zeit (16. März bis 31. Juli 1964) als ersatzpflichtig angesehen.
Nach § 183 Abs. 2 RVO i. V. m. Abschnitt I Nr. 2 b des Verbesserungserlasses vom 2. November 1943 und Art. 10 der Ersten Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945 kann Krankenhauspflege den Versicherten und ihren mitversicherten Familienangehörigen unter den gleichen Voraussetzungen und in gleichem Umfange wie Krankengeld gewährt werden, für den Fall der Krankenhauspflegebedürftigkeit wegen derselben Krankheit mithin für (höchstens) 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Krankenhauspflegebedürftigkeit an. Das gilt, wie der Senat in BSG 26, 243 entschieden hat, auch in den Fällen, in denen die Krankenhauspflegebedürftigkeit für mehr als drei Jahre ununterbrochen fortbestanden hat; auch dann ist - nach Ablauf der ersten drei Jahre - vom Beginn der zweiten Rahmenfrist an erneut Krankenhauspflege für 78 Wochen zu gewähren, sofern und solange diese medizinisch notwendig ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob während der ersten Rahmenfrist die Krankenhauspflege durchgehend gewährt worden ist. Auch wenn, wie im vorliegenden Fall, die Krankenhausbehandlung für gewisse Zeiten unterbrochen worden ist, die Krankenhauspflegebedürftigkeit jedoch ununterbrochen fortbestanden hat, entsteht mit dem Ablauf der ersten und jeder weiteren Rahmenfrist jeweils ein neuer Leistungsanspruch für wiederum 78 Wochen (Urteil des Senats vom 18. November 1969, SozR Nr. 1 zu § 185 RVO). In diesem Zusammenhang hat der Senat ausgeführt, daß in Fällen fortdauernder Krankenhauspflegebedürftigkeit der Beginn der ersten und jeder weiteren Rahmenfrist notwendig an den Zeitpunkt des ersten Eintritts der Krankenhauspflegebedürftigkeit anknüpfen muß. Schon deswegen ist in diesen Fällen für die von der Beklagten vertretene Berechnungsweise nach der sogenannten "gleitenden" Rahmenfrist, die mit jedem Neueintritt von Krankenhauspflegebedürftigkeit eine neue Rahmenfrist beginnen läßt, mithin Unterbrechungen der Krankenhauspflegebedürftigkeit voraussetzt, kein Raum. Im übrigen hat sich der Senat inzwischen allgemein gegen die "gleitende" Fristberechnung ausgesprochen und entschieden, daß die Frist stets nach der Methode der "starren" Rahmenfrist oder Blockfrist zu berechnen ist (Urteil vom 17. April 1970, 3 RK 41/69).
Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte somit der - seit dem 8. August 1960 krankenhauspflegebedürftigen - Tochter des Beigeladenen vom Beginn der zweiten Dreijahresfrist (8. August 1963) erneut Krankenhauspflege für 78 Wochen gewähren müssen. Dem Kläger, der anstelle der Beklagten die Kosten der weiteren Krankenhauspflege vorläufig übernommen hat, steht deshalb der erhobene Ersatzanspruch nach §§ 1531 ff RVO zu, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen