Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundrente. Versorgungsberechtigter. Alterszulage. Erhöhung. Schädigungsfolgen. Anpassung. rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt. Abschmelzung. Abschmelzen. Aussparen. Einfrieren
Leitsatz (amtlich)
Auch bei Versorgungsberechtigten, die das 55ste Lebensjahr vollendet haben und deren Grad der Schädigungsfolgen in den letzten zehn Jahren unverändert geblieben ist (§ 62 Abs 3 S 1 BVG), ist die Erhöhung der Grundrente wegen Vollendung des 65sten Lebensjahrs gemäß § 48 Abs 3 SGB 10 auszusparen, soweit eine rechtswidrige Anerkennung von Schädigungsfolgen nach § 45 SGB 10 nicht mehr zurückgenommen werden kann.
Normenkette
BVG § 31 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, §§ 56, 62 Abs. 3 S. 1; SGB 1 § 37 S. 1; SGB 10 § 48 Abs. 3 S. 1, § 45
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 2009 und des Sozialgerichts Speyer vom 12. Februar 2009 insoweit aufgehoben, als sie die Gewährung von Alterszulage für die Zeit ab August 2006 betreffen. In diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ein Zehntel ihrer außergerichtlichen Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Erhöhung der Schwerbeschädigtengrundrente der Klägerin nach dem BVG um die sogenannte Alterszulage wegen Vollendung des 65. Lebensjahres.
Die am 13.4.1941 geborene Klägerin musste im Frühjahr 1945 mit ihren Eltern aus Pommern fliehen. Sie leidet an einer Verkrüppelung des linken Fußes. Mit Bescheid vom 7.5.1954 stellte das Versorgungsamt Landau/Pfalz als Schädigungsfolge eine "Wadenbeinnervlähmung nach Kinderlähmung" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH fest. Zugleich wurde der Klägerin Beschädigtengrundrente gewährt.
Nachdem in der Folgezeit die Schädigungsfolgen durch Bescheid vom 28.6.1973 neu bezeichnet und mit einer MdE von 40 vH bewertet worden waren, erhöhte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 15.8.1995 die MdE auf 50 vH und bezeichnete die Schädigungsfolgen als "Wadenbeinnervenlähmung links mit Hohlfuß- und Hammerzehenbildung, Schwielenbildung auf der Fußsohle und Fehlstellung des gesamten Fußes, Muskelminderung des linken Beines".
Einen im Mai 2005 von der Klägerin gestellten Antrag, der auf Erhöhung des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht wegen Verschlimmerung gerichtet war, fasste das Amt für soziale Angelegenheiten Landau auch als Neufeststellungsantrag nach dem BVG auf und veranlasste eine orthopädische Begutachtung durch Dr. L. Dieser kam in seinem Gutachten vom 14.12.2005 zu der Beurteilung, dass nach den jetzt vorliegenden röntgenologisch/kernspintomografischen Befunden der Lendenwirbelsäule und dem Ergebnis der Untersuchung mit Sicherheit davon auszugehen sei, dass die Lähmung des linken Beines mit Klumpfußbildung nicht in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung des linken Beines während der Vertreibung und Flucht stehe und daher nicht als Kriegsfolgeschaden anzusehen sei. Die Leiden seien vielmehr ursächlich auf eine angeborene Segmentationsstörung, eine Bogenschlussanomalie, dh einer Missbildung sowohl der knöchernen Wirbelsäule als auch des Rückenmarkes, zurückzuführen.
Ab dem 1.4.2006 wurde der Klägerin die um die Alterszulage nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG erhöhte Grundrente überwiesen, ohne dass darüber durch Bescheid entschieden worden war.
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Nach mit Schreiben vom 5.7.2006 erfolgter Anhörung der Klägerin traf das Amt für soziale Angelegenheiten Landau mit Bescheid vom 25.9.2006 folgende Entscheidungen: |
"1.Es wird festgestellt, daß die mit Bescheid vom 07.05.1954 erfolgte Anerkennung 'Wadenbeinnervlähmung nach Kinderlähmung' - MdE gemäß § 30 Absatz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) 30 v.H. - zweifelsfrei unrichtig im Sinne der §§ 1 Absatz 3 Satz 3 BVG und 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist. Ebenso sind die mit Bescheiden vom 28.06.1973 (Schädigungsfolgenbezeichnung: 'Wadenbeinnervenlähmung mit Hohlfuß und Hammerzehenbildung sowie Hornschwielenbildung auf der Fußsohle li.' - Erhöhung der MdE auf 40 v.H.) und 15.08.1995 (Schädigungsfolgenbezeichnung: 'Wadenbeinnervenlähmung links mit Hohlfuß- und Hammerzehenbildung, Schwielenbildung auf der Fußsohle und Fehlstellung des gesamten Fußes, Muskelminderung des linken Beines - Erhöhung der MdE auf 50 v.H.) erfolgten Neufeststellungen zweifelsfrei unrichtig im Sinne des § 45 SGB X. |
2.Diese Bescheide können jedoch wegen Ablaufs der Zweijahresfrist nach § 45 Ab. 3Satz 1 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden. |
3.Bei zukünftigen Änderungen ist § 48 Absatz 3 SGB X zu beachten. |
4.Die auf Grund von Rentenanpassungen zukünftig sich ergebenden Grundrentener-höhungen (MdE 50 v.H.) werden weiterhin erfolgen. |
5.Der anhängige Rentenerhöhungsantrag vom 20.05.2005 wird abgelehnt. |
6.Der für die Zeit von April 2006 bis Juli 2006 zuviel gezahlte Betrag in Höhe von insge-samt 96,-- € wird von Ihnen gemäß § 50 SGB X zurückgefordert." |
Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach dem Ergebnis des eingeholten ärztlichen Gutachtens sei die mit den eingangs erwähnten Bescheiden erfolgte Anerkennung der angeführten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge iS des § 1 BVG zweifelsfrei unrichtig iS von § 1 Abs 3 Satz 3 BVG und § 45 SGB X. Da die Zweijahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X bereits verstrichen sei, sei eine Rücknahme der zweifelsfrei unrichtigen Bescheide über die Anerkennung der Schädigungsfolgen nicht mehr möglich. Trotz der in dieser Situation anwendbaren Vorschrift des § 48 Abs 3 SGB X müsse der derzeit gezahlte Betrag als bestandsgeschützte Leistung weiter gewährt werden. Außerdem seien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die regelmäßigen Rentenanpassungen (Grundrentenerhöhungen) zu gewähren. Die Gewährung einer Alterszulage nach § 31 Abs 1 letzter Satz BVG stelle allerdings eine Änderung zu Gunsten des Betroffenen dar, die eine Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X nach sich ziehe. Das habe zur Folge, dass die Alterszulagenerhöhung der Grundrente nicht gewährt werden könne. In den Monaten April bis Juli 2006 sei der Klägerin ohne Rechtsgrundlage eine um 24 Euro zu hohe Leistung gezahlt worden. Der Betrag in Höhe von 4 Monaten x 24 Euro = 96 Euro müsse daher gemäß § 50 SGB X zurückerstattet werden. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz durch Widerspruchsbescheid vom 10.12.2007 mit im Wesentlichen gleicher Begründung zurück.
Gegenüber dem daraufhin von ihr angerufenen Sozialgericht Speyer (SG) hatte die Klägerin zunächst schriftsätzlich beantragt, den Bescheid vom 25.9.2006 bezüglich des Verfügungssatzes Nr 6 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, ihr ab April 2006 die Alterszulage nach § 31 Abs 1 BVG zu gewähren. In der mündlichen Verhandlung des SG hat die Klägerin ihren Antrag auf die Aufhebung des Verfügungssatzes Nr 6 des Bescheides vom 25.9.2006 beschränkt. Durch Urteil vom 12.2.2009 hat das SG diesem Klageantrag entsprochen. In den Entscheidungsgründen heißt es ua, dass der Klägerin mit der erfolgten Aufhebung des Verfügungssatzes Nr 6 aus den angefochtenen Bescheiden letztlich die von ihr begehrte Alterszulage zustehe.
Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die dagegen vom Beklagten geführte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25.11.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Zu Recht habe das SG den angefochtenen Bescheid - soweit er angefochten gewesen sei - aufgehoben. Der Klägerin stehe gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 BVG eine erhöhte Grundrente zu. Nach dieser Bestimmung erhöhe sich die Grundrente für Schwerbeschädigte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, bei einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 um 24 Euro bzw ab 1.7.2009 um 25 Euro (§ 31 Abs 1 BVG idF vom 17.7.2009). Ab April 2006 hätten die Voraussetzungen der Erhöhung nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG vorgelegen, da die Klägerin in diesem Monat ihr 65. Lebensjahr vollendet gehabt habe und mit einem GdS von 50 Schwerbeschädigte sei.
Diese Erhöhung entfalle nicht nach § 48 Abs 3 SGB X. Nach dieser Vorschrift dürfe die wegen einer zu Gunsten des Betroffenen eingetretene Änderung nach § 48 Abs 1 oder 2 SGB X neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes, der nach § 45 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden könne, ergebe. Zwar seien die Grundlagenbescheide vom 7.5.1954, 28.6.1973 und 15.8.1995 rechtswidrig, da darin Schädigungsfolgen zu Unrecht anerkannt worden seien, die, wie sich durch neuere medizinische Erkenntnisse herausgestellt habe, nicht auf schädigende Tatbestände im Sinne des BVG zurückzuführen seien. Wegen Fristablaufes könnten diese Bescheide indes nicht mehr zurückgenommen werden, wovon der Beklagte zu Recht ausgegangen sei.
Gemäß § 62 Abs 3 Satz 1 BVG sei bei Versorgungsberechtigten, die wie die Klägerin das 65. (gemeint: 55.) Lebensjahr vollendet hätten, der GdS wegen einer Änderung infolge neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht niedriger festzusetzen, wenn er in den letzten zehn Jahren seit der Feststellung nach dem BVG unverändert geblieben sei. Da diese Voraussetzungen vorlägen, komme eine Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BSG habe der Gesetzgeber mit der Regelung des § 62 Abs 3 BVG zu erkennen gegeben, dass ein über 55-jähriger Bezieher von laufenden Versorgungsbezügen gegen einen Eingriff in seinen sozialen Besitzstand, der auf einem langjährig anerkannten, wenngleich unzutreffenden GdS beruhe, weitgehend geschützt sein solle. Dies lasse sich nur erreichen, wenn der Versorgungsberechtigte gegen einen Eingriff in diesen Besitzstand nicht nur wegen einer durch eine Änderung der Verhältnisse rechtswidrig gewordenen, sondern auch wegen einer ursprünglich rechtswidrigen Anerkennung geschützt werde.
Dagegen bleibe es nach der Rechtsprechung des BSG bei sonstigen, nicht die regelmäßigen Anpassungen der Leistungen betreffenden Änderungen der Verhältnisse zu Gunsten des Berechtigten bei der Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X und damit bei einer sogenannten Abschmelzung. Derjenige, dessen MdE gemäß § 48 Abs 3 BVG nicht mehr verändert werden könne, könne sich nur darauf verlassen, dass ihm die Leistungen mit den sich aus der Dynamisierung ergebenden Erhöhungen so verblieben, wie es dem endgültig festgestellten MdE-Grad entspreche. Der Versorgungsberechtigte sei nur gegen die Herabsetzung des MdE-Grades geschützt, nicht aber gegen sonstige, nicht die Dynamisierung betreffende Änderungen der Verhältnisse. Hinsichtlich der Alterszulage greife indes der Schutz des § 62 Abs 3 BVG wie bei der Dynamisierung, denn es handele sich ebenfalls um eine gesetzliche Erhöhung der Versorgungsleistungen, nicht aber um eine Erhöhung wegen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Nach Verzicht auf die Rückforderung rügt er zur Begründung die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des LSG habe das BSG mit seinem Urteil vom 12.12.1995 (SozR 3-3100 § 62 Nr 2) entschieden, dass der besondere Bestandsschutz für über 55-jährige Beschädigte nach § 62 Abs 3 Satz 1 BVG einer Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X nur bei den regelmäßigen Rentenanpassungen (§ 56 BVG) entgegenstehe, und für die Fälle der Leidensverschlimmerung bereits deutlich gemacht, dass darauf die sich auf die regelmäßige Rentenanpassung beschränkende Rechtsprechung nicht auszudehnen sei. Gleiches müsse für die zugrunde liegende Fallkonstellation gelten. Es bestehe keine Veranlassung, die BSG-Rechtsprechung, die sich auf regelmäßige Rentenanpassungen beschränke, auf andere Änderungen der Verhältnisse zu Gunsten des Berechtigten anzuwenden.
Für die Fälle der Leidensverschlimmerung habe die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits judiziert. Nach der Auffassung des Beklagten könne in der Erhöhung nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG keine "Anpassung" der Grundrente, sondern vielmehr eine Erhöhung aufgrund geänderter tatsächlicher Umstände, nämlich der Vollendung des 65. Lebensjahres gesehen werden. Demgegenüber handele es sich bei der Rentenanpassung nach § 56 BVG nicht um eine tatsächliche, sondern um eine rechtliche Änderung, die in der Anpassung der Rente um den gesetzlich festgelegten Anpassungsfaktor liege. Entscheidend sei letztlich, dass der Grundrentenerhöhung nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG eine tatsächliche Änderung außerhalb der Rentenanpassung zugrunde liege. Insofern sei die Erhöhung der Grundrente wegen dieser tatsächlichen Änderung "zugunsten der Berechtigten" durch die Anwendung von § 48 Abs 3 SGB X auszuschließen. Dem stünden Vertrauensgesichtspunkte auch nicht entgegen, denn Berechtigte hätten durch die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X keine Rentenkürzung zu befürchten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an. Ergänzend trägt sie vor, dass der vom Beklagten vertretenen Auffassung das Urteil des BSG vom 28.7.1999 - B 9 V 18/98 R - entgegenstehe.
Mit Schriftsatz vom 25.11.2010 hat der Beklagte erklärt, dass eine Rückforderung der Alterszulage für die Monate April bis Juli 2006 nicht weiter geltend gemacht werde. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet.
Durch das von der Klägerin angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten ist der Rechtsstreit insoweit erledigt (§ 101 Abs 2 SGG), als er die Rückforderung der ohne Verwaltungsakt für die Zeit von April bis Juli 2006 gezahlten Alterszulage betraf (vgl § 50 Abs 2 SGB X). Ihren verbleibenden Anspruch auf Gewährung von Alterszulage für die Zeit ab August 2006 verfolgt die Klägerin mit einer zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wie in der Begründung des insoweit angefochtenen Bescheides vom 25.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, hat der Beklagte damit auch die Alterszulage für die Zeit ab August 2006 versagt. Dementsprechend hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.4.2008 vor dem SG beantragt, den Beklagten unter Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zur Gewährung von Alterszulage zu verurteilen. Soweit die Klägerin ihren Klageantrag in der mündlichen Verhandlung des SG vom 12.2.2009 dahin gefasst hat, dass der Bescheid vom 25.9.2006 bezüglich des Verfügungssatzes Nr 6 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 aufzuheben sei, liegt darin unter Berücksichtigung des erkennbar geltend gemachten Anspruchs (vgl § 123 SGG) keine Einschränkung des Klagegegenstandes. Davon sind auch beide Vorinstanzen ausgegangen. Sie haben in ihren jeweiligen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin Anspruch auf Alterszulage nach § 31 Abs 1 BVG habe.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist die Klage nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 ist in dem noch angefochtenen Umfang rechtlich nicht zu beanstanden.
In formeller Hinsicht bestehen gegen den angefochtenen Bescheid keine Bedenken. Insbesondere ist eine Anhörung nach § 24 SGB X durchgeführt worden. In materieller Hinsicht hat der Beklagte für die Zeit ab August 2006 zutreffend entschieden, dass die Klägerin wegen der gemäß § 48 Abs 3 SGB X durchzuführenden Abschmelzung keinen Anspruch auf Erhöhung ihrer Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG (Alterszulage) hat. Auch bei Versorgungsberechtigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und deren GdS in den letzten zehn Jahren unverändert geblieben ist (§ 62 Abs 3 Satz 1 BVG), ist die Erhöhung der Grundrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 48 Abs 3 SGB X auszusparen, soweit eine rechtswidrige Anerkennung von Schädigungsfolgen nach § 45 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden kann.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 2 BVG. Sie ist als Schwerbeschädigte anerkannt; der ihr zuerkannte GdS beträgt 50 (§ 31 Abs 2 BVG). Sie hat zudem im April 2006 ihr 65. Lebensjahr vollendet, so dass ihr nach der zu § 31 BVG ergangenen allgemeinen Verwaltungsvorschrift die Erhöhung der Grundrente um die Alterszulage vom Geburtsmonat an zu gewähren gewesen wäre. Der damit an sich gegebene Anspruch der Klägerin auf Erhöhung der Grundrente ist indes gemäß § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X ab August 2006 ausgeschlossen.
Nach § 48 Abs 3 SGB X darf die neu festzustellende Leistung für den Fall, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden darf und eine Änderung nach § 48 Abs 1 oder Abs 2 SGB X zu Gunsten des Betroffenen eingetreten ist, nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Die Vorschrift schreibt damit für den Fall, das ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht (mehr) zurückgenommen werden kann und eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen zu Gunsten des Betroffenen eingetreten ist, zwingend ein "Aussparen" der an sich aufgrund der wesentlichen Änderung zu Gunsten des Betroffenen zu gewährenden Erhöhung vor (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 10 RdNr 18). Sie legt eine zwingende Ausnahme von einer an sich nach § 48 Abs 1 oder Abs 2 SGB X gebotenen Umsetzung einer zu Gunsten des Begünstigten eingetretenen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse fest (Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 29). Dieses "Aussparen" der Erhöhung bzw das "Einfrieren" der bisherigen Leistung bzw das "Abschmelzen" des errechneten Erhöhungsbetrages (Steinwedel in KassKomm, Stand Juli 2010, § 48 SGB X RdNr 59, 61) soll einerseits den Vertrauens- oder Bestandsschutz für den Zahlbetrag wahren, andererseits aber auch verhindern, dass "Unrecht weiter wächst" (Steinwedel, aaO, RdNr 59 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG; BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 10 RdNr 19).
Seinem Wortlaut nach ist § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X auf "Leistungen" zugeschnitten, die sich in einem "Betrag" ausdrücken lassen (Steinwedel, aaO, RdNr 64), wird aber auch bei solchen Fehlern des Ursprungsbescheides entsprechend angewendet, welche den Grund einer Leistung erfassen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 48, 51; Steinwedel, aaO; BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 10 mwN). Klassischer Anwendungsfall des § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X ist somit der Fall einer zu Unrecht bewilligten Geldleistung, deren Gewährung nicht zurückgenommen werden kann. Sie wird von zukünftigen Erhöhungen, also etwa der regelmäßigen (jährlichen) gesetzlichen Anpassung der Rente ausgenommen (vgl Schütze, aaO, RdNr 30 mwN).
§ 48 Abs 3 SGB X gilt grundsätzlich auch für die Grundrente nach dem BVG. Allerdings steht gemäß § 37 Satz 1 SGB I die Geltung des Ersten und Zehnten Buches des SGB für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs (für das Soziale Entschädigungsrecht s § 68 Nr 7 SGB I) unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen in den übrigen Büchern. Nach § 37 Satz 2 SGB I sind von diesem Abweichungsvorbehalt nur die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36 SGB I ausgenommen. Als gemäß § 37 Satz 1 SGB I beachtliche Vorschrift, die von § 48 Abs 3 SGB X Abweichendes bestimmt, ist nach der Rechtsprechung des BSG § 62 Abs 3 BVG anzusehen. Nach dessen Satz 1 ist bei Versorgungsberechtigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, der GdS wegen Besserung des schädigungsbedingten Gesundheitszustandes oder einer Änderung der Verordnung nach § 30 Abs 17 BVG infolge neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht niedriger festzusetzen, wenn er in den letzten zehn Jahren seit Feststellung nach diesem Gesetz unverändert geblieben ist. Entsprechendes gilt nach § 62 Abs 3 Satz 2 BVG für die Schwerstbeschädigtenzulage, wenn deren Stufe in den letzten zehn Jahren seit Feststellung unverändert geblieben ist.
§ 62 Abs 3 Satz 1 BVG schließt nach seinem Wortlaut einen Eingriff in bestandskräftig geschützte Rechte nur in den Fällen aus, in denen wegen einer Besserung des Gesundheitszustandes die anerkannte MdE/der anerkannte GdS an sich herabzusetzen wäre. Seit seinem Urteil vom 29.8.1990 (9a/9 RV 32/88 - SozR 3-3100 § 62 Nr 1) wendet das BSG § 62 Abs 3 Satz 1 BVG aber nicht nur gegen einen Eingriff wegen einer rechtswidrig gewordenen, sondern in entsprechender Anwendung auch bei einer von Anfang an rechtswidrigen Anerkennung an (s auch BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 V 26/98 R - SozR 3-3100 § 62 Nr 4). Dies wird aus dem "Rechtsgedanken", also den Sinn und Zweck der Norm hergeleitet (s weiter BSG Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 26/94 - SozR 3-3100 § 62 Nr 2). Hinsichtlich der unrichtigen Beurteilung des Gesundheitszustandes für den Anspruch auf Schwerstbeschädigtenzulage hat das BSG gleichsinnig entschieden (BSG Urteil vom 28.7.1999 - B 9 V 18/98 R - SozR 3-3100 § 62 Nr 3).
Zugleich hat das BSG aus § 62 Abs 3 Satz 1 BVG hergeleitet, dass bei dem in der Vorschrift näher beschriebenen Personenkreis die alljährlichen Anpassungen der Versorgungsrente nach § 56 BVG und den entsprechenden Anpassungsverordnungen nicht der Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X unterliegen (BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 1, 3 und 4). Der Gesetzgeber hat in § 62 Abs 3 BVG zu erkennen gegeben, dass ein über 55-jähriger Bezieher von laufenden Versorgungsbezügen vor einem Eingriff in seinen sozialen Besitzstand weitgehend bewahrt sein soll. Daher ist dieser Personenkreis auch gegen ein (zeitweiliges) Aussetzen der sog Dynamisierung der Leistung geschützt (s insgesamt BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 S 17). Angesichts des mit der Dynamisierung verfolgten Zweckes, Rentenbezieher vor einem durch allgemeinen Kaufkraftschwund eintretenden Wertverlust der Rente zu schützen, sie - sofern vorhanden - an der durch Lohnsteigerungen insgesamt bewirkten Kaufkraftsteigerung zu beteiligen und damit insgesamt den Wert der Rente im gesamtwirtschaftlichen Vergleich zu erhalten, verhindert § 62 Abs 3 Satz 1 BVG, wie er vom BSG verstanden wird, dadurch eine Entwertung der Versorgungsleistung, dass er einer Abschmelzung der jeweiligen Anpassungsbeträge entgegensteht.
Dagegen schließt § 62 Abs 3 Satz 1 BVG nicht die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X auf die Zahlung einer Alterszulage aus. Diese Leistung wird nicht zur Wahrung des sozialen Besitzstandes gewährt. Vielmehr stellt die Zahlung der Alterszulage nicht nur nach dem Wortlaut des § 31 Abs 1 Satz 2 BVG, sondern auch wirtschaftlich eine Erhöhung der Grundrente aus besonderem Anlass dar. § 31 Abs 1 Satz 2 BVG setzt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, nämlich die Vollendung des 65. Lebensjahres, voraus. Diese Änderung trifft bei jedem Leistungsberechtigten individuell und nicht - wie die jährlichen Anpassungen - für alle Leistungsberechtigten gleichzeitig ein. Der Senat sieht es insoweit nicht als gerechtfertigt an, den besonderen Schutz des § 62 Abs 3 BVG auf diese Fallgestaltung zu erstrecken (vgl dazu BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 S 18 f).
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 3 Satz 1 SGB X sind im vorliegenden Falle erfüllt. Dass die in den Bescheiden vom 7.5.1954, 28.6.1973 und 15.8.1995 erfolgten Feststellungen einschließlich der Gewährung der Grundrente nach einer MdE von zunächst 30 vH, später 40 vH und zuletzt über mehr als zehn Jahre 50 vH rechtswidrig waren, steht aufgrund des insoweit bestandskräftigen Bescheides des Beklagten vom 25.9.2006 fest. Ebenso ist aufgrund des Bescheides vom 25.9.2006 zwischen den Beteiligten geklärt, dass diese rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakte nicht mehr zurückgenommen werden können. Durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 2 BVG ist ab April 2006 eine Änderung nach § 48 Abs 1 SGB X zu Gunsten der Klägerin eingetreten.
Nach § 48 Abs 3 SGB X darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Ohne Berücksichtigung der Bestandskraft der ursprünglichen Bewilligungs- bzw Änderungsbescheide stünde der Klägerin keine Grundrente zu. Eine Rentenerhöhung nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG ist daher ausgeschlossen. Zwar darf sich die Abschmelzung nicht rückwirkend auf bereits ergangene Neufeststellungsbescheide und tatsächlich erfolgte Leistungserhöhungen erstrecken (vgl dazu BSGE 63, 266, 269 = SozR 3642 § 9 Nr 3; Schütze, aaO, RdNr 31), der Beklagte war jedoch nicht gehindert, die Alterszulage für die Zeit ab August 2006 zu versagen. Insoweit lag nämlich weder ein Bewilligungsbescheid noch eine Zahlung vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das durch das Teilanerkenntnis des Beklagten bedingte teilweise Obsiegen der Klägerin.
Fundstellen