Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. neue im Ausland ≪USA≫ angewandte Behandlungsmethode ≪hier: interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds bei Prostatakarzinom≫. erstmalige Publizierung relevanter Daten für Abschätzung der Langzeitprognose vor ein bis fünf Jahren vor Behandlungsbeginn. kein Systemmangel wegen Untätigkeit des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. neue Behandlungsmethode. Erlaubnisvorbehalt. Nichtanwendung der Rechtsprechung des BVerfG vom 6.12.2005
Leitsatz (amtlich)
Wurden relevante Daten für die Abschätzung der Langzeitprognose bei einer neuen, in den USA bereits angewandten Behandlungsmethode (hier: interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds bei Prostatakarzinom) erstmals ein bis fünf Jahre vor der Behandlung eines Versicherten publiziert, kann allein aus dem Zeitablauf ein Systemmangel wegen Untätigbleibens des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht hergeleitet werden.
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 1 S. 3, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 Fassung: 2001-06-19, § 27 Abs. 1 S. 1, § 87 Abs. 1, § 135 Abs. 1 S. 1; BUBRL-Ä § 2; EBM-Ä Nr. 7046; GG Art. 2 Abs. 1, 2 S. 1; SGB V § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 2 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine ambulant durchgeführte interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds.
Bei dem 1946 geborenen, bei der beklagten Ersatzkasse versicherten Kläger stellten die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Urologen Dres. N… und D… ein Prostatakarzinom fest (cT1cN0M0, Gleason 6; PSA 4,5; histologisch gesichert, ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen). Diese Ärzte beantragten für den Kläger mit einem ausführlichen Schreiben vom 10. Januar 2002 bei der Beklagten am 17. Januar 2002 die Kostenübernahme für eine “Brachytherapie (permanente Seed-Implantation)”; der Kläger lehne es wegen der hohen Komplikationsraten ab, eine radikale Entfernung seiner Prostata und der Samenblasen vornehmen zu lassen; die begehrte Therapie werde im weiteren Umkreis auf ambulanter Basis nur von diesen Ärzten angeboten. Bei der Methode werden strahlende radioaktive Jod-Teilchen in den Körper eingebracht und verbleiben dort lebenslang, um den Tumor vor Ort zu bestrahlen.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die begehrte Therapie nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sei; der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (seit 1. Januar 2004: Gemeinsamer Bundesausschuss, im Folgenden: Bundesausschuss) habe dazu keine positive Empfehlung abgegeben (Bescheid vom 25. Januar 2002; Widerspruchsbescheid vom 4. April 2002).
Der Kläger hat sich der streitigen Therapie sodann bei seinen Ärzten im Mai 2002 unterzogen (geltend gemachte Gesamtbehandlungskosten vom 10. Januar 2002 bis 14. Juni 2002: 9.064,94 €; Kosten der bereits am 10. Januar 2002 erfolgten Behandlung 183,59 €).
Das gegen die abschlägigen Entscheidungen der Beklagten vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat ua eine Auskunft des Bundesausschusses (vom 20. Juni 2003, mit schriftlicher Auskunft des Bewertungsausschusses vom 16. Oktober 2002) eingeholt und Grundsatzstellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ausgewertet (Ärztinnen Dres. R…-T… und D…-L… vom MDK Berlin-Brandenburg von Dezember 2000; Ärzte Prof. Dr. H… und Dr. T… vom MDK Nordrhein vom 31. Juli 2001 und 23. Juli 2002). Sodann hat es die Klage abgewiesen, weil die permanente Brachytherapie eine neue Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei, deren Nutzen der Bundesausschuss nicht anerkannt habe (Urteil vom 20. Januar 2004).
Im anschließenden Berufungsverfahren hat der Kläger vorgetragen, die gesetzliche Krankenversicherung werde dadurch, dass sie die Therapie nicht gewähre, dem medizinischen Fortschritt nicht gerecht. Dies begründe einen Systemmangel. Die streitbefangene Methode habe sich bei Prostatakarzinomen bewährt und sei seit 1. Januar 2004 im stationären Bereich mit einer DRG-Position abrechenbar. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Krankenkassen-Spitzenverbände am 24. April 2003 beim Bundesausschuss die Überprüfung der interstitiellen Brachytherapie mit Permanent-Seeds bei lokal begrenztem Prostatakarzinom beantragt hätten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat – gemäß § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf das erstinstanzliche Urteil verweisend – die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil ihm ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V nicht zustehe. Es hat ergänzend ausgeführt, dass die Erstattung der für die Behandlung am 10. Januar 2002 angefallenen Kosten bereits daran scheitere, dass sich der Kläger die Leistung besorgt habe, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten. Im Übrigen stehe dem Klageerfolg entgegen, dass die Behandlungsmethode nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sei. Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds sei zum Zeitpunkt der Behandlung im Mai 2002 eine neue Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 SGB V gewesen. Als noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehörig und damit “neu” iS von § 135 Abs 1 SGB V sehe der Bundesausschuss gemäß § 2 Abs 1 der Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-RL, so mW vom 24. März 2004 infolge des Beschlusses des Bundesausschusses vom 1. Dezember 2003 ≪BAnz Nr 57 vom 23. März 2004≫; mW vom 1. April 2006 ersetzt durch “Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung ≪Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung≫ vom 17. Januar 2006 ≪BAnz Nr 48 S 1523≫) auch Behandlungsmethoden an, die zwar im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt würden, deren Indikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren habe. Nr 7046 EBM-Ä, der die interstitielle Brachytherapie vorsehe und mit 2.200 Punkte bewerte, erfasse die beim Kläger angewandte Form der Dauertherapie mit Permanent-Seeds nicht. Auch die behandelnden Ärzte hätten in ihrem Antragsschreiben ausgeführt, dass es sich um eine neue Behandlungsform handele (1996 lediglich 2.000 Behandlungen in den USA). Übereinstimmend hiermit hätten die MDK-Ärzte dargelegt, dass relevante Daten für eine Abschätzung der Langzeitprognose erst 1997 bis 2001 publiziert worden seien, wodurch erstmals die Grundlage für den breiten klinischen Einsatz der Therapie in Deutschland geschaffen worden sei. Der Bewertungsausschuss sei nur von einer begrenzt temporären Therapie ausgegangen, wie sich auch daran zeige, dass die im EBM-Ä vorgesehene Punktzahl die hohen Kosten der Radionuklid-Implantate nicht abdecke und die Kosten von Radionukliden nicht gesondert abgerechnet werden dürften. Hinweise auf die verspätete Einleitung des Anerkennungsverfahrens beim Bundesausschuss seien nicht erkennbar. Der Ausschuss habe im November/Dezember 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, den Nutzen der interstitiellen Brachytherapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom anhand des Standes der medizinischen Wissenschaft zu bewerten (Urteil vom 24. Februar 2005).
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und rügt in erster Linie die Verletzung des § 27 SGB V. Die Beklagte habe die beantragte Leistung iS von § 13 Abs 2 Satz 1 Alt 2 SGB V “zu Unrecht abgelehnt”. Die zur Behandlung seines lebensbedrohenden Prostatakarzinoms gewählte interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds werde schon seit mehr als 14 Jahren durchgeführt. Auch wenn der Bundesausschuss noch nicht verbindlich über die Anwendbarkeit dieser “besonderen Therapierichtung” entschieden habe, seien doch ganz erhebliche Behandlungserfolge eingetreten, wie eine umfangreiche amerikanische Studie belege. Auch er (der Kläger) habe mit dieser Therapie überlebt und könne sein Leben nunmehr beschwerdefrei weiterführen. Dass die Therapie von der Leistungspflicht in Deutschland immer noch ausgeschlossen sei, stelle einen Mangel des gesetzlichen Leistungssystems dar. Aus Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) folge, dass ein Systemversagen nicht auf Verfahrensfehler im engeren Sinne beschränkt sei. Eine Therapie könne auch “verordnungsfähig” sein, wenn sie von einer Vielzahl von Ärzten angewandt werde und sich damit in der praktischen Anwendung durchgesetzt habe. Das LSG sei insoweit verpflichtet gewesen, in Ermittlungen einzutreten, weswegen auch ein Verstoß gegen §§ 103, 106 SGG gerügt werde.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Februar 2005 und des Sozialgerichts Mainz vom 20. Januar 2004 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. Januar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2002 zu verurteilen, ihm 9.064,94 € zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend. Ein lokal begrenztes Prostatakarzinom im Frühstadium löse keine akute Lebensgefahr aus. Ob die Auffassung der behandelnden Ärzte des Klägers zur Vorzugswürdigkeit der von ihnen angebotenen neuen Behandlungsmethode zutreffe, habe der Bundesausschuss erst noch zu überprüfen. Diese Prüfung sei nicht abgeschlossen. Eine willkürliche Verfahrensverzögerung aus sachfremden Erwägungen liege nicht vor.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben einen Anspruch auf Zahlung von 9.064,94 € zutreffend verneint.
Der Kläger hat nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu § 13 Abs 3 SGB V (dazu im Folgenden unter 1.) keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die er für die bei einer Untersuchung im Januar 2002 avisierte und dann im Mai 2002 ambulant durchgeführte interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds aufgewandt hat. Dabei kann dahinstehen, ob angesichts des bereits vor Stellung des Kostenübernahmeantrages erfolgten Arzt-Patienten-Kontakts der gesetzlich vorgesehene Beschaffungsweg für die begehrte Behandlung insgesamt eingehalten wurde (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 28 Nr 6; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 1). Die Beklagte hat die Kostenübernahme für diese Behandlung zutreffend verweigert, weil die begehrte Therapie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht zu den vertragsärztlich erbringbaren Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehörte (dazu unter 2. und 3.). Es fehlt auch an Hinweisen auf ein sog Systemversagen (dazu unter 4.). Schließlich ist ebenfalls aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nichts zu Gunsten des Klägers herzuleiten (dazu unter 5.).
1. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V in der seit 1. Juli 2001 geltenden Fassung von Art 5 Nr 7 Buchst b Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – ≪SGB IX≫ Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046). Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 jeweils RdNr 10 – Visudyne(r); SozR 4-2500 § 27a Nr 1 RdNr 3 – ICSI; zuletzt: Senatsurteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R – extrakorporale Stoßwellentherapie). Letzteres war hier nicht der Fall.
2. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung des bei ihr versicherten Klägers verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Hieran fehlte es im Falle des Klägers, denn Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie im konkreten Fall nach Einschätzung des Versicherten oder seiner behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist bzw wenn einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben (vgl BSGE 76, 194, 198 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 11 – Remedacen(r); BSGE 93, 236, 239 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 RdNr 11). Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V vielmehr nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat (stRspr, vgl BSGE 81, 54, 59 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4; BSGE 86, 54, 56 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 69 – Colon-Hydro-Therapie; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 1 RdNr 7 – Bioresonanztherapie; BSGE 94, 221, 231 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 23 mwN – Aufsichtsmaßnahme zu Leistungen der besonderen Therapierichtungen). Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr legen diese Richtlinien auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (stRspr seit BSGE 81, 73, 75 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 7; BSGE 86, 54, 56 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62 mwN; vgl seit 1. Januar 2004 ausdrücklich § 91 Abs 9 SGB V).
3. Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds ist eine “neue” Behandlungsmethode, für die es zu dem für die Beurteilung der Leistungsansprüche des Klägers maßgeblichen Zeitpunkt an der erforderlichen positiven Empfehlung des Bundesausschusses fehlte.
a) Ärztliche “Behandlungsmethoden” im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 – Jomol; vgl auch BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 mwN; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f). Darum geht es bei der beim Kläger streitigen interstitiellen Brachytherapie mit Permanent-Seeds.
Demgegenüber ist es verfehlt, wenn die Revision insoweit von einer – vermeintlich durch § 2 Abs 1 Satz 2 SGB V privilegierten – “besonderen Therapierichtung” spricht. Darunter ist nur ein umfassendes, zur Behandlung verschiedenster Erkrankungen bestimmtes therapeutisches Konzept zu verstehen, das auf der Grundlage eines von der naturwissenschaftlich geprägten “Schulmedizin” sich abgrenzenden, weltanschaulichen Denkansatzes größere Teile der Ärzteschaft und weite Bevölkerungskreise für sich eingenommen hat (so: BSGE 81, 54, 71 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 82). Zu solchen Therapierichtungen im Rechtssinne gehören zB die homöopathische und anthroposophische Medizin sowie die Phytotherapie (so BSGE 94, 221, 233 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 26). Dazu kann aber nicht auch eine vornehmlich auf bestimmte Krankheiten (hier: Prostatakarzinom im Frühstadium ohne Hinweis auf Metastasierungen) bezogene medizinische Behandlungsform gehören, die sich nur von der klassischen Therapie für diese Krankheit (hier: Prostataresektion) unterscheidet, ohne für sich in Anspruch zu nehmen, im Gegensatz zu den wesentlichen Grundaussagen der Schulmedizin zu stehen.
b) Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds ist als “neue” Behandlungsmethode anzusehen und unterliegt daher dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Behandlungsmethode “neu”, wenn sie (bisher) nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist (BSGE 81, 54, 58 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4; BSGE 81, 73, 75 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 7; BSGE 94, 221, 232 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24 mwN). Zwar wird schon in der am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Neufassung des EBM-Ä unter Nr 7046 die “interstitielle Brachytherapie” als abrechnungsfähige ärztliche Leistung der Strahlentherapie genannt und dort mit 2.200 Punkten bewertet. Gleichwohl kann nicht angenommen werden, dass die beim Kläger angewandte Therapieform von eben dieser Regelung des Bewertungsausschusses der Partner der Bundesmantelverträge (vgl § 87 SGB V) erfasst ist. Wie sich aus § 2 Abs 1 BUB-RL ergibt – dessen inhaltlicher Maßgeblichkeit der Senat nicht in Zweifel zieht –, gelten als “neue” Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht nur Leistungen, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im EBM-Ä enthalten sind, sondern auch solche, die zwar als ärztliche Leistungen im EBM-Ä aufgeführt sind, deren lndikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren hat (dazu bereits BSGE 81, 54, 58 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 mwN). Darum geht es hier. Bestehen Zweifel, ob es sich um eine “neue” Methode im Sinne der vorangehenden Definition handelt, so ist gemäß § 2 Abs 2 BUB-RL eine Stellungnahme des Bewertungsausschusses einzuholen. Die insoweit bereits in erster Instanz durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass der Bewertungsausschuss (Referent Dr. W… ) in einer Auskunft vom 16. Oktober 2002 darauf hingewiesen hat, dass die interstitielle Brachytherapie nach Nr 7046 EBM-Ä nur eine “kurzzeitige” Anwendung von radioaktivem Material im Körpergewebe zum Gegenstand hat, nicht aber auch eine solche, bei der die Stoffe lebenslang im Körper des Patienten verbleiben. Erst nach Schaffung der Nr 7046 EBM-Ä hat sich nach dem Schreiben des Bewertungsausschusses insoweit eine neue, “teilweise rasante Entwicklung” ergeben und sind neue Behandlungsverfahren entwickelt worden, die bewirkten, dass schon die Kosten für die Radionuklide die Vergütung nach der genannten EBM-Ä-Nr exorbitant überstiegen. Hieraus kann nur mit dem LSG gefolgert werden, dass die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds nicht von Nr 7046 EBM-Ä erfasst ist, sondern als “neue”, bei Schaffung der Regelung vom Normgeber noch gar nicht mit in Erwägung gezogene Behandlungsmethode angesehen werden muss. Im Falle des Klägers lässt sich dies daran illustrieren, dass sich aus der EBM-Ä-Bewertung (idealiter, dh ausgehend von einem Punktwert von seinerzeit 10 Pfennig) ein maximales Honorar von 220 DM ergeben hätte, ohne dass die dabei verwendeten Radionuklide gesondert berechnungsfähig gewesen wären (vgl Kap A. I. Allgemeine Bestimmungen, Teil A. 2., Spiegelstrich 5 EBM-Ä); von seinen Ärzten ist dem Kläger dagegen auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte ein Betrag von mehr als 9.000 € für die Gesamtbehandlung in Rechnung gestellt worden.
c) Da mithin für die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds als neue Behandlungsmethode eine befürwortende Entscheidung des Bundesausschusses erforderlich war, bevor sie in der vertragsärztlichen Versorgung auf Kosten der Krankenkassen erbracht werden konnte, diese aber fehlte, kann der Kläger mit seinem Begehren keinen Erfolg haben.
Das Gesetz ordnet in § 135 Abs 1 SGB V an, dass Methoden ohne positive Empfehlung in Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht zu Lasten der Krankenversicherung angewandt werden dürfen. An diese Entscheidungen des Bundesausschusses über den Ausschluss bestimmter Methoden sind Verwaltung und Gerichte im Grundsatz ebenso gebunden, wie wenn die Entscheidung vom Gesetzgeber selbst getroffen worden wäre (vgl BSGE 86, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 1 S 5). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Regelung des Bundesausschusses nicht von der Ermächtigungsgrundlage (§ 135 Abs 1 Satz 1, § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) gedeckt oder die Regelung nicht in dem dafür vorgesehenen Verfahren zu Stande gekommen ist (vgl dazu allgemein zB BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 55 ff; BSGE 82, 41, 46 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 15 ff; BSGE 85, 36, 44 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 45 mwN).
Selbst wenn der Bundesausschuss in der BUB-Richtlinie in der Zeit nach der Behandlung des Klägers neuere medizinische Erkenntnisse umgesetzt und sich für eine Leistungspflicht für ambulant erbrachte interstitielle Brachytherapien mit Permanent-Seeds ausgesprochen hätte (was nicht der Fall ist), wäre dies für den Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung für die bereits im Jahr 2002 erfolgte Behandlung ohne Belang. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung regelmäßig bereits zum Zeitpunkt der Behandlung in dem dafür jeweils vorgesehenen Verfahren zweifelsfrei geklärt sein, ob die erhofften Vorteile einer Therapie die möglicherweise zu befürchtenden Nachteile überwiegen (vgl schon BSGE 81, 54, 58 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f – immunbiologische Therapie; SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 56 f – ASI, jeweils für Festlegungen in den RL des Bundesausschusses; BSGE 93, 236, 243 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 RdNr 19 für eine Pharmakotherapie; zuletzt Senats-Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R – Wobe-Mugos E…, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
d) Dass – wie der Kläger geltend gemacht hat – die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds in der stationären Versorgung zu den von einer Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehören kann, führt ebenfalls nicht schon zur Leistungspflicht für eine entsprechende ambulant oder belegärztlich (durch Vertragsärzte) vorgenommene Therapie. Der Kläger hat insoweit im Berufungsverfahren ohnehin nur geltend gemacht, die Methode sei seit 1. Januar 2004 im stationären Bereich mit einer dafür vorgesehenen DRG-Position abrechenbar; seine eigene Behandlung erfolgte dagegen bereits im Jahre 2002, als dies noch der Fall war.
Das Vorbringen verkennt darüber hinaus die grundsätzlichen rechtlichen Unterschiede einer Leistungserbringung im ambulanten und stationären Bereich: Während nämlich für den Bereich der ambulanten Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden gemäß § 135 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, ist die rechtliche Konstruktion für den stationären Bereich durch § 137c SGB V (hier noch anzuwenden in der bis 31. Dezember 2003 geltenden, durch das GKV-Modernisierungs-Gesetz vom 14. November 2003 ≪BGBl I 2190≫ iVm den Neuregelungen des § 91 SGB V abgelösten Fassung) so ausgestaltet, dass neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer Krankenhausbehandlung umgekehrt keiner besonderen Zulassung bedürfen und nur dann ausgeschlossen sind, wenn der Ausschuss Krankenhaus des Bundesausschusses dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hatte (vgl BSGE 90, 289, 294 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 13 – Magenband). Der vom Senat schon in der Vergangenheit nicht beanstandete sachliche Grund für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung liegt darin begründet, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer eingestuft hat als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte (BSG, ebenda). Mit Blick darauf sind nach § 137c Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (idF des GKV-Gesundheits-Reformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999 ≪BGBl I 2626≫) klinische Studien zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden unter Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenversicherung allein im Krankenhaus vorgesehen (vgl dazu auch BSGE 93, 137, 141 f = SozR 4-2500 § 137c Nr 2 RdNr 11 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drucks 14/1245 S 90; vgl ansonsten §§ 63 bis 65 SGB V zu Modellvorhaben).
Da der Kläger von Anfang an auf bestimmte Leistungserbringer und eine bestimmte Art und Weise der Leistungserbringung festgelegt war (wie sich aus der Form seiner Antragstellung durch ein ausführliches Schreiben seiner behandelnden Ärzte und seinem Vorbringen ergibt), besteht auch kein Anhalt für die Annahme, dass die Beklagte ihn hätte darauf hinweisen müssen, ob und inwieweit die begehrte Behandlung in stationärer Form in einem Vertragskrankenhaus erlangt werden konnte (zu einem derartigen Fall vgl aber Urteil des Senats vom 4. April 2006 – B 1 KR 5/05 R – Uterus-Arterien-Embolisation, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
4. Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers ergibt sich ebenfalls nicht über die Grundsätze des so genannten Systemversagens.
a) Ungeachtet des in § 135 Abs 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Senats eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (“Systemversagen”). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl BSGE 81, 54, 65 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 70 – Colon-Hydro-Therapie). Ein derartiger Systemmangel liegt vor, wenn das Verfahren vor dem Bundesausschuss von den antragsberechtigten Stellen bzw dem Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. In einem solchen Fall kann die BUB-RL einer den Anforderungen des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V genügenden Krankenbehandlung widersprechen. Letztere erfordert, dass Qualität und Wirksamkeit der streitbefangenen Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, die sich in zuverlässigen wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen niedergeschlagen haben müssen (stRspr seit BSGE 76, 194, 199 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 – Remedacen(r); BSGE 81, 54, 66 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSGE 94, 221, 232 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 23); für den Fall rechtswidriger Untätigkeit sind Lockerungen hinsichtlich dieses Wirksamkeitsnachweises in dem Sinne anerkannt worden, dass für den dann in Betracht kommenden Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V die bloße Verbreitung einer Methode ausreichen kann (vgl BSGE 81, 54, 68 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSGE 94, 221, 232 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 23 mwN). Zur Feststellung einer durch Untätigkeit hervorgerufenen Versorgungslücke sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Eine in den Grenzen der Rechtsetzungsbefugnisse des Bundesausschusses getroffene Entscheidung, mit der er eine neue Methode von der Anwendung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen hat, unterliegt ansonsten nach der bisherigen – künftig möglicherweise fortzuentwickelnden – Rechtsprechung des Senats grundsätzlich keiner inhaltlichen Überprüfung durch Verwaltung und Gerichte (vgl zum Ganzen zB: BSGE 81, 73, 85 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7; BSGE 86, 54, 61 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 69; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 1 RdNr 7; BSGE 94, 221, 232 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 23 mwN).
b) Mit seinem Vorbringen zum Vorliegen eines Systemversagens kann der Kläger nicht durchdringen. Er meint sinngemäß, ein solches liege vor, weil der Bundesausschuss in Deutschland nicht rechtzeitig (dh bis zur Behandlung im Jahre 2002) Erkenntnisse umgesetzt gehabt habe, welche insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu einer standardmäßigen Anwendung der interstitiellen Brachytherapie mit Permanent-Seeds geführt hätten. Der Senat hat indessen schon mit seinem Urteil vom 27. September 2005 (B 1 KR 28/03 R – extrakorporale Stoßwellentherapie) darauf hingewiesen, dass der bloße Umstand, dass in einem Staat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach dessen nationalem Recht die Leistungserbringung in Bezug auf eine bestimmte Behandlungsmethode anders gehandhabt wurde als dies in Deutschland der Fall war, nicht zugleich auch die Annahme rechtfertigt, dem Bundesausschuss sei deshalb eine zeitliche Verzögerung bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse anzulasten, aus der Versicherte dann Leistungsansprüche gegen ihre Krankenkasse herleiten können. Ähnliches muss gelten, wenn es – wie hier – darum geht, dass der Bundesausschuss noch keine Empfehlung abgegeben hatte, obwohl eine bestimmte medizinische Entwicklung im Ausland anscheinend einen anderen Verlauf genommen hatte und das Leistungsrecht dort in Bezug auf die versicherungsmäßige Absicherung des Krankheitsrisikos von anderen Prinzipien beherrscht ist als in Deutschland. Denn selbst bei einer im EU/EWR-Ausland erfolgenden Behandlung deutscher Versicherter (§ 18 SGB V) werden die zentralen Grundsätze des deutschen Krankenversicherungsrechts nicht außer Kraft gesetzt: Eine im EU/EWR-Inland nicht verfügbare Auslandsbehandlung auf Kosten der Krankenkassen scheidet zB aus, wenn in Deutschland und in diesen Vertragsstaaten gleich oder ähnlich wirksame und damit zumutbare Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen (vgl BSGE 92, 164, 166 f = SozR 4-2500 § 18 Nr 2 RdNr 9, 12 mwN; BSGE 84, 90, 92 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 14 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 27; zuletzt Senatsurteil vom 13. Dezember 2005 – B 1 KR 21/04 R – Kozijavkin III, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Maßstab für die Leistungspflicht nach dem SGB V besteht nämlich nicht in der Gewährleistung von “Spitzenmedizin um jeden Preis” bis an ihre medizinisch-technischen Grenzen, sondern hat sich stets an den zentralen Prinzipien der §§ 2, 12 SGB V zu orientieren. Das bedeutet, dass jeweils zu beachten und sicherzustellen ist, dass nur solche Leistungen von den Krankenkassen gewährt werden, die wirtschaftlich sind und insbesondere dem “allgemein” anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (vgl erneut BSGE 92, 164, 167 = SozR 4-2500 § 18 Nr 2 RdNr 12, 13). In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber dem Bundesausschuss eine besondere steuernde Funktion zugemessen; seit 1. Januar 2004 hat in diesem Bereich das nach § 139a SGB V gegründete, fachlich unabhängige IQWiG eine ergänzende und unterstützende Rolle.
Der Bundesausschuss hat nicht selbst über den medizinischen Nutzen einer bestimmten Methode zu urteilen. Seine Aufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der in Rede stehenden Behandlungsweise besteht (BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 1 S 3 f; BSGE 76, 194, 199 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 12 zum Erfordernis des Wirksamkeitsnachweises; BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 18 und SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71 f jeweils zum Begriff des “allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse”; Senats-Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R). Die BUB-RL und die dazu ergangene Verfahrensordnung tragen dieser Aufgabenstellung grundsätzlich Rechnung, indem sie im Einzelnen regeln, welche Unterlagen für die Überprüfung heranzuziehen sind, nach welchen Kriterien die Bewertung zu erfolgen hat und welche Voraussetzungen für eine Anerkennung der Methode erfüllt sein müssen. Das LSG hat das Vorhandensein hinreichender Anhaltspunkte dafür verneint, dass der Bundesausschuss schon zum Zeitpunkt der Behandlung des Klägers im Jahre 2002 eine positive Anerkennung der interstitiellen Brachytherapie mit Permanent-Seeds für die Behandlung des nicht metastasierenden Prostatakarzinom hätte ausgesprochen haben müssen. Dieses ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Als der Kläger im Januar 2002 die Kostenübernahme für die streitbefangene Therapie beantragte, lag dem Bundesausschuss ein Prüfantrag der antragsberechtigten, in der BUB-RL genannten Stellen (Kassenärztliche Bundesvereinigung, eine Kassenärztliche Vereinigung oder ein Spitzenverband der Krankenkassen) noch nicht vor. Bei der entscheidungserheblichen Prüfung, ob eine bestimmte Behandlungsmethode zu einem bestimmten Zeitpunkt dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach und dem Bundesausschuss bzw den antragsberechtigten Beteiligten hätte Veranlassung für die Einleitung eines Prüfverfahrens geben müssen, geht es um die Feststellung genereller Tatsachen, für die die Beschränkung des § 163 SGG nicht gilt. Diese Frage stellt sich nämlich in allen Fällen, in denen über die Leistungspflicht der Krankenkassen zu entscheiden ist und kann nicht von Fall zu Fall und von Gericht zu Gericht unterschiedlich beantwortet werden. Es ist daher Aufgabe der Revisionsinstanz, auch in einer solchen Konstellation durch Ermittlung und Feststellung der allgemeinen Tatsachen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherzustellen und so die Rechtseinheit zu wahren (BSGE 84, 90, 94, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 16 f, 19; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f mwN; Beschluss des Senats vom 7. Oktober 2005 – B 1 KR 107/04 B = SozR 4-1500 § 160a Nr 9: Urteil des Senats vom 13. Dezember 2005 – B 1 KR 21/04 R – Kozijavkin III, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Wie der Senat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2005 (aaO) ausgeführt hat, muss eine Tatsachenfeststellung insoweit auf möglichst breiter Grundlage erfolgen. Das LSG hat sich dazu im Wesentlichen auf ausführliche, schon in erster Instanz ausgewertete MDK-Gutachten gestützt, ohne dass gegen die daraus gewonnenen Erkenntnisse zulässige Revisionsrügen erhoben worden sind.
So haben das SG und – ihm folgend und auf dessen Urteil gemäß § 153 Abs 2 SGG verweisend – das LSG den Ausführungen der MDK-Ärztinnen Dres. R… -T… und D… -L… von Dezember 2000 und der MDK-Ärzte Prof. Dr. H… und Dr. T… vom 31. Juli 2001 und 23. Juli 2002 entnommen, dass relevante Daten für eine Abschätzung der Langzeitprognose bei der interstitiellen Brachytherapie mit Permanent-Seeds überhaupt erst 1997 bis 2001 publiziert worden sind und dass erst dadurch die Grundlage für den breiten klinischen Einsatz der Brachytherapie des Prostatakarzinoms in Deutschland geschaffen wurde. Das erstgenannte 100-seitige Gutachten von Dezember 2000 ist zu dieser Einschätzung auf Grund verschiedener Literaturrecherchen gelangt (108 Dokumente einschließlich mit Hilfe von medizinischen Datenbanken ermittelter internationaler Veröffentlichungen) und hat zusätzlich die Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften in Bezug auf die Behandlungsergebnisse unter Einschluss von Überlebenszeiten und Nebenwirkungen ausgewertet; es gelangt zusammenfassend ua dazu, dass für die interstitielle Brachytherapie zum 10-Jahres-Überleben ohne Fortschreiten der Erkrankung nur Ergebnisse eines einzigen Behandlungszentrums mit geringer Patientenzahl vorlagen, wobei selbst diese Ergebnisse (= rezidivfreie Überlebensrate 60 %) unter denjenigen bei der standardmäßigen radikalen Prostatektomie (70-90%) lagen. Die Gutachterinnen haben deshalb dieses neue radiotherapeutische Verfahren bis zum Vorliegen von Langzeitdaten als “Methode der zweiten Wahl” eingeschätzt, aber gleichwohl die Einleitung eines Anerkennungsverfahrens beim Bundesausschuss vorgeschlagen.
Dieses Ergebnis der Gutachterinnen wird im Kern durch die MDK-Ärzte Prof. Dr. H… und Dr. T… in ihren Stellungnahmen vom 31. Juli 2001 und 23. Juli 2002 bestätigt. Sie weisen auf die Überlegenheit der permanenten interstitiellen Brachytherapie in bestimmten Bereichen hin, aber auch auf eine noch unklare Studienlage im Vergleich der verschiedenen Behandlungsmethoden, und gehen nur von tendenziell vergleichbaren Langzeitergebnissen aus (unter 1.5. des Gutachtens vom 31. Juli 2001). In einer MDK-Arbeitsgruppe Onkologie haben sie sodann im März 2002 erneut sämtliche einschlägigen neuen Publikationen durchgesehen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Lebensqualität bei einer externen Bestrahlung sogar eher besser sei. In der Stellungnahme vom 23. Juli 2002 heißt es, es gebe auf Grund der zur Zeit verfügbaren Daten keine Grundlage mehr für die Annahme, dass Patienten mit Prostatakarzinom von der Behandlung mittels permanenter Seeds-Implantation im Vergleich zu den verfügbaren Behandlungsmethoden profitieren könnten.
Wenn vor diesem, gerade nicht für die im hiesigen Rechtsstreit streitige Behandlungsmethode sprechenden Hintergrund gleichwohl ein Anerkennungsverfahren beim Bundesausschuss im April 2003 eingeleitet wurde, sind Hinweise auf eine damit verbundene Verzögerung der Verfahrenseinleitung bzw auf eine Blockade des Verfahrens in der davor liegenden Zeit nicht erkennbar. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat mit Beschluss vom 2. September 2003 das Beratungsthema “Permanente interstitielle Brachytherapie mit der Implantation zugelassener Isotope bei lokal begrenztem Prostatakarzinom” als “prioritäres Thema” eingestuft und der Fachöffentlichkeit dazu zunächst Gelegenheit zur Äußerung gegeben (vgl DÄBl 2003, A-2750). Mit Auftrag vom 21. Dezember 2004 – Auftrags-Nr N04/02 hat der Gemeinsame Bundesausschuss schließlich das IQWiG damit beauftragt, insoweit den Nutzen und die medizinische Notwendigkeit der Therapie zu bewerten. Dass insoweit abschließende Ergebnisse selbst bis heute noch nicht vorliegen, muss angesichts der erforderlichen umfangreichen Recherchen und der in sorgfältiger Weise vorzunehmenden Bewertungen hingenommen werden.
Dass die von den MDK-Gutachtern gewonnene Einschätzung nicht zu beanstanden war, wird mittelbar auch durch weitere Umstände bestärkt. So hatten die Vorstände der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 26. April 2002 eine Gemeinsame HTA-Arbeitsgruppe mit der Evaluation des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Nutzen der permanenten interstitiellen Brachytherapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom beauftragt (DÄBl 2002, A-1463). Wenn die Ergebnisse dieser aus mehreren Autoren bestehenden Arbeitsgruppe erst nach mehr als 3 1/2 Jahren in einem 415 Seiten umfassenden Gutachten vom 29. Oktober 2005 veröffentlicht werden konnten (vg www.bundesaerztekammer. de/30/HTA/70b.pdf, im Internet recherchiert am 2. März 2006), macht dies den in etwa nötigen zeitlichen Aufwand deutlich, der mit einem derartigen und großen wissenschaftlichen Projekt verbunden sein kann. Auch die genannte, auch von der Klägervertretung in der Revisionsverhandlung erwähnte Arbeit stützt sich im Übrigen auf eine umfassende Literaturrecherche der Jahre 2001 bis Mitte 2004, ohne dass ihr eindeutige Ergebnisse im Sinne einer – auch in einer entsprechenden Verbreitung zum Ausdruck kommenden – Präferenz für die streitige Therapie zu entnehmen sind. So konnten im Rahmen dieser Untersuchung keine definitiv beweiskräftigen Evaluationsstudien zum therapeutischen Nutzen der streitigen Methode im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren ermittelt werden (S 167 ff, 174); in Bezug auf die Nebenwirkungen wurden ua mögliche Vorteile der Therapie beim Erhalt der männlichen Potenz und der Urinkontinenz zB möglichen Nachteilen hinsichtlich rektaler Nebenwirkungen und einer urethrealen Retention gegenübergestellt (S 176); rein evidenzbasiert sei von einem Vorrang der Prostatektomie auszugehen (S 179); um den therapeutischen Nutzen noch besser beurteilen zu können, wurden weitere Studien über eine Nachbeobachtungsdauer von zehn und mehr Jahren hinweg für erforderlich gehalten (S 180). Die in diesen Ausführungen selbst noch im Jahre 2005 zum Ausdruck kommende Zurückhaltung gegenüber der interstitiellen Brachytherapie mit Permanent-Seeds unterstreicht jedenfalls im Ergebnis die Auffassung der Vorinstanzen, dass von einem schon 2002 bestehenden Systemversagen mit Blick auf eine Nichtbefassung des Bundesausschusses nicht ausgegangen werden kann. Dies deckt sich im Übrigen mit Stellungnahmen und Äußerungen, die zu der Therapie seit 2000 in der deutschen medizinischen Fachpresse veröffentlicht worden sind. So wurde die Therapie zB in einer als “Bestandsaufnahme” charakterisierten Veröffentlichung im April 2000 zurückhaltend in der Weise beurteilt, dass ua wegen unklarer wissenschaftlicher Studienlage der unkontrollierte Einsatz unterbleiben sollte (so Hinkelbein, ua, DÄBl 2000, A-920, 926; dazu Pflumm, DÄBl 2000, A-2248 f und Schlusswort Hinkelbein, DÄBl 2000, A-2249; vgl auch Sass, DÄBl 2002, A-1071; Stuschke, ua, DÄBl 2004, A-2690).
5. Zu Gunsten des Klägers folgt schließlich auch nichts aus dem Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 (NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164). Das BVerfG hat darin eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass aus dem Grundgesetz keine konkreten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche hergeleitet werden können, nur für lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen gemacht, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Um eine derartige Konstellation ging es bei dem Kläger im Jahr 2002 jedoch nicht. Wie seine behandelnden Ärzte seinerzeit gegenüber der Beklagten mitgeteilt hatten, bestand bei ihm lediglich ein Prostatakarzinom im Anfangsstadium ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen. Darüber hinaus existierte für die Behandlung dieses Leidens mit der Prostatektomie eine (vom Kläger nicht gewünschte) medizinische Standardtherapie, von der – wie die weiteren Ermittlungen im Verfahren ergeben haben – selbst bis heute nicht hinreichend klar ist, dass sie der begehrten Therapie unterlegen ist.
6. Dem Hilfsantrag des Klägers auf Zurückverweisung der Sache an das LSG konnte ebenfalls nicht entsprochen werden. Soweit die Revision geltend macht, dass eine Therapie auch dann der Leistungspflicht der Krankenkassen unterliegen könne, wenn sie von einer Vielzahl von Ärzten angewandt werde und sich damit in der praktischen Anwendung durchgesetzt habe, und dass das LSG dazu habe Ermittlungen anstellen müssen, bleibt unbeachtet, dass der Senat dies nur für Ausnahmesituationen angenommen hat. Er hat das Kriterium der Verbreitung für die Fälle herangezogen, dass eine Krankheit im Streit ist, bei der sich die Wirksamkeit einer bestimmten Behandlung nur begrenzt objektivieren lässt, oder dass eine rechtswidrige Untätigkeit des Bundesausschusses bejaht bzw unterstellt werden musste (vgl BSGE 81, 54, 68 f und Leitsatz 2 Satz 2 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSGE 94, 221, 232 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 23). Ein solcher bzw vergleichbarer Sachverhalt liegt hier – wie sich aus den Ausführungen unter 4. ergibt – indessen nicht vor.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen