Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. betriebliche Voraussetzung. Projektionsbetrieb. GmbH. Neueinbeziehungsverbot. Analogieverbot
Leitsatz (amtlich)
- Ein in der DDR in der Rechtsform einer GmbH geführter Betrieb kann die betriebliche Voraussetzung iS des Rechts der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllt haben, sofern es sich dem Betriebszweck nach um einen der im Versorgungsrecht abschließend benannten Betriebe gehandelt hat, die den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens gleichgestellt wurden.
- Die im Versorgungsrecht nicht benannten Projektierungsbüros waren in der DDR nicht identisch mit den ausdrücklich gleichgestellten Konstruktionsbüros. Einer Einbeziehung von Projektierungsbüros durch eine den Text des Versorgungsrechts erweiternde Auslegung steht das aus dem Neueinbeziehungsverbot des Einigungsvertrages folgende Analogieverbot entgegen.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 5, 8; AAÜG Anl 1 Nr. 1; RAnglG; EinigVtr Art. 17; EinigVtr Anlage II Kap VIII F III Nr. 8; EinigVtr Anlage II Kap VIII F; EinigVtr Anlage II Kap VIII H; ZAVtIV § 1; ZAVtIVDBest 2 § 1 Abs. 1-2; ProjektierungsV; BeschGlRLAnO; GG Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 2005 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers als Zeiten der fiktiven Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.
Dem Kläger war in der DDR im Oktober 1979 der akademische Grad eines Diplom-Ingenieurs verliehen worden. Ab 1. September 1979 arbeitete er als Projekt-Ingenieur im VEB G… …. Die Rechtsfähigkeit des VEB erlosch zum 12. Juni 1990. Der Kläger war anschließend bei dessen Rechtsnachfolgerin, der G… GmbH, beschäftigt. Er war in der DDR in kein Versorgungssystem einbezogen worden.
Den Antrag des Klägers, seine Beschäftigungszeiten bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 22. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2004). Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 12. Mai 2005 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Januar 2006). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen einer fingierten Versorgungsanwartschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Am maßgeblichen Stichtag, dem 30. Juni 1990, sei er nicht in einem volkseigenen Betrieb der Industrie oder des Bauwesens, sondern in einer GmbH beschäftigt gewesen. Bei seinem Beschäftigungsbetrieb habe es sich auch nicht um ein versorgungsrechtlich gleichgestelltes Konstruktions-, sondern Projektierungsbüro gehandelt, das sich sowohl nach dem Sprach- als auch Rechtsverständnis der DDR von einem Konstruktionsbüro unterschieden habe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 Abs 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) iVm § 1 Abs 2 der “Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben” (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl der DDR Nr 62 S 487). Er trägt vor, der VEB G… sei zunächst ein Kombinatsbetrieb des “VEB K… …” und ab 1987 des “VEB T… …” gewesen. Das Kombinat habe zum Bereich des Ministers für Glas- und Keramikindustrie gehört. Aus der Zuordnung zu diesem Ministerium folge, dass es sich um einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Sinne der Vorschriften der AVItech gehandelt habe. Selbst wenn man den VEB auf Grund der Tätigkeit im Konstruktionsbereich nicht als “klassischen” Produktionsbetrieb ansehe, handele es sich um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne eines Konstruktionsbüros. Rechtlich unerheblich sei, dass der VEB am 12. Juni 1990 in eine GmbH umgewandelt worden sei. Die entgegenstehende Rechtsprechung des BSG verkenne die Rechtsentwicklung in der DDR im Jahre 1990 bis zum 30. Juni 1990.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 2005 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Januar 2006 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 30. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 22. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003 zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 1. September 1979 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht nicht.
Der Kläger verfolgt sein Begehren, die geltend gemachten Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Verdienste festzustellen, zulässig in einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 SGG). Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 22. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003 ist rechtmäßig, weil der Kläger nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG fällt.
1. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger die beiden ausdrücklich in § 1 Abs 1 AAÜG genannten Tatbestände nicht erfüllt; er war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 weder Inhaber einer Versorgungsberechtigung (Satz 1 aaO) noch war er in der DDR vor dem 1. Juli 1990 (= Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in ein Versorgungssystem einbezogen und vor diesem Zeitpunkt rechtmäßig ausgeschieden (Satz 2 aaO).
2. Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich gemäß der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG trotz der Weitergeltung des verfassungsgemäßen Neueinbeziehungsverbots des Einigungsvertrags (EinigVtr) aus dieser Norm herleitet.
Bei Personen, die am 1. Juli 1990 in kein Versorgungssystem einbezogen waren und nachfolgend auch nicht auf Grund originären Bundesrechts (zB Art 17 EinigVtr) einbezogen wurden, ist zu prüfen, ob sie am 1. August 1991 nach dem an diesem Tag geltenden Bundesrecht auf Grund der bei Schließung der Zusatzversorgungssysteme (30. Juni 1990) gegebenen tatsächlichen Umstände einen fiktiven bundesrechtlichen “Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage” erlangt haben (hierzu stellvertretend: BSG, Urteile vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 8).
Der umschriebene fiktive bundesrechtliche Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs 1 der 2. DB, soweit diese am 3. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind, von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab (hierzu stellvertretend: Urteile des BSG vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 6). Das Feststellungsbegehren des Klägers musste die Beklagte schon deshalb ablehnen, weil der Betrieb, in dem er am 30. Juni 1990 beschäftigt war, nicht die betrieblichen Voraussetzungen im Sinne des Versorgungsrechts erfüllte.
Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB rechtlich erfüllt ist, bestimmt sich – wie das LSG richtig gesehen hat – danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (Urteil des BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 20/03 R, SozR 4-8570 § 5 Nr 3). Abzustellen ist hierbei nach ständiger Rechtsprechung des BSG gemäß den Vorgaben des EinigVtr auf die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990 (vgl ua: BSG, Urteile vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 8). In den genannten höchstrichterlichen Entscheidungen ist zugleich darauf hingewiesen worden, dass der Bundesgesetzgeber an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit ua zu Grunde legen durfte, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der AVItech einbezogen werden durfte, der am 30. Juni 1990 (Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie und des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art 3 Abs 1 und 3 Grundgesetz (GG) gebietet nicht, von jenen zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie von den historischen Fakten, aus denen sich etwa Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie “rückwirkend” zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen.
Eine solche nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 in Kraft gewesenen abstrakt-generellen Regelungen ist daher auch insoweit unzulässig, als sie damals willkürlich waren. Mit Blick auf die Neueinbeziehungsverbote in dem zu Bundesrecht gewordenen Rentenangleichungsgesetz der DDR (vgl Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8 zum EinigVtr) und im EinigVtr (vgl Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2 zum EinigVtr) ist eine erweiternde Auslegung über die in § 1 Abs 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus nicht erlaubt (Art 20 Abs 3 GG), sodass ein Analogieverbot besteht. Diese verfassungsrechtliche Wertung des BSG hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt (Beschluss vom 4. August 2004, 1 BvR 1557/01, SozR 4-8570 § 5 Nr 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04, SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 38 ff).
a) Der Kläger war am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens iS des § 1 Abs 1 der 2. DB beschäftigt.
Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG, die für das BSG bindend sind (§ 163 SGG), hat der Senat davon auszugehen, dass der VEB G… am 12. Juni 1990 in eine GmbH umgewandelt wurde und der Kläger nunmehr, und zwar auch am maßgeblichen Stichtag, in einer GmbH beschäftigt war. Diese Feststellungen hat der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, sondern sie vielmehr ausdrücklich bestätigt.
Ein in Rechtsform der GmbH geführtes Unternehmen unterliegt gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht dem Anwendungsbereich des zu Bundesrecht gewordenen § 1 Abs 1 der 2. DB und damit der AVItech, weil es sich schon nicht um einen volkseigenen Betrieb handelte (Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 3/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 7; Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 4/04 R, SozR 4-8570 § 1 Nr 4; Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 12/04 R). Die Verfassungsbeschwerde, mit der sich manche Kläger gegen diese Rechtsprechung gewandt hatten, hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04, SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 38 ff). Der Kläger hat keine neuen, vom BSG noch nicht erwogenen Aspekte vorgetragen, die Anlass zu einer Änderung dieser Rechtsprechung geben könnten. Im Übrigen verkennt er ua, dass die Projektierung, auch in der von ihm beschriebenen Form, keine industrielle Waren- oder Bauwerksproduktion iS des § 1 Abs 1 der 2. DB war.
b) Die GmbH war allein auf Grund ihrer Rechtsform kein gleichgestellter Betrieb iS des § 1 Abs 2 der 2. DB.
Diese Norm listet die Betriebe und Einrichtungen der DDR auf, die den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens versorgungsrechtlich gleichgestellt wurden. Die GmbH als solche wird nicht als gleichgestellter Betrieb genannt.
c) Die GmbH, die am 30. Juni 1990 Arbeitgeberin des Klägers war, war auch nicht nach ihrem Unternehmens- und Betriebszweck ein gleichgestellter Betrieb. Sie war entgegen dem Vorbringen des Klägers kein Konstruktionsbüro, das als gleichgestellter Betrieb in § 1 Abs 2 der 2. DB benannt wird; eine andere der dort genannten Betriebsarten kommt für sie ohnehin nicht in Betracht.
Um das Analogieverbot (dazu oben) nicht zu unterlaufen, hat sich eine Auslegung der abstrakt-generellen Regelungen des Versorgungsrechts strikt am Wortlaut zu orientieren. Da das Recht der Versorgungssysteme auf Lebenssachverhalte abstellte, die in der DDR verwirklicht worden waren, bestimmt sich das Verständnis dort verwandter Ausdrücke rechtlich nach dem staatlichen Sprachverständnis am Ende der DDR (2. Oktober 1990), faktisch jedoch im Regelfall nach demjenigen, das bei Schließung der Systeme am 30. Juni 1990 in staatlichen Regelungen verlautbart war (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 ≪S 13≫, Nr 6 ≪S 40≫, Nr 7 ≪S 59≫, Nr 8 ≪S 74≫ und SozR 4-8570 § 1 Nr 6).
Da § 1 Abs 2 der 2. DB nur auf “Konstruktionsbüros” abstellt, nicht aber darauf, in welcher Rechtsform sie betrieben wurden, schließt der Wortlaut nicht aus, dass auch ein in der Rechtsform einer GmbH geführter Betrieb ein gleichgestellter Betrieb sein könnte. Entgegen dem “obiter dictum” des LSG kann der nach § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellte Betrieb daher durchaus in der Rechtsform einer GmbH betrieben worden sein. Die vom LSG durchgeführte “ideologische Reduktion” findet in den zu Bundesrecht gewordenen Versorgungsregelungen keine Stütze. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG war der Kläger jedoch am 30. Juni 1990 nicht in einem Konstruktionsbüro beschäftigt.
Das LSG hat unter Zugrundelegung der generellen Tatsachen zutreffend festgestellt, dass nach dem Sprachverständnis der DDR zwischen Projektierung und Konstruktion und demzufolge zwischen Konstruktions- und Projektierungsbüros unterschieden wurde. Ferner ist es unter Beachtung der allgemeinen Differenzierungskriterien und Würdigung der auf den vorliegenden Einzelfall bezogenen Tatsachen zu der für den Senat bindenden Feststellung gelangt, dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers kein Konstruktions-, sondern ein Projektierungsbüro war.
aa) Nach dem Sprachverständnis der DDR wurde (seit 1949 und damit auch noch) am Stichtag des 30. Juni 1990 entsprechend den unterschiedlichen Aufgabenbereichen zwischen Konstruktions- und Projektierungsbüros unterschieden.
Einer der Ausgangspunkte für die Feststellung des am 30. Juni 1990 maßgeblichen Sprachverständnisses der DDR ist der – kurz vor Gründung der DDR ergangene – “Beschluss über die Errichtung eines technischen Projektierungs- und Konstruktionsbüros der Energiewirtschaft” vom 29. Juni 1949 (ZVOBl 1949 Teil I Nr 59 ≪S 1≫). Danach wurde für die Aufgabenbereiche der Projektierung und Konstruktion zwar nur ein Büro errichtet, dennoch deutlich zwischen den beiden Funktionen unterschieden. Die Projektierungsaufgabe bestand darin, in allen Kraftanlagen alle Teile, Anlagenteile und Anlagen zu “bearbeiten”, also die “Projektierung der Verteilung, der Erweiterungen und der Neuanlagen einschließlich der Verbesserungsvorschläge” vorzunehmen, dagegen betraf die Konstruktion “die Herstellung und den Betrieb der Teile, Anlagenteile und Anlagen”. Schon diese Ausführungen verdeutlichten, dass Konstruktionsarbeiten Fragen der technischen Herstellung (Produktion) von Einzelteilen oder auch ganzer Anlagen und ihres betrieblichen Einsatzes (bzw Einsetzbarkeit) zu beantworten hatten; Projektierung befasste sich dagegen nicht mit der Lösung derartiger Probleme, sondern setzte sie voraus, um ein technisches (Gesamt-)Konzept zu erstellen, das die optimale Realisierung des Unternehmenszweckes gewährleistete; dies zeigt die Formulierung “Projektierung der Verteilungen, der Erweiterungen und der Neuanlagen” in jenem Beschluss.
Diese im Vergleich zur Konstruktion ”übergeordnete Funktion” der Projektierung spiegelt sich auch in der Begriffsbestimmung der Projektierungsleistung in der “Verordnung über das Projektierungswesen – Projektierungsverordnung –” vom 20. November 1964 (GBl der DDR Teil II Nr 115 ≪S 909≫) wider. Danach gehörten zu den Projektierungsleistungen ua die Ausarbeitung von Aufgabenstellungen, von Projekten, Teilprojekten und Projektteilen, die Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen, die Ausarbeitung von Studien und Variantenuntersuchungen. Entscheidend ist, dass auch die “Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens” vom 10. Dezember 1974 (GBl der DDR 1975 Teil I Nr 1 ≪ S 1≫), die noch am 30. Juni 1990 galt, zwischen Konstruktion und Projektierung (vgl Nr 32 und 33 aaO) unterschied.
An dieses sich aus den genannten abstrakt-generellen Regelungen der DDR ergebende staatliche Sprachverständnis knüpfen die Definitionen im “Ökonomischen Lexikon” der DDR (3. Aufl, 1979) an. Danach waren Gegenstand von Konstruktionsarbeiten die Gestaltung der Erzeugnisse im Prozess der Vorbereitung der Produktion, die Anfertigung von Konstruktionszeichnungen, die Aufstellung von Stücklisten und die Funktionserprobung des Erzeugnisses (siehe Stichwort: Konstruktionsbüro). Projektierungen im weiteren Sinn waren alle Leistungen, die von Projektierungseinrichtungen insbesondere für die Lösung von Investitionsaufgaben erbracht wurden. Ihr Ergebnis waren Dokumentationen unterschiedlicher Art. Die Leistungen der Projektierung waren Bestandteil der materiellen Produktionssphäre der Volkswirtschaft. Sie umfassten im Wesentlichen die Mitwirkung an “grundfondswirtschaftlichen” Untersuchungen (Studien, Variantenuntersuchungen), Aufgabenstellungen für die Vorbereitung von Investitionen, die Ausarbeitung von Dokumentationen zur Vorbereitung von Investitionsentscheidungen, die Erarbeitung der Ausführungsprojekte, die Lösung von Aufgaben des “Planes Wissenschaft und Technik”, die Vorbereitung von Reparaturen und die Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen. In einem engeren Sinn wurde unter Projektierungen die Ausarbeitung des Investitionsprojekts (Ausführungsobjekts) verstanden (siehe Stichwort: Projektierungseinrichtung). Beide Definitionen zeigen deutlich die abgegrenzten Funktionsbereiche auf.
Darüber hinaus verdeutlichen die Definitionen im “Ökonomischen Lexikon”, dass die Aufgaben von unterschiedlichen “Stellen” wahrzunehmen waren. Konstruktionsbüros werden als Abteilung oder Einrichtung eines Betriebs oder Kombinats beschrieben (siehe Stichwort: Konstruktionsbüro). Danach hätte es sich (jedenfalls zum Zeitpunkt der Ausgabe der 3. Auflage des Lexikons im Jahre 1979) nur um unselbstständige Teile eines Betriebs oder Kombinats gehandelt, die als solche keine Arbeitgeber und damit auch keine versorgungsrechtlich gleichgestellten Betriebe iS des § 1 Abs 2 der 2. DB hätten sein können. Demgegenüber gab es Projektierungsbüros nicht nur als (unselbstständige) Abteilungen volkseigener Produktionsbetriebe, genossenschaftlicher Betriebe, staatlicher oder wirtschaftsleitender Organe oder Einrichtungen, sondern auch als (selbstständige) volkseigene Projektierungsbetriebe im Bauwesen und Anlagenbau. Sie wurden im “Register der Projektierungseinrichtungen” geführt. Auch zugelassene private Projektierungsbüros, Ingenieure, Architekten, Universitäten, Hoch- und Fachschulen sowie wissenschaftliche Institute konnten auf vertraglicher Grundlage mit der Durchführung von Projektierungsaufgaben betraut werden (vgl Stichwort: Projektierungseinrichtung).
Ob es am hier maßgeblichen Stichtag überhaupt noch Konstruktionsbüros in der DDR als selbstständige Betriebe gegeben hat, hat das LSG zu Recht nicht aufgeklärt. Dies könnte mit Blick auf die genannten Erläuterungen im “Ökonomischen Lexikon” zweifelhaft sein. Hiergegen spricht auch die Auflistung in der “Systematik der Volkswirtschaftszweige der Deutschen Demokratischen Republik” (Ausgabe 1985); diese benennt zwar Projektierungsbetriebe (Nr 6 300 0 und 6 331 0), jedoch keine Konstruktionsbüros. Sollten daher in der DDR Konstruktionsbüros ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr in Form selbstständiger Betriebe geführt worden sein, würde dies nicht dazu führen, dass an ihrer Stelle nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht nunmehr Projektierungsbüros als am 30. Juni 1990 gleichgestellte Betriebe iS des § 1 Abs 2 der 2. DB einzusetzen wären; vielmehr wäre dann in Bezug auf Konstruktionsbüros die Gleichstellungsnorm bereits am 30. Juni 1990 objektiv gegenstandslos gewesen und insoweit schon deshalb kein Bundesrecht geworden.
bb) Unter Zugrundelegung der aufgezeigten allgemeinen Differenzierungskriterien hat das LSG nach Würdigung der Einzelfalltatsachen für den Senat bindend festgestellt, dass der Kläger nicht in einem Konstruktionsbüro, sondern in einem Projektierungsbetrieb beschäftigt war.
Zu dieser Feststellung ist das LSG unter Auswertung des Statuts des VEB G… und der Zuordnung des Betriebs zur Wirtschaftsgruppe 63310 gelangt. Seinen weiteren Feststellungen ist zu entnehmen, dass der VEB zwar am 12. Juni 1990 in eine GmbH umgewandelt, der Unternehmens- und Betriebszweck aber nicht geändert wurde. Diese Feststellungen hat der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.
cc) Der Senat hat somit zum einen davon auszugehen, dass der Kläger in einem Projektierungsbüro beschäftigt war, und zum anderen, dass ein solches Büro nach dem Sprachverständnis der DDR nicht mit einem Konstruktionsbüro identisch war. Da Projektierungsbüros in § 1 Abs 2 der 2. DB nicht aufgeführt werden, sind sie versorgungsrechtlich keine gleichgestellten Betriebe. Eine über den Wortlaut hinausgehende erweiternde Auslegung (zB im Wege einer Analogie) ist aus den angegebenen Gründen nicht zulässig.
3. Da der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem Betrieb beschäftigt war, der dem Anwendungsbereich der AVItech unterfiel, war er nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft. Seine Revision konnte keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen