Entscheidungsstichwort (Thema)
Rehabilitation. gleichzeitiger Bezug von Übergangsgeld und Erwerbseinkommen. rechtswidriger Übergangsgeldbescheid. Widerspruchsverfahren. erneute Anhörung. Abänderung. Rücknahme. Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
Soweit im Widerspruchsverfahren ein weiterer Bescheid ergeht, der Gegenstand des Verfahrens wird, bedarf es keiner gesonderten Anhörung, wenn dem Widerspruchsführer die entscheidungserheblichen Tatsachen bereits bekannt gegeben sind und für ihn zu erkennen ist, dass insoweit noch keine endgültige Entscheidung (in Form des Widerspruchsbescheides) ergangen ist und er noch ausreichend Zeit zur Äußerung hat.
Normenkette
SGB VI § 22 Abs. 2 Fassung: 1989-12-18, § 27 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 2000-12-20; SGB X § 24 Abs. 1, § 45 Abs. 1, 2 S. 3, Abs. 3 S. 3, § 50 Abs. 1 S. 1; SGG § 86 Abs. 1 Fassung: 1975-09-23
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. März 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der Bewilligung von Übergangsgeld (Übg) wegen gleichzeitig erzielten Arbeitsentgeltes für die Zeit ab 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 und die damit verbundene Rückforderung.
Die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) bewilligte dem 1950 geborenen Kläger – einem Dachdeckermeister, der bis 1992 im eigenen Betrieb tätig war – für die Dauer einer beruflichen Umschulungsmaßnahme (zum Bautechniker) Übg ab 1. Februar 1994. Im Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 1994, der einen früheren Bescheid vom 15. März 1994 ersetzte, belehrte die Beklagte den Kläger (unter der Überschrift “Auflagen, Vorbehalte und Mitteilungen”) über seine Verpflichtung, ihr den Bezug von Erwerbseinkommen und anderen Leistungen unverzüglich mitzuteilen; wegen derartiger Bezüge zu viel gezahltes Übg sei zurückzuzahlen; im Übrigen verwies sie auf weitere Ausführungen in der Anlage zu dem Bescheid. In der Folgezeit wurde die Leistung mehrfach dynamisiert und die Beklagte zahlte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis zum Ende der (erfolgreich abgeschlossenen) Maßnahme am 30. Januar 1997 insgesamt einen Betrag von 111.048,88 DM. Während der gesamten Umschulungsmaßnahme war der Kläger jedenfalls bis Januar 1997 bei der G.… GmbH – einer Dachdeckerfirma – zugleich versicherungspflichtig beschäftigt und erzielte in dieser Zeit einen Nettolohn von 69.256,11 DM.
Mit Schreiben vom 15. August 1997 machte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Beklagte auf mögliche Doppelleistungen von Übg und Arbeitsentgelt für die Zeit ab Februar 1994 aufmerksam. Dieses Schreiben nahm die Beklagte nicht zum Anlass für eine Überprüfung, sondern übermittelte mit Schreiben vom 25. September 1997 lediglich den Kontenspiegel des Versicherten mit den relevanten Daten an die BfA. Im Verlauf eines anderen Verwaltungsverfahrens (betreffend die Gewährung einer Eingliederungshilfe) bemerkte die Beklagte im Oktober 1998 selbst Unstimmigkeiten zwischen der Übg-Zahlung und Arbeitsentgelt (Aktenvermerk vom 22. Oktober 1998). Ermittlungen bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bad Hersfeld bestätigten eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997. Anforderungsgemäß übersandte die Arbeitgeberin am 26. November 1998 Lohnunterlagen über die Zeit von 1995 bis 31. Januar 1997. In diesen Unterlagen fand sich der Hinweis, dass der Kläger bereits am 1. Januar 1994 in die Firma eingetreten war. Unter dem 24. November 1998 bat die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf seinen Übg-Bezug in der Zeit vom 1. Februar 1994 bis 14. März 1997 um Mitteilung, in welchem Zeitraum er in welcher Höhe Arbeitsentgelt bezogen habe. Dieses Schreiben blieb sachlich unbeantwortet.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1999 hob die Beklagte – nach vorheriger Anhörung des Klägers (Schreiben vom 8. Dezember 1998) – den Übg-Bescheid vom 15. März 1994 mit Wirkung ab 1. Januar 1995 auf und forderte für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997 eine Erstattung in Höhe von 45.835,80 DM.
Ebenfalls mit Schreiben vom 7. Januar 1999 nahm der Kläger zu dem Anhörungsschreiben Stellung und führte aus, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, als er seine Tätigkeit bei der G.… GmbH nicht mitgeteilt habe. Er sei für diese Firma nur beratend tätig gewesen und habe eine pauschale Vergütung von monatlich 1.500 DM netto erhalten. Die Berechnung der Beklagten sei nicht zutreffend. Auf den (nicht näher begründeten) Widerspruch des Klägers vom 14. Januar 1999 ermittelte die Beklagte bei dessen Arbeitgeberin, die mit Schreiben ihres Steuerberaters vom 6. Mai 1999 mitteilte, der Kläger habe in einem Arbeitsverhältnis gestanden und – laut Aussage der Arbeitgeberin – Lohnzahlungen entsprechend der korrekt abgewickelten Lohn- und Gehaltsabrechnung erhalten.
Mit Bescheid vom 25. August 1999 nahm die Beklagte den Rückforderungsbescheid vom 7. Januar 1999 zurück, weil sie dort fälschlicherweise den Übg-Bescheid vom 15. März 1994 statt des Übg-Bescheides vom 20. Mai 1994 aufgehoben habe. Sie hob nunmehr den Übg-Bescheid vom 20. Mai 1994 für die Zeit ab 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997 – gestützt auf § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) – auf und forderte erneut von dem Kläger eine Erstattung in Höhe von 45.835,80 DM. Dagegen legte der Kläger ohne weitere Begründung am 29. September 1999 Widerspruch ein.
Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens bemerkte die Beklagte schließlich, dass der Kläger bereits seit dem 1. Januar 1994 beschäftigt gewesen war (Aktenvermerk vom 10. November 1999). Nachdem durch den Steuerberater der G.… GmbH mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 die Lohnunterlagen (Jahresmeldung, Lohnkonto) für das Jahr 1994 vorgelegt worden waren, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 ihren Bescheid vom 25. August 1999 zurück. Den Übg-Bescheid vom 20. Mai 1994 nahm sie, ohne eine weitere Anhörung des Klägers durchzuführen, nunmehr gestützt auf § 45 Abs 2 Nr 3 SGB X zurück. Für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 stellte sie einen überzahlten Betrag von 69.257,40 DM fest und forderte diesen gemäß § 50 Abs 1 SGB X zurück. Sie führte ua aus, der Bescheid werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit weiterem Bescheid vom 18. Januar 2000 änderte die Beklagte den Bescheid vom 27. Dezember 1999 dahingehend ab, dass die Überzahlung 69.256,46 DM betrage; außerdem legte sie dar, von welchen Nettolohnbezügen sie ausgegangen sei und wies (im letzten Satz des Bescheides) darauf hin, dass der Vorgang “in Kürze unserer Widerspruchsstelle zur Entscheidung” vorgelegt werde. Sodann wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 den Widerspruch zurück.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 14. November 2000 die Bescheide vom 27. Dezember 1999 und 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufgehoben, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß angehört worden sei und eine entsprechende Anhörung auch nicht im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden könne, da die angefochtenen Bescheide einen Hinweis auf die Möglichkeit der Gegenäußerung vermissen ließen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 12. März 2002 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die “Klagen” (gegen Bescheide der Beklagten vom 8. Dezember 1998 und 30. November 2000) abgewiesen. Es hat ua ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht das zu viel gezahlte Übg vom Kläger zurückgefordert. Der angefochtene Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 sei rechtmäßig. Grundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 20. Mai 1994 sei § 45 SGB X. Der Bewilligungsbescheid sei anfänglich rechtswidrig gewesen, denn die Berechnung des Übg sei nach § 22 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vorgenommen worden, ohne das gleichzeitig erzielte Erwerbseinkommen des Klägers gemäß § 27 SGB VI anzurechnen. Die nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X notwendige Kenntnis von der Rechtswidrigkeit habe die Beklagte frühestens am 6. Dezember 1999 erhalten, als ihr die Lohnunterlagen des Klägers für das Jahr 1994 zugegangen seien. Die Jahresfrist zur Rücknahme sei somit durch den Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, gewahrt.
Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn auf Grund der dem Bescheid vom 20. Mai 1994 beigefügten Belehrung habe er wissen müssen, dass wegen seines Arbeitseinkommens der Übg-Bescheid zu seinen Gunsten falsch gewesen sei. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger subjektiv nicht in der Lage gewesen wäre, den Inhalt der Belehrung zu verstehen bzw zur Kenntnis zu nehmen. Die Beklagte habe bei ihrer Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X auch die erforderliche, rechtlich nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung getroffen.
Entgegen der vom SG vertretenen Rechtsansicht scheitere die Rechtmäßigkeit der Rücknahme auch nicht an einem Verfahrensfehler. Die Beklagte habe zwar die nach § 24 SGB X notwendige Anhörung nicht durchgeführt. Doch dieser Verfahrensfehler sei im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Nach § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X könne eine Anhörung nachgeholt werden. Dabei sei – im Anschluss an Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (Urteil vom 14. Juli 1994 – 7 RAr 104/93) – der Verfahrensmangel einer fehlenden Anhörung vor Erlass eines Bescheides ohne gesonderte Nachholungshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens heilbar, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen enthalte. Der Bescheid vom 27. Dezember 1999 erfülle diese Voraussetzungen. Er sei von der für die Erstentscheidung zuständigen Verwaltungsbehörde erlassen, er enthalte die neue Berechnung des Übg und die Berechnung der Überzahlung und er benenne die Voraussetzungen des § 45 SGB X einschließlich eines Hinweises zur Ermessensausübung. Allerdings fehle ein gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit. Dieser sei früher vom 4. Senat des BSG (BSGE 69, 247) gefordert worden. Die übrigen Senate des BSG seien dieser Rechtsprechung jedoch nicht gefolgt und auch der 4. Senat selbst habe seine Ansicht im Urteil vom 16. November 1995 (4 RLw 3/94) aufgegeben. Nach dem Wortlaut des § 24 SGB X sei den Beteiligten “Gelegenheit” zur Stellungnahme zu geben. Es reiche also, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit gehabt habe, sich zu äußern. Dies gelte auch in dem hier vorliegenden, besonderen Fall, in dem der die fehlende Anhörung heilende Bescheid nach § 86 SGG in einem anhängigen Widerspruchsverfahren ergangen sei. Auch ein von der Ausgangsbehörde erlassener neuer Bescheid im Widerspruchsverfahren könne bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Anhörung ersetzen. Der entsprechende Hinweis, der sich an Stelle einer Rechtsmittelbelehrung im Bescheid befinde, mache deutlich, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen sei und noch weitere Stellungnahmen abgegeben werden könnten. Dies sei vom Kläger auch zu erkennen gewesen; er hätte jederzeit noch Einwände gegen die dem Bescheid zu Grunde gelegten Tatsachen erheben können. Dazu habe auch der Zeitraum zwischen der Erteilung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides ausgereicht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger in erster Linie die Verletzung von Verwaltungsverfahrensrecht (§ 24 Abs 1, § 41 Abs 1 Nr 3 sowie § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X). Er macht geltend, der Bescheid vom 27. Dezember 1999 greife in seine Rechte ein. Mit ihm habe die Beklagte den Bescheid vom 25. August 1999 (gemeint ist wohl der Bescheid vom 20. Mai 1994) mit Wirkung vom 1. Februar 1994 zurückgenommen und Übg in Höhe von 69.257,40 DM zurückgefordert. Dieser Verfügungssatz gehe über denjenigen aus dem Bescheid vom 25. August 1999, der sich lediglich auf die Zeit ab dem 1. Januar 1995 bezogen habe, hinaus. Da die Beklagte auch nicht gemäß § 24 Abs 2 SGB X von der Anhörung habe absehen können, hätte sie ihn vor Erlass des Leistungsbescheides vom 27. Dezember 1999 anhören müssen, dies sei nicht geschehen. Entgegen der Ansicht des LSG sei die Anhörung nicht nachgeholt worden. Insoweit seien die Ausführungen des LSG schon in sich widersprüchlich. Denn einerseits werde ausgeführt, dass entgegen der früheren Rechtsansicht des 4. Senats des BSG ein gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit nicht erforderlich sei, und andererseits werde an anderer Stelle des Urteils dargelegt, der Hinweis, nach welchem der Bescheid vom 27. Dezember 1999 gemäß § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde, mache deutlich, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen sei und noch weitere Stellungnahmen abgegeben werden könnten. Davon abgesehen werde die Rechtsansicht des SG geteilt, wonach die Rechtsprechung des 7. Senats des BSG über die Möglichkeit der Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden könne. So sei ein gesonderter Hinweis auf die Möglichkeit zur Äußerung immer dann erforderlich, wenn die Verwaltung ihren Widerspruchsbescheid auf neue, insbesondere neu ermittelte, Umstände stützen wolle und dies dem Betroffenen nicht bekannt sei. Dies sei hier der Fall. Denn die Beklagte habe erst im Verlauf des Widerspruchsverfahrens bemerkt, dass sie ihren Widerspruchsbescheid darauf stützen wolle, dass er (der Kläger) bereits seit dem 1. Januar 1994 beschäftigt gewesen sei. Dies sei ihm bis zum Erlass des Bescheides vom 27. Dezember 1999 nicht bekannt gewesen. Dafür genüge auch nicht – wie das LSG offenbar meine – der dem Bescheid beigefügte Hinweis auf die ihm inhaltlich nicht bekannte Vorschrift des § 86 SGG, zumal dieser Bescheid zunächst nicht an seinen Bevollmächtigten, sondern direkt an ihn gesandt worden sei. Dasselbe gelte für den Bescheid vom 18. Januar 2000. Er habe nicht erkennen können, dass die Beklagte ihm dadurch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Darüber hinaus sei die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X nicht gewahrt. Nach den Feststellungen des SG und des LSG sei der Beklagten bereits im November 1998 bekannt gewesen, dass er, der Kläger, schon seit dem 1. Januar 1994 bei seiner Arbeitgeberin angestellt gewesen sei und er dies nicht mitgeteilt hatte. Dies sei ausreichend für eine Rücknahme des Bescheides, zu der die Beklagte ihn auch mit Schreiben vom 24. November 1998 angehört habe. Es sei angesichts dessen nicht einleuchtend, aus welchen Gründen dies keine Kenntnis iS des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X sein solle. Wenn die Beklagte die Rückforderungsentscheidung gemäß § 50 SGB X erst nach Kenntnis der Lohnunterlagen für das Jahr 1994 treffen könne, so bedeute dies nicht, dass die aus den Lohnunterlagen ersichtlichen Tatsachen für die Rücknahmeentscheidung “notwendige” Tatsachen seien. Dies gebe bereits der Wortlaut des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X nicht her. Diese Vorschrift beziehe sich auf die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes und nicht auf die Rückforderung nach § 50 Abs 1 SGB X. Die Beklagte sei im Übrigen auch nicht verpflichtet, Rücknahme- und Rückforderungsentscheidungen in einem Verwaltungsakt vorzunehmen. Schließlich rügt der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG). Er macht geltend, er habe sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren wiederholt vorgetragen, dass er nicht die von seiner Arbeitgeberin gemeldeten Lohnzahlungen erhalten habe, sondern eine Vergütung von 1.500 DM netto pauschal pro Monat. Auf diesen Vortrag habe das LSG bei der Überprüfung der Höhe der Rückforderung eingehen müssen.
Er beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. März 2002 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. November 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Zur der Einhaltung der Jahresfrist macht sie ergänzend geltend, es könne entgegen der Rechtsansicht des Klägers hier nicht zwischen der Rücknahmeentscheidung und der Erstattungsforderung getrennt werden. Dies folge schon aus der gesetzlichen Regelung, wonach auf den Anspruch auf Übg zeitgleich erzieltes Arbeitsentgelt anzurechnen sei. Dies könne dazu führen, dass es zu keiner Auszahlung des Übg komme, obwohl der Anspruch hierauf dem Grunde nach bestehe. Auch sei denkbar, dass während eines Jahreszeitraums (monatsweise) unterschiedlich erzieltes Arbeitseinkommen zu unterschiedlichen (monatlichen) Übg-Zahlungen führe. Für die Feststellung des Umfanges der Rechtswidrigkeit und damit auch des Umfanges des Rücknahmebescheides vom 27. November 1999 sei es daher notwendig gewesen, das tatsächlich erzielte Einkommen des Klägers für das Jahr 1994 zu kennen. Diese Kenntnis habe sie frühestens am 6. Dezember 1999 gehabt, als ihr die Lohnunterlagen des Klägers für das Jahr 1994 zugegangen seien. Auch die vom Kläger gerügte Verletzung der Amtsermittlungspflicht greife nicht durch. Denn seine Ausführungen, er habe bei seiner Arbeitgeberin eine lediglich beratende Tätigkeit mit einer pauschalen Nettovergütung von 1.500 DM monatlich ausgeübt, sei bereits im Verwaltungsverfahren durch entsprechende Ausführungen des Steuerberaters der Arbeitgeberfirma und die vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnungen widerlegt und von den Vorinstanzen zu Recht als unglaubhafter bzw nicht substantiierter Vortrag unberücksichtigt gelassen worden. Zur Frage der Anhörung verweise die Beklagte ergänzend auf ein Urteil des 7. Senats des BSG vom 15. August 2002 (B 7 AL 38/01 R). Im Übrigen könne sich der Kläger auch nicht auf seinen Empfängerhorizont berufen; den Bescheid vom 18. Januar 2000 habe sein Bevollmächtigter im Verwaltungsverfahren in Kopie zur Kenntnisnahme erhalten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind lediglich noch die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000. Diese Bescheide sind – wie das LSG zu Recht entschieden hat – rechtmäßig. Denn die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 20. Mai 1994 rückwirkend für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 sind gegeben (dazu unter 1.) und zu Recht ist die Erstattungspflicht des Klägers in Höhe von 69.256,46 DM festgestellt worden (dazu unter 2.).
1. Die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide misst sich – soweit der Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 1994 zurückgenommen worden ist – an § 45 SGB X. Danach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Rücknahmevoraussetzungen vorliegen.
a) Zutreffend – und jedenfalls dem Grunde nach auch vom Kläger in seinem Revisionsvorbringen nicht in Frage gestellt – ist das LSG von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 20. Mai 1994 über die Bewilligung von Übg ausgegangen, weil der Berechnung des Übg das in dem letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Maßnahme (1. bis 31. Januar 1994) erzielte Arbeitsentgelt gemäß § 22 Abs 2 SGB VI in der bis zum 30. Juni 2001 gültigen, hier maßgebenden Fassung (aF) zu Grunde gelegt worden ist, ohne zu berücksichtigen, dass der Kläger zeitgleich Erwerbseinkommen erzielt hat, das gemäß § 27 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF auf das Übg anzurechnen war. Nach dieser Vorschrift wird auf das Übg das gleichzeitig erzielte Erwerbseinkommen angerechnet, das dem Versicherten (als Arbeitnehmer) nach Abzug von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung zufließt; abzustellen ist somit auf das Nettoarbeitsentgelt.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte die Jahres-Frist für eine rückwirkende Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes eingehalten. Nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde dann, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X zurückgenommen wird, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Frist beginnt also mit der Kenntnis der Rücknahmegründe, wozu nicht allein die Tatsachen gehören, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsakts ergibt (vgl zB BSG Urteil vom 8. Februar 1996 – 13 RJ 35/94 – BSGE 77, 295, 299 f = SozR 3-1300 § 45 Nr 27). Wie vom LSG festgestellt, hat die Beklagte frühestens am 6. Dezember 1999 (Eingang der mit Schreiben des Steuerberaters der G.… GmbH vom 2. Dezember 1999 übersandten Lohnunterlagen für das Jahr 1994) Kenntnis von den die Rechtswidrigkeit der früheren Leistungsbewilligung ergebenden Tatsachen erhalten. Die Jahres-Frist zur Rücknahme ist demzufolge mit dem Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, gewahrt. Soweit der Kläger mit seinem Revisionsvorbringen die Richtigkeit dieser Feststellung des LSG in Zweifel zieht und geltend macht, aus den der Beklagten am 26. November 1998 übersandten Lohnunterlagen sei bereits zu ersehen gewesen, dass er seit dem 1. Januar 1994 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, und vor diesem Hintergrund sei auch das Schreiben vom 24. November 1998 zu sehen, geht dieser Einwand fehl. Wie bereits das LSG im Kern ausgeführt hat, kommt es für die Anrechnung des Erwerbseinkommens nach § 27 Abs 1 Nr 1 SGB VI auf die Kenntnis von der Höhe des jeweiligen Erwerbseinkommens an. Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers ist die genaue Höhe seines Erwerbseinkommens für den Erlass bereits des Rücknahmebescheides – und nicht erst für den Erstattungsbescheid nach § 50 Abs 1 SGB X – erforderlich. Denn nach § 45 Abs 1 Satz 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden, “soweit” er rechtswidrig ist. Dem entspricht, dass nach § 50 Abs 1 SGB X Umfang und Ausmaß des Erstattungsanspruchs davon abhängen, ob und “soweit” ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Für die Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen genügt also die bloße Tatsache der Beschäftigung des Klägers nicht, vielmehr kommt es auf die Höhe der Einkünfte, deren Art und zeitliche Verteilung an – wenn etwa in einem Monat das anzurechnende Erwerbseinkommen das Übg übersteigt, ist nur Letzteres überzahlt und zu erstatten. Dies zeigen auch die anhand der Lohn- und Gehaltsabrechnungen erstellten Bescheide der Beklagten, insbesondere der Bescheid vom 18. Januar 2000 und der Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000, in denen die unterschiedlichen Nettobezüge des Zeitraums von 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 im Einzelnen dargestellt sind und deutlich wird, dass die Übg-Zahlung nur teilweise – nämlich in Höhe des jeweils anzunehmenden Nettoarbeitsentgelts – aufgehoben worden ist.
c) Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn die subjektiven Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 45 Abs 3 Satz 3 iVm Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X liegen vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die der Kläger im Revisionsverfahren nicht angegriffen hat und die nach § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend sind, trifft den Kläger zumindest der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Denn er musste schlechthin wissen, dass wegen seines Arbeitseinkommens der Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 1994 zu seinen Gunsten falsch war; dies ergab sich auch aus den entsprechenden Hinweisen im Bescheid. Sein im Berufungsverfahren vorgelegter Schriftwechsel mit der BfA aus dem Jahre 1995 vermag ihn – wie schon das LSG zu Recht ausgeführt hat – von der Verletzung seiner Mitteilungspflicht gegenüber der beklagten LVA nicht zu entlasten. Die Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X ist ebenfalls gewahrt. Danach beträgt die Rücknahmefrist zehn Jahre, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder grob fahrlässig nicht kannte (§ 45 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB X).
d) Schließlich hat die Beklagte bei ihrer Rücknahmeentscheidung auch das erforderliche Ermessen nach § 45 Abs 1 SGB X ausgeübt. Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides vom 27. Dezember 1999 war sich die Beklagte ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst. Sie hat im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens auch geprüft, ob die Rückforderung der Leistung unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte ausgeschlossen war (vgl hierzu BSG Urteil vom 17. Oktober 1990 – 11 RAr 3/88 – SozR 3-1300 § 45 Nr 5). Im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes und dem Interesse des Klägers am Fortbestehen des Verwaltungsaktes hat sie ausgeführt, dass diese Abwägung auch unter Berücksichtigung der derzeitigen bzw zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers einer Rückforderung der Leistung nicht entgegenstehe. Diese Begründung ist ausreichend (vgl BSG Urteil vom 21. März 1990 – 7 RAr 112/88 – SozR 3-1300 § 45 Nr 2). Denn es steht der Behörde in den Grenzen ihres Ermessens frei, auf welche Umstände sie abheben will, die dann ggf aufklärungsbedürftig werden. Letzteres war bei dem Kläger nicht der Fall; er hat weder im weiteren Widerspruchsverfahren noch im Gerichtsverfahren geltend gemacht, eine Rückzahlung des Übg sei ihm wirtschaftlich nicht möglich und dies liegt auch nicht zuletzt wegen seiner fortlaufenden Erwerbstätigkeit fern. Dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 ihre Ermessensgesichtspunkte noch näher präzisiert hat (monatliches Gehalt von 4.300 DM brutto, kein Verlust anderweitiger Sozialleistungen, überwiegendes Verschulden des Klägers), ist unerheblich, denn dabei handelte es sich um keine neuen rechtserheblichen Tatsachen.
e) Entgegen seiner Auffassung ist der Kläger ordnungsgemäß angehört worden. Der Bescheid vom 27. Dezember 1999, geändert durch den Bescheid vom 18. Januar 2000, ist nicht nach § 24 Abs 1 SGB X iVm § 42 Satz 2 SGB X rechtswidrig und aufzuheben.
Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern; nach Abs 2 der Vorschrift kann davon nur unter bestimmten, im Gesetz abschließend aufgezählten – hier nicht einschlägigen – Ausnahmen abgesehen werden. Die Beklagte hat den Kläger vor Erlass des Bescheides vom 27. Dezember 1999 (geändert durch den Bescheid vom 18. Januar 2000) nicht angehört.
Eine solche erneute Anhörung war auch angesichts der bereits erfolgten Anhörung vom 8. Dezember 1998 nicht überflüssig. Denn das Anhörungsschreiben vom 8. Dezember 1998 bezog sich nur auf eine beabsichtigte Rücknahme der Leistungsbewilligung (im Bescheid vom 15. März 1994) mit Wirkung ab 1. Januar 1995 und eine Erstattungsforderung in Höhe von 45.835,80 DM. Es erhält auch in Verbindung mit dem Aufklärungsschreiben der Beklagten vom 24. November 1998 keine umfassendere Bedeutung. Erst mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Dezember 1999 (geändert durch den Bescheid vom 18. Januar 2000) hat die Beklagte den Übg-Bescheid (vom 20. Mai 1994) für die Zeit ab 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 – also erweitert um elf Monate – aufgehoben und den überzahlten Betrag mit 69.256,46 DM beziffert. Die vorliegende Fallgestaltung lässt sich deshalb mit der Sachverhaltsgestaltung, die dem von der Beklagten zitierten Urteil des 7. Senats des BSG vom 15. August 2002 (B 7 AL 38/01 R – veröffentlicht in JURIS) zu Grunde lag, nicht vergleichen. Denn dort hatte sich der Verfügungssatz in dem Aufhebungsbescheid gerade nicht geändert, sondern war die Aufhebung lediglich auf eine andere Rechtsgrundlage, nämlich nicht mehr auf § 45 SGB X, sondern auf § 48 SGB X gestützt worden.
Eine gesonderte Anhörung ist jedoch nicht erforderlich, wenn – wie im Fall des Klägers – im Widerspruchsverfahren ein Bescheid ergeht, der nach § 86 Abs 1 SGG Gegenstand dieses Verfahrens wird, dem Widerspruchsführer die entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt sind und er ferner erkennt, dass insoweit noch keine endgültige Entscheidung (in Form des Widerspruchsbescheides) ergangen ist und dass er die Möglichkeit hat, sich zu äußern. Die Anhörungsvorschrift des § 24 Abs 1 SGB X ist für diesen Fall einschränkend auszulegen (teleologische Reduktion). Denn die beiden sich aus § 24 SGB X ergebenden Funktionen der Anhörung (Kenntnis sowohl der für einen geplanten Bescheid rechtserheblichen Tatsachen als auch der Äußerungsmöglichkeit) vor der endgültigen Entscheidung sind bei einer derartigen Fallkonstellation auch ohne gesondertes Anhörungsschreiben erfüllt.
Beim Kläger kann im Ergebnis nichts anderes gelten als bei einem Betroffenen, dem gegenüber ohne Anhörung ein belastender Verwaltungsakt ergangen ist, der Anhörungsmangel jedoch durch das Widerspruchsverfahren iS des § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt wird. In Übereinstimmung mit den og Funktionen der Anhörung nach § 24 Abs 1 SGB X setzt eine solche Heilung zum einen voraus, dass entweder der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen nennt, auf die die Verwaltung die Entscheidung stützt, oder aber dem Betroffenen diese Tatsachen bereits bekannt sind (s Senatsurteil vom 24. März 1994 – 5 RJ 22/93, HVBG-Info 1994, 1829). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall durch die Bescheide nach § 86 Abs 1 SGG erfüllt. Denn mit den Bescheiden vom 27. Dezember 1999 und 18. Januar 2000 hat die Beklagte (in Form einer Erstentscheidung der Ausgangsbehörde) klar gestellt, dass die Leistungsbewilligung bereits mit Beginn, dh ab 1. Februar 1994 teilweise aufgehoben und die überzahlten Beträge zurückgefordert werden; dabei wurden auch die Berechnungsgrundlagen und die Gesichtspunkte für eine Ermessungsentscheidung nach § 45 Abs 2 SGB X im Einzelnen mitgeteilt. Zum anderen muss dem Betroffenen, damit die Nachholung der Anhörung durch das Widerspruchsverfahren einer Anhörung vor Bescheiderteilung gleich stehen kann, deutlich werden, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen ist und er zu den von der Verwaltung für entscheidungserheblich gehaltenen Tatsachen noch Stellung nehmen kann. Dies ist im “Normalfall” der Heilung eines Anhörungsfehlers durch das Widerspruchsverfahren mit der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides gewährleistet (s BVerwG vom 17. August 1982 – 1 C 22.81 – BVerwGE 66, 111, 114; ebenso BSG Urteile vom 14. Juli 1994 – 7 RAr 104/93 – SozR 3-4100 § 117 Nr 11; vom 30. April 1997 – 12 RK 34/96 – BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4; vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – BSGE 81, 156, 158 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 und vom 13. Dezember 2001 – B 13 RJ 67/99 R – BSGE 89, 111, 114 = SozR 3-1300 § 1 Nr 1, jeweils mwN). Ein darüber hinausgehender, gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit ist für die Heilung eines Anhörungsmangels durch das Widerspruchsverfahren nicht erforderlich. Sollte der 4. Senat des BSG (im Urteil vom 26. September 1991 – 4 RK 4/91 – BSGE 69, 247, 251 ff = SozR 3-1300 § 24 Nr 4, auf das sich die Revision beruft) anderer Ansicht gewesen sein, so hat er diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben (vgl zB Urteil vom 16. November 1995 – 4 RLw 3/94, das wiederum eine “normale” Heilung durch das Widerspruchsverfahren annimmt).
Sollen hingegen im Widerspruchsverfahren neue Tatsachen zu Ungunsten des Widerspruchsführers verwertet werden, um die bereits im Bescheid getroffene Entscheidung zusätzlich zu begründen (zB ein weiteres medizinisches Gutachten, das die Verwaltungsentscheidung bestätigt), so sind dem Betroffenen nicht nur jene neu ermittelten Umstände zur Kenntnis zu geben; ferner ist er auch noch einmal gesondert auf seine Äußerungsmöglichkeit hinzuweisen, denn sonst wird ihm iS des § 24 Abs 1 SGB X insgesamt keine Gelegenheit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern (vgl BVerwG Urteil vom 14. Oktober 1982 – 3C 46.81, BVerwGE 66, 184, 189 f; BSG Urteil vom 13. Dezember 2001 – B 13 RJ 67/99 R – BSGE 89, 111, 114 f = SozR 3-1300 § 1 Nr 1). Ebenso aber, wie bereits bekannte Tatsachen nicht noch einmal wiederholt werden müssen (Senatsurteil vom 24. März 1994 – 5 RJ 22/93, HVBG-Info 1994, 1829), bedarf es keines besonderen Hinweises auf eine Äußerungsmöglichkeit, wenn dies für den Betroffenen zu erkennen war. So aber liegt der Fall hier. Unabhängig von der Frage, ob bereits der Hinweis auf § 86 SGG als solcher dies allgemein erkennen lässt, hat das LSG speziell bezogen auf den Kläger festgestellt, dass für ihn zu erkennen war, dass noch keine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen war und dass er sich zu den diesen Bescheiden zu Grunde gelegten Tatsachen äußern konnte. Da gegen diese Feststellung keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht worden sind, ist sie für den Senat bindend (§ 163 SGG); der reine, jene Feststellung in Abrede stellende Vortrag in der Revisionsbegründung vermag hieran nichts zu ändern. Für die Richtigkeit dieser Feststellung spricht im Übrigen nicht nur – wie die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung betont hat –, dass laut den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten sowohl der Bescheid vom 27. Dezember 1999 als auch der Bescheid vom 18. Januar 2000 jeweils in Kopie (am 13. bzw 18. Januar 2000) an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, der auch seinerzeit mit Schreiben vom 28. September 1999 Widerspruch eingelegt hatte, zur Kenntnis übersandt worden waren. Denn unabhängig von einer rechtskundigen Beratung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ergibt sich bereits aus dem im Schlusssatz des Bescheides vom 18. Januar 2000 enthaltenen Hinweis, wonach der Vorgang in Kürze der Widerspruchsstelle zur Entscheidung vorgelegt werde, klar und eindeutig, dass noch keine endgültige Entscheidung (in Form des Widerspruchsbescheides) ergangen war und noch eine Möglichkeit bestand, sich zu äußern.
Die ordnungsgemäße Anhörung des Klägers vor Erlass der Bescheide vom 27. Dezember 1999 und vom 18. Januar 2000 scheitert auch nicht an einer zu kurzen Anhörungsfrist. Zwar hat die Beklagte in jenen Bescheiden kein Datum genannt, bis zu dem eine Äußerung erfolgen sollte; sie hat jedoch nach Erlass des letztgenannten Bescheides noch etwa drei Monate zugewartet, bis sie den Widerspruchsbescheid (vom 18. April 2000) erlassen hat. Damit aber stand dem Kläger – auch unter Berücksichtigung dessen, dass eine Verzögerung durch die erforderliche Kontaktaufnahme mit seinem Rechtsanwalt eingeräumt werden musste – genügend Zeit zur Verfügung, um eine Äußerung abzugeben und ggf noch benötigte Tatsachenunterlagen anzufordern oder aber die Beklagte zu bitten, bis zu einem bestimmten Termin abzuwarten. Versäumt er dies, so hatte er dennoch Gelegenheit zum rechtlichen Gehör (vgl BSG Urteil vom 30. März 1982 – 2 RU 73/81 – SozR 1300 § 24 Nr 4 mwN; Krasney in Kasseler Komm, § 24 SGB X RdNr 16, Stand März 2001).
2. Auch die von der Beklagten zugleich mit der Rücknahme der Leistungsbewilligung geltend gemachte Erstattungsforderung in Höhe von 69.256,46 DM begegnet keinen Bedenken. Nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Wie in den angefochtenen Bescheiden vom 27. Dezember 1999 bzw 18. Januar 2000 im Einzelnen ausgeführt worden ist, erklärt sich der Erstattungsbetrag aus dem jeweils in dem Zeitraum ab 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 bezogenen monatlichen bzw kalendertäglichen Nettolohn, der auf das jeweils in dieser Zeit gezahlte, höhere Übg anzurechnen ist, sodass sich aus dem Differenzbetrag ein tatsächlich zustehender Anspruch auf Übg in Höhe von lediglich 41.792,42 DM errechnet und demzufolge – gemessen an der ausbezahlten Übg-Gesamtleistung in Höhe von 111.048,88 DM – ein Überzahlungsbetrag in Höhe von 69.256,46 DM festzustellen ist.
Soweit demgegenüber der Kläger nunmehr vorträgt, er habe entgegen den – über den Steuerberater seiner Arbeitgeberin – vorgelegten Lohnunterlagen, wie schon im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren geltend gemacht, nur eine Vergütung von 1.500 DM netto monatlich erhalten, und insoweit habe das LSG seine Aufklärungspflicht nach § 103 SGG verletzt, vermag dieses Vorbringen keinen Verfahrensmangel zu begründen. Denn das LSG hat bei seiner Entscheidung offenkundig im Rahmen der zu treffenden Beweiswürdigung nach § 128 SGG den in den Tatbestand des Berufungsurteils aufgenommenen Vortrag des Klägers, wonach er lediglich 1.500 DM monatlich pauschal erhalten habe, als nicht glaubhaft angesehen. Stattdessen ist es – in Übereinstimmung mit der Beklagten – davon ausgegangen, dass der Kläger tatsächlich den Lohn erhalten hat, der in den vorgelegten Lohnunterlagen des Steuerberaters der Arbeitgeberin ausgewiesen und von der auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden sind. Der Kläger hat weder in seiner Revisionsbegründung vorgetragen noch ist es ersichtlich, dass das LSG bei seiner Beweiswürdigung die Grenzen überschritten hat und insbesondere gegen Denkgesetze verstoßen hat. Vielmehr entspricht es gerade der Übung und den Denkgesetzen, dass die vorgelegten und abgewickelten Lohn- und Gehaltsabrechnungen auch der Lebenswirklichkeit entsprochen haben. Ein Anlass, dem Vortrag des Klägers nachzugehen, hätte allenfalls dann bestanden, wenn eine Begründung dafür ersichtlich gewesen wäre, warum die detaillierten Abrechnungsunterlagen der Arbeitgeberin nicht zutreffen. Dies war jedoch nicht der Fall; auch der Kläger hat insoweit nichts vorgetragen, sondern lediglich seinen Vortrag aus dem Schreiben vom 7. Januar 1999 wiederholt, das bereits Anlass für die Rückfrage der Beklagten bei der Arbeitgeberin (Antwortschreiben ihres Steuerberaters vom 6. Mai 1999) gewesen war.
Demzufolge ist auch die von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung der Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1049372 |
FA 2004, 32 |
FEVS 2004, 241 |
NZS 2004, 555 |
SozR 4-1300 § 24, Nr. 1 |