Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnungszeit. Arbeitslosigkeit. Auslandsaufenthalt. Knappschaftsausgleichsleistung. Überbrückungstatbestand. Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. beschränkte subjektive Verfügbarkeit. sozialadäquates Verhalten

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Zeit der Arbeitslosigkeit ist auch dann eine Anrechnungszeit, wenn ihr ein bis zu siebzehnwöchiger Auslandsaufenthalt vorausgeht, in dem der Versicherte der Arbeitsvermittlung zwar nicht zur Verfügung stand, der bei einem iS von § 105 c AFG beschränkt verfügbaren Leistungsbezieher aber weder leistungs- noch anrechnungshemmend ist (Fortentwicklung und Abgrenzung von BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 48).

 

Normenkette

SGB VI § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 2; AFG § 105c; AufenthAnO § 7

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12.06.1995; Aktenzeichen L 18 Kn 44/94)

SG Duisburg (Entscheidung vom 25.05.1994; Aktenzeichen S 2 Kn 96/93)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft die Berechnung der Altersrente des Klägers wegen Arbeitslosigkeit unter Anrechnung einer Zeit der Arbeitslosigkeit vom 29. August 1990 bis 31. Dezember 1991.

Der am 11. März 1932 geborene, zuletzt als Hauer bei der Beklagten versicherte Kläger bezog ab 1. April 1988 die Knappschaftsausgleichsleistung (KAL) und war seitdem beim Arbeitsamt ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet. Vom 11. Mai bis 28. August 1990 hielt er sich nach Abmeldung vom Arbeitsamt bei seiner Tochter in den USA auf und meldete sich nach Rückkehr am 29. August 1990 erneut arbeitslos.

Auf seinen Antrag gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1. April 1992 Rente wegen Arbeitslosigkeit, bei deren Berechnung sie ua die Zeit der Arbeitslosigkeit ab 29. August 1990 bis 31. März 1992 unberücksichtigt ließ (Bescheid vom 30. Dezember 1992). Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück, weil der USA-Aufenthalt keinen Überbrückungstatbestand darstelle (Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1993). Die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 1. Januar bis 31. März 1992 erkannte die Beklagte während des sozialgerichtlichen Verfahrens als Anrechnungszeit wegen des Bezuges von KAL an (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Rentenversicherung – ≪SGB VI≫). Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die Beklagte zur Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung der streitigen Zeit verurteilt (Urteil vom 25. Mai 1994). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat durch Urteil vom 12. Juni 1995 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der USA-Aufenthalt habe die Zeit zwischen den Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit überbrückt, weil der Kläger auch dort arbeitslos, dh vorübergehend ohne Beschäftigung sowie arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen sei. Damit seien die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB VI erfüllt. Objektive Verfügbarkeit könne von einem Arbeitslosen nicht verlangt werden, wenn – wie hier – feststehe, daß der Arbeitslose in der maßgeblichen Zeit nicht in Arbeit vermittelt werden könne und das Arbeitsamt deshalb auch ausdrücklich auf seine Erreichbarkeit verzichte.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 58 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB VI. Die vorliegende Rechtsfrage habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits mit Urteil vom 16. Dezember 1980, SozR 2200 § 1259 Nr. 48, entschieden und einen Überbrückungstatbestand in einem vergleichbaren Fall verneint. Die angefochtene Entscheidung fuße auf der unzutreffenden Erwägung, das Arbeitsamt habe den Auslandsaufenthalt des Klägers „genehmigen” bzw auf seine Erreichbarkeit verzichten können. Ausweislich der Bescheinigung des Arbeitsamts vom 22. Januar 1993 habe es die Ortsabwesenheit indes nur registrieren und das in der elektronischen Datenverarbeitung gespeicherte „Bewerberangebot” ruhend stellen können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25. Mai 1994 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 30. Dezember 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 1993 abzuweisen.

Der Kläger beantragt – unter näherer Darlegung –,

die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 1995 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers vom 29. August 1990 bis 31. Dezember 1991 ist als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI rentensteigernd zu berücksichtigen, weil dadurch die versicherte Beschäftigung unterbrochen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Die Anwendbarkeit der Vorschriften des SGB VI folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI.

Als Anrechnungszeiten zählen nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Das LSG hat für das BSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß der Kläger bei einem deutschen Arbeitsamt arbeitsuchend gemeldet war. Öffentlich-rechtliche Leistungen wegen Arbeitslosigkeit hat der Kläger indes nicht bezogen, weil die KAL nicht wegen Arbeitslosigkeit geleistet wird. KAL wird unabhängig von Arbeitslosigkeit oder weiterer Beschäftigung wegen der Strukturveränderungen und Rationalisierungsmaßnahmen im Bergbau seit 1963 als Leistung eigener Art. gezahlt (§ 98 a Reichsknappschaftsgesetz ≪RKG≫, eingefügt durch Gesetz vom 23. Mai 1963, BGBl I 359; vgl. KassKomm-Niesel, § 239 SGB VI Rz 2). Mit Wirkung vom 1. Januar 1992 wurde die KAL in § 239 SGB VI überführt (Art. 1, Art. 85 Abs. 1 Rentenreformgesetz ≪RRG≫ vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261; zur Einordnung als auslaufendes Recht in das Fünfte Kapitel SGB VI „Sonderregelungen” vgl. wiederum KassKomm-Niesel, vor § 228 und § 239 Rz 2; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 252 SGB VI Rz 2). Einhergehend mit der Kodifizierung hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1992 den Bezug von KAL als Anrechnungszeit eingestuft (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI), so daß der Kläger des Ausgangsverfahrens insoweit klaglos gestellt werden konnte. Hieraus folgt zugleich, daß die KAL unter den Vorgängervorschriften des SGB VI nicht als Anrechnungszeit (Ausfallzeit) galt, aber bei Vorliegen von Arbeitslosigkeit diesem Tatbestand unterfallen konnte (vgl. BSG 13. Mai 1982 – 5 a/5 RKn 17/80 –; BSG 24. November 1982, SozR 2200 § 1259 Nr. 72 S. 197; Handbuch der Rentenversicherung, aaO, § 252 Rz 9). Ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld an den Kläger konnte wegen der Ruhensbestimmung des § 118 Abs. 1 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der gemäß § 134 Abs. 4 AFG auch für die Arbeitslosenhilfe gilt, nicht zum Tragen kommen. Der Sachverhalt unterfällt der zweiten Tatbestandsalternative von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, denn wegen des zu berücksichtigenden Einkommens (KAL) hat der Kläger nach den bindenden Feststellungen keine Leistung iS der Anrechnungszeitbestimmung bezogen.

Das LSG hat auch ohne Rechtsfehler festgestellt, daß der Kläger in der Zeit vom 29. August 1990 bis 31. Dezember 1991 das Tatbestandsmerkmal der Arbeitslosigkeit iS der Anrechnungszeiten erfüllt hat. Insoweit legt das BSG in ständiger Rechtsprechung zu § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI und dessen Vorgängerbestimmungen keine iS des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung eigene Definition zugrunde, sondern hat diesen Begriff seit jeher in Anlehnung an das Recht der Arbeitslosenversicherung ausgelegt, ohne allerdings die dortigen Begriffsmerkmale direkt und uneingeschränkt zu übertragen (vgl. nur das Urteil des Senats vom 12. Februar 1992, BSGE 70, 111, 112 ff mwN = SozR 3-2200 § 1259 Nr. 11; neuerdings Urteil des 13. Senats vom 8. Februar 1996 – 1 3 RJ 19/95 –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Demgemäß hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, daß der Kläger (vorübergehend) ohne Beschäftigung sowie arbeitsfähig und verfügbar gewesen ist.

Die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 29. August 1990 bis 31. Dezember 1991 ist anzurechnen, weil dadurch eine versicherte Beschäftigung unterbrochen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Das LSG hat den USA-Aufenthalt vom 11. Mai 1990 bis 28. August 1990 im Anschluß an die anerkannte Zeit der Arbeitslosigkeit bis 10. Mai 1990 zutreffend als sog Überbrückungstatbestand gewürdigt. Eine über diese Wertung hinausgehende Berücksichtigung dieses Auslandsaufenthaltes als Anrechnungszeit hat der Kläger schon im Vorverfahren nicht geltend gemacht, so daß diese Frage auch in der Revision nicht zur Prüfung steht. Kommt demnach die Zeit des USA-Aufenthaltes auch nicht als Anrechnungszeit in Betracht, so hat sie gleichwohl eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers unterbrochen. Zwar bedeutet allein dem Sprachgebrauch nach die „Unterbrechung” einer versicherungspflichtigen Beschäftigung durch eine Anrechnungszeit deren unmittelbaren und zeitlichen Anschluß an das Beschäftigungsverhältnis. Eines solchen unmittelbaren Anschlusses bedarf es dann nicht, wenn dem streitigen Anrechnungstatbestand ein anderer Anrechnungstatbestand oder eine Kette lückenlos aneinandergereihter Anrechnungstatbestände vorausgegangen ist. In diesem Fall genügt es für die Anerkennung von Anrechnungszeiten der in § 58 Abs. 1 Nrn 13 SGB VI genannten Art, daß unmittelbar vor der ersten dieser Anrechnungstatbestände ein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat (BSG 14. Oktober 1992, SozR 3-2600 § 252 Nr. 2 S. 11 mwN), wie dies nach den bindenden Feststellungen des LSG hier für die Arbeitslosigkeit vor dem USA-Aufenthalt zutrifft. Liegen zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung und der Anrechnungszeit längere zeitliche Lücken (ein voller Kalendermonat und mehr), kann der erforderliche zeitliche Zusammenhang durch sog Überbrückungstatbestände (Überbrückungszeiten, Brückenzeiten) gewahrt werden (eingehend dazu BSG 6. August 1986, SozR 2200 § 1259 Nr. 94 S. 252 mwN), Es handelt sich dabei begriffsnotwendig um solche Tatbestände, in denen nicht schon selbst eine Anrechnungszeit erfüllt ist; sie wahren den Anschluß gerade dann, wenn ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal daran fehlt (vgl. etwa Urteile vom 16. April 1964 und 30. Januar 1969, BSGE 21, 21, 23; 29, 120, 123: Arbeitslosigkeit ohne Meldung beim Arbeitsamt), um dem sozialen Schutzzweck der Anrechnungszeit in jenen Fällen Rechnung zu tragen, in denen der Versicherte durch von ihm nicht zu vertretende Umstände an der Ausübung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung gehindert war (vgl. Beschluß des Großen Senats, 11. Dezember 1973, BSGE 37, 10, 17). In diesem Sinne einer Reduktion der für die Überbrückung erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen hat es das BSG genügen lassen, wenn ein Versicherter vor der Meldung beim Arbeitsamt in dem Sinne arbeitslos gewesen ist, daß er unfreiwillig ohne Arbeit sowie arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen ist (BSGE 29, 120, 123).

Das Vorliegen dieser Merkmale hat das LSG hier bejaht, ohne dabei von den im Urteil des 11. Senats vom 16. Dezember 1980 (SozR 2200 § 1259 Nr. 48) aufgestellten Rechtssätzen abzuweichen. Sowohl das BSG im vorgenannten Urteil als auch das LSG im hier angegriffenen Urteil haben die vorgefundene Rechtsprechung des BSG, ausdrücklich auch BSGE 37, 10, 17, ihrer Rechtsanwendung zugrunde gelegt. Allein die Behauptung der Revision, daß das BSG seinerzeit in einem vergleichbaren Fall zu einem gegenteiligen Ergebnis wie das LSG gelangt sei, läßt nicht schon darauf schließen, daß das LSG auch von Rechtssätzen des BSG abgewichen ist. Die Beklagte übersieht möglicherweise auch, daß hier jeweils die Lage des Einzelfalles zu beurteilen ist (vgl. BSGE 29, 120, 123). Dem Gesichtspunkt einer möglichen Divergenz braucht in diesem Zusammenhang allerdings schon deshalb nicht weiter nachgegangen zu werden, weil der für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache entscheidende § 105 c AFG erst nach dem og Urteil vom 16. Dezember 1980 durch Art. 1 des 7. AFG-ÄndG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) mit Wirkung vom 1. Januar 1986 eingefügt worden ist. Die angegriffene Entscheidung des LSG läßt Rechtsfehler nicht erkennen; das Gericht hat den Überbrückungstatbestand im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Anrechnungszeitenregelung ausgelegt (vgl. wiederum die Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Februar 1992, SozR 3-2200 § 1259 Nr. 10 S. 39).

Der Kläger hat sich – als KAL-Bezieher – entsprechend jenen Regeln verhalten, die das AFG für Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe bei Vollendung des 58. Lebensjahres zum erleichterten Leistungsbezug aufgestellt hat (§ 105 c iVm § 134 Abs. 4 AFG). Diese Berechtigten brauchen nicht iS von § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFG bereit zu sein, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder an zumutbaren beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Damit entfällt für sie das sonst wesentliche Erfordernis einer (vollen) subjektiven Verfügbarkeit. Dies vermindert einerseits den psychischen Druck angesichts des Strebens der Versicherten nach einem baldigen Rentenbeginn, gleichzeitig aber wird die Arbeitsverwaltung von Vermittlungsbemühungen befreit, da angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage seit Jahren gerade für ältere Arbeitslose praktisch keine (angemessenen) Vermittlungschancen geboten werden (vgl. hierzu eingehend und mwN das Urteil des 13. Senats vom 8. Februar 1996, aaO, S. 8 ff des Urteilsabdrucks). Nach § 105 c AFG steht der Leistungsgewährung nicht entgegen, daß der Arbeitslose den Nahbereich des Arbeitsamtes bis zu insgesamt 17 Wochen im Jahr vorübergehend verläßt, wenn er dies im voraus angezeigt hat (§ 7 Aufenthalts-Anordnung vom 3. Oktober 1979, ANBA S. 1388 idF vom 9. März 1990, ANBA S. 600; vgl. auch § 15 Abs. 2 AFG). Auch die Leistungsbezugszeiten nach § 105 c AFG sind Anrechnungszeiten (§ 252 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Daß diese Zeiten beschränkter subjektiver Verfügbarkeit keine Anrechnungszeiten mehr sind, wenn die AFG-Leistungen entfallen, folgt aus §§ 38 Nr. 3, 237 Satz 2 Nr. 1 SGB VI (vgl. Urteil des 13. Senats vom 8. Februar 1996, aaO, S. 9 – 16 des Urteilsabdrucks; § 38 SGB VI id bis 1995 geltenden Fassung). Die zehnjährige Rahmenfrist für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, innerhalb derer acht Jahre Pflichtbeitragszeiten erforderlich sind, verlängert sich nach § 38 Nr. 3 SGB VI aF ua um Anrechnungszeiten und nach § 237 Satz 2 Nr. 1 SGB VI auch um Arbeitslosigkeitszeiten mit beschränkter Verfügbarkeit. Wären nun die hier in Rede stehenden Arbeitslosigkeitszeiten de lege lata Anrechnungszeiten, hätte es der in § 237 Satz 2 Nr. 1 SGB VI geschaffenen ergänzenden Regelung nicht bedurft. Soweit ersichtlich, besteht aber in Kommentarliteratur und Fachwelt darin Übereinstimmung, die Zeiten beschränkter subjektiver Verfügbarkeit als Überbrückungstatbestände anzuerkennen (vgl. Koch/Hartmann, AVG ≪ Stand April 1989≫, § 36 Anm. B IV.1.; 5.1; 5.2.2.6; 7.; Handbuch der Rentenversicherung, § 1259 RVO Anm. II. 5. A; VDR-Komm, § 1259 Anm. 4.2, 4.3). Dieser Auslegung kann sich der Senat mit Blick auf die Gleichstellung von Leistungsbeziehern und Nichtleistungsbeziehern in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nicht verschließen. Die Geltung als Überbrückungstatbestand scheitert nicht daran, daß für diese Zeit keine Beiträge (der Bundesanstalt für Arbeit) an die gesetzliche Rentenversicherung geflossen sind, trifft dies doch auch für die KAL-Bezugszeit ab 1. Januar 1992 (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) zu. Sie ist hingegen geboten, um eine Diskriminierung arbeitslos gemeldeter KAL-Bezieher ohne sachlichen Grund zu vermeiden.

Der Kläger, dessen Lage mit der eines Nichtleistungsbeziehers im Anschluß an eine Zeit beschränkter subjektiver Verfügbarkeit gemäß § 105 c AFG vergleichbar ist, hat seine Arbeitsbereitschaft nicht durch eine entsprechende Erklärung nach § 105 c AFG eingeschränkt. Hätte er – als Leistungsbezieher nach dem AFG – dies getan, so wäre sein USA-Aufenthalt weder für den Bezug von AFG-Leistungen noch für die gesetzliche Rentenversicherung leistungshemmend gewesen. Daß seine Ansprüche nach dem AFG wegen § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG zum Ruhen gekommen sind, ist für die Beurteilung von Anspruchsvoraussetzungen (hier: Verfügbarkeit) ohne Bedeutung. Unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1982, BSGE 54, 125, 127 = SozR 1255 Nr. 16 S. 31; Urteil des SG Duisburg vom 6. Januar 1994, SGb 1994, S. 673 mit Anm. Buschmann, SGb 1994, S. 632 f; Paulus, DAngVers 1995, S. 400, 402; sa BSGE 34, 93) ist der vorliegende Auslandsaufenthalt allerdings nicht mit den Selbsthilfefällen vergleichbar. Darauf kann es aber nicht ankommen, solange nur auf dem aufgezeigten Weg ein „Wertungswiderspruch” zwischen den Rechtsgebieten der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung vermieden werden kann (vgl. BSG 21. März 1991, SozR 3-2200 § 1259 Nr. 5 S. 20). Der Kläger hat sich vorschriftsgemäß beim Arbeitsamt abgemeldet und anschließend wieder zurückgemeldet. Daß er nicht in der Lage war, aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten, war nicht seiner Ortsabwesenheit geschuldet, sondern dem Umstand, daß das Arbeitsamt angesichts der allgemeinen Arbeitsmarktlage nicht in der Lage gewesen ist, dem älteren Versicherten ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Diese objektive Unmöglichkeit ist für die ausfallenden Rentenversicherungsbeiträge rechtlich allein wesentlich, nicht hingegen die vorübergehend beschränkte Erreichbarkeit des Klägers in den USA. Mit seinem Verhalten entlastete der Kläger die Arbeitsvermittlung und zugleich im weiteren Sinne den Arbeitsmarkt. Als Folge seines mithin angemessenen Verhaltens die anschließende Zeit nachgewiesener Arbeitslosigkeit nicht (mehr) anzurechnen, erschiene demnach auch als offensichtlich unbilliges Ergebnis (vgl. Urteil vom 8. März 1972, BSGE 34, 93, 95). Der Grundsatz, daß anschlußwahrende Zeiten im Inland verwirklicht sein sollen (vgl. BSG 15. März 1988, SozR 2200 § 1259 Nr. 99 S. 267), kann daher nicht gelten, wenn der Auslandsaufenthalt auch der Berücksichtigung als Anrechnungszeit nicht entgegensteht, wie dies bei Leistungsbeziehern nach § 105 c AFG der Fall ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 954104

SozSi 1997, 239

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