Entscheidungsstichwort (Thema)
beitragspflichtige Einnahmen bei freiwillig versicherten Selbständigen
Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsklägerin |
Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin,Berlin 61, Mehringplatz 15, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Klägerin ist als Kosmetikerin selbständig erwerbstätig und freiwillig versichertes Mitglied bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse. Mit Bescheid von Dezember 1989 setzte die Beklagte den Beitrag vom 1. Januar 1990 an auf monatlich 275,94 DM fest. Dazu berief sie sich auf eine Regelung in ihrer mit Wirkung vom 1. Januar 1990 geänderten Satzung, wonach bei selbständig Erwerbstätigen als beitragspflichtige Einnahmen mindestens die Einnahmen anzusetzen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen wären, mindestens jedoch zwei Drittel der monatlichen Bezugsgröße, also 2.193 DM (Stufenmittelwert = 2.190 DM). Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, sie habe nur ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 1.500 DM. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. April 1990).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid mit Urteil vom 14. Dezember 1990 aufgehoben, weil die Anhebung der gesetzlich in § 240 Abs 4 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) festgelegten Mindesteinnahmen unzulässig sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 2. Oktober 1991 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Satzungsregelung stehe mit § 240 SGB V in Einklang.
Gegen das Urteil des LSG richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine Verletzung des § 240 SGB V rügt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das Urteil des LSG vom 2. Oktober 1991 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 14. Dezember 1990 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Eine abschließende Entscheidung kann ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht ergehen.
Die Beklagte durfte nicht - wie in ihrer Satzung vorgesehen - der Beitragsbemessung zwei Drittel der monatlichen Bezugsgröße iS des § 18 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) zugrunde legen. Nach dem am 12. Dezember 1989 von der Vertreterversammlung beschlossenen und am 29. Dezember 1989 verkündeten Ersten Nachtrag erhielt § 19 Abs 4 der Satzung folgende Fassung (Amtsblatt für Berlin 1989, S 2584): "Für selbständig Erwerbstätige sind als beitragspflichtige Einnahmen mindestens die Einnahmen anzusetzen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen wären, mindestens jedoch 66 2/3 vH der monatlichen Bezugsgröße." Diese Bestimmung besagt nach der Auslegung durch das LSG, daß unabhängig von den wirklich erzielten Einnahmen des freiwillig versicherten Selbständigen zwei Drittel (66 2/3 vH) der jeweils geltenden monatlichen Bezugsgröße der Beitragsbemessung jedenfalls dann zugrundegelegt werden dürfen, wenn die Einnahmen eines vergleichbaren tariflich eingestuften versicherungspflichtig Beschäftigten in dieser Höhe oder darüber liegen. An die Feststellung des Inhalts dieses - nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinausgehenden und somit irrevisiblen - Rechts ist der erkennende Senat gebunden (§ 202 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] iVm § 562 der Zivilprozeßordnung). In dieser Auslegung ist die Satzungsbestimmung jedoch mit Bundesrecht (§ 240 SGB V) nicht vereinbar.
Die mit Wirkung vom 1. Januar 1989 in Kraft getretene Vorschrift des § 240 SGB V sieht im Gegensatz zum früheren für die gesetzlichen Krankenkassen (Pflichtkassen) geltenden Recht vor, daß für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt wird (Abs 1 Satz 1). Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (Abs 1 Satz 2). Die Satzung der Krankenkasse muß mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Die §§ 223 und 227, § 228 Abs 2, § 229 Abs 2 und § 243 Abs 2 SGB V gelten entsprechend (Abs 2 Satz 2). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Abs 4). Die Satzung kann auch Beitragsklassen vorsehen (Abs 5).
In der Begründung des Entwurfs eines Gesundheitsreform-Gesetzes (GRG) zu Art 1 § 249 (BT-Drucks 11/2237, S 225), der unverändert dem jetzigen § 240 SGB V entspricht, heißt es zu den Absätzen 1, 2, 4 und 5: (zu Abs 1:) "Die Vorschrift ermöglicht es allen Krankenkassen, das Beitragsrecht für freiwillige Mitglieder autonom in der Satzung zu regeln. Dieses Recht hatten bisher nur die Ersatzkassen. Damit können sachgerechte Sonderregelungen insbesondere für Selbständige und einkommenslose freiwillig versicherte Ehegatten getroffen werden. Bei der Beitragsgestaltung ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, dh alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Diese Regelung bedeutet aber auch, daß der Beitragsberechnung nicht automatisch bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können, ohne daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprüft wird." - (zu Abs 2:) "Ein freiwilliges Mitglied darf beitragsmäßig nicht geringer belastet werden als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter. Insoweit werden der Gestaltungsfreiheit der Krankenkasse Grenzen gesetzt. Die allgemeinen Vorschriften über die Beitragsberechnung, insbesondere die Vorschriften über die Beitragsberechnung bei Einmalzahlungen und über die Ermäßigung von Beiträgen, finden Anwendung." - (zu Abs 4:) "Der Mindestbeitrag für freiwillige Mitglieder wird angehoben, da bei dem jetzigen Mindestbeitrag Leistung und Gegenleistung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Mindestbeitrag beträgt 1988 ca. 65 DM. Nach neuem Recht wird er sich verdoppeln." - (zu Abs 5:) "Die Krankenkasse kann auch Beitragsklassen vorsehen. Hierbei sind die Regelungen der vorhergehenden Absätze zu beachten. Die Vorschriften über Beitragssätze gelten entsprechend."
Aus Wortlaut und Gesetzesbegründung des § 240 SGB V ergibt sich, daß durch die Satzung der Krankenkasse von den Einnahmen des freiwillig Versicherten unabhängige Mindesteinnahmen nicht über die in Abs 4 dieser Vorschrift bestimmte Höhe hinaus festgelegt werden dürfen.
Gegen die Zulässigkeit einer Fiktion von höheren Mindesteinnahmen spricht bereits § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V (Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit). Mit dieser allgemeinen Handlungsanleitung wird dem Satzungsgeber gestattet und aufgetragen, die Einzelheiten der Beitragsbemessung für die freiwilligen Mitglieder - ausgerichtet an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Mitglieds - in der Satzung näher zu regeln. Hierbei kann die Krankenkasse etwa Bestimmungen darüber treffen, welche Einnahmearten zu berücksichtigen sind, inwieweit Betriebsausgaben oder Abschreibungen sich beitragsmindernd auswirken, wie Steuervergünstigungen zu behandeln sind und inwieweit Verlustausgleiche zugelassen werden (vgl zum früheren Recht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] in BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20; BSG SozR 2200 § 180 Nr 16; BSG USK 8860). Dagegen gestattet die Vorschrift keine Fiktion tatsächlich nicht erzielter Einnahmen; denn die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds wird durch seine tatsächlichen und nicht durch fiktive Einnahmen bestimmt. Dies wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt, wonach nicht automatisch ohne Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können.
Weiterhin spricht § 240 Abs 4 SGB V (Mindesteinnahmen) gegen die Zulässigkeit des Ansatzes von höheren Mindesteinnahmen. Diese Bestimmung läßt als Ausnahme von der Beitragsbemessung aufgrund der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Unterschreitung der dort vorgeschriebenen Mindestgrenze nicht zu, die im Jahre 1990, bezogen auf den Monat, bei 1.096,67 DM lag. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 7. November 1991 (demnächst in BSGE Bd 70 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6 und SozR 3 aaO Nr 7) entschieden hat, stellt die darin enthaltene Fiktion von Mindesteinnahmen die gesetzliche Untergrenze dar. Sie besagt aber zugleich, daß diese in Abs 4 eindeutig und allgemein festgelegte Grenze nicht angehoben werden darf. Auch die Gesetzesbegründung ergibt keinen Anhalt für die Zulässigkeit einer allgemeinen oder auf bestimmte Gruppen freiwillig Versicherter beschränkte höhere Mindestgrenze. Das Wort "mindestens" in Abs 4 bedeutet lediglich, daß Mindesteinnahmen in der dort genannten Höhe fingiert werden, soweit tatsächlich geringere oder keine Einnahmen vorhanden sind.
Die Mindesteinnahmen-Grenze für Selbständige in Höhe von zwei Dritteln der monatlichen Bezugsgröße kann auch nicht auf § 240 Abs 5 SGB V gestützt werden. Diese Regelung, die der Verwaltungsvereinfachung dient, läßt eine stufenweise Zusammenfassung von Versicherten in Beitragsklassen nach der Höhe ihrer beitragspflichtigen Einnahmen zu. Dabei dürfen die Abstufungen an der Untergrenze eine Beitragsbemessung in Höhe der Mindesteinnahmen nach Abs 4 nicht ausschließen und im übrigen nicht so groß bemessen werden, daß die Beitragsbemessung in erheblichem Umfang von den in § 240 Abs 1 bis 4 SGB V getroffenen Bestimmungen abweicht; denn § 240 Abs 5 SGB V enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Vielmehr sind nach der Gesetzesbegründung die vorhergehenden Absätze zu beachten. Das BSG hat schon nach dem früheren Recht (§ 180 Abs 2 bis 4 der Reichsversicherungsordnung [RVO]) eine Satzungsbestimmung für nicht genehmigungsfähig erklärt, die alle bei ihr freiwillig versicherten Selbständigen in eine "Mitgliederklasse" einstufen und für sie einen Grundlohn in Höhe des tariflichen Arbeitsentgelts eines leitenden Angestellten (Meisters) der entsprechenden Berufsgruppe, mindestens aber 100 vH der Bezugsgröße vorsehen wollte (SozR 2200 § 180 Nr 11). Die Begründung der damaligen Entscheidung trifft im wesentlichen auch für das geltende neue Recht zu. Danach rechtfertigen die Schwierigkeiten, die tatsächlichen Einkommensverhältnisse zu ermitteln, nicht eine grob vereinfachte Festsetzung der beitragspflichtigen Einnahmen. In § 19 Abs 4 der Satzung der Beklagten werden selbständig Erwerbstätige mit beitragspflichtigen Einnahmen von 0,00 DM bis - im Jahre 1990 - 2.193,00 DM beitragsmäßig zusammengefaßt. Selbst wenn man nur von der Differenz zwischen den monatlichen Mindesteinnahmen nach § 240 Abs 4 SGB V (1990: 1.096,67 DM) und den satzungsmäßig für Selbständige vorgeschriebenen monatlichen Mindesteinnahmen ausgeht, ergibt dies im Jahre 1990 einen Unterschied von 1.093,33 DM pro Monat. Die Zusammenfassung von Versicherten mit Einkommensunterschieden von monatlich über 1.000,00 DM ist mit § 240 Abs 1 und 2 SGB V nicht mehr vereinbar. Außerdem könnte in Beitragsklassen möglicherweise nicht der Oberwert, sondern nur ein Mittelwert angesetzt werden.
Entgegen der Auffassung des LSG läßt sich die Festlegung einer höheren als der gesetzlichen Mindesteinnahmen-Grenze auch nicht aus § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V (Einnahmen eines vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten) herleiten. Zwar enthält die Vorschrift die Verpflichtung, Vergleiche mit versicherungspflichtig Beschäftigten anzustellen. Sie setzt aber bei den einzelnen freiwillig Versicherten eine Differenzierung nach der Höhe ihrer beitragspflichtigen Einnahmen voraus. Die von der Beklagten durch Satzung festgelegte Beitragsbemessungsgrundlage für selbständig Erwerbstätige richtet sich demgegenüber nach der Bezugsgröße iS von § 18 SGB IV und damit nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ohne Auszubildende im jeweils vorvergangenen Kalenderjahr. Ein auf den Monat bezogener Bruchteil dieses Durchschnittswertes kann als solcher nicht als die gemäß § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V durch Vergleich ermittelte Beitragsbemessungsgrundlage in Betracht gezogen werden.
§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V rechtfertigt es auch dann nicht, zwei Drittel der monatlichen Bezugsgröße als Mindesteinnahmen-Grenze durch Satzung festzulegen, wenn - was die Regel sein dürfte - die sich daraus ergebenden Einnahmen niedriger liegen als die tariflichen Monatseinnahmen eines vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten. Ein Abstellen auf tarifliche Bezüge vergleichbarer Arbeitnehmer ist nämlich jedenfalls insoweit unzulässig, als beim Versicherten höhere Einnahmen unterstellt werden, als er in Wirklichkeit hat.
Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (Abs 2 Satz 1 des § 240 SGB V) und einem terminologischen Vergleich mit Abs 4 wird erkennbar, daß sie keine Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung einer fiktiven Mindesteinnahmen-Grenze durch die Satzung sein kann. Während in Abs 2 Satz 1 die Formulierung "die Einnahmen ... berücksichtigen" verwandt wird, die typischerweise bei konkret erzielten Einnahmen gebraucht wird, ist in Abs 4 die Formulierung "Als ... Einnahmen gilt" gewählt worden, die in der Gesetzessprache bei Fiktionen üblich ist. Der Gesetzgeber hätte, falls er in Abs 2 Satz 1 eine fiktive Mindesteinnahmen-Grenze ermöglichen wollte, sich nicht einer anderen als der in Abs 4 derselben Vorschrift enthaltenen Formulierung bedient.
Die Zweckbestimmung des § 240 Abs 2 SGB V läßt eine Auslegung, wie sie das LSG vertritt, ebenfalls nicht zu. Wenn ein freiwilliges Mitglied nicht geringer belastet werden darf als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter, so ergibt sich schon daraus, daß die Höhe der Selbständigen-Einnahmen, die nach der Satzung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind, jeweils von der Höhe der Einnahmen aus der ausgeübten selbständigen Tätigkeit abhängig ist; denn für den zum Vergleich heranzuziehenden versicherungspflichtig Beschäftigten ist Bemessungsgrundlage für die von ihm und seinem Arbeitgeber zu tragenden Beiträge das konkret vom Arbeitgeber in dem betreffenden Entgeltabrechnungszeitraum zu zahlende Arbeitsentgelt (vgl BSGE 59, 183, 189 = SozR 4100 § 168 Nr 19). Daß Gleiches für freiwillig Versicherte gilt, wird besonders deutlich durch die in § 240 Abs 2 Satz 2 SGB V ua enthaltene Verweisung auf § 227 SGB V, dessen Abs 1 Satz 2 einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, soweit die Abs 2 und 4 nichts anderes bestimmen, dem Entgeltabrechnungszeitraum zuordnet, in dem es gezahlt wird. Die Verweisung ergäbe keinen Sinn,wenn gemäß § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V auf fiktive Einnahmen abgestellt werden dürfte.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Ausrichtung an den konkreten Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit ergebe sich bereits aus § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V, von dem insoweit abzuweichen § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V gerade vorschreibe. § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V stellt nämlich dem Satzungsgeber einen Maßstab zur Verfügung, der bei der Umsetzung sowohl im Rechtlichen als auch im Tatsächlichen einen gewissen Spielraum läßt. Eine untere Grenze dieses Spielraums kann der Vorschrift nicht entnommen werden. Diese findet sich vielmehr in Abs 2 und Abs 4 sowie in dem hier nicht zur Anwendung kommenden Abs 3 (Rente neben Arbeitsentgelt) des § 240 SGB V. Während die in Abs 4 getroffene Regelung eine absolute Untergrenze darstellt, hat Abs 2 nach der Gesetzesbegründung zum Ziel zu verhindern, daß ein freiwilliges Mitglied beitragsmäßig geringer belastet wird als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter. Die Satzung muß danach jedenfalls vorschreiben, daß die Einnahmen, die bei einem versicherungspflichtig Beschäftigten gemäß § 226 Abs 1 SGB V zu berücksichtigen sind, auch der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter zugrunde gelegt werden, nämlich das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV), der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge); ferner muß bei selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten das - dem Arbeitsentgelt insoweit vergleichbare - Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) ohne die in § 226 Abs 1 Nr 4 SGB V enthaltene Einschränkung ("soweit") zur Beitragsbemessung herangezogen werden. Diese Auslegung wird überwiegend auch in der Literatur vertreten (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Komm, SGB V, § 240 Rz 4, 7; Peters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 240 Rz 19; Richter in Jahn, Sozialgesetzbuch für die Praxis, SGB V § 240 Rz 4, 5; Töns in SozVers 1990, 123 ff; Storr in SGb 1990, 479, 480, 482). Der gegenteiligen Auffassung, § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V erfordere bei Selbständigen das Abstellen auf die tariflich festgelegten Einnahmen eines abhängig Beschäftigten mit gleicher Qualifikation (Gerlach in Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, Komm, SGB V K, § 240 Rz 31, 44; Krengel in BKK 1989, 183 ff; Wasem in GKV-Komm, SGB V, § 240 Rz 14) stimmt der Senat nicht zu. Ob eine solche Regelung ausnahmsweise zulässig wäre, wenn die tatsächlich erzielten Einnahmen nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand ermittelt werden können (vgl § 28f Abs 2 Satz 3 und 4 SGB IV), bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls müßte dieses in der Satzung näher geregelt werden.
Der Senat konnte selbst nicht entscheiden, ob der angefochtene Bescheid insgesamt aufzuheben oder ob und ggf in welchem Umfang er hinsichtlich der Beitragshöhe für das Jahr 1990 abzuändern war. Hieran war er dadurch gehindert, daß Feststellungen über die beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin für das Jahr 1990 bisher nicht getroffen sind. Das LSG wird nunmehr die nicht gegen höherrangiges Recht verstoßenden Bestimmungen der Satzung daraufhin zu überprüfen haben, ob sie als rechtliche Grundlage für die Beitragsbemessung bei der Klägerin für das Jahr 1990 in Betracht kommen. Wenn danach - wovon der Senat ausgeht - als Bemessungsgrundlage jedenfalls das von ihr erzielte Arbeitseinkommen zugrunde zu legen ist, hat das LSG dessen Höhe im Jahre 1990 noch festzustellen. Die Grenze des § 240 Abs 4 SGB V darf nicht unterschritten werden. Über die rechtmäßige Beitragshöhe kann das LSG allein aufgrund der erhobenen Aufhebungsklage entscheiden, auch wenn es sich nur teilweise als begründet erweisen sollte. Dann ist der Bescheid aufzuheben, soweit die Beitragsforderung über die rechtmäßige Höhe hinausgeht, und die Klage im übrigen abzuweisen. Eines weiteren Klageantrags bedarf es nicht (vgl BSGE 64, 100, 102 = SozR 2200 § 180 Nr 44). Das LSG muß auch noch feststellen, ob der angefochtene Bescheid die Beitragshöhe für die Zeit vom 1. Januar 1990 an erstmals geregelt hat oder ob er von diesem Zeitpunkt an lediglich einen unbefristeten früheren Beitragsbescheid abgeändert hat. Letzteres wäre, zumal es sich bei Beitragsbescheiden um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt (BSGE 69, 255 = SozR 3-1300 § 48 Nr 3; SozR 3-2500 § 240 Nr 6), nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 des Sozialgesetzbuches -Verwaltungsverfahren (SGB X) zulässig.
Das LSG wird auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 517810 |
BSGE, 137 |