Leitsatz (amtlich)
Übergangsgeld nach § 59d Abs 2 AFG (= § 17 Abs 3 RehaAnglG) ist für die Zeit der Arbeitslosigkeit nicht fortzuzahlen, in der der Behinderte wegen Krankheit der beruflichen Eingliederung nicht zur Verfügung steht.
Orientierungssatz
Weitergewährung des Übergangsgeldes nach § 59d Abs 2 AFG - Anwendung des § 105b AFG auf Empfänger von Übergangsgeld:
1. Für eine entsprechende Anwendung des § 59d Abs 1 AFG im Rahmen des Abs 2 dieser Vorschrift besteht kein sozialpolitisches Bedürfnis, da der Behinderte durch den Krankengeldanspruch hinreichend gesichert ist.
2. Die Vorschrift des § 105b AFG, nach der der Arbeitslose den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen nicht verliert, gilt für Empfänger von Arbeitslosenhilfe und von Unterhaltsgeld entsprechend, da die Besonderheiten der Arbeitslosenhilfe und des Unterhaltsgeldes dem nicht entgegenstehen.
Normenkette
AFG § 59d Abs. 2 Fassung: 1974-08-07, § 105b Fassung: 1980-08-18; RehaAnglG § 17 Abs. 3 Fassung: 1974-08-07; AFG § 59d Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz für Krankengeld, das sie dem bei ihr gegen Krankheit versicherten Beigeladenen gezahlt hat.
Die Beklagte gewährte dem Beigeladenen, nachdem sich dieser im unmittelbaren Anschluß an eine erfolgreich abgeschlossene Maßnahme der beruflichen Rehabilitation am 4. Dezember 1980 arbeitslos gemeldet hatte, ab 4. Dezember 1980 das bisher gewährte Übergangsgeld (Übg) gemäß § 59d Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) weiter, jedoch nicht - wie im Gesetz vorgesehen - bis zu sechs Wochen (hier: bis zum 14. Januar 1981), sondern nur bis einschließlich 7. Januar 1981, weil der Beigeladene vom 8. Januar bis über den 14. Januar 1981 hinaus arbeitsunfähig erkrankt war (Bescheid vom 4. Februar 1981, Widerspruchsbescheid vom 26. November 1982).
Die Erstattung des Krankengeldes, das die Klägerin ua für die Zeit vom 8. bis 14. Januar 1981 dem Beigeladenen gezahlt hat, lehnte die Beklagte durch den förmlichen Bescheid vom 25. August 1981 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 1981 ab. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung dieser Bescheide verurteilt, 335,16 DM an die Klägerin zu zahlen (Urteil vom 24. Februar 1983). Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 11. Januar 1984).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Anspruch des Beigeladenen auf Übg sei in entsprechender Anwendung des § 182 Abs 10 Reichsversicherungsordnung (RVO) auf die Klägerin übergegangen. Über die Berechtigung des Anspruchs des Beigeladenen nach § 59d Abs 2 AFG im Anschluß an die Rehabilitationsmaßnahme bestehe kein Streit; danach habe die Beklagte bis zum 14. Januar 1981 Übg zu zahlen. Daß der Beigeladene ab 8. Januar 1981 arbeitsunfähig erkrankt sei, ändere hieran nichts. Der Zahlungsanspruch ergebe sich bei innerhalb der sechswöchigen Bezugszeit auftretender Arbeitsunfähigkeit in entsprechender Anwendung des § 59d Abs 1 AFG. Nach dieser Vorschrift werde das Übg bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zum Tage der Beendigung der Maßnahme weitergewährt, wenn der Behinderte an einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter teilnehmen könne. Zwar sei im Falle des § 59d Abs 2 AFG die berufsfördernde Maßnahme immer abgeschlossen, der Behinderte stehe aber weiter im Schutze des Rehabilitationsträgers, was die entsprechende Anwendung des § 59d Abs 1 AFG rechtfertige. Auf § 105b AFG lasse sich die Klage dagegen nicht stützen, da diese Vorschrift nur auf Arbeitslosengeld (Alg), Arbeitslosenhilfe (Alhi) und Unterhaltsgeld (Uhg) anwendbar sei.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 59d AFG, dessen Abs 1 im Rahmen eines Übg-Bezuges nach Maßnahmeabschluß gemäß Abs 2 nicht entsprechend anwendbar sei. Die das Übg begründenden Tatbestände der Teilnahme an einer Maßnahme (§ 59 AFG), der krankheitsbedingten Unterbrechung der Teilnahme (§ 59d Abs 1 AFG) und der Arbeitslosigkeit nach Maßnahmeabschluß (§ 59d Abs 2 AFG) seien erschöpfend geregelt, so daß die entsprechende Heranziehung einer benachbarten Regelung nicht zulässig sei. Das gelte insbesondere für die Fortzahlung des Übg bei Arbeitslosigkeit, da es sich hierbei um einen vom Grundtatbestand des § 59 AFG weit entfernten Sondertatbestand handele. Um einen Anspruch auf Fortzahlung des "nachgehenden" Übg auch im Krankheitsfalle zu begründen, hätte es daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Es sei übereinstimmende Auffassung der Rehabilitationsträger, daß das Übg nicht fortzuzahlen sei, sondern ein Versicherungsfall der Krankenversicherung vorliege, wenn der arbeitslose Behinderte innerhalb der Sechswochenfrist nach Maßnahmeende arbeitsunfähig werde.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Bescheid vom 25. August 1981 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 1981 zurückgenommen.
Sie beantragt, die ergangenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die ergangenen Urteile für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Ob die Beklagte der Klägerin das Krankengeld zu erstatten hat, richtet sich nach den durch Art I des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) eingeführten §§ 102 ff Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Wie der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 25. Mai 1984 - 7 RAr 97/83 - schon entschieden hat, war bis zum Inkrafttreten der §§ 102 ff SGB X Grundlage der Klage der allgemein und gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, wenn ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung von der Beklagten Ersatz des Krankengeldes verlangte, weil die Beklagte vorrangig dem Versicherten für die gleiche Zeit eine ebenfalls für seinen Lebensunterhalt bestimmte Leistung hätte erbringen müssen. Mit den §§ 102 ff SGB X hat der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander neu geregelt. Diese Vorschriften, die mit Wirkung vom 1. Juli 1983 in Kraft getreten sind (Art II § 25 Abs 1 des Gesetzes vom 4. November 1982), hatte schon das LSG seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Bereits begonnene Verfahren sind nämlich nach den Vorschriften der mit dem Gesetz vom 4. November 1982 neu eingeführten §§ 86 ff SGB X zu Ende zu führen (Art II § 21), womit auch noch nicht zu Ende geführte Gerichtsverfahren erfaßt werden, in denen Leistungsträger Erstattungsansprüche geltend machen (vgl dazu die zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteile des Bundessozialgerichts -BSG- vom 1. Dezember 1983 - 4 RJ 91/82 -, 28. März 1984 - 9a RV 50/82 -, 22. Mai 1984 - 8 RK 45/83 - und 24. Mai 1984 - 7 RAr 97/83 -). Nach den §§ 102 ff SGB X kommt eine Erstattungspflicht der Beklagten nur dann in Betracht, wenn der Beigeladene einen Anspruch gegen die Beklagte hatte, ihm für die Zeit vom 8. bis 14. Januar 1981 Übg zu gewähren. Ein solcher Anspruch stand dem Beigeladenen nicht zu.
Nachdem der Beigeladene die berufsfördernde Bildungsmaßnahme mit Erfolg abgeschlossen hatte, war ihm gemäß § 59d Abs 2 AFG (in der hier anwendbaren ursprünglichen Fassung der durch das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation -RehaAnglG- vom 7. August 1974, BGBl I 1881, eingefügten Vorschrift) Übg wegen anschließender Arbeitslosigkeit bis zu sechs Wochen, dh bis zum 14. Januar 1981, weiter zu gewähren, wenn er sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hatte und zur beruflichen Eingliederung zur Verfügung stand. Auf diese Vorschrift kann ein Anspruch des Beigeladenen ab 8. Januar 1981 nicht gestützt werden, weil der Beigeladene wegen Krankheit zur beruflichen Eingliederung nicht weiter zur Verfügung stand. Das LSG hat eine entsprechende Feststellung zwar nicht ausdrücklich, aber doch sinngemäß getroffen; es ist nämlich wegen der Arbeitsunfähigkeit des Beigeladenen von der Nichtverfügbarkeit ausgegangen. Das begegnet im vorliegenden Falle keinen Bedenken, da es bei einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung häufig an jeglicher Vermittlungsfähigkeit fehlt und die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht hat, daß der Beigeladene mit Rücksicht auf Art und Ausmaß seiner Erkrankung der Beklagten weiterhin zur beruflichen Eingliederung zur Verfügung stand. Allerdings wird darauf hingewiesen, daß Arbeitsunfähigkeit nicht schon begriffsnotwendig Verfügbarkeit ausschließt, zB dann nicht, wenn der arbeitsunfähige Versicherte eine seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Beschäftigung sucht; denn eine einmal eingetretene Arbeitsunfähigkeit endet weder dadurch, daß der Versicherte in der Lage ist, einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen (BSGE 26, 288, 292 = SozR Nr 25 zu § 182 RVO; BSGE 53, 22, 31 = SozR 2200 § 1259 Nr 59 mwN), noch dann, wenn der Versicherte zur Aufnahme einer anderen Beschäftigung bereit ist, so lange die Arbeitsvermittlung zu keinem Erfolg geführt hat (vgl das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 2. Februar 1984 - 8 RK 43/82 - mwN).
Mit § 59d Abs 1 AFG kann ein Anspruch des Beigeladenen auf Übg ebenfalls nicht begründet werden. Der Beigeladene konnte anders als es in § 59d Abs 1 AFG vorausgesetzt wird, aus gesundheitlichen Gründen an einer berufsfördernden Maßnahme nicht weiter teilnehmen, er hatte diese Maßnahme vielmehr abgeschlossen und stand ab 8. Januar 1981 aus gesundheitlichen Gründen zur beruflichen Eingliederung nicht weiter zur Verfügung. Zu Recht beanstandet die Revision, daß das LSG § 59d Abs 1 AFG für entsprechend anwendbar gehalten hat. Dagegen spricht schon, daß nicht ersichtlich ist, daß beim Erlaß des RehaAnglG, durch das § 59d AFG eingeführt worden ist, der bei der Berufsförderung Behinderter naheliegende Fall übersehen worden sein sollte, daß der Behinderte in den sechs Wochen nach Abschluß der berufsfördernden Maßnahme erkrankt und aus gesundheitlichen Gründen zur beruflichen Eingliederung nicht weiter zur Verfügung steht. Die entsprechende Anwendung des § 59d Abs 1 AFG, die das LSG für richtig hält, führt zudem zu Ergebnissen, die mit den gesetzlichen Regelungen nicht übereinstimmen, die das Übg im Rehabilitationsrecht gefunden hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 59d Abs 1 AFG darauf abzielt, die Übg-Zahlung bis zu jeweils sechs Wochen während der berufsfördernden Maßnahme für den Fall zu sichern, daß der Behinderte an der Maßnahme aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnimmt (vgl in diesem Sinne zu dem § 59d Abs 1 AFG entsprechenden § 568a Abs 2 RVO: BSG SozR 2200 § 381 Nr 40) oder ob die Weiterzahlung des Übg nach § 59d Abs 1 AFG erst einsetzt, wenn die Teilnahme an der Maßnahme aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abgebrochen werden mußte (in diesem Sinne zu dem ebenfalls § 59d Abs 1 AFG entsprechenden § 1241e Abs 2 RVO: BSG SozR 5090 § 17 Nr 2). Jedenfalls wird das Übg nach § 59d Abs 1 AFG längstens bis zum Tage der Beendigung der Maßnahme weitergewährt, also keinesfalls für einen nach dem planmäßigen Ende der Maßnahme liegenden Zeitraum. Schon das verbietet die vom LSG gezogene Schlußfolgerung. Hinzu kommt, daß dem Rehabilitationsrecht keinesfalls zu entnehmen ist, daß das nur in Ausnahmefällen außerhalb einer Rehabilitationsmaßnahme zu gewährende Übg grundsätzlich anstelle von Krankengeld zu zahlen ist, wie sich aus § 17 Abs 1 RehaAnglG und den dieser Vorschrift entsprechenden §§ 568a Abs 1, 1241e Abs 1 RVO, § 18e Abs 1 Angestelltenversicherungsgesetz, § 40e Abs 1 Reichsknappschaftsgesetz und § 16e Bundesversorgungsgesetz ergibt; denn das in diesen Vorschriften vorgesehene (Zwischen-)Übg ist gerade nicht zu zahlen, wenn der Behinderte arbeitsunfähig ist und ihm ein Anspruch auf Krankengeld zusteht. Für eine entsprechende Anwendung des § 59d Abs 1 AFG im Rahmen des Abs 2 der Vorschrift besteht schließlich kein sozialpolitisches Bedürfnis, da der Behinderte durch den Krankengeldanspruch hinreichend gesichert ist. Der Senat teilt daher die im Schrifttum vertretene Ansicht, daß ein Versicherungsfall der Krankenversicherung vorliegt, wenn der Behinderte während der sechs Wochen Arbeitslosigkeit im Anschluß an eine berufsfördernde Maßnahme arbeitsunfähig erkrankt, so daß er zur beruflichen Eingliederung nicht mehr zur Verfügung steht (Steinmeyer in Gagel, AFG, § 59d RdNr 9; Lauterbach/Watermann, Unfallversicherung, § 568a RVO Anm 6, Januar 1984; Kugler, Rehabilitation in der Rentenversicherung, 1979, S 203 f; Schimanski, Knappschaftsversicherung, § 40e RKG, Anm 4, Februar 1984; Verbandskommentar § 1241e RVO RdNr 8).
Die Einführung des am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen § 105b AFG, eingefügt durch Art II § 2 Nr 8 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469), hat hieran nichts geändert. Diese Vorschrift, nach der der Arbeitslose den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen nicht verliert, betrifft unmittelbar nur das Arbeitslosengeld. Auf Grund der Verweisungen auf die Vorschriften über das Alg in § 44 Abs 7 AFG und § 134 Abs 2 Satz 1 AFG (= § 134 Abs 4 Satz 1 1. Halbsatz AFG in der seit dem 1. Januar 1982 geltenden Fassung) gilt § 105b AFG für das Uhg und die Alhi entsprechend, da Besonderheiten des Uhg oder der Alhi dem nicht entgegenstehen. Die Anwendung des § 105b AFG oder von Vorschriften über das Alg oder das Uhg auf das Übg ist nicht vorgesehen. Der § 58 Abs 1 Satz 1 AFG verweist zwar auf die §§ 13 bis 55 AFG, nimmt aber die §§ 41 bis 47 von der Verweisung ausdrücklich aus. Der § 105b AFG findet daher auf das Übg keine Anwendung. Das entspricht auch den Absichten des Gesetzgebers, nach denen die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfalle nur das Alg, die Alhi, das Uhg, das Kurzarbeitergeld und das Schlechtwettergeld betreffen sollte (vgl BT-Drucks 8/4022 zu Art II § 2 S 89 f). Infolge dessen sieht der gleichzeitig neu eingefügte § 149 AFG nur für Antragsteller und Bezieher von Uhg, Alg und Alhi, nicht aber von Übg vor, daß diese dem Arbeitsamt die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer anzuzeigen und nachzuweisen haben.
Stand dem Beigeladenen somit kein Anspruch auf Übg für die Zeit vom 8. bis 14. Januar 1981 zu, kann die Klägerin die Erstattung des geleisteten Krankengeldes von der Beklagten nicht verlangen. Die Leistungsklage muß daher ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen