Beteiligte
2. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Tenor
Die Revisionen der Kläger gegen die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 12. März 1998 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander in allen drei Rechtszügen außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Kläger begehren die Feststellung, daß sie auch über den 1. Oktober 1996 hinaus für die Dauer ihrer bei der Beigeladenen zu 1) ausgeübten Beschäftigung knappschaftlich rentenversichert sind. Sie waren jeweils bis zum 30. September 1996 als Angestellte bei der S. AG (SBW) tätig und bei der Beklagten rentenversichert.
Am 27. August 1996 gründeten die SBW und die S. B. S. GmbH & Co. OHG (SBS) durch notariellen Vertrag die S. Gesellschaft für Informationsverarbeitung und -technologie mbH (Beigeladene zu 1), von deren Stammkapital die Gründergesellschaften jeweils 50 vH übernahmen. §3 des Gesellschaftsvertrages lautet:
- „1. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Dienstleistungen aller Art auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung und -technologie, insbesondere die Entwicklung, die Einführung und der Betrieb von Hard- und Softwaresystemen sowie der dazugehörige Vertrieb und die Wartung solcher Systeme und die Erbringung der dazugehörenden Beratungs-, Schulungs- und sonstigen Unterstützungsdienstleistungen.
- Die Gesellschaft ist berechtigt, alle Geschäfte vorzunehmen und alle Maßnahmen zu ergreifen, die mit dem Gegenstand des Unternehmens zusammenhängen oder ihm förderlich erscheinen. Sie kann insbesondere Zweigniederlassungen errichten, andere Unternehmen gründen, erwerben oder sich an solchen Unternehmen beteiligen.”
Zu diesem Zweck übertrug die SBW ihren gesamten EDV-Bereich mit den Abteilungen Rechenzentrum sowie EDV-Organisations- und Anwendungsentwicklung auf die Beigeladene zu 1) einschließlich der dort beschäftigten Arbeitnehmer, zu denen die Kläger gehörten. Am 1. Oktober 1996 nahm die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit auf. Sie wurde am 6. November 1996 im Handelsregister eingetragen.
Die Kläger beantragten im September 1996 bei der Beklagten jeweils die Feststellung, auch als Beschäftigte der Beigeladenen zu 1) knappschaftlich rentenversichert zu bleiben. Mit Bescheid vom 30. Oktober 1996 an die Klägerin zu 6) sowie Bescheiden vom 7. November 1996 an die weiteren Kläger und mit Widerspruchsbescheiden jeweils vom 15. Januar 1997 stellte die Beklagte fest, daß die knappschaftliche Rentenversicherung der Kläger am 30. September 1996 geendet habe.
Das Sozialgericht (SG) für das Saarland hat mit Urteilen vom 20. Juni 1997 hinsichtlich des Klägers zu 2), vom 27. Juni 1997 hinsichtlich der Klägerin zu 6) und des Klägers zu 7), vom 11. Juli 1997 hinsichtlich der Kläger zu 3), 4) und 5) sowie vom 1. August 1997 hinsichtlich des Klägers zu 1) festgestellt, daß diese über den 1. Oktober 1996 hinaus für die Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen zu 1) knappschaftlich versichert seien. Der Anspruch auf Fortführung der knappschaftlichen Rentenversicherung folge aus §273 Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) hat das Landessozialgericht für das Saarland (LSG) mit Urteilen vom 12. März 1998 (Aktenzeichen L 4 Kn 19, 24, 31, 35, 36, 39 und 40/97) die erstinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Kläger seien vom 1. Oktober 1996 an bei der Beklagten vor allem nicht mehr rentenversichert. Eine originäre knappschaftliche Versicherung (§§137, 138 SGB VI) liege nicht vor. Die betriebliche Ausgliederung der Beigeladenen zu 1) sei von den in §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI umschriebenen Konzentrationsmaßnahmen nicht umfaßt. Selbst wenn man dies annehme, sei die Übernahme der Klägerin und der Kläger nach §613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht in „einen anderen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens” erfolgt, da die Beigeladene zu 1) selbständig sei.
Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine fehlerhafte Anwendung des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Die Ausgliederung von Betriebsfunktionen und ihre Übertragung auf rechtlich selbständige Drittunternehmen (Outsourcing) liege hier nicht vor, denn es sei weder räumlich noch organisatorisch eine Trennung der Beigeladenen zu 1) von der SBW erfolgt. Die Beigeladene zu 1) sei auch rechtlich nicht selbständig, da sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der SBW stehe. Praktisch sei sie ein Betriebsteil der SBW und mit dieser in vielfacher Hinsicht eng verflochten. Der Anwendungsbereich des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI sei auch auf Fälle von Ausgliederungen zu erstrecken; er sei nicht nur auf Fälle wie den Zusammenschluß der S. AG mit der I. Hütte beschränkt, welcher der Regelung des Art 2 §1b Abs 2 Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz (KnVNG) zugrunde gelegen habe. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats schließe in den Begriff einer „Maßnahme” auch Fälle einer Ausgliederung ein. Es liege eine Konzentrationsmaßnahme vor, wodurch die Kräfte zweier Unternehmen gebündelt würden, um effektiver und kostengünstiger die EDV-Bedürfnisse der SBW zu befriedigen. Der Kläger zu 1) rügt darüber hinaus einen Verfahrensfehler. Erst nach Ende der mündlichen Verhandlung seien ihm Umstände bekannt geworden, die die Besorgnis der Befangenheit begründeten. Der ehrenamtliche Richter des LSG A. sei für die Beklagte tätig. Der ehrenamtliche Richter des LSG C. arbeite bei der SBW.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 12. März 1998 aufzuheben und die Berufungen der Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen – unter näherer Darlegung -,
die Revisionen zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) hat sich zur Sache nicht eingelassen und keinen Antrag gestellt.
II
Die Revisionen sind unbegründet.
In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze liegen nicht vor. An den Urteilen des LSG ist kein Richter beteiligt gewesen, der als Gerichtsperson ausgeschlossen wäre (§35 Abs 1 Satz 2 iVm §17 Abs 3 SGG). Der ehrenamtliche Richter des LSG A. ist nicht Bediensteter der Beklagten gewesen. Das folgt aus der dienstlichen Äußerung des LSG vom 2. März 1999. Die (behauptete) Beschäftigung eines ehrenamtlichen Richters des LSG bei der SBW führte wiederum nicht zu seiner Ausschließung. Ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Verfahrens dergestalt, daß bei der Entscheidung des LSG ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (§551 Nr 3 Zivilprozeßordnung), liegt ebenfalls nicht vor. Soweit der Kläger zu 1) rügt, bei dem ehrenamtlichen Richter des LSG C. bestehe die Besorgnis der Befangenheit, weil dieser bei der SBW arbeite, fehlt es von vornherein an einem zulässigen und rechtzeitigen Ablehnungsgesuch (vgl Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Aufl, §60 RdNr 11 mwN).
Zu Recht hat die Beklagte entschieden, daß die Kläger als Beschäftigte der Beigeladenen zu 1) seit dem 1. Oktober 1996 nicht mehr knappschaftlich rentenversichert sind. Von diesem Zeitpunkt an war die Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung der Rentenversicherung dieser Arbeitnehmer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr gegeben. Weder waren diese während der hier streitigen Zeit in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt (A) noch haben sie knappschaftliche Arbeiten verrichtet (B). Auch die Besitzschutzregelungen des §273 Abs 1 Satz 1 SGB VI (C) oder des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI wirken sich nicht zu ihren Gunsten aus (D).
(A) Die Kläger waren seit dem 1. Oktober 1996 nicht in einem knappschaftlichen Betrieb iS des §137 Nr 1 SGB VI beschäftigt. Denn die Beigeladene zu 1) erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Betriebes, in dem iS des §138 Abs 1 SGB VI Mineralien oder ähnliche Stoffe bergmännisch gewonnen werden. Die betreffenden Feststellungen des LSG sind mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und deshalb für das Bundessozialgericht (BSG) bindend (§163 SGG).
Die Kläger waren aber auch nicht von dem genannten Zeitpunkt an in einem knappschaftlichen Nebenbetrieb (§138 Abs 3 SGB VI) beschäftigt. Die Beigeladene zu 1) ist keine Betriebsanstalt oder Gewerbeanlage, die als Nebenbetrieb eines knappschaftlichen Betriebs mit diesem räumlich und betrieblich zusammenhängt. Wie das LSG zu Recht zugrunde legt, müssen sich Nebenbetriebe einerseits von unselbständigen Betriebsteilen durch eine gewisse organisatorische und auch wirtschaftliche Selbständigkeit mit der Verfolgung eigenwirtschaftlicher Ziele unterscheiden; andererseits dürfen sie noch keine selbständigen Betriebe sein, die von dem Hauptbetrieb rechtlich und damit auch personell unabhängig sind. Auf dieser Grundlage hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, daß die Beigeladene zu 1) nach der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion nicht von der SBW dominiert wird. Die in Abgrenzung dazu festgestellte überwiegende Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die SBW, deren sämtliche EDV-Arbeiten übertragen wurden, bedingte keine innere organisatorische Verflechtung in einem Ausmaß, welches das Bedürfnis nach einer einheitlichen Versicherung begründet. Das LSG hat die eigene Rechtspersönlichkeit der Beigeladenen zu 1) zutreffend als das ausschlaggebende Merkmal gewertet; demgegenüber bleibt das Innenverhältnis der Beigeladenen zu 1) zur SBW – hier deren gesellschaftsrechtliche Beteiligung oder organisatorische Verflechtung – von nachgeordneter, rechtlich nicht wesentlicher Bedeutung (vgl Senatsurteil vom 14. November 1989, BSGE 66, 75, 83 f; s auch Senatsurteil vom 30. Juni 1998 - B 8 KN 10/96 R - S 11 des Abdrucks mwN; BSG vom 1. Juli 1969, SozR Nr 3 zu §2 Reichsknappschaftsgesetz ≪RKG≫). Deshalb ist die Beigeladene zu 1) auch kein (originär knappschaftlicher) Betriebsteil der SBW.
(B) Das LSG hat nicht festgestellt, daß die Kläger in der hier streitigen Zeit „ausschließlich oder überwiegend” knappschaftliche Arbeiten iS des §137 Nr 2 iVm §138 Abs 4 SGB VI verrichtet haben (vgl hierzu Senatsurteil vom 30. Juni 1998 aaO S 12 des Abdrucks mwN); dafür fehlen auch jegliche Anhaltspunkte.
(C) Die Besitzschutzregelung des §273 Abs 1 Satz 1 SGB VI greift hier ebenfalls nicht ein. Danach ist die Bundesknappschaft für Beschäftigte auch zuständig, wenn die Versicherten aufgrund der Beschäftigung in einem nicht knappschaftlichen Betrieb bereits vor dem 1. Januar 1992 bei der Bundesknappschaft versichert waren, solange diese Beschäftigung andauert. Diese Norm verlängert personengebunden über den 31. Dezember 1991 hinaus den Besitzschutz derjenigen, die ihn zuvor auf der Grundlage von Art 2 §1b KnVNG zugesprochen erhalten hatten (vgl Senatsurteil vom 30. Juni 1997, SozR 3-8110 Kap VIII H Nr 1 Nr 1 S 11 f; Näheres unten zu ≪D≫). Die Verlängerung einer bereits zum 31. Dezember 1991 bestehenden Besitzschutzregelung scheidet schon deshalb aus, weil die Kläger bis zum 30. September 1996 in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt waren.
(D) Vor allem hat das LSG auch zutreffend entschieden, daß auf die Kläger die Besitzschutzregelung des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI keine Anwendung findet. Diese Vorschrift setzt voraus, daß Beschäftigte in einem Betrieb oder Betriebsteil, für dessen Beschäftigte die Bundesknappschaft bereits vor dem 1. Januar 1992 zuständig war, infolge einer Verschmelzung, Umwandlung oder einer sonstigen Maßnahme innerhalb von 18 Kalendermonaten nach dieser Maßnahme in einem anderen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens tätig werden; dann bleibt die Bundesknappschaft für die Dauer der Beschäftigung zuständig.
1. Das LSG ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Kläger während ihrer Tätigkeit bei der SBW Beschäftigte in einem Betrieb oder Betriebsteil waren, für den die Bundesknappschaft vor dem 1. Januar 1992 wegen der Knappschaftlichkeit der SBW zuständig war (vgl zur begrifflichen Abgrenzung von Betrieb als „technisch-organisatorische Einheit” und Unternehmen als „rechtlich-wirtschaftliche Einheit” bereits: BSG vom 19. März 1974, SozR 4670 §2 Nr 2 „Transportbeton”, S 5; s zum Betriebsbegriff auch das Senatsurteil vom 6. November 1985, BSGE 59, 87, 89 f mwN).
2. Dem LSG ist auch darin zu folgen, daß die Kläger mit der Übertragung des EDV-Bereichs der SBW auf die Beigeladene zu 1) ihren knappschaftlichen Rentenversicherungsschutz verloren haben, ohne einen Anspruch auf eine personenbezogene Fortsetzung der knappschaftlichen Versicherung zu erwerben. Mit dieser Art des Übergangs auf ein Unternehmen ohne knappschaftlichen Betrieb hat nicht nur der EDV-Bereich der SBW seine Knappschaftlichkeit verloren (s dazu Näheres unten zu a, aa); sondern mit dem damit einhergehenden Arbeitgeberaustausch im Wege des §613a BGB haben die Kläger auch ihre knappschaftliche Versicherung eingebüßt. Für das eingeklagte Recht auf eine personenbezogene Fortsetzung der knappschaftlichen Versicherung gemäß §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI fehlt es an einer Verschmelzung, Umwandlung oder sonstigen Maßnahme iS dieser Vorschrift. Die Norm betrifft die aufgezählten Veränderungen von Rechtsträgern nur unter der Voraussetzung, daß es sich um eine Konzentrationsmaßnahme bestimmter Art und mit einer besonderen Zwecksetzung handelt. Dieses Erfordernis, das der erkennende Senat bereits der Vorgängervorschrift in Art 2 §1b Abs 2 KnVNG entnommen hat (Urteil vom 30. Januar 1996 - 8 RKn 15/94 -, USK 9602 = Kompaß 1996, 402), ist auch in §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI enthalten. Zu einer solchen Art von Konzentrationsmaßnahme gehören Vorgänge der Art wie hier der Übergang des EDV-Bereichs der SBW auf die Beigeladene zu 1) nicht. Für diese Gesetzesauslegung sprechen neben den Gründen der inhaltlichen Kontinuität des neuen Gesetzes mit Art 2 §1b KnVNG auch Sinn und Zweck der Regelung.
a) Der abstrakt gefaßte Wortlaut des Gesetzes steht im Gegensatz zur Entstehungsgeschichte der Regelung, die ganz konkrete gesellschaftliche Vorgänge auf wirtschaftlichem Gebiet zum Gegenstand oder Vorbild hatte. Dieses Spannungsverhältnis wird durch die Motive im Gesetzgebungsverfahren zum SGB VI dahin aufgelöst, daß sich aus der Entstehungsgeschichte eine ungeschriebene Anwendungseinschränkung ergibt. Ohne weitere, für eine Neuregelung erforderliche Erläuterung heißt es zur Begründung des gesamten §273 SGB VI:
„Die Vorschrift hält bestimmte Sonderregelungen im Knappschaftsbereich aufrecht und dient der Besitzstandswahrung.” (BT-Drucks 11/4124, S 203 zu §266 des SGB VI-Entwurfs).
Bereits Art 2 §1b KnVNG, die Vorgängervorschrift zu §273 SGB VI, war dahin zu verstehen, daß eine „Verschmelzung, Umwandlung oder eine sonstige Maßnahme” jeweils die Voraussetzung einer spezifischen zweckgerichteten Konzentrationsmaßnahme erfüllen mußte. Fehlte es daran, war es schon nach altem Recht nicht möglich, die knappschaftliche Versicherung in einem nichtknappschaftlichen Betrieb personengebunden fortzusetzen. Das hat der Senat bereits in einem Fall entschieden, in dem Beschäftigte wegen innerbetrieblicher Programmverlagerungen, Rationalisierungen und Umstrukturierungen innerhalb eines Unternehmens von einem knappschaftlichen in einen nichtknappschaftlichen Betrieb umgesetzt wurden (Urteil „Stahlwerke P-S AG” vom 30. Januar 1996 aaO). Der Senat hat in diesem Urteil zudem grundsätzlich klargestellt, daß die Besitzschutzregelungen des Art 2 §1b KnVNG – abweichend von dem Grundsatz, daß mit dem Verlust der Knappschaftlichkeit des Betriebes oder dem Ausscheiden aus einem knappschaftlichen Betrieb der Versicherungsschutz nach dem RKG endet – wirtschaftspolitisch erwünschte Konzentrationsvorgänge zwischen knappschaftlichen Unternehmen bzw Hüttenbetrieben erleichtern und sozialpolitisch abfedern sollten; bereits zu Art 2 §1b KnVNG hat der Senat entschieden, daß der Gesetzeszweck einer extensiven Auslegung – hier auf innerbetriebliche Vorgänge – entgegensteht. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest und führt sie im Anwendungsbereich des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI fort.
aa) Bereits Art 2 §1b KnVNG war zwar abstrakt formuliert worden (vgl den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, Abgeordneter Urbaniak, BT-Protokoll 6. Wahlperiode, 84. Sitzung, S 4721 ≪A≫; so auch Ilgenfritz, Kompaß 1971, 11, 12), hatte aber für den von ihm jeweils begründeten persönlichen Besitzschutz doch konkrete historische Konzentrationsvorgänge zum Gegenstand oder Vorbild (vgl Ilgenfritz aaO; ders in Kompaß 1969, 301):
Mit Art 2 §1b KnVNG idF des Art 2 §4 Bundesknappschafts-Errichtungsgesetz vom 28. Juli 1969 (BGBl I 974) reagierte der Gesetzgeber auf wirtschaftliche Konzentrationsvorgänge im Steinkohlenbergbau mit einer Besitzschutzregelung; die Regelung war auf die Bildung der R. AG oder eine andere Gesamtgesellschaft iS des §18 Abs 2 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968 (≪BGBl I 365≫ sog Kohlegesetz) abgestellt. Danach blieben alle knappschaftlich versicherten Personen, die in Betrieben oder Betriebsteilen tätig waren, welche nicht in die R. AG überführt wurden und dadurch ihre Eigenschaft als knappschaftlicher Betrieb verloren, für ihre Person bis zum Ausscheiden aus diesem Betrieb oder Betriebsteil knappschaftlich versichert. Der knappschaftliche Versicherungsschutz war nur dann besitzgeschützt, wenn der Betrieb oder Betriebsteil der verbliebenen Altgesellschaft seine Knappschaftlichkeit infolge der Nichteinbringung in die R. AG (oder eine entsprechende Gesamtgesellschaft) verlor, nicht aber dann, wenn ein Nebenbetrieb eines Bergbauunternehmens, das sich nicht an der Bildung der R. AG beteiligt hatte, veräußert wurde.
bb) Bald zeigte die wirtschaftliche Entwicklung jedoch, daß ähnliche Zusammenschlüsse auch im Hüttenbereich und im Kalibergbau bevorstanden, die durch den ursprünglichen §1b aaO nicht erfaßt wurden. Der beabsichtigte Zusammenschluß der knappschaftlichen und knappschaftlich versicherten Betriebe der I. Hütte mit dem nichtknappschaftlichen Hüttenbereich der S. AG gab dann endgültig Anlaß zur Erweiterung der Besitzschutzregelung des Art 2 §1b KnVNG. Das erfolgte in der Weise, daß Art 2 §1b Abs 1 KnVNG idF des Gesetzes zur Änderung des RKG und des KnVNG vom 20. Januar 1971 (BGBl I 57) die bisherige R. AG-Regelung für den Steinkohlenbergbau auf Zusammenschlüsse in allen Bergbauzweigen, also im gesamten Knappschaftsbereich ausdehnte. Die Besitzschutzregelung war auch nicht mehr daran geknüpft, daß der Zusammenschluß zweier oder mehrerer Unternehmen zu einer wirtschaftlich optimalen Unternehmensgröße führt, wie nach dem Kohlegesetz vorgesehen war. Vorausgesetzt war zwar nach wie vor ein wirtschaftlicher Konzentrationsvorgang im Knappschaftsbereich wie bei der Gründung der R. AG, der aber nicht mehr ausschließlich zu einer Gesamtgesellschaft oder überhaupt zu einem neuen Rechtsträger führen mußte. Wesentliche Voraussetzung war insoweit allein, daß sich ein wirtschaftlicher Konzentrationsvorgang durch Übertragung eines Unternehmens oder Unternehmensteils auf ein anderes Unternehmen in Gestalt einer Verschmelzung, Umwandlung oder einer sonstigen Maßnahme vollzog und von diesem Vorgang ein einzelner Betrieb oder Betriebsteil unter Verlust der Eigenschaft als knappschaftlicher Betrieb ausgeschlossen blieb.
cc) In Art 2 §1b Abs 2 KnVNG wurde der bisher auf Altgesellschaften beschränkte personengebundene Besitzschutz erweitert, wobei auf eine Verschmelzung, Umwandlung oder eine sonstige Maßnahme wie in Abs 1 aaO abgestellt wurde. Damit wird derselbe Inhalt wie in Abs 1 aaO vorausgesetzt, nämlich ein wirtschaftlicher Konzentrationsvorgang zwischen zwei Produktionsbetrieben mit gleichem Hauptzweck. Dem lag konkret der Zusammenschluß der I. Hütte mit dem Hüttenbereich der S. AG sowie einiger weiterer Beteiligungen der S. -Gruppe zur „Stahlwerke P. AG” zugrunde. Dabei wurden die Teile der S. -Gruppe als Sacheinlage gegen die Übernahme von Anteilen der I. Hütte auf diese übertragen (vgl das Senatsurteil vom 30. Januar 1996 aaO; Ilgenfritz, Kompaß 1971, 11 ff auch zum ähnlich vollzogenen Zusammenschluß zwischen der S. AG und der W. AG).
b) Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes verdeutlicht den Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Verschmelzung, Umwandlung oder eine sonstige Maßnahme in diesem Sinne müssen wie in Art 2 §1b KnVNG eine Konzentration bestimmter Art und mit besonderer Zwecksetzung bewirken: Einerseits muß es sich um die Zusammenlegung von knappschaftlichen Betrieben desselben Bergbauzweiges handeln, worunter früher auch die Zusammenlegung von Hüttenbetrieben fiel (von denen einige – bis zur Aufhebung des Art 17 Einführungsgesetz zum RKG, BGBl III Gliederungsnummer 822-11≫ mit Wirkung vom 1. Juli 1991 durch Art 41 Nr 2 Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 ≪BGBl I 1606≫ – knappschaftlich versichert waren). Andererseits muß diese Vereinigung von Betrieben gleicher Wirtschaftsart einen Synergie-Effekt zum Zweck haben; dh durch die Vereinigung soll das aufnehmende oder neugebildete Unternehmen auf dem Wege des besseren Zusammenwirkens der Betriebe leistungsfähig und gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig bleiben (s Abgeordneter Urbaniak aaO S 4720 ≪D≫). §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI übernimmt – wie oben zu D 2 a ausgeführt – diesen Gesetzeszweck, ohne daß bei der Kodifikation des SGB VI insoweit eine echte Neuregelung beabsichtigt war. Sie wird im Gesetzesentwurf lediglich damit begründet, es sollten bestimmte Sonderregelungen im Knappschaftsbereich aufrechterhalten werden und damit der Besitzstandswahrung dienen (BT-Drucks 11/4124 S 203 zu §266 des SGB VI-Enwurfs). Gemeint war mithin die Aufrechterhaltung des schon mit Art 2 §1b KnVNG gewährten Besitzschutzes (s oben zu D 2 a). Demgegenüber gehören andere Arten der Umwandlung von Rechtsträgern nicht dazu. Hierunter fallen insbesondere bestimmte Spaltungen von Rechtsträgern, zB der Fall, daß aus einem Unternehmen durch Abspaltung oder Ausgliederung (§1 Nr 2 Umwandlungsgesetz vom 28. Oktober 1994, BGBl I 3210, ber BGBl 1995 I 428) Betriebsteile oder betriebliche Funktionen, die zB als Dienstleistungen nur mittelbar dem Produktionszweck des Betriebes dienen, auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Erfolgen solche Maßnahmen, um den Betrieb des übertragenden Rechtsträgers zB „schlanker” zu machen und ihn stärker auf seinen eigentlichen Produktionszweck zu beschränken oder zu rationalisieren, fehlt – wie bereits bei der nicht besitzgeschützten Veräußerung eines Nebenbetriebes (s oben zu D 2 a, aa) – die vom Gesetz vorausgesetzte Konzentrationsmaßnahme. Solche Einschränkungsmaßnahmen zum Zwecke der wirtschaftlichen Rationalisierung sind schon bisher nicht mit einem knappschaftsversicherungsrechtlichen Besitzschutz für die davon betroffenen Beschäftigten begünstigt worden. Nach dem Sinn und Zweck des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI soll ein solcher neuer Besitzschutz auch nicht eingeführt werden. Nichts anderes gilt bei innerbetrieblichen Folgemaßnahmen jenseits der 18-Monate-Frist (vgl dazu das Senatsurteil vom 30. Januar 1996 aaO). Konkrete Anhaltspunkte stehen danach dem Versuch entgegen, das Gesetz allein wegen seiner abstrakten Fassung weit auszulegen und davon abzusehen, in welchem wirtschaftlichen Zusammenhang es gestellt war.
c) Wie die Gesetzesmaterialien des §273 Abs 1 SGB VI im übrigen zeigen (dazu eingehend BSGE 80, 267, 276 ff), hat der Gesetzgeber in Satz 1 dieser Vorschrift Bestandsschutz für Altfälle geschaffen. Geregelt wird der Bestandsschutz der im – seit dem 1. Januar 1992 aufgehobenen (s Art 83 Nr 6 RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 ≪BGBl I 2261≫) – KnVNG begründeten Besitzschutzfälle. Es handelt sich dabei um solche Fälle, in denen die Beklagte bereits vor dem 1. Januar 1992 für Beschäftigte in nichtknappschaftlichen Betrieben aufgrund einer Besitzschutzregelung zuständig war. Diesen Besitzschutz setzt Satz 1 aaO fort (s oben zu C). Im Unterschied dazu zielt Satz 2 aaO – unter Anlehnung an den Wortlaut des Art 2 §1b Abs 2 KnVNG (vgl Grintsch in Kreikebohm, SGB VI §273 RdNr 7) – auf bestimmte ab 1. Januar 1992 eintretende Neufälle, in denen Beschäftigte ohne Besitzschutzregelung den betriebsbedingten knappschaftlichen Versicherungsschutz verlieren würden. Damit führt auch dieser Teil der Neufassung nicht zu einer erweiterten Anwendung des Besitzschutzes.
d) Es kann dahinstehen, welche gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung dem Übergang des EDV-Bereichs der SBW auf die Beigeladene zu 1) zugrunde liegt. Insoweit hat schon das LSG offengelassen, ob dieser Übergang rechtlich eine Verschmelzung, Umwandlung oder sonstige Maßnahme bedeutet. Denn jedenfalls liegt in diesem Übergang keine Konzentrationsmaßnahme, die die Voraussetzungen des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI erfüllt. Da diese Regelung nur Konzentrationsvorgänge fördern soll, scheidet eine Ausdehnung des Besitzschutzes für die knappschaftliche Versicherung der Beschäftigten in Fällen der vorliegenden Art aus. Diese kennzeichnet, daß eine bestimmte wirtschaftliche Umstrukturierung erfolgt: Ein Betrieb wird ausgegliedert, um Personal abzubauen, das infolge rückläufiger Kohleförderung oder wegen Rationalisierungsmaßnahmen zur Leistungssteigerung nicht mehr benötigt wird. Die Gegenmeinung, daß solche betrieblichen Strategien der Rationalisierung und zum Abbau von Personalüberhängen generell vom Besitzschutz der knappschaftlichen Versicherung begleitet sein sollten, steht mit der Zielsetzung des §273 Abs 1 Satz 2 SGB VI nicht in Einklang.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §193 Sozialgerichtsgesetz, wobei der Senat davon ausgeht, daß es unbillig wäre, dem Kläger (der Klägerin) die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) ganz oder nur zum Teil aufzuerlegen (vgl bereits Senatsurteil vom 30. Juni 1998 aaO).
Fundstellen
BSGE, 8 |
SGb 1999, 297 |
SozSi 1999, 344 |