Lässt sich eine Sondervergütung dagegen nicht einzelnen Monaten zurechnen, so ist sie in voller Höhe beim Insg zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis hätte ausgezahlt werden müssen, anderenfalls überhaupt nicht (BSG SozR 4100 § 141b Nr 42; SozR 3-4100 § 141b Nr 1; BSG 30. Mai 1990 – 10 RAr 15/89 = USK 9017; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 21; vgl auch Peters/Lange in Gagel, SGB III, § 183 Rz 108; Estelmann in Hennig, SGB III, § 183 Rz 138; Schmidt in Wissing, SGB III, § 183 Rz 74; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 183 Rz 99). So liegt der Fall hier. Die Jahressonderzahlung kann nicht dem Insg-Zeitraum, der hier auf Grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Dezember 1999 den Zeitraum vom 1. September bis 30. November 1999 umfasste, zugeordnet werden. Der Kläger hatte entsprechend § 3 Nr 2 Satz 1 des Tarifvertrages einen Anspruch auf Zahlung der betrieblichen Sonderzahlung zum 1. Dezember 1999. Dieser Tag liegt außerhalb des Insg-Zeitraumes.
Entgegen der Auffassung des LSG ist der Auszahlungs- und Fälligkeitszeitpunkt der Jahressonderzahlung nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 2. November 1999 auf den 10. November 1999 vorverlegt worden. Zwar steht der Vorrang des Tarifvertrages nach § 77 Abs 3 Satz 1 BetrVG einer derartigen Betriebsvereinbarung nicht entgegen, denn der Tarifvertrag lässt eine Betriebsvereinbarung durch die in § 3 Nr 3 enthaltene Öffnungsklausel iS des § 77 Abs 3 Satz 2 BetrVG ausdrücklich zu. Jedoch ist die Betriebsvereinbarung, mit der der Fälligkeitszeitpunkt der Sonderzahlung vorverlegt werden sollte, wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Der Prüfung der Vereinbarung vom 2. November 1999 am Maßstab der guten Sitten steht es nicht entgegen, dass es sich um eine Betriebsvereinbarung handelte. Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Betriebsvereinbarungen der Kontrolle zur Übereinstimmung mit Verfassung, Gesetzesrecht und guten Sitten sowie der Billigkeitskontrolle nach § 75 BetrVG unterliegen (BAGE 68, 41 = AP § 611 BGB Nr 138 mwN).
Ob ein Vertrag den guten Sitten zuwiderläuft, dh gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstößt, beurteilt sich auf der Grundlage des aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakters der Vereinbarung (vgl BGH LM § 138 BGB Nr 1; BGHZ 86, 82, 88). Zum Anwendungsbereich des § 138 BGB rechnen auch Rechtsgeschäfte, die gegen wichtige, rechtlich geschützte Belange der Allgemeinheit verstoßen (vgl Mayer-Maly/Armbrüster in Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 4. Aufl 2001, § 138 Rz 33 ff; Sack in Staudinger ≪1996≫, § 138 Rz 359 ff; Heinrichs in Palandt, 63. Aufl 2004, Rz 4). Hier ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts bereits aus dessen Inhalt. Denn es steht nach den Feststellungen des LSG fest, dass es der einzige Beweggrund für den Abschluss der Betriebsvereinbarung war, die Sonderzahlung zu Lasten der Beklagten und damit letztlich zu Lasten der Umlageverpflichteten zu sichern. Da zum Zeitpunkt des Abschlusses feststand, dass die Sonderzahlung zum neuen Fälligkeitszeitpunkt nicht durch die Mittel des Arbeitgebers befriedigt werden konnte, ist eine andere Zielsetzung nicht denkbar. Diese willkürliche Einbeziehung der Sonderzahlung widerspricht Sinn und Zweck der Insg-Versicherung. Diese Versicherung soll rückständige Arbeitsentgeltansprüche nur insoweit sichern, als sie dem Insg-Zeitraum zugeordnet werden können. Diesen Zweck verwirklicht die Insg-Versicherung dadurch, dass es für die Berücksichtigungsfähigkeit von Arbeitsentgelt regelmäßig auf den Zeitraum ankommt, in dem die Ansprüche erarbeitet worden sind (vgl BSGE 51, 107, 108 = SozR 4100 § 141b Nr 17). Auch bei Ansprüchen, die über einen längeren Zeitraum erworben worden sind, ist vorrangig zu fragen, ob die Arbeitsleistung dem Insg-Zeitraum anteilig zugeordnet werden kann. Lediglich soweit eine sachliche Zuordnung zum Insg-Zeitraum unmöglich ist, wird auf den Fälligkeitszeitpunkt abgestellt. Folglich verbietet es sich, die willkürliche Verschiebung dieses Zeitpunktes zu einem Zeitpunkt zuzulassen, zu dem feststeht, dass allein die Insg-Kasse belastet werden soll. Letzteres war vorliegend der Fall, denn es war bereits seit September 1999 kein Arbeitsentgelt gezahlt worden und es stand auch fest, dass der Arbeitgeber zum Fälligkeitszeitpunkt keine Zahlungen würde leisten können. Es handelte sich folglich um ein Rechtsgeschäft, das nach Inhalt, Zweck und Beweggrund allein darauf angelegt war, die Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers zu Lasten der Umlageverpflichteten zu regeln. Gründe, die abweichend vom Regelfall die Vereinbarung ausnahmsweise nicht als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine Rechtfertigung liegt insbesondere nicht in dem Zweck, den Arbeitnehmern möglichst umfangreiche Zahlungen aus der Insg-Kasse zu sichern.
Das LSG verkennt die subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB, wenn es dessen Anwendung letztlich mit der Erwägung verneint, im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung sei nicht mit Sicherheit davon auszugehen gewesen, dass der im Tarifvertrag geregelte Fälligkeitstag des 1. Dezember 1997 außerhalb des Insg-Zeitraumes liegen würde, denn der Insolvenzeröffnungstag habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden. Entgegen dieser Auffassung ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, sondern es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Der Kenntnis steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (BGH WM 1998, 513, 514; BGHZ 146, 298). Hinsichtlich der Realisierung des die Sittenwidrigkeit begründenden Tatbestandes ist ebenfalls keine sichere Kenntnis erforderlich (vgl BGH LM § 138 BGB Nr 32). Es genügt, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür vorliegt, dass der Insg-Schutz durch die Vereinbarung verbessert werden wird.
Diese Beurteilung der Betriebsvereinbarung wird durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Sittenwidrigkeit eines Verzichts auf nachehelichen Unterhalt bestätigt. Danach verstoßen Rechtsgeschäfte, die nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt sind, Vermögensverhältnisse zum Schaden der Sozialhilfeträger und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln, gegen die guten Sitten, wenn nicht besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen (BGHZ 86, 82, 86 ff; BGHZ 111, 36, 40 ff). Hierbei geht der BGH in seiner Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, dass Verträge “zu Lasten Dritter” grundsätzlich keine Anerkennung verdienen. Vielmehr endet die Vertragsfreiheit dort, wo die Rechte Dritter entgegenstehen. Hieraus hat der BGH gefolgert, dass ein anlässlich einer Ehescheidung vereinbarter Verzicht auf nachehelichen Unterhalt nicht nur dann gegen die guten Sitten verstoßen kann, wenn die Vereinbarung in der Absicht oder aus dem wesentlich mitbestimmenden Beweggrund abgeschlossen worden ist, den Ehegatten zu Lasten des Sozialhilfeträgers zu entlasten, sondern der Verzicht auch nach seinem objektiven Gehalt – und insoweit auch nach den möglichen Auswirkungen auf die Rechtstellung Dritter – mit den guten Sitten in Einklang stehen muss (BGHZ 86, 82, 89).
Mit der Anwendung des § 138 BGB auf die vorliegende Betriebsvereinbarung weicht der Senat nicht von dem Urteil des 10. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Februar 1990 – 10 RKg 15/89 – (BSGE 66, 238 = SozR 3-5870 § 2 Nr 4; ähnlich zu § 583 Reichsversicherungsordnung BSGE 61, 54 = SozR 2200 § 583 Nr 5) ab. In dieser Entscheidung ist zum Rechtszustand vor der Änderung des § 2 Abs 2 Satz 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ab dem 1. Januar 1994 ausgesprochen worden, dass eine Abrede über den Verzicht auf einen Teil der Ausbildungsvergütung, um dadurch für sich und den Kindergeldberechtigten einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig ist. Hierbei hat der 10. Senat des BSG zwar ausgeführt, dass es mit der geltenden Sozialrechtsordnung nicht in einem unauflösbaren Widerspruch stehe, wenn der Verzicht auf Ausbildungsvergütung im Wesentlichen vom subjektiven Hauptzweck des Verzichtenden geprägt werde, die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch zu schaffen. Allerdings ist entscheidend darauf abgestellt worden, dass das BKGG und ähnliche Vorschriften eine starre Einkommensgrenze bestimmten und damit bereits geringste unterschiedliche Geldbeträge in der Praxis zu einem “Alles- oder Nichtsprinzip” führten, sodass es dem Anspruchsberechtigten gestattet sein müsse, sich diesen Anspruchsvoraussetzungen anzupassen. Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Gestaltung ersichtlich dadurch, dass es sich nicht um die geringfügige Überschreitung von starren Einkommensgrenzen handelt, sondern der Gesamtbetrag der Sonderzahlung durch Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes in den Insg-Zeitraum zu Lasten der Umlageverpflichteten gesichert werden sollte. Damit nahmen die Betriebspartner keine vom Gesetzgeber eröffnete Gestaltungsmöglichkeit wahr, sondern wollten dem Gesetzeszweck zuwiderlaufende Sondervorteile für die Arbeitnehmer erlangen.
Im Hinblick auf die Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung nach § 138 BGB bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob auch der von der Revision angeführte Verstoß gegen das “Günstigkeitsprinzip” vorliegt (vgl dazu BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 21).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.