Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Gliederung in haus- und fachärztliche Versorgung. Verfassungsmäßigkeit. Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Übergangsregelung. Ausschluß von der Abrechnungsfähigkeit nach Hausarztvertrag
Leitsatz (amtlich)
Die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen haus- und einen fachärztlichen Versorgungsbereich ist verfassungsgemäß.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12; SGB V § 73 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a S. 2, Abs. 1c S. 1, §§ 95a, 73 Abs. 1a S. 3, Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. Mai 1996 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin die Genehmigung zur gleichzeitigen Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung beanspruchen kann.
Die Klägerin nimmt seit Oktober 1993 als Ärztin für Innere Medizin ohne Teilgebietsbezeichnung an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Ihren Antrag vom Juli 1995 auf Zulassung zur gleichzeitigen haus- und fachärztlichen Versorgungstätigkeit lehnte der Zulassungsausschuß für Ärzte – Düsseldorf – durch Beschluß vom 22. August 1995 ab; den Widerspruch der Klägerin wies der beklagte Berufungsausschuß durch Beschluß vom 29. November 1995 zurück. Es fehle für die beantragte zusätzliche Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung eine Rechtsgrundlage und daher eine Genehmigungskompetenz der Zulassungsinstanzen. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 73 Abs 1a Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Auch sei den Zulassungsinstanzen aufgrund der ihnen durch das Grundgesetz (GG) auferlegten Bindung an Recht und Gesetz die Nichtanwendung förmlicher Gesetze wegen einer möglichen Verfassungswidrigkeit verwehrt. Im übrigen müßte für den Fall der Verfassungswidrigkeit die Regelung des § 73 SGB V in der bis zum 31. Dezember 1992 gültig gewesenen Fassung angewendet werden. Diese enthalte ebenfalls eine dem Antrag der Klägerin entsprechende Genehmigungskompetenz der Zulassungsinstanzen nicht.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Abänderung seines Beschlusses vom 29. November 1995 verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Urteil vom 29. Mai 1996). Der angefochtene Beschluß sei rechtswidrig. Er stimme zwar mit der einfach-gesetzlichen Rechtslage überein, weil nach § 73 Abs 1a Satz 2 SGB V die kumulative Teilnahme von Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung an der haus- und an der fachärztlichen Versorgung ausgeschlossen sei. Die gesetzlich vorgenommene Trennung der Versorgungsbereiche sei jedoch verfassungswidrig. Zwar stehe dem Bund für diese Maßnahme die Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG zu; denn zu dem Recht der Sozialversicherung gehörten auch die Regelungen, die die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten beträfen. Dazu zähle auch die Vorschrift des § 73 Abs 1a SGB V. Die Norm verstoße aber wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Berufsfreiheit gegen Art 12 Abs 1 GG. Die von dem Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung zu treffende Wahlentscheidung führe dazu, daß er zum einen bestimmte Leistungen nicht erbringen und abrechnen dürfe, zum anderen seine vertragsärztliche Pflichtenstellung berührt werde. So verletzten die an der fachärztlichen Versorgung tätigen Vertragsärzte ihre vertragsärztlichen Pflichten, sofern sie hausärztliche Leistungen erbrächten. In diesem Fall müßten sie mit Disziplinarmaßnahmen oder gar einer Entziehung der Zulassung rechnen. Dieser Eingriff erweise sich als unverhältnismäßig, weil die Wahlentscheidung nicht zur Erreichung des gesetzgeberischen Anliegens zwingend erforderlich sei. Mit der Trennung in eine haus- und eine fachärztliche Versorgung habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Grundlagen für eine Aufwertung der hausärztlichen Tätigkeit und für die vertragsärztliche Bedarfsplanung zu schaffen. Zugleich sollte einer fachärztlichen Überversorgung begegnet werden. Diesen Zielen könne auch entsprochen werden, wenn die Patienten selbst entscheiden könnten, welchen Vertragsarzt sie als Hausarzt wählten. Dieser so bestimmte Arzt wäre berechtigt, die hausärztlichen Leistungen zu erbringen und abzurechnen. In Überweisungsfällen könne er hingegen auch fachärztliche Leistungen erbringen. Nur in dieser verfassungskonformen Auslegung sei die Vorschrift des § 73 Abs 1a SGB V verfassungsgemäß.
Mit der Sprungrevision rügt der Beklagte Verstöße gegen materielles Recht. Da das SG von der Verfassungswidrigkeit des § 73 Abs 1a SGB V ausgegangen sei, sei es verpflichtet gewesen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen. Es sei jedoch nicht befugt gewesen, den Gesetzgeber im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift zu korrigieren, was im Ergebnis jedoch der Fall sei. Zudem dürfe eine verfassungskonforme Auslegung nicht zu einer Neubestimmung des normativen Inhalts einer Vorschrift führen. Dies werde jedoch bei der vom SG vorgenommenen Interpretation erreicht, soweit nämlich entgegen dem Wortlaut des § 73 Abs 1a SGB V die Entscheidung über die Teilnahme an der haus- oder fachärztlichen Versorgung dem Patienten und nicht dem Arzt zukomme. Im übrigen sei es schon fraglich, ob durch die Trennung der Versorgungsbereiche die Berufsausübungsfreiheit der Internisten überhaupt berührt werde. Diese könnten ihren Beruf weiterhin ausüben. Sie seien lediglich daran gehindert, sofern sie an der hausärztlichen Versorgung nicht teilnähmen, die hausärztliche Vergütung abzurechnen. Jedenfalls sei eine solche Beschränkung der Berufsausübung durch die Ziele des Gesetzgebers gerechtfertigt, die als vornehmlich „persönliche Leistung” verstandene hausärztliche Tätigkeit aufzuwerten und hierdurch eine Grundlage für die vertragsärztliche Bedarfsplanung zu schaffen. Die Neuregelung sei zur Erreichung dieser Ziele notwendig gewesen und stehe zu deren Bedeutung in einem angemessenen Verhältnis.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. Mai 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die Trennung in eine haus- und eine fachärztliche Tätigkeit sei verfassungswidrig. Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergebe sich weder aus Art 74 Abs 1 Nr 19 GG noch aus Nr 12 aa0, weil die Trennung der Versorgungsbereiche in der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Beschränkung der nach den Weiterbildungsordnungen festgelegten fachärztlichen Tätigkeiten führe. In den Schutzbereich des Art 12 GG werde eingegriffen, weil nach § 95a Abs 2 und 3 SGB V nur weitergebildete Allgemeinärzte hausärztlich tätig sein dürften und die Aufteilung der Versorgungsbereiche einen wesentlichen Eingriff in den Zulassungsbereich darstelle. Die Begrenzung der vertragsärztlichen Tätigkeit erweise sich insbesondere im Hinblick auf ihre Situation als Internistin ohne Teilgebietsbezeichnung als unverhältnismäßig. Die von ihr zu treffende Wahlentscheidung habe eine einschneidende Einschränkung ihres beruflichen Leistungsspektrums zur Folge. Dagegen werde ein als Hausarzt tätiger Arzt für Allgemeinmedizin in seinen Leistungsmöglichkeiten weniger begrenzt. Hierin liege auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Aufgrund der zulassungs- und abrechnungsrechtlichen Konsequenzen der von Kinderärzten und Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung zu treffenden Wahlentscheidung habe der Gesetzgeber eine weitreichendere gesetzliche Übergangsregelung und eine Bestandsschutzklausel schaffen müssen. Die Übergangsregelung des § 9 des Hausarztvertrages sei insofern nicht ausreichend.
Die Beigeladenen zu 1) und 6) bis 8) beantragen ebenfalls,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. Mai 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 8) führt ergänzend aus, der Gesetzgeber habe keine Berufsbildregelung, sondern iS von Art 74 Abs 1 Nr 12 GG eine bloße Funktionsverteilung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung vorgenommen, die sich lediglich auf die Weiterbildungsordnungen und das dort bestimmte Berufsrecht beziehe. Ein verfassungswidriger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit liege nicht vor. Fachärzte ohne Teilgebietsbezeichnung, die sich für die hausärztliche Versorgung entschieden hätten, könnten grundsätzlich weiterhin Leistungen ihres Fachgebietes erbringen. Soweit die Abrechnung dieser Leistungen eingeschränkt sei, betreffe dies nach dem sogenannten Ausschlußkatalog nur einige ganz spezielle Leistungen aus den jeweiligen Bereichen der internistischen Tätigkeit, die eine Weiterbildung in einem bestimmten Schwerpunkt voraussetzten. Sofern Internisten an der fachärztlichen Versorgung teilnähmen, stehe ihnen das gesamte internistische Leistungsspektrum, einschließlich der hausärztlichen Leistungen bei der Betreuung ihrer Patienten, zur Verfügung. Lediglich die hausärztliche Grundvergütung, die ausdrücklich für die besondere hausärztliche Koordinierungsfunktion und die Versorgungsaufgaben nach § 73 Abs 1 SGB V vorgesehen sei, könne nicht abgerechnet werden. Daneben sei die Ordinationsgebühr der Nr 1 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) niedriger ausgewiesen und die Abrechnung der Leistungspositionen Nrn 10, 11, 12, 14 und 15 EBM, die keine hausärztlichen Regelleistungen enthielten, ausgeschlossen, wobei der Nr 10 die identisch dotierte Nr 17 EBM gegenüberstehe. Es handele sich somit um einen Eingriff von nur geringer Intensität, der durch die vom Gesetzgeber mit der Trennung der Versorgungsbereiche verfolgten Ziele gerechtfertigt sei. Zweck der Trennung sei es ua gewesen, dem zunehmenden Ungleichgewicht zwischen der allgemeinärztlichen und der fachärztlichen Versorgung entgegenzuwirken, durch die Aufwertung der hausärztlichen Tätigkeit den persönlichen Bezug zwischen Arzt und Patienten in den Vordergrund zu rücken und der Kostenexplosion im fachärztlichen Bereich zu begegnen. Dies seien vernünftige und sachgerechte Allgemeinwohlerwägungen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) und 6) schließen sich den Ausführungen des Beklagten an.
Die Beigeladenen zu 4) und 5) haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision des beklagten Berufungsausschusses ist begründet.
Entgegen der Auffassung des SG ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin nicht begründet. Der angefochtene Beschluß des Beklagten ist rechtmäßig.
Der von der Klägerin begehrten gleichzeitigen Teilnahme an der haus- und an der fachärztlichen Versorgung steht die Vorschrift des § 73 Abs 1a SGB V entgegen. Diese durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingeführte Regelung (Art 1 Nr 33 Buchst b, Art 35 Abs 1 GSG vom 21. Dezember 1992 – BGBl I 2266) bestimmt, daß an der hausärztlichen Versorgung Ärzte für Allgemeinmedizin und Ärzte ohne Gebietsbezeichnung teilnehmen (Satz 1 aaO). Kinderärzte und Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung wählen, ob sie an der hausärztlichen oder an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen (Satz 2 aaO). Soweit diese bereits am 1. Januar 1993 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, treffen sie ihre Wahl bis zum 31. Dezember 1995 (Satz 3 aaO). Der Zulassungsausschuß kann eine von Satz 2 abweichende, zeitlich befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nach Feststellung des Landesausschusses nicht gewährleistet ist (Satz 4 aaO). Die Regelungen sehen somit vor, daß eine gleichzeitige Teilnahme an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Hiervon ausgenommen waren bis zum 31. Dezember 1995 – neben anderen – Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung, die die Wahrnehmung hausärztlicher Versorgungsaufgaben noch nicht gewählt hatten, sofern sie am 1. Januar 1993 zugelassen waren.
Die Klägerin kann die gleichzeitige Teilnahme auch nicht aufgrund der dem Zulassungsausschuß nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V eröffneten Möglichkeit beanspruchen, wegen eines bestehenden Versorgungsbedarfs eine abweichende, zeitlich befristete Genehmigung zu erteilen. Ein derartiger Versorgungsbedarf liegt nach den Feststellungen des SG, das insoweit auf den Bescheid der Beklagten Bezug nimmt, nicht vor.
Die Regelungen über die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich (§ 73 Abs 1 SGB V) und die mit ihr einhergehende Zuordnung bestimmter Arztgruppen zu diesen Versorgungsbereichen (Art 73 Abs 1a SGB V) sind mit dem GG vereinbar.
Dem Bund steht insbesondere die Befugnis zur Regelung dieser Bereiche zu. Sie fallen in seine Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG. Nach dieser Vorschrift hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der Sozialversicherung. Dabei ist der Begriff der Sozialversicherung als weit gefaßter „verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff” zu verstehen, der alles umfaßt, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt (vgl BVerfGE 88, 203, 313, mwN). Hierzu zählt das Kassenarztrecht (heute: Vertragsarztrecht); denn das GG hat das Vertragsarztrecht als Teil der in der früheren Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelten Versicherung gegen Krankheit als Bundeskompetenz übernommen, und die Kassen- bzw Vertragsärzte sind als Leistungserbringer in das öffentlich-rechtliche System der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen (vgl BSG USK 94139 S 752; BVerwGE 65, 362, 365; ebenso Maunz in Maunz/Düring/Herzog/Scholz, GG, Art 74 RdNr 175 und 218; Kunig in: von Münch/Kunig, GG, 3. Aufl 1996, Art 74 Rd Nr 67; Degenhart in: Sachs, GG, Art 74 RdNr 53 und 75; Rengeling in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd IV, 1990, § 100 RdNr 191; Ebsen, VSSR 1996, 351, 353 ff).
Die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in die Versorgungsbereiche haus- und fachärztliche Versorgung ist diesem Kompetenztitel zuzuordnen. In der Sache stellt sie sich im System der gesetzlichen Krankenversicherung als eine Regelung unmittelbar zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung durch Zuordnung bestimmter Gruppen von Leistungserbringern zu einzelnen Versorgungsbereichen dar. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, zu der die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen nach § 75 Abs 1 SGB V verpflichtet sind, gehört zum Kernbereich des Vertragsarztrechts (vgl BVerfGE 65, 362, 365). An der Sicherstellung wirken die Vertragsärzte mit (§ 72 Abs 1 Satz 1 SGB V). Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt das ärztliche Handeln, das gem § 73 Abs 2 SGB V Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist, für die Versicherten der in § 4 Abs 2 SGB V aufgeführten Krankenkassen. Die Gliederung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung entspricht den Funktionen, die den Leistungen der Vertragsärzte im ambulanten Bereich im Verhältnis zu den Patienten zukommen. Dies ist zum einen die Funktion der hausärztlichen Versorgung, die durch eine inhaltlich intensivierte Betreuung des Patienten in seinem sozialen Umfeld und weitergehende Koordinierungs- und Dokumentationsaufgaben des Vertragsarztes gekennzeichnet ist. Zum anderen handelt es sich um die fachärztliche Versorgung, mit der dem Patienten insbesondere spezialistische diagnostische und therapeutische Maßnahmen erbracht werden. Die funktionale Gliederung der Versorgungsbereiche ist demnach bereits in der Struktur der vertragsärztlichen Versorgung angelegt (vgl auch Begründung des Gesetzentwurfs zum Gesundheits-Reformgesetz ≪GRG≫ BT-Drucks 11/2237, S 191 f, zu § 81). Bestimmungen, die sich auf die Ausgestaltung der Versorgungsbereiche beziehen oder an deren funktionale Trennung gegenständlich anknüpfen, stehen mit diesen in untrennbarem Zusammenhang und sind daher ebenfalls dem Rechtsbereich der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen. Dies sind neben der funktionalen Beschreibung des hausärztlichen Versorgungsbereichs und der Zuweisung der Arztgruppen hierzu auch die sich daran anschließenden besonderen Vergütungsregelungen für hausärztliche Leistungen, die die Erbringung dieser Leistungen innerhalb der hausärztlichen Versorgung voraussetzen.
Der Gesetzgeber hat mit den genannten Regelungen den Kompetenzbereich des Kassenarztrechts nicht überschritten. Er hat insbesondere nicht außerhalb des ärztlichen Berufsrechts eine neue ärztliche Berufsgruppe im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen (so aber M. Heinze, Gutachten zur Verfassungswidrigkeit der ausschließlichen hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung, nicht veröffentlicht, ohne Jahr, 17 ff, 32 ff; ders, MedR 1996, 252, 256; Hufen, Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Gebietsabgrenzung Hausarzt/Facharzt in § 73 SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des Berufsverbandes Deutscher Internisten, in: Beiträge aus: Der Arzt und sein Recht, 1997, 10 f; ebenfalls eine Kompetenzüberschreitung bejahend: Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, 1994, RdNr 258 f; ders, MedR 1995, 175, 178 f). Der Gesetzgeber des SGB V hat vielmehr den Vorrang des in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art 70 Abs 1 GG) fallenden allgemeinen ärztlichen Berufsrechts beachtet, an das nach der st Rspr des Senats die besonderen Regelungen des Vertragsarztrechts – zum Beispiel über die Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung (vgl § 2 Abs 1, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 und § 72 Abs 2 SGB V) – anknüpfen (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 28; SozR 3-2500 § 95 Nr 9 S 34 f; SozR 3-5520 § 32 b Nr 2 S 4 f; Urteil vom 29. Januar 1997 – 6 RKa 81/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Abgrenzung der Versorgungsbereiche schließt an die berufsrechtlichen Vorgaben des Landesrechts an. Die Zuweisung der Arztgruppen zur Teilnahme an der hausärztlichen oder an der fachärztlichen Versorgung bedeutet lediglich, daß die Ärzte im Rahmen des allgemeinen Berufsrechts an einer der beiden Versorgungsfunktionen des Vertragsarztrechts teilnehmen. Durch die Bestimmung des Inhalts der hausärztlichen Versorgung erfolgt nicht eine Ausdehnung der ärztlichen Tätigkeit über die Fachgebietsgrenzen hinaus. Vielmehr wird die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung bereits bestehenden Arztgruppen zugeordnet und von diesen Ärzten im Rahmen ihres Fachgebietes der Allgemeinmedizin, der Inneren Medizin oder der Kinderheilkunde wahrgenommen. Soweit der durch die Fachgebietsgrenzen definierte Inhalt des Tätigkeitsumfangs aufgrund der Teilnahme des Facharztes an der hausärztlichen Versorgung eingeschränkt wird, stellt dies eine der Legitimation bedürfende Regelung der Berufsausübung, nicht hingegen die Schaffung eines neuen Berufsbildes dar.
Eine Überschreitung der Kompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG durch die Gliederung des vertragsärztlichen Versorgungsbereichs und die Zuordnung bestimmter Arztgruppen zu den Teilbereichen kann auch nicht damit begründet werden, daß der Gesetzgeber des GSG in § 95a SGB V, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1994 (Art 1 Nr 52, Art 35 Abs 3 GSG), einen neuen Hausarzttypus geschaffen und damit gegen die Kompetenz der Länder zur Regelung des ärztlichen Weiterbildungsrechts verstoßen habe (so aber M. Heinze, Gutachten, 19 ff; ders, MedR 96, 252, 256; Hufen, Gutachten, 10 f; Schneider, MedR 1995, 175, 177, 179). Die Vorschrift stellt für die Eintragung in das Arztregister für Vertragsärzte, die Voraussetzung für die vertragsärztliche Zulassung ist (§ 95 Abs 2 SGB V), bestimmte Qualifikationsmerkmale auf, die erfüllt werden müssen. Sie legt im einzelnen fest, daß für die Eintragung neben der Approbation als Arzt der erfolgreiche Abschluß entweder einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung oder einer Weiterbildung in einem Fachgebiet vorliegen (Abs 2 aa0) und welchen Mindestanforderungen eine allgemeinmedizinische Ausbildung gerecht werden muß, um als Eintragungsqualifikation anerkannt zu werden. Zielrichtung der Regelung ist damit nicht die Bestimmung des – in die Kompetenz der Bundesländer fallenden – allgemeinen ärztlichen Weiterbildungsrechts, zumal § 95a Abs 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich auf die landesrechtliche Berechtigung zur Führung von Facharztbezeichnungen Bezug nimmt. Es werden vielmehr die Eingangsvoraussetzungen für die Teilnahme von allgemeinmedizinisch tätigen Ärzten an der vertragsärztlichen Versorgung normiert. Da dem Allgemeinmediziner insbesondere in seiner hausärztlichen Versorgungsfunktion innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung eine einzigartige Steuerungsfunktion zukommt (Begr zum Entwurf des GSG, BT-Drucks 12/3608, S 94, zu Nr 49), kann dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG nicht abgesprochen werden, für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung die Zugangsvoraussetzungen zur Teilnahme von Allgemeinärzten an der vertragsärztlichen Versorgung iS spezieller Qualifikationen zu regeln. Demgemäß sind im Gesetzgebungsverfahren von einzelnen Bundesländern zunächst erhobene Bedenken gegen die Zuständigkeit des Bundes von diesen nicht weiter verfolgt worden.
Die Vorschriften des § 73 Abs 1 und Abs 1a SGB V erweisen sich gleichfalls als verfassungsmäßige Regelungen der Berufsausübung der Vertragsärzte iS von Art 12 Abs 1 Satz 2 GG. Die Aufgliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen hausärztlichen und in einen fachärztlichen Versorgungsbereich (§ 73 Abs 1 SGB V) und die sich als Folge der Trennung der Versorgungsbereiche ergebende Zuordnung einzelner Arztgruppen zu diesen Versorgungsbereichen beeinflußt nicht, auch nicht mittelbar, die Freiheit der Berufswahl. Im Gesetz selbst sind die Auswirkungen der Zuordnung eines Vertragsarztes zum haus- oder fachärztlichen Versorgungsbereich nicht vollständig, sondern nur punktuell geregelt. Die Zusammenschau der gesetzlichen Bestimmungen und der zur Verwirklichung des gesetzgeberischen Regelungskonzepts unverzichtbaren untergesetzlichen Vorschriften vor allem im EBM gemäß § 87 Abs 2 SGB V und im Bundesmantelvertrag zeigt deutlich, daß die Trennung der Versorgungsbereiche ausschließlich die Modalitäten der Ausübung des Arztberufs im System der vertragsärztlichen Versorgung betrifft. Für den Vertragsarzt wirkt sie sich allein in der Weise aus, daß bestimmte ärztliche Leistungen ausschließlich der haus- bzw der fachärztlichen Versorgungform zugerechnet werden und deshalb nur noch von dem Arzt abgerechnet werden können, der im jeweiligen Bereich tätig ist. Insofern handelte es sich um vergütungsrechtliche Konsequenzen, die den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit und nicht die Berufswahl berühren (vgl BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 28 f; 88, 145, 159).
Der Stärkung der hausärztlichen Versorgung dient zunächst die Einführung einer besonderen Honorierung der in § 73 Abs 1 Satz 2 SGB V beschriebenen spezifischen Versorgungsfunktionen im EBM (§ 87 Abs 2a Satz 3 SGB V: hausärztliche Grundvergütung), für deren Finanzierung ua Einsparungen zu verwenden waren, die durch die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven bei den Laborleistungen erzielt wurden (§ 85 Abs 4a S 1 SGB V). Darüber hinaus sind im EBM weitere, nur vom Hausarzt abrechenbare Leistungen festzulegen (Abs 2 Satz 4 aaO). Zudem haben nach § 73 Abs 1c Satz 1 SGB V die Spitzenverbände der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemeinsam und einheitlich das Nähere, insbesondere über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu vereinbaren. Den letztgenannten Vorgaben sind die Vertragspartner des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) nachgekommen. Sie haben durch den Abschluß des Vertrages über die hausärztliche Versorgung (Hausarztvertrag) vom 6. September 1993 (Deutsches Ärzteblatt 1993, C-1837) geregelt, welche speziellen Leistungen in der hausärztlichen Versorgung nicht abrechnungsfähig sind. Im EBM 1996 (Deutsches Ärzteblatt 1995, Beilage zu Heft 39) sind die Leistungen bestimmt, die nur von an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten abgerechnet werden können. Die aus diesen Vergütungsregelungen folgenden Beschränkungen betreffen die Berufsausübung, nicht aber den Status des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes. Sie haben eine geringere Intensität als etwa die Bindung des Facharztes an sein Fachgebiet, wie sie sich aus dem allgemeinen Berufsrecht mit Wirkung auch für das Vertragsarztrecht und damit für die Abrechnungsfähigkeit vertragsärztlicher Leistungen ergibt (vgl zuletzt BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 9 S 34 f).
Berufausübungsregelungen dürfen vom Gesetzgeber getroffen werden, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (BVerfGE 94, 372, 390; vgl auch BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 28). Die Aufgliederung der vertragsärztlichen Versorgung in die Versorgungsbereiche der haus- und der fachärztlichen Versorgung mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Leistungserbringer wird den aufgezeigten Anforderungen gerecht (aA: Broglie in: Der Internist 1994, M 159 ff). Die Regelungen dienen zunächst dem Ziel, ökonomische Fehlentwicklungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung zu beseitigen und damit die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Sie wollen zugleich auch die Qualität der Grundversorgung der Patienten fördern. Bei beiden Gesichtspunkten handelt es sich um Gemeinwohlbelange, die Berufsausübungsregelungen durch den Gesetzgeber zu tragen geeignet sind (vgl für die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenkassenversicherung BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 26, 29).
Diese Ziele erschließen sich insbesondere unter Berücksichtigung der sachverständigen Stellungnahmen, auf deren Grundlage die Regelungen ergangen sind. Bereits im Jahresgutachten 1988 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen ist kritisiert worden, daß die durch den Wissenszuwachs in der Medizin und die technische Entwicklung fortschreitende Spezialisierung – nicht zuletzt unter dem Einfluß der bestehenden Honorierungsformen – voll in den Bereich der ambulanten Versorgung hineingetragen worden sei und dementsprechend der Anteil der Gebietsärzte an allen niedergelassenen Kassenärzten im Laufe der letzten Jahre zugenommen habe (aaO, S 191, 194 f). Diese Entwicklung verteuere die Versorgung, da die Zahl der Überweisungen mit dem Angebot an Gebietsärzten ansteige und bei ihnen teilweise sehr aufwendige Verfahren und Geräte zum Einsatz kämen. Der Sachverständigenrat hat deshalb unter Abwägung von Vor- und Nachteilen eines direkten Gebietsarztzuganges empfohlen, daß Patienten grundsätzlich als erstes den Hausarzt in Anspruch nehmen sollten. Nur so könne dieser die ihm zugedachte Filter- und Verteilerfunktion optimal ausüben (aaO, S 196).
Der Gesetzgeber hat diese Vorschläge aufgegriffen und in § 73 Abs 1 SGB V idF des GRG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) bestimmt, daß die kassenärztliche Versorgung sich in die hausärztliche und in die fachärztliche Versorgung gliedere (Satz 1 aaO), wobei Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung durch die Vertragsparteien der Bundesmantelverträge bestimmt werden sollten (Satz 2 aaO).
Im Jahresgutachten 1989 hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen neben anderem wiederum vorgeschlagen, zur Verbesserung der Versorgungsqualität und zur Sicherung der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung ein primärärztliches Versorgungssystem einzuführen, in dem der Versicherte den Zugang zum Gesundheitssystem nur über einen Primärarzt erreichen kann. Eine spezialärztliche Behandlung soll danach grundsätzlich nur auf Anforderung des Primärarztes möglich sein (aaO, S 207 ff, insbesondere S 209 mit der Darlegung der Vorteile des Primärarztsystems).
In der Folgezeit hat die Enquetekommission des Deutschen Bundestages in ihrem Endbericht „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung” (BT-Drucks 11/6380 vom 12. Februar 1990) das Verhältnis zwischen medizinischer Grundversorgung und spezialärztlicher Behandlung untersucht und wesentliche ökonomische Mängel des Systems festgestellt, sowohl was eine gesundheitspolitisch und ökonomisch sinnvoll abgestufte, koordinierte ambulante ärztliche Betreuung als auch die Qualität der Versorgung betraf (BT-Drucks aaO, S 62 f). Die Enquetekommission forderte deshalb zur Vermeidung einer medizinisch fragwürdigen Behandlungsvielfalt sowie zum Abbau schichtenspezifischer Unterschiede bei der Inanspruchnahme des Versorgungsangebotes, daß der Hausarzt in das Zentrum der kassenärztlichen Versorgung gestellt werde (aaO, S 72).
Nachdem es zu einer Ausfüllung des Regelungsauftrages des § 73 Abs 1 Satz 2 SGB V idF des GRG durch die Partner des BMV-Ä nicht gekommen war, hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 73 Abs 1 SGB V im GSG vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) neu gefaßt. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hierzu, der gesetzliche Auftrag an die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen, die kassenärztliche Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung zu gliedern, werde konkretisiert, um die notwendigen Grundlagen für die Aufwertung der hausärztlichen Tätigkeit sowie für die kassenärztliche Bedarfsplanung zu schaffen (BT-Drucks 12/3608, S 72, S 83 zu Nr 33).
Die angestrebten Ziele, nämlich die Zurückdrängung kostensteigender Entwicklungen aufgrund der ständigen Zunahme spezieller fachärztlicher Leistungen und die Verbesserung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgungsstruktur, sollten durch die Stärkung der Funktion des Hausarztes erreicht werden. Die genannten Gemeinwohlbelange rechtfertigen die mit den gesetzgeberischen Maßnahmen verbundenen Eingriffe in die Berufsausübung der betroffenen Vertragsärzte.
Die funktionale Gliederung der Versorgungsbereiche sowie die Zuordnung bestimmter Arztgruppen hierzu ist – neben vielen anderen – ebenfalls ein geeignetes Mittel, medizinisch nicht gerechtfertigte Leistungsausweitungen und damit sachlich nicht begründete Ausgabensteigerungen im Bereich der ambulanten Versorgung zu begrenzen. Maßgebend für die Beurteilung der Geeignetheit ist insofern die Einschätzung des Gesetzgebers, ob der angestrebte Erfolg erreicht werden kann. Diese Einschätzung ist nur zu beanstanden, wenn das eingesetzte Mittel objektiv ungeeignet ist (vgl BVerfGE 73, 301, 315 mwN). Das ist indessen nicht der Fall; denn es ist ohne weiteres nachvollziehbar, daß aufgrund der besonderen Inhalte der Versorgungsbereiche und der Steuerungsfunktion des in der hausärztlichen Versorgung tätigen Vertragsarztes, der als Mittler zum Versicherten und als Koordinator anderer medizinischer Leistungen fungieren soll, die angestrebte Beschränkung der Ausgabenentwicklung und die Sicherung der Qualität im ambulanten Bereich eintreten kann (vgl Ebsen, VSSR 1996, 351, 365; Schneider, Handbuch aaO, RdNr 256; vgl zu aktuellen Überlegungen zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung: Oldiges, DOK 1997, 75 ff).
Die Ausschließlichkeit der gesetzlichen Zuweisung der Arztgruppen in die jeweiligen Versorgungsbereiche ist auch erforderlich, weil dem Gesetzeszweck nicht durch eine weniger einschneidende Regelung entsprochen werden kann. Weniger belastend wäre zwar die im angegriffenen Urteil befürwortete Maßnahme, nach der der jeweilige Patient in Ausübung der freien Arztwahl (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V) den Arzt bestimmt, der als Arzt seines besonderen Vertrauens hausärztlich tätig wird. Eine Regelung dieser Art wäre jedoch gerade nicht geeignet, den beabsichtigten Gesetzeszweck zu verwirklichen. Das Gesetz sieht es nicht als ausreichend an, daß irgendein Vertragsarzt, gleichgültig, in welchem Fachgebiet er tätig ist, die in § 73 Abs 1 Satz 2 SGB V näher beschriebenen – hausärztlichen – Versorgungsaufgaben wahrnimmt. Ihm liegt vielmehr die Vorstellung zugrunde, daß die Wahrnehmung der Hausarztfunktion durch einen Arzt mit spezifischer Qualifikation geschieht, dessen Behandlung auf die umfassende ärztliche Betreuung eines Patienten ausgerichtet ist. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber, wie sich aus § 73 Abs 1 iVm § 73 Abs 1a Satz 1 SGB V ergibt, im Rahmen einer unvermeidlichen Typisierung die besondere Eignung zur hausärztlichen Betreuung in erster Linie bei den Allgemeinärzten, aber auch bei denjenigen Gebietsärzten wie etwa den Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung, die bisher schon vorrangig in der hausärztlichen Versorgung tätig waren, sieht. Der Gesetzgeber ist nicht soweit gegangen, der Anregung des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zu folgen, ein Primärarztsystem einzuführen (vgl Jahresgutachten 1989, S 209), also den Zugang der Versicherten zu einem Facharzt zwingend an die Überweisung durch einen Hausarzt zu binden. Mit der Umsetzung dieser Vorschläge wären tiefgehende Einschnitte in das bestehende System der vertragsärztlichen Versorgung verbunden gewesen. Er hat vielmehr das mildere Mittel gewählt, das Leistungsverhalten der Vertragsärzte über Vergütungsanreize zu steuern. Mit der durch die Schaffung von Vergütungsanreizen beabsichtigten Lenkung der Leistungserbringung soll ua erreicht werden, daß ggf bei einem Patienten erforderliche spezialisierte Diagnose- und Therapiemaßnahmen durch einen nicht in einem bestimmten Leistungsspektrum spezialisierten, aber gleichwohl fachlich kompetenten Arzt koordiniert werden. Diese Funktion kann ein – je nach Gesundheitszustand und Behandlungserwartung des Patienten häufig wechselnder – spezialisierter Facharzt, der sich auf die Behandlung bestimmter Gesundheitsstörungen beschränkt hat und der deshalb typischerweise nicht den insoweit erforderlichen allgemeinen breiten Kenntnis- und Erfahrungsstand gewährleisten kann, nicht wahrnehmen.
Auswirkungen dieser Stärkung der hausärztlichen Funktion durch die dargestellten Anreize im Vergütungssystem, die zur Unzumutbarkeit des Eingriffs für die Gruppen der hausärztlich oder der fachärztlich tätigen Internisten führen könnten, sind nicht geltend gemacht. Sie sind auch nicht ersichtlich, weil beiden Arztgruppen im wesentlichen die bisherigen Versorgungsbereiche, in denen sie tätig waren, erhalten bleiben.
Eine Unzumutbarkeit des Eingriffs ergibt sich auch nicht aus den getroffenen Übergangsregelungen. Nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V treffen Kinderärzte und Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung, die am 1. Januar 1993 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, ihre Wahl für den haus- oder fachärztlichen Versorgungsbereich bis zum 31. Dezember 1995. Die zunächst im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vorgesehene Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 1994 (BT-Drucks 12/3608, S 9, Nr 33 Buchst b) ist aufgrund der Beratungen im BT-Ausschuß für Gesundheit (BT-Drucks 12/3930, S 20, Nr 33 Buchst b) um ein Jahr verlängert worden, um Bedenken ua hinsichtlich der getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen der Vertragsärzte zu begegnen. Über die gesetzlich bestimmte Übergangsfrist hinaus räumt § 10 Abs 2 des Hausarztvertrages vom 6. September 1993 den Fachärzten für Innere Medizin und Kinderheilkunde, die eine Schwerpunktbezeichnung nicht führen, auch wenn sie am 1. Januar 1993 noch nicht zugelassen waren, die Möglichkeit ein, ihre Wahlentscheidung mit Wirkung ab 1. Januar 1996 bis zum 31. März 1996 zu treffen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Übergangsregelung sind aber über die reinen Fristenbestimmungen hinaus die weiteren Vorschriften des Hausarztvertrages zu berücksichtigen, die sich auf die Modalitäten der Teilnahme an der haus- oder fachärztlichen Versorgung auswirken. Nach § 9 des genannten Vertrages können nämlich Vertragsärzte, welche in der vertragsärztlichen Versorgung vor dem 1. Januar 1994 regelmäßig ärztliche Leistungen der Liste nach § 6 Abs 2 des Vertrages abgerechnet haben, solche Leistungen im Falle der Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung längstens bis zum 31. Dezember 2002 erbringen und abrechnen. Diese Vorschrift gewährt den betroffenen Ärzten einen Besitzstandsschutz und dient der weichen Überleitung im Hinblick auf die von den Ärzten getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen (vgl Ebsen, VSSR 1996, 351, 367). Hinzu kommt, daß nach § 7 Abs 1 des Vertrages über die hausärztliche Versorgung die Entscheidung der Ärzte für Innere Medizin oder Kinderheilkunde, die sich für die hausärztliche Versorgung entschieden haben, nicht unwiderruflich ist, sondern mit Wirkung für die Zukunft korrigiert werden kann. Die Gesamtwürdigung der gesetzlichen und der sie ergänzenden untergesetzlichen Maßnahmen ergibt insgesamt das Bild einer Übergangsregelung, die die Interessen der betroffenen Fachärzte hinsichtlich der von ihnen getätigten wirtschaftlichen Dispositionen in ausreichendem Umfang berücksichtigt, so daß die Zumutbarkeit auch der Übergangsregelung zu bejahen ist.
Die Aufgliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich mit der Zuordnung der jeweiligen Arztgruppen hierzu ist auch mit dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Nach dieser Norm ist der Gesetzgeber gehalten, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 93, 386, 396). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Entsprechendes gilt für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Aus Wortlaut und Sinn des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich nach Auffassung des BVerfG zudem je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die in einer abgestuften Kontrolldichte der Gerichte ihre Entsprechung finden. So ist bei der Ungleichbehandlung von Sachverhalten, die nicht zugleich mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken oder sich nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken, als Maßstab nur das Willkürverbot heranzuziehen. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG kann dann nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist. Dagegen unterliegt der Gesetzgeber bei Ungleichbehandlungen von Personengruppen oder von Sachverhalten, die solches mittelbar bewirken oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Hier haben die Gerichte im einzelnen nachzuprüfen, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl zB BVerfGE 88, 87, 96 f).
Die Klägerin sieht in der Einschränkung des nach seiner Wahlentscheidung an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung in den nach seiner Ausbildung zum Facharzt eröffneten Leistungsmöglichkeiten eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber dem ebenfalls in der hausärztlichen Versorgung tätigen Allgemeinarzt, der in seinen fachlichen Leistungsmöglichkeiten nicht beeinträchtigt sei. Dem ist nicht zu folgen. Der auf der Grundlage des § 73 Abs 1c Satz 1 SGB V vereinbarte Vertrag über die hausärztliche Versorgung bestimmt hierzu in § 6 Abs 1, daß in der hausärztlichen Versorgung diejenigen ärztlichen Leistungen nicht vergütet werden, für welche nach dem maßgeblichen Weiterbildungsrecht eingehende Kenntnisse und Erfahrungen nicht – lediglich – in der Weiterbildung im Fachgebiet der Inneren Medizin oder Kinderheilkunde, sondern ausschließlich in der zusätzlichen Weiterbildung im Schwerpunkt oder einer fakultativen Weiterbildung in diesem Fachgebiet erworben werden können (aaO S 1). Ergänzend hierzu legt Satz 2 aaO fest, daß Leistungen im Fachgebiet der Inneren Medizin oder der Kinderheilkunde, für welche eingehende Kenntnisse und Erfahrungen vorrangig im Rahmen der Weiterbildung im Schwerpunkt oder in einer fakultativen Weiterbildung oder zum Erwerb einer Fachkunde erworben werden können, durch eine zu erstellende Liste über die abrechnungsfähigen Leistungen insoweit ausgeschlossen werden können, als sie den Rahmen der hausärztlichen Versorgung überschreiten. Diese Leistungen sind in der Liste zu § 6 Abs 2 des Vertrages über die hausärztliche Versorgung (Vereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 17. März 1994, Deutsches Ärzteblatt 1994, A – 916, neu gefaßt durch Vereinbarung vom 11. Dezember 1995 mit Wirkung ab 1. Januar 1996 – Deutsches Ärzteblatt 1995, C – 2325) enthalten. Soweit in ihr Leistungen von der Abrechnungsfähigkeit durch den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Internisten ausgenommen worden sind, für die in den Fachgebieten der Inneren Medizin eingehende Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich oder vorrangig im Rahmen der Weiterbildung im Schwerpunkt, in einer fakultativen Weiterbildung oder zum Erwerb einer Fachkunde erworben werden können (vgl zum Ganzen: Information der KBV, Deutsches Ärzteblatt 1994, A – 916), liegt ein sachlicher Grund für den Ausschluß der Abrechnungsfähigkeit darin, daß den Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung schon nach ärztlichem Weiterbildungsrecht die Erbringung dieser Leistungen nicht möglich ist. Sofern darüber hinaus die Abrechnungsfähigkeit einzelner Leistungen ausgeschlossen worden ist, die berufsrechtlich nicht den Erwerb eingehender Kenntnisse und Erfahrungen in einer zusätzlichen Weiterbildung voraussetzen, ist nicht zu bestanden, daß die Vertragspartner des BMV-Ä diese Leistungen aus der hausärztlichen Versorgung herausgenommen haben, weil sie von ihrer Struktur her der spezialisierten fachärztlichen Versorgung zuzurechnen sind und in diesem Versorgungsbereich erbracht werden können.
Nach alledem war der Revision des beklagten Berufungsausschusses zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174400 |
BSGE 80, 256 |
BSGE, 256 |
NJW 1999, 888 |
NVwZ 1999, 455 |
SozR 3-2500 § 73, Nr.1 |
SozSi 1998, 238 |