Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Anwendung von § 128 Abs 1 S 2 Nr 3 AFG. Aufhebungsvertrag. Eigenkündigung. Kündigungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Ist das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet worden, kann sich der Arbeitgeber jedenfalls dann nicht auf den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 S 2 Nr 3 AFG berufen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund des Vertrages vor dem Tag geendet hat, zu dem es bei einer fristgerechten Kündigung durch den Arbeitnehmer geendet hätte.
2. Ist die Arbeitslosigkeit, deren Kosten der Arbeitgeber erstatten soll, auf eine einseitige und auf Dauer angelegte Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer zurückzuführen, findet § 128 Abs 1 S 2 Nr 3 AFG entsprechend Anwendung.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AFG § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Fassung: 1992-12-18, Nr. 5, § 101 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. November 1995 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung, die die Beklagte für die am 12. April 1935 geborene H. … K. … (K) aufgewendet hat.
K war beim Kläger seit dem 1. März 1976 als Kinderschwester angestellt. Sie arbeitete ausschließlich im Nachtdienst, seit 1991 noch 85 Stunden monatlich. K war seitens des Klägers unkündbar und konnte das Arbeitsverhältnis selbst mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende kündigen. K wurde wegen der Pflege ihrer im Dezember 1992 verstorbenen Mutter und danach wegen gesundheitlicher Überlastung auf eigenen Wunsch wiederholt ohne Bezüge freigestellt; lediglich vom 16. Januar bis zum 20. Januar 1993 war sie nochmals als Aushilfe tätig. Am 11. Februar 1993 bat K den Kläger schriftlich um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1993. Daraufhin schlossen der Kläger und K am 12. Februar 1993 folgenden Aufhebungsvertrag:
- „Das Arbeitsverhältnis wird zum 31. März 1993 gelöst.
- 2. Ein Anspruch auf Resturlaub besteht nicht.
- 3. Frau K. … erklärt, daß alle ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit dessen Beendigung abgegolten sind und sie keine weiteren Forderungen – ganz gleich aus welchem Rechtsgrund – mehr hat.”
Seit dem 1. Mai 1994 ist K wieder beim Kläger, nunmehr im Tagesdienst, beschäftigt.
K hatte sich bereits am 29. Dezember 1992 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Sie wies darauf hin, daß sie aus gesundheitlichen Gründen die Nachtarbeit nicht mehr verrichten könne. Hierzu legte sie eine bestätigende ärztliche Bescheinigung vor. Ferner erklärte der Kläger auf Anfrage der Beklagten, er habe während des unbezahlten Urlaubs der K, abgesehen von der Beschäftigung für vier Nächte, auf jeglichen Einsatz verzichtet und von seinem Direktions- bzw Weisungsrecht keinen Gebrauch mehr gemacht. Die Beklagte gewährte K daraufhin Alg ab dem 1. Januar 1993.
Mit dem Bescheid vom 21. Dezember 1993 traf die Beklagte eine „Entscheidung über die Erstattungspflicht gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)” des Inhalts, daß der Kläger verpflichtet sei, das der ehemaligen Arbeitnehmerin gezahlte Alg sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ab 12. April 1993 für längstens 624 Tage zu erstatten. Ferner verlangte die Beklagte mit weiteren Bescheiden die Erstattung von Alg und Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für die Zeit vom 12. April 1993 bis 19. Dezember 1993 in Höhe von 9.644,40 DM (Bescheid vom 21. Dezember 1993, Widerspruchsbescheid vom 30. März 1994), für die Zeit vom 20. Dezember 1993 bis 11. April 1994 in Höhe von 4.380,34 DM (Bescheid vom 11. Mai 1994, Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1994) und für die Zeit vom 12. April 1994 bis 30. April 1994 in Höhe von 768,22 DM (Bescheid vom 22. Juni 1994, Widerspruchsbescheid vom 19. September 1994).
Das Sozialgericht hat der Anfechtungsklage stattgegeben (Urteil vom 21. März 1995): Zwar habe K wegen der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses und der Formulierung in ihrem Zeugnis keine Kündigung aussprechen wollen und damit keine einseitige Lösung des Arbeitsverhältnisses gewünscht, sondern eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Jedoch sei § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG dahingehend auszulegen, daß Aufhebungsverträge der Kündigung durch den Arbeitnehmer jedenfalls dann gleichgestellt werden müßten, wenn der Arbeitnehmer alleine die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlaßt habe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. November 1995). Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, es sei nicht möglich, in sog materiell-rechtlicher Betrachtungsweise Aufhebungs- oder Auflösungsverträge als Eigenkündigungen iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG zugunsten des Arbeitgebers zu interpretieren. Hier sei der Kläger in eindeutiger Weise an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses beteiligt gewesen. Der Vorschlag, einen Aufhebungsvertrag in dieser Form zu schließen und zu formulieren, sei von ihm ausgegangen. Darüber hinaus habe er ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehabt. Der Kläger habe selbst zu erkennen gegeben, daß er nicht berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG seien daher ebenfalls nicht erfüllt.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 128 AFG, Art 12 und 14 Grundgesetz (GG). Das Schreiben der K vom 11. Februar 1993 sei als Eigenkündigung zu werten. Ferner sei der Ausnahmetatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG zumindest in seiner notwendigen verfassungskonformen Auslegung erfüllt. Das Motiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei alleine von K ausgegangen. Die Entlastungsfunktion des § 128 AFG rechtfertige seine Inanspruchnahme nicht. Der Verantwortungsbereich eines Arbeitgebers sei nicht formal, sondern materiell zu bestimmen. Eine verfassungskonforme Auslegung des Ausnahmetatbestandes sei im Hinblick auf Art 14 und 12 GG geboten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. November 1995 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21. März 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Ob der Kläger der Beklagten gemäß § 128 AFG 14.792,96 DM zu erstatten hat, kann aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21. Dezember 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1994, der Bescheid vom 11. Mai 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 1994 und der Bescheid vom 22. Juli 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1994. Keiner Erörterung bedarf die Frage, ob die Beklagte entsprechend der im DBl-Runderlaß 11/93 vom 3. Februar 1993 Rz 7.4 Abs 3 vorgesehenen Verfahrensweise zu „Grundentscheidungen” über die Erstattungspflicht berechtigt ist. Eine über die „Erstattungsbescheide” hinausgehende Beschwer enthält der „Grundlagenbescheid” vom 21. Dezember 1993 nicht, da die Erstattungsbescheide zumindest konkludent auch eine Entscheidung über die Erstattungspflicht für den gesamten hier streitigen Zeitraum enthalten.
1. Das LSG ist zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger habe das der K ab 12. April 1993 gewährte Alg nach § 128 AFG (idF des Gesetzes zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I, 2044) zu erstatten. Das setzt indes voraus, daß diese Vorschrift, die erst am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist, auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung findet. Nach der Übergangsregelung in § 242m Abs 10 Nr 1 AFG ist § 128 AFG nicht anzuwenden, wenn der Anspruch auf Alg vor dem 1. Januar 1993 entstanden ist oder das Arbeitsverhältnis vor dem 1. Juli 1992 gekündigt oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor diesem Tag vereinbart worden ist. Da der Gesetzgeber einer materiell-rechtlichen Betrachtungsweise folgend die Anwendung des § 128 AFG ua nicht auf Fälle erstrecken wollte, bei denen der Anspruch auf Alg vor dem 1. Januar 1993 entstanden war, also alle im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlagen (vgl § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil –), entfällt jede Erstattungspflicht, wenn K bereits im Jahre 1992 sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg nach § 100 AFG erfüllte. Das ist nach den getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen. Denn das LSG hat festgestellt, daß K sich am 29. Dezember 1992 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt, das Arbeitsamt jedoch Alg erst ab dem 1. Januar 1993 bewilligt hat; Feststellungen dazu, daß die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg erst ab 1. Januar 1993 vorgelegen haben, fehlen. Schon deshalb kann das Urteil des LSG keinen Bestand haben.
2. Es kann aufgrund fehlender Feststellungen des LSG auch nicht entschieden werden, ob der Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG zugunsten des Klägers eingreift. Nach dieser Vorschrift tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat. Das LSG hat seine ablehnende Entscheidung darauf gestützt, daß es nicht möglich sei, Aufhebungs- oder Auflösungsverträge als Eigenkündigungen des Arbeitnehmers zu interpretieren.
2.1 Richtig ist allerdings, daß der im Februar 1993 geschlossene Aufhebungsvertrag einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitslosen iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG nicht gleichgestellt werden kann.
Zweck der Ausnahmeregelung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG ist es, die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus der Erstattungspflicht auszunehmen, soweit der Arbeitgeber das Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht zu verantworten hat und er kein Interesse an der Lösung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht hat (vgl BT-Drucks 12/3211 S 25). Enthält sich der Arbeitgeber jeglicher Mitwirkung an der Lösung des Arbeitsverhältnisses, so fehlt es an der vom Bundesverfassungsgericht geforderten besonderen Verantwortung des Arbeitgebers für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des älteren, langjährig beschäftigten Arbeitnehmers, die es allein rechtfertigt, dem Arbeitgeber die sozialen Folgekosten für den Eintritt der Arbeitslosigkeit aufzubürden (BVerfGE 81, 156, 197 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Zur Erreichung dieses Zweckes knüpft § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG an äußere Merkmale an, die den Schluß darauf zulassen, daß der Arbeitgeber das Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht initiiert oder in sonstiger Weise gefördert hat. Eine wesentliche Mitwirkung des Arbeitgebers bei der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit ist hiernach zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung ausgesprochen hat und der Arbeitgeber sein Einverständnis mit der Lösung der arbeitsvertraglichen Beziehungen auch nicht dadurch dokumentiert, daß er dem Arbeitnehmer eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung zubilligt.
Es kann unentschieden bleiben, ob der Abschluß eines vom Wortlaut des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG nicht erfaßten Aufhebungsvertrages es in jeder Fallgestaltung von vornherein ausschließt, daß der Arbeitgeber sich auf diesen Befreiungstatbestand berufen kann. Auch wenn man davon ausginge, daß nicht bereits in dem Angebot oder der Annahme einer vom Arbeitnehmer gewünschten Vereinbarung über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine wesentliche Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers liegt, die die verfassungsrechtlich gebotene Verantwortungsbeziehung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit begründet (so etwa Gagel, AFG, § 128 Rz 163; Hanau, DB 1992, 2629; Brand in: Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 128 Rz 33; aA Wissing in: Knigge/Ketelsen/Marschall, Wissing, AFG, § 128 Rz 35), so kann der Befreiungstatbestand jedenfalls nicht herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber über die bloße Zustimmung zur Vertragsauflösung hinaus bei der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mitwirkt. Eine „Umdeutung” eines Aufhebungsvertrages in eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers verbietet sich deshalb in Fällen, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abweichend von dem Endtermin festgesetzt wird, der sich bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer ergeben würde (vgl Gagel, AFG, § 128 Rz 153). Da K nach der für sie geltenden Kündigungsfrist nicht berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1993 zu beenden, und auch eine Berechtigung zur fristlosen Kündigung nicht vorlag, scheidet eine Umdeutung der Vereinbarung in eine Eigenkündigung hier aus.
2.2 Auf die Vereinbarung vom 12. Februar 1993 kommt es indessen nur dann an, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die anschließende Arbeitslosigkeit ursächlich geworden ist. Im vorliegenden Falle ist die Arbeitslosigkeit der K aber nicht erst durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1993, sondern durch eine schon davor liegende Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführt worden, die die Beklagte zur Gewährung von Alg ab 1. Januar 1993 veranlaßt hat. Ist die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses für den Fortbestand der Arbeitslosigkeit ab 12. April 1993 allein wesentlich, deren Kosten der Kläger erstatten soll, kommt es auf die Umstände an, die zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geführt haben.
Auszugehen ist zunächst davon, daß die Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 AFG dem Grunde nach unabhängig davon begründet wird, ob das Arbeitsverhältnis überhaupt beendet wird (vgl nur Gagel, AFG, § 128 Rz 43 f). Maßgebend für den frühestmöglichen Beginn der Erstattungspflicht ist vielmehr der Eintritt der Arbeitslosigkeit, die vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt (§ 101 Abs 1 Satz 1 AFG). Auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen des Erstattungsanspruches nur insoweit an, als die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist.
Werden durch eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses die Voraussetzungen des Leistungsanspruches und zugleich die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht nach § 128 AFG begründet, so besteht hinsichtlich des Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG eine Regelungslücke, wenn eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Es ist davon auszugehen, daß es sich hierbei um eine planwidrige Gesetzeslücke handelt, weil der Gesetzgeber die Herbeiführung eines Erstattungsanspruches durch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht in seine Betrachtung einbezogen hat. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhalt dafür, daß bei den Befreiungstatbeständen, die an die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, bedacht worden ist, daß Arbeitslosigkeit und Erstattungspflicht bereits vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses eintreten können. Die Regelungslücke ist verfassungskonform durch eine entsprechende Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG zu schließen, weil eine vergleichbare Bewertungs- und Interessenlage vorhanden ist. Wie bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Arbeitslosen enthält sich der Arbeitgeber bei der einseitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitslosen einer Mitwirkung bei der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, soweit der Arbeitslose deswegen weder eine Abfindung, noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat. Gründe, die eine Ungleichbehandlung beider Fallgestaltungen rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Auch die Beklagte geht deshalb zutreffend davon aus, daß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG entsprechende Anwendung findet, wenn der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis auf Dauer unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses beendet (vgl DBl-Runderlaß 26/97 idF vom 28. Mai 1997 Rz 3.34 Abs 2; zustimmend Brand in: Niesel, AFG, 2. Aufl, § 128 Rz 36).
Der Kläger ist daher von der Erstattung entsprechend § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG befreit, wenn K das Beschäftigungsverhältnis einseitig und auf Dauer gelöst hat und die spätere Beendigung des Arbeitsverhältnisses, für die der Arbeitgeber mitverantwortlich ist, für die anschließende Arbeitslosigkeit nicht mehr ursächlich geworden ist, also nur formale Bedeutung hatte. Feststellungen hierzu hat das LSG, das allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisse abgestellt hat, nicht getroffen. Auch deshalb kann das Urteil des LSG keinen Bestand haben.
3. Da die Sache nicht entscheidungsreif ist, führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.
Für die erneute Entscheidung, bei der auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden sein wird, wird auf folgendes hingewiesen:
3.1 Wegen der Anwendbarkeit des § 128 AFG nach § 242m Abs 10 Nr 1 AFG legt der Sachverhalt hinsichtlich des Merkmals Arbeitslosigkeit (§§ 101, 102 AFG) die Prüfung nahe, ob K wegen der im Dezember 1992 erfolgten Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit eine kurzzeitige Beschäftigung ausübte bzw ob das Beschäftigungsverhältnis iS des § 101 Abs 1 Satz 1 AFG nach den maßgebenden tatsächlichen Verhältnissen (vgl BSG SozR 3-4100 § 101 Nrn 4 und 5) im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung beendet war.
3.2 Nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. K hatte nach getroffenen Feststellungen bereits bei der Antragstellung sowie durch eine bestätigende ärztliche Bescheinigung geltend gemacht, daß sie aus gesundheitlichen Gründen eine Tätigkeit als Schwester im Nachtdienst nicht mehr verrichten könne. Weder die Beklagte, noch das LSG haben erkennbar geprüft, ob die K die Voraussetzungen für eine der in § 128 Abs 1 Satz 2 AFG genannten Leistungen erfüllte. Diese Vorgehensweise dürfte den Anforderungen des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG widersprechen. Das Erfordernis, bei der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach § 128 AFG zu prüfen, ob der Arbeitslose die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung erfüllt, geht auf BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 zurück. In dieser Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht die teilweise Unvereinbarkeit des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG (idF des Art 1 § 1 Nr 48 des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497 und des Art 1 Nr 3 des Gesetzes zur Anpassung des Rechts der Arbeitsförderung der gesetzlichen Rentenversicherung an die Erfüllung von Vorruhestandsleistungen vom 13. April 1984, BGBl I 610) mit Art 12 Abs 1 Satz 2 GG und dessen Teilnichtigkeit festgestellt, soweit nach diesen Vorschriften Alg und Arbeitslosenhilfe (Alhi) auch dann in vollem Umfang zu erstatten war, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung erfüllte, deren Zuerkennung einen Anspruch auf Alg oder Alhi ganz oder teilweise ruhen oder entfallen ließ. Der Gesetzgeber hat dieser Einschränkung der Erstattungspflicht durch die Neuregelung in § 128 Abs 1 Satz 2 AFG Rechnung getragen, ist allerdings nach der Gesetzesbegründung davon ausgegangen, daß die Bundesanstalt eine Feststellungspflicht nur treffe, wenn begründete Anhaltspunkte für einen der Ruhenstatbestände sprächen (BT-Drucks 12/3211 S 24 f). Derartige Anhaltspunkte dürften mit dem Vorbringen der K bei Antragstellung, sie könne die zuletzt ausgeübte Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, jedenfalls gegeben sein. Nach diesem Vorbringen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die K die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung, insbesondere für einen Anspruch auf Krankengeld erfüllte.
3.3 Ferner sollte ggf geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG vorliegen. Die Voraussetzungen dieses Befreiungstatbestandes können, wie das LSG offenbar gemeint hat, nicht schon deshalb verneint werden, weil der Kläger selbst davon ausgegangen ist, daß er nicht berechtigt gewesen war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen. Entscheidend ist vielmehr, ob für den Arbeitgeber im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses objektiv ein Recht zur Kündigung bestand. Es liegt deshalb eine Prüfung nahe, ob der Kläger wegen der gesundheitlichen Einschränkungen (vgl BVerfGE 81, 156, 200 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1) oder wegen einer Weigerung der K, ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen (vgl BAG NJW 1997, 2195), bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder nur mit sozialer Auslauffrist zu kündigen.
3.4 Sollte der Kläger für den streitigen Zeitraum ganz oder teilweise zur Erstattung verpflichtet sein, ist auch die Höhe der Erstattungsbeträge zu prüfen. Diese Prüfung darf sich nicht darauf beschränken, ob die von dem Kläger geforderten Beträge mit dem gezahlten Alg und den darauf entfallenden Beiträgen übereinstimmen, sondern zur Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung ist erforderlich, daß die gezahlten Leistungen – auch der Höhe nach – rechtmäßig an die K zu erbringen waren (vgl BSG SozR 3-4100 § 128a Nr 7).
Fundstellen
Haufe-Index 1172886 |
NZS 1998, 251 |
SozR 3-4100 § 128, Nr.2 |
SozSi 1998, 399 |