Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 17.02.1988) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. Februar 1988 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin für die Beigeladene … (Frau N.) zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge verjährt sind.
Frau N. war in der Zeit vom 1. Februar bis 30. September 1979 bei der Klägerin als Direktions-Assistentin beschäftigt. Die Beklagte hielt dieses Beschäftigungsverhältnis zunächst für nicht versicherungspflichtig und stellte dies mit Bescheid vom 21. März 1980 gegenüber Frau N. und der Klägerin fest. Nach erfolglosem Widerspruch erhob Frau N. Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin. Zu diesem Rechtsstreit – S 75 Kr 107/81 – wurden die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die Bundesanstalt für Arbeit (BA) sowie die Klägerin als Arbeitgeberin beigeladen. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 22. März 1984 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, Frau N. sei bei einer werktäglichen Arbeitszeit von fünf bis sechs Stunden in der Zeit vom 1. Februar bis 30. September 1979 bei der Klägerin versicherungspflichtig als Sekretärin beschäftigt gewesen.
Mit einem (an den Geschäftsführer der Klägerin unter seiner Privatadresse gerichteten) Schreiben vom 18. Februar 1985, das keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, forderte die Beklagte die Klägerin auf, für Frau N. Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 5.236,12 DM zu entrichten. Die Klägerin verweigerte die Zahlung der Beiträge mit der Begründung, sie seien verjährt. Die Beklagte behandelte die Weigerung als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 1985 zurück.
In dem sich anschließenden Rechtsstreit vor dem SG Berlin, zu dem die BfA, die BA und Frau N. beigeladen worden sind, hat die Klägerin vorgetragen, das Schreiben der Beklagten vom 18. Februar 1985 sei ihr Ende Februar/Anfang März 1985 zugegangen; das genaue Datum könne nicht mehr festgestellt werden. Die Beklagte hat erklärt, den Tag des Zugangs nicht zu kennen, da das Schreiben als einfacher Brief aufgegeben worden sei. Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 9. Januar 1987), weil es die Beitragsforderung der Beklagten mit Ablauf des 31. Dezember 1983 für verjährt hielt. Es könne dahinstehen, ob die Verjährung nach § 25 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB 4) iVm § 209 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst unterbrochen worden sei. Wegen § 25 Abs 2 SGB 4 iVm § 215 Abs 2 BGB gelte eine etwa eingetretene Unterbrechung nämlich als nicht erfolgt, weil die Klägerin nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß einen entsprechenden Beitragsbescheid der Beklagten erhalten habe. Die Sechsmonatsfrist habe, nachdem die Berufungsfrist gegen das vorprozessuale Urteil mit dem 27. August 1984 abgelaufen gewesen sei, am 27. Februar 1985 geendet. Es habe sich nicht feststellen lassen, daß der angefochtene Bescheid bis zu diesem Termin der Klägerin zugegangen sei, da die Beklagte weder vermerkt habe, wann der Bescheid zur Post gegangen sei, noch sonst dessen rechtzeitigen Zugang habe nachweisen können.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 17. Februar 1988 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat dies im wesentlichen wie folgt begründet: Die Beitragsforderung der Beklagten sei nicht verjährt, weil die Verjährung für die Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge nach § 25 Abs 2 SGB 4 iVm § 179 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und § 209 Abs 1 BGB, die Verjährung für die Rentenversicherungsbeiträge nach § 142 Abs 3 iVm Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) wirksam unterbrochen worden sei. Die Unterbrechung sei für die Rentenversicherungsbeiträge mit Einlegung des Widerspruchs durch Frau N., im übrigen mit der Klageerhebung im Vorprozeß eingetreten. Dabei sei unerheblich, daß im Vorprozeß der Klageantrag sich auf die Anfechtung des die Sozialversicherungspflicht ablehnenden Bescheides beschränkt habe, da es der damaligen Klägerin in der Sache um die Feststellung ihrer Versicherungspflicht gegangen sei. Damit sei zwischen den Beteiligten der Anspruch der Beklagten als Einzugsstelle gegen die damals als Arbeitgeberin beigeladene Klägerin im Streit gewesen. Die Unterbrechung sei auch nicht nach § 25 Abs 2 SGB 4 iVm § 215 Abs 2 BGB rückwirkend weggefallen. § 215 Abs 2 BGB sei im vorliegenden Fall unmittelbar nicht anwendbar, weil diese Vorschrift nur für die im sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Streitverkündung, nicht aber für die Beiladung gelte. Wegen Fehlens einer vergleichbaren Lage scheide auch eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung aus. Die Streitverkündung setze unterschiedliche Ansprüche verschiedener Personen voraus. Hier sei auch der Vorprozeß letztlich darauf gerichtet gewesen, die Arbeitgeberin zur Zahlung der Pflichtbeiträge zu veranlassen; somit habe im Vorprozeß und in dem jetzigen Verfahren im Kern eine Anspruchsidentität bestanden. Der Anspruch auf die streitigen Beiträge sei auch nicht verwirkt.
Gegen das Urteil richtet sich die – vom Senat zugelassene – Revision der Klägerin, mit der sie eine Verletzung der §§ 25 SGB 4, 209 und 215 BGB rügt und im wesentlichen vorträgt: Eine Unterbrechung der Verjährung nach § 25 Abs 2 SGB 4 iVm § 209 Abs 1 BGB sei nicht eingetreten, da entgegen der Auffassung des LSG die Ansprüche in den beiden Verfahren nicht identisch seien. Anders als im vorliegenden Rechtsstreit sei es Ziel des Vorprozesses gewesen, durch Feststellung der Versicherungspflicht die Beklagte zu veranlassen, die Kosten für einen inzwischen eingetretenen Versicherungsfall zu übernehmen. Um die Voraussetzungen der genannten Vorschriften zu erfüllen, hätte die Beklagte im früheren Verfahren einen Beitragsbescheid an die jetzige Klägerin richten müssen. Stattdessen habe sie lediglich festgestellt, daß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestehe. Auch hinsichtlich der Rentenversicherungsbeiträge sei eine Unterbrechung der Verjährung nicht eingetreten, da es sich bei dem seinerzeitigen Verfahren nicht um eine Beitragsstreitigkeit iS von § 142 Abs 2 AVG gehandelt habe. Aber selbst wenn man eine Unterbrechung der Verjährung unterstelle, gelte diese wegen der sinngemäßen Anwendung von § 215 Abs 2 BGB als nicht erfolgt. Die Anwendung dieser Vorschrift sei wegen der Vergleichbarkeit von Beiladung und Streitverkündung geboten; denn in beiden Fällen seien die berechtigten Interessen Dritter berührt. Zwar habe § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ua die Vorschriften über die Streitverkündung (§§ 72 bis 74 Zivilprozeßordnung – ZPO –) ersetzt. Da § 25 Abs 2 SGB 4 jedoch für die Unterbrechung der Verjährung uneingeschränkt auf die Vorschriften des BGB verweise, sei eine Anwendung von § 215 Abs 2 BGB gleichwohl möglich.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. Februar 1988 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Januar 1987 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend; das gelte auch für die Frage der Identität des Streitgegenstands in den beiden Verfahren. Die von der Revision vertretene gegenteilige Auffassung verkenne, daß § 25 Abs 2 SGB 4 nicht die unmittelbare, sondern die sinngemäße Anwendung der einschlägigen Vorschriften des BGB vorsehe und daß es daher für die Anwendung von § 25 Abs 2 SGB 4 iVm § 209 Abs 1 BGB ausreiche, daß ein Feststellungsverfahren über die Versicherungspflicht als Vorstufe für das Beitragsverfahren diesem gleichgesetzt werde. Dementsprechend habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, daß durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen einen die Versicherungspflicht oder die Versicherungsfreiheit feststellenden Bescheid die Verjährung der Beitragsforderung unterbrochen werde (BSGE 39, 223). Dagegen komme eine Anwendung von § 25 Abs 2 SGB 4 iVm §§ 209 Abs 2 Nr 4, 215 Abs 2 BGB nicht in Betracht, weil sich Beiladung und Streitverkündung grundlegend unterschieden. So gehe die Beiladung vom Gericht, die Streitverkündung von einer Partei aus; im Falle der Beiladung werde der Dritte, anders als bei der Streitverkündung, Beteiligter im Rechtsstreit; die gesetzlichen Voraussetzungen für Beiladung und Streitverkündung unterschieden sich grundlegend voneinander, da im ersten Falle die berechtigten Interessen des Dritten für eine Beiladung ausreichten, während im zweiten Falle es erforderlich sei, daß der Streitverkünder bei für ihn ungünstigem Ausgang des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaube oder den Anspruch eines Dritten besorge. Dagegen sei die – hier vorliegende – notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG mit dem Institut der notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 ZPO vergleichbar, so daß der Klägerin im Vorprozeß faktisch die Stellung einer Partei zugekommen sei. Die Auffassung der Revision sei auch deshalb nicht haltbar, weil dann in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Arbeitnehmer, der – wie hier Frau N. – im Vorprozeß obsiegt habe, davon nicht profitiere, weil Beiträge wegen Verjährung nicht gezahlt werden müßten.
Die beigeladene BfA hält wie die Beklagte die Entscheidung des LSG für zutreffend. Für die Rentenversicherung weist sie noch darauf hin, daß § 142 Abs 3 AVG als Sondervorschrift für die Rentenversicherung nach der Rechtsprechung des BSG (Breithaupt 1970, 446 = SozR Nr 5 zu § 1420 RVO) so auszulegen sei, daß für die Unterbrechung der Verjährung eine mit dem Beitragsanspruch in Verbindung stehende Streitigkeit ausreiche.
Die beigeladene BA hält wie die Beklagte und die BfA § 25 Abs 2 SGB 4 iVm § 215 Abs 2 BGB nicht für anwendbar, weil die Beiladung nicht mit der Streitverkündung vergleichbar sei; die jetzige Klägerin sei im Vorprozeß nach § 141 Abs 1 SGG wie ein Hauptbeteiligter an die ergangene Entscheidung gebunden gewesen.
Frau N. hat sich im Revisionsverfahren zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Ob die Beitragsnachforderung der Beklagten verjährt ist, bedarf für die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.
Soweit Beiträge zur Rentenversicherung der Frau N. betroffen sind, hat das LSG zutreffend entschieden, daß deren Verjährung unterbrochen war, nachdem Frau N. in dem Verfahren zur Feststellung ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung Widerspruch eingelegt hatte. Nach § 142 Abs 3 iVm Abs 2 AVG wird die Verjährung eines Anspruchs auf Zahlung rückständiger Beiträge zur Angestelltenversicherung ua durch “eine Beitragsstreitigkeit” im Vorverfahren gemäß § 80 Nr 2 SGG oder im Verfahren vor den Sozialgerichten unterbrochen. Als Sondervorschrift geht diese Regelung der allgemeinen Vorschrift des § 25 Abs 2 SGB 4 über die Unterbrechung der Verjährung in der Sozialversicherung vor. Die Rechtsprechung des BSG hat dabei den Begriff der Beitragsstreitigkeit in § 142 Abs 2 AVG schon im Hinblick auf den unbestimmten Artikel (“eine”) weit ausgelegt (SozR Nr 5 zu § 1420 RVO). So hat das BSG die Auffassung abgelehnt, die Fristablaufhemmung nach § 1420 Abs 2 RVO (§ 142 Abs 2 AVG) und damit die Verjährungsunterbrechung nach § 1420 Abs 3 RVO (§ 142 Abs 3 AVG) trete nur durch ein Verfahren ein, das den der Verjährung unterliegenden Anspruch selbst betreffe oder das für die Unterlassung der Beitragsentrichtung ursächlich gewesen sei. Vielmehr habe der Gesetzgeber eine Fristenhemmung für jeden Fall einer Unklarheit über das Versicherungsverhältnis gewollt. Demgemäß ist auch ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht einer Beschäftigung, von der die Beitragspflicht des Arbeitgebers abhängt, als eine Beitragsstreitigkeit iS von § 142 Abs 2 und 3 AVG anzusehen. Dieses Ergebnis trägt dem Umstand Rechnung, daß in der Rentenversicherung – anders als in der Kranken- und der Arbeitslosenversicherung – die Leistungen dem Grunde und der Höhe nach davon abhängen, daß Beiträge wirksam entrichtet werden oder als entrichtet gelten (§ 1397 Abs 6 RVO, § 119 Abs 6 AVG). Wäre in der Rentenversicherung ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht nicht als Beitragsstreitigkeit iS von § 142 Abs 2 und 3 AVG anzusehen, so würde sich eine rechtskräftige Feststellung dieser Pflicht, wenn sie erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgte, für den Versicherten nicht auswirken.
Soweit es sich um Beiträge nicht zur Rentenversicherung, sondern zur Kranken- und zur Arbeitslosenversicherung handelt, reichen die bisher getroffenen Feststellungen nicht aus, um mit ihnen eine vom LSG angenommene Unterbrechung der Verjährung zu begründen. Für die Beiträge zu diesen Versicherungszweigen ist die Unterbrechung der Verjährung in § 25 SGB 4 in Verbindung mit § 179 Nr 1 AFG und den insoweit anwendbaren Vorschriften des BGB geregelt. Von ihnen kommen hier allein die §§ 209 und 215 BGB in Betracht. Nicht anwendbar ist dabei – entgegen der Ansicht des LSG – der Absatz 1 des § 209 BGB. Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung ua unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs Klage erhebt. Nach Wortlaut und Zweck dieser Regelung soll die Unterbrechung der Verjährung nur einem Anspruchsberechtigten zugute kommen, der die Durchsetzung oder Feststellung seines Anspruchs aktiv betreibt (dazu genügt es zB nicht, daß er lediglich die Abweisung einer Feststellungsklage beantragt, mit der sein Anspruch bestritten wird, BGHZ 72, 23, 29, 30 mwN). Für eine sinngemäße Anwendung des § 209 Abs 1 BGB auf die Verjährung von Beiträgen in der Kranken- und der Arbeitslosenversicherung kann nichts anderes gelten. Auch hier tritt deshalb eine Unterbrechung der Verjährung nur ein, wenn der Berechtigte seinen Anspruch in einer Weise geltend macht, die der Erhebung einer Klage entspricht.
Der 3. Senat hat allerdings in einer Entscheidung vom 18. April 1975 (BSGE 39, 223, 230) eine Unterbrechung der Verjährung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung in sinngemäßer Anwendung von § 209 Abs 1 BGB auch in einem Falle bejaht, in dem die Einzugsstelle in einem Widerspruchsbescheid gegenüber einem Versicherten Versicherungsfreiheit festgestellt und nur die BA gegen die Einzugsstelle mit dem Antrag geklagt hatte, den Widerspruchsbescheid aufzuheben und sie zur Einziehung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu verpflichten. Auch mit dieser Entscheidung wurde jedoch nicht darauf verzichtet, daß der Berechtigte die Durchsetzung oder Feststellung seines Anspruchs aktiv betreiben muß. Vielmehr hat die Entscheidung lediglich einer Besonderheit im Beitragsrecht der Sozialversicherung Rechnung getragen, daß nämlich die Beiträge zur Renten- und zur Arbeitslosenversicherung nicht von den Trägern dieser Versicherungszweige selbst eingezogen werden, sondern von einer Einzugsstelle; neben ihr sind deshalb auch die Träger dieser Versicherungszweige als “Berechtigte” im Sinne von § 209 Abs 1 BGB anzusehen. Im vorliegenden Fall hat demgegenüber keiner der am Vorprozeß beteiligt gewesenen Versicherungsträger Aktivitäten zur Durchsetzung der Beitragsforderung entfaltet. Sowohl die Beklagte wie die BA haben vielmehr den Standpunkt vertreten, Frau N. sei nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; beide haben daher beantragt, ihre Klage abzuweisen. Da somit im Vorprozeß weder die Beklagte noch die BA zur Durchsetzung oder Feststellung des Beitragsanspruchs aktiv geworden ist, scheidet eine sinngemäße Anwendung von § 209 Abs 1 BGB hier aus.
Indessen kann durch die Beiladung der Klägerin im Vorprozeß die Verjährung der Beitragsforderung unterbrochen worden sein. Als Beigeladene war deren Stellung im sozialgerichtlichen Verfahren der eines Dritten vergleichbar, dem im Zivilprozeß der Streit verkündet wird und der deshalb damit rechnen muß, daß nach Beendigung des Prozesses Ansprüche gegen ihn erhoben werden. Um die Durchsetzung dieser Ansprüche nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 209 Abs 2 Nr 4 BGB eine Unterbrechung der Verjährung vor, wenn der Berechtigte in dem Prozesse, von dessen Ausgang der Anspruch abhängt, dem Dritten den Streit verkündet (vgl Motive zum Allgemeinen Teil des BGB in Mugdan, Materialien zum BGB, I. Bd, Nr IV zu § 170, S 533). Wie die Revision zutreffend ausführt, steht der sinngemäßen Anwendung dieser Vorschrift im Sozialgerichtsverfahren nicht entgegen, daß hier die prozessualen Vorschriften über die Streitverkündung (§§ 72 bis 74 ZPO), weil in § 74 SGG nicht mit genannt, nicht anwendbar sind. Ob an deren Stelle die Vorschriften über die Beiladung getreten sind (so Meyer-Ladewig, SGG, § 74 RdNr 1), braucht der Senat nicht allgemein zu entscheiden. Jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art ist der Beigeladene dem Dritten, dem der Streit verkündet worden ist, gleichzustellen, § 209 Abs 2 Nr 4 BGB also entsprechend auf ihn anzuwenden. Daß er – anders als der Dritte im Zivilprozeß – durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens. Auch nach den Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsordnung umfaßt die Beiladung die zivilprozessualen Möglichkeiten der Drittbeteiligung, ohne sich aber auf sie zu beschränken (vgl Begründung zum Regierungsentwurf der Verwaltungsgerichtsordnung, BT-Drucks III/55 zu §§ 67 und 68, S 37).
Aus der entsprechenden Anwendbarkeit des § 209 Abs 2 Nr 4 BGB folgt, daß im vorliegenden Fall über § 25 Abs 2 SGB 4 iVm § 179 Nr 1 AFG auch § 215 Abs 2 BGB sinngemäß anzuwenden ist. Danach gilt die Unterbrechung der Verjährung ua im Falle der Streitverkündung als nicht erfolgt, wenn nicht binnen sechs Monaten nach der Beendigung des Prozesses Klage auf Befriedigung oder Feststellung des Anspruchs erhoben wird. Diese Einschränkung nötigt den Streitverkünder, alsbald nach rechtskräftiger Beendigung des Prozesses seinen Anspruch gegen den Dritten geltend zu machen. Dieser soll nicht unbestimmt lange Zeit mit der Erhebung von Ansprüchen rechnen müssen. Von der Beklagten war hier bei sinngemäßer Anwendung des § 215 Abs 2 BGB eine Entfaltung von Aktivität um so eher zu erwarten, als sie innerhalb der Sechsmonatsfrist lediglich einen Beitragsbescheid gegenüber dem Arbeitgeber zu erlassen brauchte, um nach § 52 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – die Unterbrechung gemäß § 215 Abs 2 BGB rückwirkend voll wirksam zu machen und zugleich eine neue Unterbrechung herbeizuführen. Die Sechsmonatsfrist begann dabei mit der Beendigung des Vorprozesses, dh mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils des SG vom 22. März 1984.
Ob die Beklagte im vorliegenden Fall rechtzeitig ihre Ansprüche auf die Kranken- und die Arbeitslosenversicherungsbeiträge durch einen Beitragsbescheid geltend gemacht hat, ist den bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht sicher zu entnehmen. Insoweit wird vor allem noch zu ermitteln sein, wann das im Vorprozeß ergangene Urteil des SG den Beteiligten wirksam zugestellt worden ist.
Da der Senat es nicht für tunlich gehalten hat, über die streitigen Angestelltenversicherungsbeiträge getrennt von den übrigen Beiträgen zu entscheiden, hat er auf die Revision der Klägerin den Rechtsstreit insgesamt an das LSG zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 797388 |
BSGE, 222 |