Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 26. Mai 1992 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) für die Zeit vom 9. Februar 1988 bis 30. Juni 1988 für vier frühere Arbeitnehmer der Klägerin.
Die Klägerin, ein Stahlbauunternehmen, faßte zum 1. Januar 1988 zwei Betriebsabteilungen zu einer Betriebsabteilung „Maschinenbau und Sonderkonstruktion” (TM) zusammen und führte gleichzeitig dort Kurzarbeit bis auf weiteres ein. Die Klägerin zeigte dies dem Arbeitsamt (ArbA) im Dezember 1987 an und teilte mit, über die Einführung der Kurzarbeit sei mit dem Beigeladenen eine Betriebsvereinbarung geschlossen worden aufgrund von § 5 Nr 1 des für den Betrieb geltenden Gemeinsamen Manteltarifvertrags für Arbeiter und Angestellte in der weiterverarbeitenden Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (GMTV). Der ab 1. April 1987 geltende GMTV enthielt bezüglich der Kurzarbeit folgende Regelung:
§ 5 Kurzarbeit
1. Kurzarbeit kann, wenn es die Beschäftigungslage des Betriebes erfordert, nach Abschluß einer Betriebsvereinbarung … eingeführt werden. …
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4. Mit Einführung der Kurzarbeit erfolgt für die betroffenen Arbeitnehmer eine entsprechende Verdienstminderung.
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5. Erhält ein Arbeitnehmer, dem aus anderen als verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden ist, wegen der Kündigung kein Kurzarbeitergeld, so erfolgt keine Verdienstminderung. Auf Verlangen muß in diesem Falle die volle Arbeitszeit abgeleistet werden.
Mit Bescheid vom 25. Januar 1988 teilte das ArbA der Klägerin mit, daß die sog betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug gemäß den §§ 63 und 64 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erfüllt seien und deshalb diese Leistung den Arbeitnehmern der Betriebsabteilung TM vom 1. Januar 1988 bis längstens 30. Juni 1988 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen gewährt werde. Nach Ablauf des ersten Gewährungszeitraums (Januar 1988) kündigte die Klägerin am 9. Februar 1988 vier der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmern betriebsbedingt zum 30. September 1988.
Auf entsprechende Anträge der Klägerin lehnte es das ArbA ab, den vier Arbeitnehmern über den 8. Februar 1988 hinaus Kug zu gewähren (Bescheide vom 5. und 14. Juli 1988). Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anspruch auf Kug bestehe nach § 65 Abs 1 Nr 1 AFG nur für Arbeitnehmer, deren die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ungekündigt fortgesetzt werde. Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gekündigt sei, könne zwar nach § 65 Abs 1 Satz 3 AFG Kug gewährt werden, solange sie keine andere angemessene Arbeit aufnehmen könnten. Eine derartige Ermessensleistung komme hier nicht in Betracht, da bei der Ermessensausübung die Entgeltansprüche nach § 5 Nr 5 GMTV „keine Verdienstminderung”) als vorrangig anzusehen seien.
Nachdem die Klägerin gegen die beiden ablehnenden Bescheide Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben hatte, wurde das Widerspruchsverfahren nachgeholt. Die Beklagte blieb unter Berufung auf den Zweck der Regelung des § 65 Abs 1 Satz 3 AFG bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung (Widerspruchsbescheid vom 31. März 1989).
Das SG hat mit Urteil vom 12. Mai 1989 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 26. Mai 1992 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Gewährung von Kug sei hier nur als Ermessensleistung nach § 65 Abs 1 Satz 3 AFG denkbar. Ein Fall der Ermessensschrumpfung auf Null, in dem ausnahmsweise ein Anspruch der Klägerin auf die Leistung selbst erwüchse, liege nicht vor. Insbesondere bestehe bei der Beklagten keine ständige Übung dahin, daß in Fällen wie dem vorliegenden Kug zu gewähren sei. Im Gegenteil: Nach dem früheren – für den Rechtsstreit einschlägigen – Runderlaß 307/76.4 der Beklagten (vgl RdNr 13.31) könne Kug dann nicht gewährt werden, wenn Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträge, die den Tarifvertrag für anwendbar erklärten, den Anspruch auf volles Arbeitsentgelt für die Dauer der Kündigung nur insoweit zuerkennen, als „kein Anspruch auf Kug besteht”. So liege der Sachverhalt jedoch hier. Denn eine am objektivierten Willen der Tarifvertragsparteien orientierte Auslegung des § 5 Nr 5 GMTV führe zu dem Ergebnis, daß zunächst ein grundsätzliches Entfallen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt unter Abbedingung der Regelung des § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) objektiv vereinbart und gewollt worden sei. Für den Fall der Nichtzahlung von Kug bei nicht verhaltensbedingter Kündigung sei jedoch gewissermaßen eine „Ausfallsicherung” in Form eines aufschiebend bedingten Anspruchs erfolgt. Diese tarifvertragliche Regelung sei zwar wirksam, insbesondere weil sie nicht unter das Verbot nachteiliger Vereinbarungen iS des § 32 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) falle. Diese Regelung entfalte jedoch keine externe Ermessensbindung zu Lasten der Beklagten. Vielmehr verbleibe es bei den allgemeinen Ermessenskriterien und damit auch formal bei der Selbstbindung der Beklagten durch den bezeichneten Runderlaß zum Kug.
Die tarifvertragliche Regelung des § 5 Nr 5 GMTV gelte jedenfalls für zwei der noch in Frage stehenden Arbeitnehmer (A. … und Z. …) unmittelbar kraft Tarifgebundenheit (§ 3 Abs 1 Tarifvertragsgesetz ≪TVG≫). Ob sie auch für die beiden anderen Arbeitnehmer eingreife, bedürfe keiner weiteren Aufklärung. Entweder seien auch sie tarifgebunden, durch einzelvertragliche – uU nur inzidente -Vereinbarung bzw allgemeine betriebliche Übung in die tarifvertragliche Regelung einbezogen, oder aber die tarifvertragliche Regelung gelte für diese beiden Arbeitnehmer überhaupt nicht. Denn aufgrund der Angaben der Klägerin habe die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung davon ausgehen müssen und dürfen, daß der Tarifvertrag insgesamt anwendbar sei. Die Berufung auf die Regelung in § 5 Nr 5 GMTV sei daher nicht ermessensfehlerhaft, zumal die Klägerin sich an diese Regelung auch gegenüber den beiden möglicherweise nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern noch jetzt gebunden fühle.
Die in dem hier einschlägigen Runderlaß 307/76.4 der Beklagten erfolgte Regelung zur Selbstbindung, wonach in den Fällen einer „Ausfallsicherungsklausel” die Gewährung von Kug im Rahmen des Ermessens subsidiär sein solle, sei als Grundsatz nicht zu beanstanden, da sie sich an den Zwecken des Kug allgemein und den besonderen Zwecken des Kug im Rahmen des § 65 Abs 1 Satz 3 AFG ausrichte. Den im Rahmen des § 65 Abs 1 Satz 3 AFG modifizierten Zielen des Kug werde schon durch die tarifvertragliche Regelung in § 5 Nr 5 GMTV Rechnung getragen, da für die betroffenen Arbeitnehmer letztlich keine Gefahr bestehe, auf Kurzlohn verwiesen zu werden. Schließlich seien auch keine Besonderheiten des Einzelfalles ersichtlich, die es erforderlich machen würden, ausnahmsweise abweichend vom Runderlaß zu entscheiden.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision macht die Klägerin geltend, sie teile die Rechtsauffassung des LSG zur Auslegung der tarifvertraglichen Regelung des § 5 Nr 5 GMTV, wonach die Tarifvertragsparteien zunächst ein grundsätzliches Entfallen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt objektiv vereinbart und gewollt hätten. Nicht teilen könne sie jedoch die Rechtsauffassung des LSG, wonach die Tarifautonomie nicht so weit gehen könne, daß die privatrechtliche Gestaltung letztlich das Ermessen der Behörde „determiniere”. Denn damit übergehe das LSG die von ihm selbst kurz zuvor gefundene Auslegung des Tarifvertrages. Wenn der Tarifvertrag so auszulegen sei, daß letztlich eine Verdienstsicherung gewollt gewesen sei, dann sei es dem ArbA im Rahmen seiner Ermessensausübung verwehrt, gleichwohl von einem effektiven Anspruch auf Zahlung des vollen Arbeitsentgelts auszugehen. Vielmehr führe die Auslegung des Tarifvertrages zu einer gedanklichen Stufung, wonach das ArbA zunächst nur so zu entscheiden habe, als ob der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Lohn hätte. Rechtliche Basis für die vom ArbA zu treffende Entscheidung sei somit allein die Regelung in § 5 Nr 4 GMTV, wonach ein von Kurzarbeit betroffener Arbeitnehmer keinen Anspruch auf den vollen Verdienst habe, sondern eine entsprechende Verdienstminderung erfolge. Erst wenn auf dieser Grundlage durch Entscheidung des ArbA ein Anspruch auf Kug ausnahmsweise verneint werde, greife die Verdienstsicherung nach § 5 Nr 5 GMTV ein. Im Rahmen des neuen § 5 Nr 5 GMTV könne im übrigen nichts anderes gelten als im alten Tarifrecht. Bei früheren Tarifregelungen mit sehr ähnlichem Wortlaut sei aber die Beklagte von einem Anspruch auf Kug ausgegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG für das Saarland vom 26. Mai 1992 aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte und der zum Rechtsstreit beigeladene Betriebsrat der Klägerin halten die Rechtsauffassung des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Revisionsbegründung der Klägerin genügt (noch) den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Danach muß die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Die Klägerin hat zwar nicht ausdrücklich angegeben, welche revisible Rechtsnorm sie als verletzt ansieht. Aus dem Vorbringen in der Revisionsbegründung kann aber entnommen werden, daß eine Verletzung von § 65 Abs 1 Satz 3 AFG iVm § 39 Abs 1 SGB I geltend gemacht wird, so daß die fehlende Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm unschädlich ist (vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 4. Auflage, § 164 RdNr 11 mwN). Auch das Erfordernis eines bestimmten Antrags, an das keine all zu strengen Anforderungen zu stellen sind, ist gewahrt; soweit die Klägerin beantragt hat, „der Klage stattzugeben”, kann hieraus entnommen werden, daß sie eine Entscheidung im Sinne ihres in dem angefochtenen LSG-Urteil wiedergegebenen Berufungsantrags begehrt.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Klägerin als Prozeßstandschafterin berechtigt ist, anstelle und unter Ausschluß der Klagebefugnis der einzelnen Arbeitnehmer deren Ansprüche auf Kug geltend zu machen (vgl BSG SozR 4100 § 163 Nr 3 und SozR 4100 § 65 Nr 3; BSG SozR 3-4100 § 63 Nr 2). Bezüglich der Ansprüche auf Zuschüsse zu den Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung der Bezieher von Kug hat die Klägerin ohnehin einen eigenen Anspruch (§ 163 Abs 2 Satz 2 AFG in der hier maßgeblichen bis 30. Dezember 1988 geltenden Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 ≪BGBl I 1189≫ und § 166 Abs 3 Satz 2 AFG).
Gegenstand der Klage (§ 95 SGG) sind die Bescheide der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) vom 5. und 14. Juli 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 1989, soweit darin für die gekündigten vier Arbeitnehmer die Gewährung von Kug (und Beitragszuschüssen) abgelehnt worden ist. Der Widerspruchsbescheid vom 31. März 1989 ist infolge Nachholung des Vorverfahrens während des Klageverfahrens Gegenstand dieses Verfahrens gemäß § 96 Abs 1 SGG geworden.
Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig waren.
Die Gewährung von Kug hängt sowohl vom Vorliegen der allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen (§§ 63, 64 Abs 1, § 66 AFG) als auch vom Vorliegen persönlicher Voraussetzungen (§ 65 AFG) ab. Das Vorliegen der allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen bedarf hier, wie das LSG zu Recht angenommen hat, keiner weiteren Begründung. Denn die Beklagte hat mit Bescheid vom 25. Januar 1988 das Vorliegen dieser Voraussetzungen anerkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein solcher Anerkennungsbescheid ein verselbständigter, der Bindung nach § 77 SGG fähiger Teil einer Entscheidung, durch die Leistungen bewilligt werden (BSG SozR 3-4100 § 63 Nr 1). Die Anerkennung gibt den Betroffenen, insbesondere dem Arbeitgeber, der das Kug zu errechnen und auszuzahlen hat, grundsätzlich die Zusicherung, daß die allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen gegeben sind, die Beklagte also den Arbeitnehmern Kug gewähren wird, sofern die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, die in der Person der Arbeitnehmer gegeben sein müssen (BSG SozR 41 § 64 Nr 5 und § 66 Nr 1 sowie BSG SozR 3-4100 § 53 Nr 1). Ob den vier früheren Arbeitnehmern der Klägerin für die Zeit ab 9. Februar bis 30. Juni 1988 Kug zu gewähren ist, ist somit ungeachtet des Bescheides vom 25. Januar 1988 vom Vorliegen der sog persönlichen Voraussetzungen abhängig.
Welche Voraussetzungen in der Person des einzelnen Arbeitnehmers, der in einem kurzarbeitergeldberechtigten Betrieb beschäftigt ist, erfüllt sein müssen, ist in § 65 AFG geregelt, der hier in der zuletzt durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) geänderten Fassung anzuwenden ist. Abs 1 Satz 1 der Vorschrift macht den Anspruch auf Kug vom Bestehen einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (Nr 1) und einem auf dem Arbeitsausfall beruhenden Lohnausfall (Nr 2) abhängig. In Satz 3 der Vorschrift ist geregelt, daß Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gekündigt ist, Kug gewährt werden „kann”, solange sie keine andere angemessene Arbeit aufnehmen können.
Anders als ungekündigte Arbeitnehmer können hiernach gekündigte Arbeitnehmer nur im Wege des Ermessens Kug erhalten. Satz 3 der Vorschrift des § 65 Abs 1 AFG stellt also eine Sonderregelung gegenüber der Grundregelung in Satz 1 der Vorschrift dar, wobei auch in diesem Fall das in Abs 1 Satz 1 Nr 2 der Vorschrift enthaltene Erfordernis eines auf dem Arbeitsausfall beruhenden Lohnausfalls vorliegen muß.
Dies war jedoch nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG nicht zweifelhaft. Danach erfolgte gemäß § 5 Nr 4 GMTV mit Einführung der Kurzarbeit für die betroffenen Arbeitnehmer eine entsprechende Verdienstminderung. Hinzu kam, daß die vier betroffenen Arbeitnehmer im Betrieb der Klägerin ihre beitragspflichtige Beschäftigung zwar fortsetzten, seit dem 9. Februar 1988 jedoch nicht mehr ungekündigt, nachdem ihnen an diesem Tag zum 30. September 1988 gekündigt worden war. Seit dem Ausspruch der Kündigung konnten die vier Arbeitnehmer der Klägerin daher nur noch auf der Grundlage des § 65 Abs 1 Satz 3 AFG Kug erhalten, solange sie keine andere angemessene Arbeit aufnehmen konnten.
§ 65 Abs 1 Satz 3 AFG begründet das Recht und die Pflicht zur Ausübung von Ermessen (§ 39 SGB I), wobei – wie vom LSG bereits zutreffend ausgeführt worden ist – eine Kug-Gewährung nur in Betracht kommt, wenn die weitere Rechtsbedingung erfüllt ist, daß der gekündigte Arbeitnehmer in keine andere angemessene Arbeit vermittelt werden kann. Im übrigen darf die Beklagte bei der Ausübung des Ermessens frei entscheiden; sie hat allerdings ihr Ermessen gemäß § 39 Abs 1 SGB I entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Dementsprechend hat der 7. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 9. September 1986 (SozR 4100 § 65 Nr 3) zur Ermessensausübung im Rahmen des § 65 Abs 1 Satz 3 AFG ausgeführt, daß bei der Ermessensausübung insbesondere die Zwecke des Kug zu berücksichtigen sind, ferner die BA die besonderen Umstände des Einzelfalles zu beachten hat und sie darüber hinaus im Einzelfall nicht ohne rechtfertigenden Grund anders entscheiden darf, als sie dies für gleichgelagerte Fälle nach ihren allgemeinen Verwaltungsanweisungen geregelt hat, wie beispielsweise im Kug-Sammelrunderlaß 307/76.4. Unter Beachtung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hat hier das LSG im Ergebnis zutreffend eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten bejaht.
Zweck des Kug ist die in § 63 Abs 1 Satz 1 AFG ausgesprochene Erwartung, daß durch die Kug-Zahlung dem Arbeitnehmer der Arbeitsplatz und dem Betrieb der eingearbeitete Arbeitnehmer erhalten bleibt. Die anfänglich vorgesehene ausnahmslose Beschränkung des Kug auf ungekündigte Arbeitnehmer ist damit begründet worden, daß sich der Zweck des Kug, das Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten, bei gekündigten Arbeitnehmern nicht mehr erreichen lasse (vgl Begründung zu § 60 Abs 2 AFG-Entwurf, BT-Drucks V/2291 S 71). Wenn das Gesetz dann dennoch die Möglichkeit eröffnet hat, gekündigten Arbeitnehmern Kug zu gewähren, wurde damit das Ziel verfolgt, zu vermeiden, gekündigte Arbeitnehmer während der Kurzarbeit uU nur auf den Kurzlohn zu verweisen (so die Begründung zum – geänderten – § 60 Abs 1 AFG-Entwurf, zu BT-Drucks V/4110 S 13, vgl hierzu auch BSG SozR 4100 § 63 Nr 1). Ausgehend von dieser gesetzlichen Zielsetzung des Kug hatte die Beklagte deshalb bei ihrer Ermessensausübung zu prüfen, ob für die betroffenen gekündigten Arbeitnehmer die Gefahr bestand, während der Kurzarbeit nur auf den Kurzlohn verwiesen zu werden. Letzteres hat die Beklagte unter Hinweis auf § 5 Nr 5 GMTV in ihren angefochtenen Bescheiden verneint, da danach für gekündigte Arbeitnehmer ein voller Arbeitsentgeltanspruch festgelegt worden sei.
Es ist nicht zu beanstanden, daß die Beklagte die Regelung in § 5 GMTV auf alle vier betroffenen Arbeitnehmer angewandt hat, obgleich sie nach den Feststellungen des LSG nur für zwei Arbeitnehmer unmittelbar kraft Tarifgebundenheit (§ 3 Abs 1 TVG) galt. Denn selbst wenn bei den beiden anderen Arbeitnehmern in den Einzelarbeitsverträgen keine ausdrückliche Vereinbarung über die Geltung des Tarifrechts getroffen worden ist, kommt es nach der Rechtsprechung des BSG darauf an, ob die Anwendung der tariflichen Regelung allgemeiner betrieblicher Übung entsprach (vgl nicht veröffentlichtes Urteil vom 16. August 1989 – 7 RAr 186/88 –). Wie vom LSG festgestellt, hat die Klägerin bereits im Dezember 1987 bei Erstattung der Anzeige nach § 72 Abs 1 Satz 1 AFG – ebenso wie im anschließenden Gerichtsverfahren – mitgeteilt, daß der GMTV auf sämtliche Arbeitnehmer des Betriebes angewandt wurde und somit der allgemeinen betrieblichen Übung entsprach.
Nach § 5 Nr 5 GMTV erfolgt bei einem Arbeitnehmer, dem aus anderen als verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden ist, keine Verdienstminderung, wenn er wegen der Kündigung kein Kug erhält. Diese Regelung ist vom LSG dahingehend ausgelegt worden, daß die Tarifvertragsparteien zunächst ein grundsätzliches Entfallen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt unter Abbedingung der Regelung des § 615 BGB objektiv vereinbart und gewollt haben. Für den Fall der Nichtzahlung von Kug bei nicht verhaltensbedingter Kündigung sei jedoch gewissermaßen eine „Ausfallsicherung” in Form eines aufschiebend bedingten Anspruchs erfolgt. Anders ausgedrückt: Man habe gewollt, daß die Beklagte ihr Ermessen so ausübe, wie sie es ausüben würde, wenn die hilfsweise Verdienstsicherung nicht erfolgt wäre. Eine Nachprüfung der Richtigkeit dieser Auslegung ist dem Senat verwehrt. Insoweit liegt nämlich kein nach § 162 SGG revisibles Recht vor. Der GMTV erstreckt sich in seinem Geltungsbereich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus; denn er gilt lediglich für das Saarland (vgl BSGE 6, 41, 43 f; nicht veröffentlichtes Urteil vom 28. Juli 1987 – 7 RAr 3/86 – mwN). Im übrigen hat die Klägerin die Auslegung der tarifvertraglichen Regelung auch nicht als fehlerhaft beanstandet. Sie macht vielmehr geltend, das LSG habe die von ihm gefundene (zutreffende) Auslegung bei der weiteren rechtlichen Würdigung übergangen.
Ist sonach davon auszugehen, daß § 5 Nr 5 GMTV eine „Ausfallsicherungsklausel” darstellt und gekündigte Arbeitnehmer für den Fall der Nichtzahlung von Kug einen Anspruch auf das ungekürzte Arbeitsentgelt haben, konnte dies die Beklagte bei der Prüfung der Kug-Gewährung nicht außer acht lassen. Insoweit besteht entgegen der Rüge der Klägerin kein Widerspruch in der Argumentation der Beklagten und des LSG. Zuzustimmen ist der Revision im Grundsatz darin, daß die tarifliche Regelung eine „gedankliche Stufung” bei der Prüfung der Gewährung von Kug erfordert. Denn die Anwendung des § 65 Abs 1 Satz 3 AFG hat – wie bereits oben ausgeführt worden ist – zur Voraussetzung, daß – ebenso wie bei den ungekündigten Arbeitnehmern – ein auf dem Arbeitsausfall beruhender Lohnausfall eingetreten ist (vgl § 5 Nr 4 GMTV). Die Regelung in § 5 Nr 5 GMTV ändert daran unmittelbar nichts. Denn diese Regelung läßt den – grundsätzlich in Wegfall gekommenen – Entgeltanspruch nur unter bestimmten Voraussetzungen wieder aufleben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung in § 5 Nr 5 GMTV eine aufschiebende Bedingung für das (Wieder)Entstehen des Entgeltanspruchs darstellt oder eine auflösende Bedingung für die in § 5 Nr 4 GMTV vereinbarte Verdienstminderung. Denn in beiden Fällen kann jedenfalls der gekündigte Arbeitnehmer erst dann (wieder) das volle Arbeitsentgelt vom Arbeitgeber fordern, wenn feststeht, daß Kug nicht gewährt wird. Die Beklagte mußte deshalb bei der Ausübung ihres Ermessens bedenken, welche Auswirkungen sich für den Arbeitnehmer ohne die Gewährung von Kug ergeben würden. Hier hatten nach § 5 Nr 5 GMTV in der für den Senat bindenden Auslegung die gekündigten Arbeitnehmer im Fall der Nichtgewährung von Kug gerade einen Anspruch auf den ungekürzten Lohn. Würde in einem solchen Fall gleichwohl Kug gewährt, so liefe dies – ungeachtet der Frage einer Begünstigung des Arbeitgebers – darauf hinaus, daß die betroffenen Arbeitnehmer statt auf den vollen Arbeitsentgeltanspruch auf das niedrigere Kug verwiesen würden (§ 68 Abs 4 AFG). Dies würde nicht nur den Zweck der Regelung in § 65 Abs 1 Satz 3 AFG verfehlen, sondern den allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen des Kug völlig zuwiderlaufen. Die Beklagte war daher nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die anderweitige Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer aufgrund der Tarifregelung zu berücksichtigen.
Schließlich hat die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung auch nicht die vorliegende Fallgestaltung anders behandelt als dies in ihren allgemeinen Verwaltungsanweisungen nach dem hier einschlägigen Runderlaß 307/76.4 vorgesehen ist. Nach Ziff 13.31 des Erlasses ist Kug im Rahmen des durch § 65 Abs 1 Satz 3 AFG eingeräumten Ermessens ua dann nicht zu gewähren, wenn Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträge, die den Tarifvertrag für anwendbar erklären, den Anspruch auf volles Arbeitsentgelt für die Dauer der Kündigungsfrist nur insoweit zuerkennen, als „kein Anspruch auf Kug besteht”. Die Beklagte mußte deshalb im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung prüfen, ob hier tarifvertragliche Regelungen einer Gewährung von Kug entgegenstehen. Das Bestehen einer ständigen Übung der Beklagten dahin, daß in Fällen wie dem vorliegenden (doch) Kug gewährt werde, hat das LSG ausdrücklich verneint. Zulässige und begründete Revisionsrügen (§ 163 SGG) sind gegenüber dieser Feststellung nicht vorgetragen worden. Sie lassen sich insbesondere nicht dem summarischen Vorbringen der Klägerin entnehmen, die Beklagte sei bei „früheren” Tarifregelungen mit „ähnlichem” Wortlaut vom Bestehen eines Anspruchs auf Kug ausgegangen. Hieraus ergibt sich von vornherein nicht, daß die Beklagte identische Sachverhalte anders behandelt hat als den vorliegenden. Im übrigen hat sich das LSG mit vorangegangenen Regelungen in früheren Manteltarifverträgen auseinandergesetzt. Nach den insoweit getroffenen, nicht angegriffenen Feststellungen war dabei – im Unterschied zu der hier maßgeblichen Tarifbestimmung – für Angestellte ausdrücklich geregelt, daß sich der Gehaltsanspruch für die Dauer der Kündigungsfrist auf einen Zuschuß zum Kug beschränke. Dasselbe hatten die Tarifvertragsparteien – im Wege einer sog verbindlichen Interpretation vom 25. April 1984 – auch für die Arbeiter vereinbart. Soweit die Beklagte in Fällen solcher Zuschußregelungen Kug gewährt hat, lag darin entgegen der Auffassung der Klägerin kein Widerspruch zu der Behandlung der vorliegenden Sachverhalte. Denn für derartige Zuschußregelungen enthält der Runderlaß gesonderte Bestimmungen (Nr 13.31, letzter Satz und 30.50), die in diesen Fällen die Gewährung von Kug zulassen bzw vorsehen. Diese Bestimmungen im Runderlaß sind hier aber nicht einschlägig. Sonstige Tatsachen, vor allem besondere Umstände des Einzelfalles, die es der Beklagten verwehrt hätten, ihre Ermessensentscheidung an der Regelung in Nr 13.31 des Runderlasses auszurichten, sind ebenfalls nicht festgestellt.
In Übereinstimmung mit der Auffassung des LSG kann somit nicht davon ausgegangen werden, daß die angefochtenen Bescheide auf fehlerhafter Ermessensausübung beruhen, so daß die Revision als unbegründet zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen