Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 26.06.1992)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. Juni 1992 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 7. Juli 1988 bis 14. März 1989.

Der Kläger, ein Erzieher, arbeitete von 1981 bis 1986 in seinem Beruf. Anschließend besuchte er eine Fachoberschule und ab Oktober 1987 eine Fachhochschule für Sozialpädagogik. Er erhielt ab September 1987 Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Form eines unverzinslichen Darlehens.

Auf seinen im Juni 1987 gestellten Antrag gewährte das Arbeitsamt (ArbA) Arbeitslosengeld (Alg), und zwar bis Juli 1988; es ging davon aus, daß der Kläger neben seinem Studium 20 Wochenstunden der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Den Antrag des Klägers auf Anschluß-Alhi vom 1. Juli 1988 lehnte das ArbA dagegen ab, weil der Kläger – der nach seinen Angaben für sein Studium wöchentlich 16 Stunden aufwende – die Vermutung des § 103a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht habe widerlegen können (Bescheid vom 18. Juli 1988, Widerspruchsbescheid vom 9. November 1988).

Das Sozialgericht (SG) hat unter Aufhebung der genannten Bescheide sowie des während des Klageverfahrens ergangenen – weiteren – Bescheides vom 23. November 1988 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger Alhi für die Zeit vom 7. Juli 1988 bis 14. März 1989 nach einer Wochenstundenzahl von 20 Stunden zu gewähren (Urteil vom 30. November 1989). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 26. Juni 1992 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf Alhi scheitere zwar entgegen der Rechtsauffassung des ArbA nicht an der am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Vorschrift des § 103a AFG. Denn der Kläger habe die gesetzliche Vermutung, daß arbeitslose Schüler oder Studenten nur eine beitragsfreie Beschäftigung ausüben können, widerlegt. Er sei nämlich in der streitigen Zeit auch unter Berücksichtigung seiner Inanspruchnahme durch das Studium in der Lage gewesen, eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben. Nach Überzeugung des Senats habe er von Juli 1988 bis März 1989 neben seinem Studium eine Tätigkeit von mehr als 18 Stunden wöchentlich verrichten können. Er habe in dem „Zusatzfragebogen für Studenten und Schüler” für das hier maßgebende dritte Semester erläutert, daß er im Rahmen des Studiums durch insgesamt 11 Unterrichtsstunden wöchentlich beansprucht gewesen sei. Diese verhältnismäßig geringe Anzahl an Vorlesungsstunden erkläre sich daraus, daß er nach den von ihm eingereichten Bescheinigungen der Fachhochschule Kiel auf der Grundlage der vorangegangenen Erzieherausbildung bestimmte Leistungsnachweise im Rahmen des Studiums habe nicht mehr zu erbringen brauchen. Es sei deshalb davon auszugehen, daß er infolge seiner vorangegangenen Erzieherausbildung zumindest in den Anfangssemestern durch sein Studium weniger belastet gewesen sei als andere vergleichbare Studenten der gleichen Fachrichtung. Nach Erfahrungssätzen bedürfe ein ordnungsgemäßes Studium einer etwa der Unterrichtsstundenzahl vergleichbaren Zahl an Stunden zur Vor- bzw Nachbereitung. Auch unter Berücksichtigung etwaiger Wegestrecken zwischen Wohnung und Unterrichtsstätte bzw Wohnung und Arbeitsstätte bleibe bei dieser geringen Stundenzahl, die für das Studium während der streitigen Zeit erforderlich gewesen sei, ein hinreichender Spielraum für eine weitere Beschäftigung von mindestens 18 Stunden. Eine objektive Belastungsobergrenze etwa von 40 oder 48 Stunden gebe es nicht.

Der Alhi-Anspruch des Klägers scheitere indes daran, daß er in der streitigen Zeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Verfügbarkeit setze nach § 103 Abs 1 Nr 1 iVm § 134 Abs 1 Nr 1 AFG ua voraus, daß der Arbeitslose die die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne und dürfe. Zwar könne Alhi auch erhalten, wer nur für eine Teilzeitarbeit zur Verfügung stehe, aber nur, wenn eine derartige Tätigkeit den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entspreche. Für die vom Kläger angebotene Tätigkeit als Erzieher lasse sich bei der festgestellten zeitlichen Einschränkung, nämlich an einigen Tagen der Woche ab 15.00 Uhr, dienstags ab 16.00 Uhr, jeweils für drei bis vier Stunden, nicht feststellen, daß eine solche Verteilung der Arbeitszeit in den Jahren 1988/89 den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entsprochen habe. Das LSG hat sich insoweit auf das Ergebnis der Beweiserhebung in einem Parallelverfahren (L 5 Ar 44/90) bezogen. Danach würde sich ein Arbeitsangebot, wie es der Kläger angegeben habe, jeweils nur im Wege der Einzelvereinbarung mit Arbeitgebern realisieren lassen. Als arbeitsmarktüblich könne jedoch nur angesehen werden, was sich ohne besondere Absprache in den allgemeinen Rahmen einfügen lasse. Für diesen Tatbestand der nicht üblichen Teilzeitarbeit werde in § 134 Abs 4 Satz 2 AFG der Anspruch auf Alhi ausgeschlossen.

Der Kläger rügt mit der – vom LSG zugelassenen – Revision eine Verletzung förmlichen und materiellen Rechts. Er macht geltend, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) verletzt, indem es eine Überraschungsentscheidung getroffen habe. Er habe unter Berücksichtigung der vom LSG im Termin gegebenen Hinweise nicht damit rechnen können, daß das Gericht aufgrund der Beweiserhebung in dem beigezogenen Parallelverfahren in seinem Fall zu einem negativen Ergebnis gelangen würde, während es in dem Parallelverfahren zu einem für den dortigen Kläger positiven Ergebnis gekommen sei. Durch den gleichen Vorgang habe das LSG auch seine Aufklärungspflicht nach § 103 SGG und die Verpflichtung nach § 112 Abs 2 SGG verletzt, dahin zu wirken, daß sich die Beteiligten über erhebliche Tatsachen vollständig erklären. Im Falle weiterer Ermittlungen bei anderen karitativen Organisationen, wie beispielsweise der Arbeiterwohlfahrt, der Lebenshilfe oder der Caritas hätte das LSG erfahren, daß es für die von ihm angebotene Tätigkeit als Erzieher einen arbeitsmarktüblichen Teilzeitarbeitsmarkt gegeben habe. – In materieller Hinsicht beruhe das Urteil auf einer Verletzung der §§ 134 Abs 1 Nr 1 und 134 Abs 4 AFG. Denn das LSG habe den Begriff der Arbeitsmarktüblichkeit im Sinne dieser Vorschrift verkannt. Übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes brauchten nicht in der Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse, wohl aber in einer beachtlichen Zahl vorhanden zu sein, aus der eine entsprechende Übung entnommen werden könne. Nicht hinreichend bewertet worden sei auch die bereits erstinstanzlich vorgetragene Tatsache, daß er vor seinem Studium schon zu solchen Arbeitszeiten gearbeitet habe, für die er nun arbeitsuchend sei, nämlich nachmittags und abends.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, zwar könne der vom LSG vorgenommenen Auslegung des Begriffes der Arbeitsmarktüblichkeit iS des § 103 Abs 1 Nr 1 AFG iVm § 134 Abs 4 Satz 2 AFG nicht gefolgt werden. Denn die Notwendigkeit des Abschlusses von Einzelvereinbarungen schließe – wie auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu entnehmen sei – die Arbeitsmarktüblichkeit nicht aus. Gleichwohl könne ein Anspruch des Klägers auf Alhi daran scheitern, daß er für das ArbA nicht täglich erreichbar gewesen sei (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG), wie sich aus seinen Vorlesungszeiten ergeben könnte. Außerdem wende sie sich auch gegen die Rechtsauffassung des LSG, wonach der Kläger die Vermutung des § 103a Abs 1 AFG gemäß Abs 2 dieser Vorschrift widerlegt habe. Denn § 103a Abs 2 AFG lasse sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seiner Entstehungsgeschichte die Widerlegung der Vermutung durch den Nachweis eines individuell gestalteten Studiums und einer sich daraus ergebenden, verglichen mit einem normalen Studenten, geringeren zeitlichen Beanspruchung nicht zu. Vielmehr werde ausdrücklich auf den Ausbildungsgang abgestellt, wie er in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen festgelegt sei. Entsprechende Feststellungen des LSG ließen sich dem Urteil nicht entnehmen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Anschluß-Alhi zusteht, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden. Da schon die Verletzung materiellen Rechts zu einer Zurückverweisung der Sache führt, kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen greifen.

Anspruch auf Anschluß-Alhi hat gemäß § 134 Abs 1 Satz 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat (Nr 1), keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104) nicht erfüllt hat (Nr 2), bedürftig ist (Nr 3) und innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist), Alg bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen ist (Nr 4a).

Das LSG hat die Rechtsauffassung vertreten, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Anschluß-Alhi nicht, weil er in der streitigen Zeit vom 7. Juli 1988 bis 14. März 1989 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Die diesbezüglichen Ausführungen des LSG zum Begriff der „Arbeitsmarktüblichkeit” halten indes einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der Anspruch auf Alhi nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG ua Verfügbarkeit voraussetzt. Damit ist die für den Anspruch auf Alg in § 103 AFG geregelte Verfügbarkeit gemeint. Die in § 134 Abs 4 Satz 1 AFG für die Alhi angeordnete entsprechende Anwendung der für das Alg geltenden Vorschriften bezieht sich auch auf die Umschreibung der Verfügbarkeit in § 103 AFG (BSGE 64, 52, 55 = SozR 4100 § 138 Nr 23).

Bezüglich der Verfügbarkeit ist das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen, daß nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG in der seit dem 1. Januar 1988 geltenden, hier maßgebenden Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des AFG (8. AFG-ÄndG) vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2601) und des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343) der Arbeitsvermittlung nur zur Verfügung steht, wer eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Das Merkmal der Arbeitsmarktüblichkeit war bereits in der früheren, bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG enthalten, die hier allerdings nach der Übergangsvorschrift des § 242h Abs 6 AFG schon deshalb nicht zur Anwendung kommt, da der Anspruch des Klägers nicht eine Zeit bis zum 31. März 1988 betrifft. In objektiver Hinsicht setzt Verfügbarkeit nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG in der seit 1979 unveränderten Fassung ferner voraus, daß der Arbeitslose das ArbA täglich aufsuchen kann und für das ArbA erreichbar ist. Der Arbeitslose muß also für die Zeit, für die er Anspruch auf Alhi erhebt, einer Vermittlungstätigkeit des ArbA objektiv aktuell zur Verfügung stehen. Er darf in dieser Zeit durch nichts gehindert sein, ohne Verzug eine längere als kurzzeitige Beschäftigung aufzunehmen, wie sie grundsätzlich den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entspricht (ständ Rspr, vgl BSGE 44, 188, 189 = SozR 4100 § 103 Nr 8; BSGE 62, 166, 170 = SozR 4100 § 103 Nr 39; BSG SozR 4100 § 103 Nr 46).

In subjektiver Hinsicht erfordert Verfügbarkeit, daß der Arbeitslose bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf (§ 103 Abs 1 Nr 2 Buchst a AFG idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes ≪AFKG≫ vom 22 Dezember 1981, BGBl I 1497). Der Arbeitslose muß hiernach ua grundsätzlich zu allen Beschäftigungen bereit sein, die ihm nach seinem objektiven Leistungsvermögen zumutbar sind, und zwar nach Inhalt und Umfang (BSGE 47, 40 = SozR 4100 § 103 Nr 18; BSGE 57, 10, 11 = SozR 4100 § 103 Nr 35; BSG SozR 4100 § 103 Nr 43). Keinen Anspruch auf Alhi hat daher, wer nur zu Arbeiten entsprechend seiner Berufsqualifikation bereit ist, obwohl er auch andere Beschäftigungen zumutbar ausüben kann und darf, oder wer nur eine Teilzeitarbeit aufnehmen will, obwohl er eine Vollzeitarbeit ausüben kann (vgl BSG aaO).

Das LSG hat – worauf es nach seinem bisher vertretenen Rechtsstandpunkt auch nicht ankam – nicht geprüft, ob der geltend gemachte Anspruch auf Anschluß-Alhi zu verneinen ist, weil der Kläger sich nur für Beschäftigungen als Erzieher zur Verfügung gestellt hat und deshalb die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Nr 2 Buchstabe a AFG nicht erfüllt sind. Das LSG hat ferner nicht geprüft, ob der Kläger in der Zeit, für die er Alhi begehrt, das ArbA täglich aufsuchen konnte und für das ArbA erreichbar war (§ 103 Abs 1 Nr 3 AFG; § 1 Aufenthaltsanordnung vom 3. Oktober 1979, ANBA 1388). Es hat vielmehr die Verfügbarkeit deshalb verneint, weil es für die vom Kläger angebotene Tätigkeit als Erzieher jedenfalls nach Lage und Verteilung der Arbeitszeit keinen arbeitsmarktüblichen Teilzeitarbeitsmarkt gegeben habe. Den diesbezüglichen Ausführungen des LSG kann indessen nicht uneingeschränkt zugestimmt werden.

Richtig ist zwar, daß § 134 Abs 4 Satz 2 AFG für den Anspruch auf Alhi eine Sonderregelung bezüglich der Arbeitszeit vorsieht. Danach hat keinen Anspruch auf Alhi, wer nur mit Einschränkungen hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit imstande ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Insofern unterscheidet sich diese Regelung von der Vorschrift des § 103 Abs 1 Satz 2 AFG, wonach für den Anspruch auf Alg die Dauer der Arbeitszeit nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu entsprechen braucht, wenn der Arbeitslose wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben kann. Wie der 7. Senat des BSG in seiner bereits vom LSG zitierten Rechtsprechung (BSGE 44, 164, 170 = SozR 4100 § 134 Nr 3) und im Anschluß daran der erkennende Senat (SozR 3-4100 § 134 Nr 5) entschieden haben, ist § 134 Abs 4 Satz 2 AFG einschränkend dahin auszulegen, daß nur für diesen Tatbestand der nicht üblichen Teilzeitarbeit der Anspruch auf Alhi ausgeschlossen wird. Deshalb kommt ein Anspruch auf Alhi in Betracht, wenn die dem Arbeitslosen mögliche Teilzeitarbeit den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entspricht. Die Vorschrift schließt also einen Anspruch des Klägers trotz eingeschränkter Arbeitszeit während des Semesters nicht aus, vorausgesetzt, die dem Arbeitslosen mögliche Beschäftigung ist nach ihrer Gesamtdauer, nach Dauer der Arbeitszeit und deren Lage und Verteilung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich.

Ausgehend von der Feststellung, daß dem Kläger während des Semesterbetriebes nur eine Teilzeitarbeit möglich war, hat das LSG weiter ausgeführt, daß der vom Kläger angebotene Arbeitseinsatz als Erzieher, nämlich an einigen Tagen in der Woche ab 15.00 Uhr, dienstags ab 16.00 Uhr, jeweils für drei bis vier Stunden, in den Jahren 1988/1989 nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprochen habe, da derartige Arbeitszeitregelungen zu ihrer Realisierung einer besonderen Absprache bedurft hätten. Dem kann so nicht gefolgt werden.

Dem gesetzlichen Erfordernis, daß der Arbeitslose eine zumutbare, die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, liegt die Erwägung zugrunde, daß sich – von Ausnahmefällen abgesehen – nur unter solchen Bedingungen die Arbeitslosigkeit durch Vermittlung in Arbeit beenden läßt. Mit der Begründung, der Arbeitslose könne eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben, kann die objektive Verfügbarkeit daher nur verneint werden, wenn dies für alle dem Arbeitslosen mögliche bzw zumutbare Beschäftigungen zutrifft. Auf die üblichen Bedingungen des Teilzeitarbeitsmarktes für Erzieher allein darf im vorliegenden Fall daher nur abgestellt werden, wenn der Kläger lediglich als Erzieher arbeiten konnte und durfte, bzw nur eine solche Beschäftigung für ihn zumutbar war. Das hat das LSG nicht festgestellt. Aber auch wenn es allein auf die Teilzeitbeschäftigung als Erzieher ankommt, ist die vom LSG gezogene Schlußfolgerung, sein Arbeitsangebot sei nicht marktüblich, verfehlt, wie die Revision zu Recht rügt.

Die „üblichen Bedingungen” des allgemeinen Arbeitsmarktes iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG iVm § 134 Abs 4 Satz 1 und Satz 2 AFG beziehen sich auf die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses. Üblich sind Bedingungen nach der Rechtsprechung des BSG dann, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen, sondern nach der tatsächlichen Übung auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang Anwendung finden. Bezogen auf Arbeitsangebote mit bestimmten Bedingungen ist nicht maßgebend, ob den Arbeitsämtern entsprechende Vermittlungsaufträge der Arbeitgeber vorliegen oder freie Arbeitsplätze bekannt sind, sondern ob es in nennenswertem Umfang überhaupt Arbeitsplätze dieser Art gibt, seien sie nun besetzt oder frei (BSGE 44, 164, 172 = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSG SozR 4100 § 103 Nrn 17 und 23; SozR 3-4100 § 134 Nr 5 sowie zuletzt – nicht veröffentlichtes – BSG-Urteil vom 23. Juli 1992 – 7 RAr 38/91 –).

Die Feststellung, daß ein bestimmtes Arbeitsangebot – hier die vom Kläger angebotene Tätigkeit als Erzieher – den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entspricht, ist im Grundsatz eine Tatsachenfeststellung (BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 5 mwN). Um das Bestehen einer Übung zu erfassen, ist zu berücksichtigen, in welchem zahlenmäßigen Umfang Arbeitsverhältnisse der betreffenden Art überhaupt vorhanden sind. Solche Feststellungen hat das LSG nicht getroffen. Vielmehr hat es, ohne den von ihm verwendeten Begriff näher zu entwickeln, die Marktüblichkeit der vom Kläger angebotenen Teilzeitarbeit allein deshalb verneint, weil eine Tätigkeit mit der vom Kläger genannten Zeitbeschränkung und Zeitverteilung nach den getroffenen Feststellungen einer besonderen Absprache mit dem Arbeitgeber bedurft hätte. Der Umstand, daß es zur Realisierung des eingeschränkten Arbeitsangebots einer besonderen Absprache bedurft hätte, besagt jedoch nichts darüber, daß es solche Arbeitsplätze nur im Einzelfall gibt. So wäre beispielsweise eine (zeitlich beschränkte) Tätigkeit als Geschäftsführer, die in der Regel einzelvertraglich vereinbart wird, nach dieser Definition nicht üblich. Entscheidend ist deshalb allein, ob es Teilzeitarbeitsplätze mit dieser Arbeitszeitverteilung in nennenswertem Umfang gibt (vgl BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 5). Demgemäß hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung zu § 103 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 AFG bei der Prüfung des Erfordernisses, daß Lage und Verteilung der angebotenen Arbeit des Arbeitslosen üblich sein müssen, eine starre Grenze in dem Sinne verneint, daß die Lage und Verteilung der Teilzeitarbeit gewöhnlich nur dann üblich seien, wenn wenigstens Anfang oder Ende der Teilzeitarbeit dem Arbeitsbeginn oder -ende des für Vollzeitarbeitskräfte üblichen Arbeitstages entsprechen. Es hat herausgestellt, daß auch bei einem zu fingierenden Arbeitsmarkt Lage und Verteilung der Arbeitszeit üblich sein können, obwohl sie nicht mit Anfang oder Ende des normalen Arbeitstages übereinstimmen, beispielsweise in der Gastronomie (SozR 4100 § 103 Nr 23). Ähnliches könnte für die vom Kläger angebotene Erziehertätigkeit in Heim-Tageseinrichtungen gelten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß der Kläger selbst vorgetragen hat, daß er vor seinem Studium bereits zu solchen Arbeitszeiten gearbeitet hatte, für die er nun arbeitsuchend war, nämlich nachmittags und abends.

Selbst wenn im übrigen Arbeitsplätze für Erzieher mit Arbeitszeiten, wie sie der Kläger während des Semesters ausüben konnte, und solche mit Wechsel von Teilzeit während und Vollzeit außerhalb des Semesters nicht arbeitsmarktüblich waren, schlösse dies die objektive Verfügbarkeit des Klägers für die vorlesungsfreien Zeiten bzw die Semesterferien nur aus, wenn auch auf die Dauer von zwei oder drei Monaten beschränkte Erzieherarbeitsplätze mit Vollzeit nicht marktüblich waren (vgl dazu, daß auch die Gesamtdauer der dem Arbeitslosen möglichen Beschäftigung marktüblich sein muß: BSGE 44, 164, 172 = SozR 4100 § 134 Nr 3; nicht veröffentlichtes BSG-Urteil vom 23. Juli 1992 – 7 RAr 38/91 –). Auch dazu hat sich das LSG nicht geäußert.

Ist die Revision hiernach begründet, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, zumal sich die vom LSG getroffene Entscheidung nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 170 Abs 1 SGG). Vielmehr führt die Revision, da schon für die Marktüblichkeit des objektiven Arbeitsangebots des Klägers weitere Feststellungen zu treffen sind, gemäß § 170 Abs 2 SGG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Für die erneute Entscheidung, bei der das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird, wird auf folgendes hingewiesen: Ein Anspruch auf Anschluß-Alhi wäre zu verneinen, wenn der Kläger sich nur für eine Vermittlung als Erzieher zur Verfügung gestellt hätte, obwohl er auch andere Beschäftigungen als die eines Erziehers ausüben konnte und durfte und ihm eine solche Tätigkeit zumutbar war. Denn dann hätte es an der nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bzw 2a AFG erforderlichen Bereitschaft gefehlt, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf. Diesbezüglich fehlen bislang jegliche Feststellungen.

Außerdem muß ggf noch festgestellt werden, ob bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Nr 3 AFG gegeben waren; insoweit besteht Veranlassung für den Hinweis, daß der Arbeitslose unter der von ihm dem ArbA benannten Anschrift mindestens zur Zeit des Eingangs der Briefpost täglich erreichbar sein muß (§ 1 Satz 1 Aufenthaltsanordnung; BSGE 58, 104, 108 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 66, 103, 105 = SozR 4100 § 103 Nr 47).

Für die erneute Entscheidung wird ferner darauf hingewiesen, daß auch die Rechtsausführungen des LSG zur Widerlegung der Vermutung des § 103a Abs 1 AFG durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegen. So ist zum einen zu beachten, daß nach § 103 Abs 1 Nr 1 AFG in den seit dem 1. Januar 1988 gültigen Fassungen der Arbeitsvermittlung nur zur Verfügung steht, wer bereit und in der Lage ist, eine zumutbare, die Beitragspflicht begründende Beschäftigung aufzunehmen. Für Studenten bedeutet diese Regelung, daß sie kein Alg erhalten, wenn sie nur für Beschäftigungen zur Verfügung stehen, die den Erfordernissen des Studiums angepaßt sind und die deshalb nach § 169 Nr 1 AFG aF iVm § 172 Abs 1 Nr 5 Reichsversicherungsordnung bzw § 169b Nr 2 AFG nF beitragsfrei sind. Es kommt deshalb nicht nur darauf an, daß die vom Kläger angebotene Tätigkeit die Grenze der kurzzeitigen Beschäftigung von derzeit 18 Wochenstunden (§ 102 Abs 1 AFG) überschritten hat, sondern ob er in einer für ihn während des Studiums in Betracht kommenden Beschäftigung beitragsfrei gewesen wäre. Damit sind die von der Rechtsprechung des BSG zur Kranken- und Rentenversicherungsfreiheit wie auch zur Beitragsfreiheit dieses Personenkreises entwickelten Grundsätze weiterhin uneingeschränkt maßgebend (vgl insbesondere BSGE 50, 25 = SozR 2200 § 172 Nr 14; BSG-Urteil vom 19. Februar 1987 – 12 RK 10/85 – BB 1987, 1182 = NZA 1987, 828). Die Voraussetzungen dieser Beitragsfreiheit von Studenten (sog Werkstudenten-Privileg), die während des Studiums einer entgeltlichen Beschäftigung nachgehen, hat der für Beitragssachen zuständige 12. Senat des BSG nur für solche Personen angenommen, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werden und sich nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen das Erscheinungsbild eines Studenten, nicht aber eines abhängig Beschäftigten ergibt (BSG SozR 3-2200 § 172 Nr 2). Insoweit kann hinsichtlich der weiteren Ausführungen auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom heutigen Tage (- 11 RAr 79/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen) verwiesen werden.

Das LSG wird deshalb ggf noch feststellen müssen, ob bei dem Kläger wegen der verhältnismäßig geringfügigen Inanspruchnahme durch sein Studium das Erscheinungsbild als Student nicht gegeben war, sondern sein Erscheinungsbild durch eine Tätigkeit als Arbeitnehmer geprägt war. Im Rahmen dieser Prüfung ist als Verfahrensvorschrift die durch das 8. AFG-ÄndG mit Wirkung ab 1. Januar 1988 eingefügte Vorschrift des § 103a AFG zu beachten. Danach wird bei Arbeitslosen, die Schüler oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte sind, vermutet, daß sie neben ihrer Ausbildung nur Beschäftigungen ausüben können, die wegen des Werkstudentenprivilegs beitragsfrei sind. Diese Vermutung ist nach Abs 2 der Vorschrift widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, daß der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zuläßt. § 103a Abs 2 AFG läßt also die Widerlegung der nach Abs 1 vermuteten Tatsache zu. Der Nachweis nach § 103a Abs 2 AFG muß sich darauf erstrecken, daß die Ausbildung eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung zuläßt. Dies kann dann zu verneinen sein, wenn jemand neben seinem Studium während des Semesters wöchentlich nur bis zu maximal 20 Stunden beschäftigt sein kann (BSGE 44, 164, 166 = SozR 4100 § 134 Nr 3; 50, 25, 26 f = SozR 2200 § 172 Nr 14). Eine feste Zeitgrenze kann jedoch nicht gesetzt werden. Vielmehr gilt lediglich, daß je mehr die 20-Stunden-Grenze überschritten wird, desto eher von einer prägenden Bedeutung der Arbeitnehmertätigkeit ausgegangen werden kann (BSGE 50, 27 f). Desgleichen muß nach der Rechtsprechung ein Student seinem Erscheinungsbild nach nicht zum Kreis der sozialversicherungsrechtlich geschützten Arbeitnehmer gehören, wenn er aufgrund seiner Ausbildung nur an Wochenenden oder in den Abend- und Nachtstunden einer Beschäftigung nachgehen kann (BSGE 50, 25, 27). Die Darlegung und Beweisführung, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausüben zu können, darf allerdings arbeitslosen Studenten nicht durch die Annahme einer Belastungsobergrenze abgeschnitten werden (BSGE 70, 180, 182 = SozR 3-4100 § 103 Nr 7; Urteil des erkennenden Senats vom 21. April 1993 – 11 RAr 25/92 –).

Ob der Ausbildungsgang die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung zuläßt, richtet sich gemäß § 103a Abs 2 AFG nach den in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen, die für die konkrete Ausbildung einschlägig sind, vorgeschriebenen Anforderungen. Daraus ergibt sich, daß Ausgangspunkt für die Widerlegung der Vermutung die Ausbildungsanforderungen sind, wie sie sich objektiv nach den maßgeblichen Bestimmungen ergeben. Es genügt somit nicht – wie das LSG in seiner Entscheidung ausgeführt hat – die Feststellung, daß der Kläger infolge seiner vorangegangenen Erzieherausbildung zumindest in den Anfangssemestern durch sein Studium weniger belastet gewesen sei als andere vergleichbare Studenten der gleichen Fachrichtung. Vielmehr hätten die Ausbildungsanforderungen durch Beiziehung der Studienordnungen, Prüfungsordnungen, Ausbildungsnachweise etc im einzelnen für Studenten der Sozialpädagogik geklärt werden müssen, die – wie der Kläger – in den Anfangssemestern stehen und zuvor eine Erzieherausbildung absolviert haben. Die individuellen Verhältnisse des Arbeitslosen sind also bei der Widerlegung der Vermutung des § 103a Abs 2 AFG nicht völlig ohne Bedeutung. Allerdings reicht allein der Rückgriff auf die Angaben des Klägers, wonach er für das hier maßgebende dritte Semester in dem „Zusatzfragebogen für Studenten und Schüler” erläutert hat, daß er durch sein Studium nur mit insgesamt 11 Unterrichtsstunden wöchentlich beansprucht gewesen sei und die daraus vom LSG gezogene Schlußfolgerung, er verfüge über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihn befähigten, auf seine Ausbildung weniger Zeit zu verwenden als der durchschnittliche Student in vergleichbarer Situation, zur Erbringung des Nachweises iS des § 103a Abs 2 AFG nicht aus.

Schließlich ist noch zu beachten, daß der Kläger nach den Feststellungen des LSG in der umstrittenen Zeit BAföG in Form eines unverzinslichen Darlehens erhalten hat. Insoweit könnte dem Land Schleswig-Holstein gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung zustehen (§§ 11 Abs 2, 21 Abs 3 Ziff 4 BAföG iVm § 1 Nr 1f BAföG-Einkommens-Verordnung vom 5. April 1988 – BGBl I 505 –; § 38 Satz 2 BAföG iVm § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫). Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte als erfüllt (§ 107 Abs 1 SGB X). Dies kann bedeuten, daß dem Kläger, auch wenn sämtliche Anspruchsvoraussetzungen während des gesamten streitigen Zeitraums erfüllt sind, Alhi nicht in voller Höhe zusteht.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172883

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