Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommensermittlung. Festlegung unterschiedlicher Bemessungszeiträume bei Einkommen und Mischeinkünften aus nichtselbständiger bzw selbständiger Tätigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Festlegung unterschiedlicher Bemessungszeiträume für das Elterngeld bei Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit einerseits und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit sowie Mischeinkünften andererseits verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Normenkette
BEEG § 2b Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, 3 S. 1 Fassung: 2012-09-10, S. 2 Fassung: 2012-09-10, § 2c Abs. 2 S. 2, § 2d Abs. 1, 2 S. 1, § 2 Abs. 8 Fassung: 2007-08-19, Abs. 9 S. 1 Fassung: 2007-08-19; EStG § 4a Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; EGeldVereinfG Art. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juni 2015 und des Sozialgerichts Hildesheim vom 28. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den richtigen Bemessungszeitraum und die Höhe des Elterngelds für die am 12.8.2013 geborene Tochter der Klägerin.
Nach der Geburt ihres ersten Kindes im Dezember 2010 befand sich die Klägerin bis Juni 2012 in Elternzeit ohne Elterngeldbezug, arbeitete im Juni 2012 in Teilzeit und ab Juli 2012 in Vollzeit. Ab dem 21.7.2013 war die Klägerin im Mutterschutz, am 12.8.2013 gebar sie ihr zweites Kind.
Das Bruttogehalt der Klägerin belief sich nach Beendigung der Elternzeit im Juni 2012 auf 967,52 Euro, von Juli 2012 bis November 2012 auf je 2659,75 Euro, im Dezember auf 2765,75 Euro und von Januar bis Juni 2013 auf je 2730,39 Euro. Daneben erzielte die Klägerin im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 871 Euro aus einer Photovoltaikanlage, die sie zusammen mit ihrem Ehemann betreibt.
Der beklagte Landkreis bewilligte der Klägerin unter Anrechnung von Mutterschaftsgeld einschließlich eines Arbeitgeberzuschusses nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes, in Höhe von 404,61 Euro für den 4. und 714,01 Euro für den 5. bis 12. Monat (Bescheid vom 15.10.2013). Die Bewilligung erfolgte vorläufig und unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Als Bemessungszeitraum legte der Beklagte das Kalenderjahr 2012 zugrunde und berücksichtigte neben dem Gehalt der Klägerin ihre Einkünfte aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage in diesem Jahr.
Mit ihrem Widerspruch verlangte die Klägerin, auch ihr Gehalt aus dem Jahr 2013 zu berücksichtigen.
Der Beklagte wies den Widerspruch zurück. Wegen der Einkünfte der Klägerin aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage sei als Bemessungszeitraum nur das Kalenderjahr 2012 maßgeblich (Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013).
Auf die Klage der Klägerin hat das SG den Beklagten verpflichtet, das Elterngeld der Klägerin auf der Grundlage des Zwölfmonatszeitraums vor dem Geburtsmonat ihrer Tochter zu bemessen. Die vom Beklagten herangezogenen Einkünfte aus dem Kalenderjahr 2012 spiegelten die Einkommenssituation der Familie im maßgeblichen Zeitraum nicht angemessen wider (Urteil vom 28.11.2014).
Das LSG hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, der Klägerin Elterngeld unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Bruttoeinkommens vor der Geburt in Höhe von monatlich 2681,82 Euro zu gewähren. Zwar seien bei einer streng am Wortlaut des § 2b BEEG orientierten Auslegung nur die im Jahr 2012 erzielten Einkünfte zugrunde zu legen. Dies führe jedoch zu sachwidrigen Ergebnissen und trage damit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen und den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht angemessen Rechnung. Die Einkünfte in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes dürften nur dann herangezogen werden, wenn dies keine erheblichen Nachteile für den Berechtigten mit sich bringe. Die Grenze zu erheblichen Nachteilen sei überschritten, wenn sich bei Heranziehung des Zwölfmonatszeitraums vor dem Geburtsmonat ein mehr als 20 Prozent höherer Elterngeldanspruch ergebe (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R). In diesem Fall seien § 2b Abs 2 und 3 BEEG teleologisch zu reduzieren. Andernfalls liege eine unzumutbare Härte vor, die von der gesetzgeberischen Kompetenz zur Typisierung nicht mehr gedeckt sei und gegen den Gleichheitssatz verstoße.
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, § 2b Abs 2 S 2 und Abs 3 S 2 BEEG ließen keinen Raum für weitere Ausnahmeregelungen aus Billigkeitsgründen. Die vom LSG vorgeschlagene Lösung laufe dem gesetzgeberischen Willen der Vollzugserleichterung entgegen. Das in Bezug genommene Urteil des BSG beziehe sich auf die alte Rechtslage, welche der Gesetzgeber bewusst geändert habe. Die strikten gesetzlichen Regeln für die Ermittlung der Bemessungszeiträume dienten einer einheitlichen Rechtsanwendung und der Rechtssicherheit. Sie verstießen nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Bei einer Güterabwägung zwischen Verwaltungsvereinfachung und möglichen Nachteilen für Elterngeldbezieher sei der erheblich höhere Verwaltungsaufwand für die Berechnung des Elterngelds auf Grundlage von Gewinnermittlungen zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juni 2015 und das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 28. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des LSG, die sie für zutreffend hält. Das Ziel der Verfahrensbeschleunigung dürfe den Hauptzweck des BEEG nicht außer Acht lassen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Urteile sind aufzuheben und die Klage der Klägerin auf höheres Elterngeld abzuweisen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).
1. Streitgegenstand bildet der Elterngeldbescheid des Beklagten vom 14.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2013. Die Klägerin wendet sich dagegen zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung höheren Elterngelds, § 54 Abs 1, Abs 4 SGG, die sich auf den Erlass eines Grundurteils iS des § 130 Abs 1 SGG richtet (vgl BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 14 mwN; BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 2/13 R - Juris).
Der Zulässigkeit dieser Klage steht nicht entgegen, dass die vorläufige Entscheidung noch nicht durch eine endgültige ersetzt worden ist (vgl hierzu bereits BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 13; zum Verhältnis der vorläufigen zur endgültigen Entscheidung auch BSG Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - RdNr 25). Die Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 8 Abs 3 BEEG ist ein eigenständiger Verwaltungsakt iS des § 31 S 1 SGB X, der gesondert mit Widerspruch und Klage angefochten werden kann (BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 6/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 15 RdNr 13 mwN).
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld, insbesondere nicht auf der Grundlage eines anderen Bemessungszeitraums als des Kalenderjahrs 2012.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach den am 18.9.2012 in Kraft getretenen Vorschriften des BEEG vom 10.9.2012 (BGBl I 1878) und den Änderungen durch das Gesetz vom 23.10.2012 (BGBl I 2246 zu § 2b Abs 1 S 2 BEEG) und das Gesetz vom 15.2.2013 (BGBl I 254 zu § 1 Abs 8 BEEG).
a. Die Klägerin kann dem Grunde nach Elterngeld beanspruchen, weil sie im Anspruchszeitraum die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BEEG erfüllte. Nach den für den Senat nach § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG hatte sie im Bezugszeitraum des Elterngelds ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem Haushalt mit ihrer Tochter, die sie selbst betreute und erzog, und übte zumindest keine volle Erwerbstätigkeit iS von § 1 Abs 6 BEEG aus.
b. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann die Klägerin indes nicht verlangen, dass der Beklagte ihr Elterngeld gemäß § 2b Abs 1 S 1 BEEG nach dem Einkommen bemisst, welches sie in den zwölf Monaten vor dem Geburtsmonat ihrer Tochter - von August 2012 bis Juli 2013 - aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt hat. Vielmehr hat der Beklagte als Bemessungszeitraum zutreffend nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG iVm § 4a Abs 1 S 2 Nr 3 S 1 Einkommensteuergesetz (EStG) das Kalenderjahr 2012 zugrunde gelegt; für ein Absehen von dieser Regelung gibt es im Fall der Klägerin keine gesetzliche Grundlage.
aa. Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG sind gemäß § 2b Abs 1 S 1 BEEG die zwölf Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich. Abweichend davon ist nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG stattdessen der steuerliche Veranlagungszeitraum zugrunde zu legen, der den Zeiträumen für die Gewinnermittlung aus selbstständiger Tätigkeit nach § 2b Abs 2 BEEG zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in diesen Zeiträumen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hatte.
Diese Voraussetzungen für die Verlagerung des Bemessungszeitraums auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes erfüllt die Klägerin, weil sie im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS von § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 S 1 EStG und damit Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2d Abs 1 BEEG hatte. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann es insoweit dahinstehen, ob die Klägerin selber aktiv unternehmerisch tätig geworden ist (aA Löbner/Tünz, Sozialrecht aktuell 2016, S 41, 43). Denn als Gesellschafterin einer GbR mit ihrem Ehemann trug sie jedenfalls das Unternehmerrisiko, auf dessen Grundlage sie und ihr Ehemann als Mitunternehmer mit Gewinnerzielungsabsicht laufende Einnahmen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage erwirtschaftet haben. Bei diesen Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des Steuerrechts handelt es sich deshalb elterngeldrechtlich um Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (vgl BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 4/13 R - RdNr 5 und 28; BSG Urteil vom 27.6.2013 - B 10 EG 2/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 21).
Nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG hat der Beklagte deshalb zutreffend als Bemessungszeitraum für das Elterngeld der Klägerin das Kalenderjahr 2012 zugrunde gelegt. Es war sowohl steuerlicher Gewinnermittlungszeitraum als auch letzter abgeschlossener steuerlicher Veranlagungszeitraum vor der Geburt ihres Kindes, wie sich aus § 4a Abs 1 S 2 Nr 3 S 1 EStG iVm § 4a Abs 1 S 1 EStG ergibt. Daher hat der Beklagte zutreffend das Elterngeld der Klägerin nur nach ihrem Einkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit in diesem Zeitraum bemessen.
bb. Eine ungeschriebene Ausnahme von der eindeutigen gesetzlichen Anordnung des § 2b Abs 3 S 1 BEEG schließen Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift entgegen der Ansicht der Vorinstanzen aus. Schon ihr Wortlaut - "ist" - eröffnet kein Ermessen. Vielmehr verpflichtet sie die Elterngeldbehörde in gebundener Entscheidung, den Bemessungszeitraum zu verschieben, wenn der Elterngeldberechtigte wie die Klägerin Mischeinkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit bezogen hat. Der Bemessungszeitraum des § 2b Abs 3 S 1 BEEG ist dann zwingend zugrunde zu legen. Als einzige Ausnahme von dieser Regel ermöglicht § 2b Abs 3 S 2 BEEG, den Bemessungszeitraum auf Antrag noch weiter in die Vergangenheit auf den vorangegangenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zu verschieben, wenn ansonsten Erwerbsrisiken verwirklicht würden, von denen das Gesetz Elterngeldberechtigte nach Sinn und Zweck des Elterngelds ausnahmsweise freistellen will. Diese Ausnahmetatbestände sind nach § 2b Abs 1 S 2 BEEG die Einschränkung oder der Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit während des Bezugs von Elterngeld für ein älteres Kind, eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 2 oder § 6 Abs 1 Mutterschutzgesetz, des Bezugs von Mutterschaftsgeld nach dem SGB V oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte, der Ableistung von Wehr- bzw Zivildienst oder wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung. Diese Voraussetzungen für eine Verschiebung des Bemessungstatbestands erfüllt die Klägerin nicht. Ohnehin greift das Gesetz selbst in den genannten Konstellationen nicht auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat des Kindes zurück, den die Klägerin für den richtigen Bemessungszeitraum hält, sondern auf den vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum. Die Aufzählung der Rechtsfolgen des Verschiebungstatbestands ist nach der gesetzlichen Systematik grundsätzlich abschließend. Sie lässt keinen Raum dafür, den Bemessungszeitraum für das Elterngeld der Klägerin auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat ihrer Tochter zu verschieben.
Zu Unrecht berufen sich die Vorinstanzen insoweit auf die Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5) zur Vorgängervorschrift des § 2 Abs 8 BEEG (idF vom 19.8.2007, BGBl I 1970). Dieser lag ein abweichender Gesetzeswortlaut und eine grundsätzlich andere gesetzliche Systematik zugrunde. In der vom LSG in Bezug genommenen Entscheidung hatte der Senat an der Formulierung "… die … Erwerbstätigkeit" in § 2 Abs 9 S 1 BEEG angeknüpft und vor allem systematisch mit dem im Gesetz angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis von Zwölfmonats- und steuerlichem Veranlagungszeitraum argumentiert. Danach stellte der Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat die Regel und der letzte steuerliche Veranlagungszeitraum die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme dar. Ihre Anwendung musste insbesondere verhältnismäßig sein. Nach dem geänderten, im Fall der Klägerin maßgeblichen Recht hindern dagegen Wortlaut und Systematik von § 2b Abs 3 BEEG, bei Mischeinkünften überhaupt auf den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt zurückzugreifen. Der Rückgriff auf den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum ist in diesen Fällen die neue gesetzliche Regel, die gesetzlichen Ausnahmen sind im Fall der Klägerin nicht einschlägig.
Diese Systematik setzt auch erkennbar den Regelungsplan des Gesetzgebers um. Wie die Entstehungsgeschichte von § 2b BEEG zeigt, sollte der Bezug von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit zwingend zu einem Rückgriff auf einen steuerlichen Veranlagungszeitraum führen, der für die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich ist. Die von dem Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (Art 1 Nr 3 Gesetz vom 10.9.2012, BGBl I 1878) neu geschaffene Vorschrift hat ausdrücklich auf eine grundlegende Verwaltungsvereinfachung abgezielt (so die Gesetzesbegründung BT-Drucks 17/1221 S 1). Dafür sollte ua der Nachweis des Bemessungseinkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zukünftig möglichst allein anhand des Einkommensteuerbescheids erfolgen. Der Prüfungsaufwand, der aufgrund des vom Senat angenommenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses des bisherigen § 2 Abs 8 und 9 BEEG entstanden war, sollte entfallen (Beschlussempfehlung des 13. Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 17/9841 S 15 f, 20 f).
Diese klare gesetzgeberische Absicht, die sich unmissverständlich im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hat, schließt die vom LSG vorgenommene teleologische Reduktion des § 2b Abs 3 S 1 BEEG aus (aA Schnell in Tillmanns/Mutschler, Praxiskommentar zum Mutterschutzgesetz und BEEG, 1. Aufl 2015, § 2b BEEG RdNr 20). Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang des § 2b Abs 3 S 1 BEEG sprechen nicht gegen eine uneingeschränkte, wortlautgetreue Anwendung, wie eine teleologische Reduktion es nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 26 ff mwN) erfordern würde, sondern bestätigen das Ergebnis der Wortlautauslegung. Der Wortlaut lässt sich auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einschränken, die in der Argumentation des LSG anklingt, weil dies dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht (vgl Senat Urteil vom 5.5.2015 - B 10 KG 1/14 R - SozR 4-5870 § 1 Nr 4 RdNr 36 mwN).
cc. Obwohl das BEEG damit im vorliegenden Fall eine Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt ausschließt, braucht der Senat das Verfahren nicht auszusetzen und nach Art 100 Abs 1 S 1 GG dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen. Er ist nicht davon überzeugt, dass § 2b Abs 3 S 1 BEEG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG oder andere Verfassungsnormen verstößt.
Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist vielmehr erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f; Britz, NJW 2014, 346 ff mwN). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG ebenfalls die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarras in Jarras/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 3 RdNr 8 mwN). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; BVerfGE 110, 412, 436; stRspr). Der Gesetzgeber hat dabei im Bereich des Sozialrechts, zu dem die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum. Das gilt jedenfalls uneingeschränkt für das Elterngeld als fürsorgerische Leistung der Familienförderung, die über die bloße Sicherung des Existenzminimums hinausgeht (zum Elterngeld vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - BVerfGK 19, 186-193).
Diesen Spielraum hat der Gesetzgeber mit der unterschiedlichen Ausgestaltung der Regelungen zum Bemessungszeitraum nicht überschritten. Zwischen Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit bestehen hinreichend gewichtige Unterschiede, die es rechtfertigen, den Bemessungszeitraum je nach Einkunftsart auf die vom Gesetzgeber gewählte unterschiedliche Weise festzulegen (vgl BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 36). Zum einen schwanken Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit ihrer Natur nach häufiger als solche aus nichtselbstständiger Tätigkeit und können von den Berechtigten zudem im Regelfall leichter beeinflusst werden. Damit ist der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor der Geburt, den der Bemessungszeitraum abbilden und den das Elterngeld zumindest teilweise aufrechterhalten soll (zu dieser Referenzmethode vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 RdNr 35 mwN), tendenziell ohnehin weniger stabil und zeitlich weniger präzise einzugrenzen. Die Verschiebung des Bemessungszeitraums vom Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat zurück auf die maßgeblichen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume muss daher nicht zwingend und noch nicht einmal regelmäßig mit einem Verlust an Aussagekraft für die Bemessung des durch das Elterngeld zu ersetzenden Einkommens einhergehen.
Vor allem aber unterscheiden sich Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit regelmäßig erheblich durch den Aufwand für ihre Feststellung durch Behörden und Berechtigte. Haben Elterngeldbehörden nur Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit zu ermitteln, so können sie dafür auf Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers für die maßgeblichen Monate zurückgreifen, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit inzwischen eine gesetzliche Vermutung spricht, vgl § 2c Abs 2 S 2 BEEG. Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit sind dagegen Gewinneinkünfte, vgl § 2d Abs 1 BEEG. Sie festzustellen erfordert grundsätzlich, im Einzelfall den betriebswirtschaftlichen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu ermitteln. Diese je nach wirtschaftlicher Komplexität der selbstständigen Tätigkeit mehr oder weniger aufwändige Gewinnermittlung (vgl § 2d Abs 3 S 1 BEEG) wird von § 2b Abs 3 S 1 iVm § 2d Abs 2 S 1 BEEG maßgeblich vereinfacht und beschleunigt. Denn nach § 2d Abs 2 S 1 BEEG sind bei der Ermittlung der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte die Gewinne anzusetzen, die der Einkommensteuerbescheid ausweist (vgl Ismer/Luft/Schachamayer, NZS 2013, S 327, 330). Diese Übernahme der Feststellungen aus dem Steuerbescheid rationalisiert und vereinfacht den Elterngeldvollzug für Berechtigte und Elterngeldbehörden wesentlich. Mit der geänderten Festlegung des Bemessungszeitraums hat der Gesetzgeber daher ein geeignetes Mittel gewählt, um sein maßgebliches und legitimes Ziel der Verwaltungsvereinfachung zu erreichen. Die Schwierigkeiten der Gewinnermittlung ergeben sich in derselben Weise, wenn Elterngeldberechtigte nur einen Teil ihrer Einkünfte vor der Geburt aus selbstständiger Tätigkeit erzielt haben; zudem müssen die Bemessungszeiträume für beide Einkommensarten deckungsgleich sein. Dies rechtfertigt es, bei Elterngeldberechtigten mit Mischeinkünften als Bemessungszeitraum ebenfalls die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume heranzuziehen, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt zugrunde liegen.
Die Regelungen des § 2b Abs 3 S 1 BEEG erweisen sich schließlich nicht insoweit als verfassungswidrig, als sie unterschiedslos auch in besonders gelagerten Fällen wie dem der Klägerin gelten. Sie hat einerseits im Bemessungszeitraum nur einen ganz geringen Anteil ihrer Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt. Andererseits fällt ihr Elterngeld durch die Verschiebung des Bemessungszeitraums erheblich niedriger aus als auf der Grundlage des Zwölfmonatszeitraums vor der Geburt des Kindes, weil die Klägerin erst in diesem Zeitraum wieder voll erwerbstätig gewesen ist. Auch diese ungewöhnliche Konstellation ist indes noch von der Befugnis des Gesetzgebers zur typisierenden Regelung gedeckt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG, der der Senat gefolgt ist, darf der Gesetzgeber insbesondere im Sozialrecht bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 4/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 13 RdNr 38). Dafür müssen die Vorteile einer Typisierung - insbesondere die praktischen Erfordernisse der Verwaltung (vgl BVerfGE 9, 20, 31 f; 63, 119, 128 = SozR 2200 § 1255 Nr 17) - im rechten Verhältnis zu den Härten stehen, die wegen der damit verbundenen Ungleichbehandlung im Einzelfall und für die Gesamtheit der von der Norm Betroffenen verbunden sind (vgl Huster in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Februar 2016, Art 3 RdNr 130 ff mwN). Diese Verhältnismäßigkeit setzt zunächst voraus, dass die tatsächliche Anknüpfung der Typisierung im Normzweck angelegt ist. Die dadurch bewirkten Härten dürfen sich zudem nur unter Schwierigkeiten vermeiden lassen und im Einzelfall nicht besonders schwer wiegen (BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 39; BVerfGE 111, 176, 188 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 37). Schließlich darf die Typisierung allgemein keine beachtliche Gruppe typischer Fälle, sondern nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle betreffen (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; 63, 119, 128, 130 = SozR 2200 § 1255 Nr 17).
Danach ist die Behandlung von Mischeinkünften mit einem geringen, relativ einfach zu ermittelnden Anteil aus selbstständiger Tätigkeit in Fällen wie dem der Klägerin verhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich unbedenklich. Die unterschiedliche Behandlung von Elterngeldberechtigten mit Einkünften nur aus nichtselbstständiger Tätigkeit einerseits und solchen mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und mit Mischeinkünften andererseits ist im Normzweck der Rationalisierung und Verwaltungsbeschleunigung angelegt. Ihn verfolgt das Gesetz im Interesse aller Elterngeldberechtigten. Sie profitieren als Gruppe davon, wenn das Elterngeld beschleunigt berechnet und ausgezahlt wird. Die damit in atypischen Fällen wie dem der Klägerin verbundenen Härten ließen sich nicht vermeiden, ohne dass ua maßgeblich mit § 2b BEEG verfolgte Konzept der Verwaltungsvereinfachung weitgehend aufzugeben. Denn würde der Gesetzgeber die Behandlung von Mischeinkünften an die Überschreitung bestimmter Schwellenwerte - wie etwa die von den Vorinstanzen gewählte 20-Prozent-Grenze - knüpfen und Ausnahmen in Härtefällen zulassen, würde dies häufig aufwändige Vergleichsberechnungen der Elterngeldbehörden erfordern. Dies würde den vom Gesetz erstrebten Rationalisierungseffekt zugunsten von Verwaltung und Elterngeldberechtigten weitgehend zunichtemachen oder sogar in sein Gegenteil verkehren.
Die mit der Typisierung in § 2b Abs 3 S 1 BEEG vorgenommene Härte wiegt für die Klägerin auch nicht unzumutbar schwer. Sie wird dadurch nicht vom Elterngeldbezug ausgeschlossen, sondern erhält Ausgleich für ihr entfallendes Einkommen im Bemessungszeitraum in Höhe der gesetzlichen Ersatzrate. Die Klägerin bezieht nach der im Revisionsverfahren erstellten, von den Beteiligten grundsätzlich als zutreffend anerkannten Probeberechnung des Beklagten zwar insgesamt deutlich weniger Elterngeld als erwartet. Dies indes deshalb, weil sie sich entschieden hatte, im für ihr Elterngeld maßgeblichen Bemessungszeitraum des Kalenderjahrs 2012 noch fünf Monate unbezahlte Elternzeit ohne Elterngeldbezug in Anspruch zu nehmen und erst in den zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt ihres zweiten Kindes wieder erwerbstätig zu sein. Dieser Verzicht auf Erwerbseinkommen in erheblicher Höhe zugunsten der Kinderbetreuung über die Bezugsdauer des Elterngelds hinaus ist verfassungsrechtlich durch Art 6 Abs 1 GG geschützt, braucht aber elterngeldrechtlich gegenüber anderen Ausfällen von Erwerbseinkommen nicht privilegiert zu werden (vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, SozR 4-1100 Art 74 Nr 3).
Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass der Fall der Klägerin zu einer nennenswerten Gruppe vergleichbarer Fälle gehört, deren Existenz die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung in atypischen Sonderfällen überschreiten könnte. Der Bemessungszeitraum hat sich bei der Klägerin vielmehr nur aufgrund des besonderen Umstands verschoben, dass sie ohne erkennbaren nennenswerten zeitlichen Aufwand während ihrer Elternzeit weiterhin dauerhaft Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit bezogen hat. Insgesamt stehen damit die mit der Typisierung verbundenen Vorteile der Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung in einem angemessenen Verhältnis zur damit für die Klägerin verbundenen Härte (aA Graue/Diers, NZS 2015, S 777, 780 f).
c. Der Beklagte hat somit den Bemessungszeitraum für das Elterngeld der Klägerin zutreffend bestimmt. Gegen seine auf dieser Grundlage durchgeführte Elterngeldberechnung sowie die nach § 8 Abs 2 S 2 BEEG unter Widerrufsvorbehalt und gemäß § 8 Abs 3 S 1 Nr 3 BEEG vorläufig erfolgte Elterngeldbewilligung sind Bedenken weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Damit erweist sich der Elterngeldbescheid vom 15.10.2013 insgesamt als rechtmäßig. Die von der Klägerin dagegen erhobene Klage auf höheres Elterngeld war unter Aufhebung der stattgebenden Instanzurteile abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Fundstellen
Haufe-Index 9735818 |
BSGE 2017, 222 |
DStR 2016, 11 |