Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwillig versicherter Selbstständiger. Festsetzung der Beitragshöhe bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit durch einstweiligen Bescheid zulässig. keine Bindung an einstweilige Festsetzung bei endgültiger Festsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Krankenkasse ist berechtigt, die Höhe der Beiträge eines in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten, der hauptberuflich selbstständig tätig ist, bei Beginn seiner selbstständigen Tätigkeit durch einen einstweiligen Bescheid zu regeln, wenn Nachweise für eine Prognose der zukünftigen Einnahmen noch nicht vorgelegt werden können.
2. Bei der endgültigen Beitragsfestsetzung ist der Versicherungsträger nicht an eine einstweilige Festsetzung der Beitragshöhe gebunden.
Normenkette
SGB IV § 15 Abs. 1; SGB V § 240 Abs. 1, 4 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung.
Der Kläger war erstmals ab 1. Januar 1999 hauptberuflich als Rechtsanwalt selbstständig tätig und seitdem bis zum 30. Juni 2001 freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Auf Anfrage der Beklagten teilte er unter dem 16. November 1999 mit, die regelmäßigen monatlichen Einkünfte aus seiner selbstständigen Tätigkeit ab 1. Januar 1999 schätze er auf 2.500,00 DM. Mit Bescheid vom 17. November 1999 stufte die Beklagte den Kläger unter Vorbehalt in die Versicherungsklasse F11 0, Beitragsstufe 01, mit einem monatlichen Beitrag von 431,00 DM ab Januar 1999 ein. Sie legte dabei beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der für hauptberuflich selbstständig tätige Versicherte geltenden Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 3.310,00 DM zu Grunde. Ergänzend führte sie aus, Voraussetzung für die einkommensbezogene Einstufung sei, dass die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit mit dem letzten Einkommensteuerbescheid nachgewiesen seien. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht, da er seine selbstständige Tätigkeit erst vor kurzer Zeit aufgenommen habe und noch nicht über einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid verfüge. Die Einstufung erfolge daher unter Vorbehalt. Nach Vorlage einer Kopie des entsprechenden Einkommensteuerbescheides müsse eine Überprüfung der Einstufung erfolgen. Sie weise darauf hin, dass eine Nacherhebung von Beiträgen erfolgen müsse, soweit höhere als der Einstufung zu Grunde liegende Einkünfte nachgewiesen würden. Bei niedrigeren Einkünften würden Differenzbeiträge erstattet, soweit die Einstufung nicht bereits nach der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage erfolgt sei.
Im Juli 2001 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 6. Juni 2001, gegen den er Einspruch eingelegt hatte, vor. Mit Bescheiden jeweils vom 1. August 2001 stellte die Beklagte die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit ab 1. Januar 1999 mit 600,00 DM, ab 1. September 1999 mit 593,00 DM, ab 1. Januar 2000 mit 602,00 DM sowie ab 1. Januar 2001 mit 581,90 DM fest. Sie berücksichtigte als monatliche beitragspflichtige Einnahmen mit 4.476,17 DM 1/12 der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte von 53.714,00 DM. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, für eine rückwirkende Änderung der Beitragseinstufung fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2002 zurück.
Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 11. September 2002 vorgelegt und neben der Aufhebung der Bescheide vom 1. August 2001 hilfsweise begehrt, die im Steuerbescheid für das Jahr 2000 ausgewiesenen niedrigeren Einkünfte der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. Mai 2003 abgewiesen. Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 17. September 2004 zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, die Beklagte sei berechtigt gewesen, den Bescheid vom 17. November 1999 aufzuheben und rückwirkend über die Höhe der Beiträge erneut zu entscheiden. Der Bescheid vom 17. November 1999 habe einen zulässigen Widerrufsvorbehalt enthalten. Die Beklagte habe den Bescheid vom 17. November 1999 deshalb widerrufen können, nachdem sich das tatsächliche Einkommen des Klägers nach Vorlage des Steuerbescheids für das Jahr 1999 habe ermitteln lassen und sich die Rechtswidrigkeit der bisherigen Beitragsbemessung herausgestellt habe. § 240 Abs 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sei nicht der Grundsatz zu entnehmen, einmal festgesetzte Beiträge generell nur für die Zukunft ändern zu können. Entgegen der Auffassung des Klägers seien als beitragspflichtige Einnahmen im hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2001 nicht die in dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 festgestellten niedrigeren Einkünfte zu berücksichtigen, weil diese gemäß § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V frühestens ab 1. Juni 2003 der Beitragsbemessung hätten zu Grunde gelegt werden können.
Der Kläger rügt mit seiner vom Senat zugelassenen Revision die Verletzung des § 240 Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V. § 240 Abs 4 SGB V eröffne nicht die Möglichkeit, die erste Einstufung unter Vorbehalt vorzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt Beitragsnacherhebungen festzusetzen. Ein Vorbehalt sei insbesondere nicht zulässig, wenn das freiwillige Mitglied bei Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit eine gewissenhafte und nachvollziehbare Schätzung vorgenommen und die beitragspflichtigen Einnahmen glaubhaft gemacht habe. Sei in diesem Fall der Nachweis über die Höhe der Einkünfte noch nicht möglich, sei es nicht gerechtfertigt, den Höchstbetrag zu erheben, wenn es nach den Gesamtumständen wahrscheinlich sei, dass die beitragspflichtigen Einnahmen deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze liegen werden. Aus § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V ergebe sich, dass die so erfolgte Beitragsfestsetzung lediglich für die Zukunft geändert werden könne. Auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. November 1984 - 12 RK 70/82 - (BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20 S 62) zu § 180 Abs 4 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestätige dies. Selbst wenn eine Einstufung unter Vorbehalt zulässig wäre, müsse sich aus dem Bescheid der Grund für den Vorbehalt entnehmen lassen. Ein Hinweis darauf, dass die Schätzung unverbindlich sei, fehle jedoch im Bescheid vom 17. November 1999.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. September 2004, das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 27. Mai 2003 und die Bescheide der Beklagten vom 1. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt ,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 1. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2002, mit denen sie die Höhe der zur freiwilligen Krankenversicherung des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2001 zu zahlenden Beiträge abweichend von der zuvor erfolgten Beitragseinstufung festgesetzt hat, sind rechtmäßig.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) am 1. Januar 1989 nach § 240 SGB V. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs 1 Satz 1), wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt (Abs 1 Satz 2). Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Nach § 240 Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V (in der hier anzuwendenden, seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung, angefügt durch Art 1 Nr 137 Buchst c des Gesundheitsstrukturgesetzes ≪GSG≫ vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2266≫) gelten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Veränderungen der Beitragsbemessung können auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (Satz 3).
Die Beklagte hat auf dieser Grundlage iVm § 15 Abs 3 ihrer Satzung die Beiträge zutreffend festgesetzt. An die mit Bescheid vom 17. November 1999 erfolgte Beitragseinstufung war sie dabei nicht gebunden. Auch hinsichtlich der Beitragshöhe sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
1. Die Beklagte war berechtigt, mit den Bescheiden vom 1. August 2001 die Beitragshöhe rückwirkend ab 1. Januar 1999 festzusetzen. Dem stand nicht entgegen, dass sie bereits mit Bescheid vom 17. November 1999, der für die Beteiligten bindend geworden war (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), über die Höhe der für die Zeit ab 1. Januar 1999 zu zahlenden Beiträge entschieden hatte. Dieser Bescheid enthielt keine endgültige Regelung, die grundsätzlich nur dann hätte abgeändert werden dürfen, wenn sich die Beklagte entweder darin rechtmäßig deren Rücknahme, Widerruf oder Abänderung vorbehalten hätte oder aber dazu nach den §§ 44 ff des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren, Schutz der Sozialdaten und Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihrer Beziehungen zu Dritten - (SGB X) oder durch Spezialvorschriften gesetzlich ermächtigt gewesen wäre (vgl Urteil des BSG vom 16. November 1995 - 4 RLw 4/94 - SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 11 ff). Vielmehr regelte der Bescheid die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt und entfaltete keine Bindungswirkung in Bezug auf die mit den Bescheiden vom 1. August 2001 erfolgte endgültige Regelung der Beitragshöhe. Die Bindungswirkung eines bestandskräftig gewordenen einstweiligen Verwaltungsakts schafft zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des endgültigen Verwaltungsakts und ist von vornherein auf Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt angelegt, ohne den Verwaltungsträger bei Erlass des endgültigen Verwaltungsakts zu binden. Mit seinem Erlass erledigen sich die vorläufigen Regelungen iS von § 39 Abs 2 SGB X (vgl Urteil des BSG vom 16. November 1995 - 4 RLw 4/94 - SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12; Urteil des Senats vom 24. Januar 2003 - B 12 KR 18/02 R - SozR 4-2500 § 266 Nr 2 RdNr 8; vgl auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ≪BVerwG≫ vom 14. April 1983 - 3 C 8/82 - BVerwGE 67, 99).
a) Die Beklagte hat im Bescheid vom 17. November 1999 lediglich eine solche einstweilige Regelung über die Beitragshöhe für die Zeit ab 1. Januar 1999 getroffen. Dies ergibt die Auslegung des Bescheides vom 17. November 1999, die auch dem Revisionsgericht obliegt (Urteil des BSG vom 28. Juni 1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 mwN). Hinreichend deutlich war dem Bescheid zu entnehmen, dass die Regelung der Beitragshöhe nur einstweilig für eine Übergangszeit bis zur Vorlage des die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit festsetzenden Einkommensteuerbescheides sowie bis zum Abschluss der dann möglichen umfassenden Sachprüfung erfolgte. So wies die Beklagte in dem als "Einstufungsbescheid - unter Vorbehalt -" bezeichneten Bescheid ausdrücklich darauf hin, dass Voraussetzung für die vorgenommene einkommensbezogene Einstufung der Nachweis der Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit mit dem letzten Einkommensteuerbescheid sei, dieser Nachweis jedoch nicht vorliege und deshalb die Einstufung unter Vorbehalt erfolge. Die Beklagte kündigte darüber hinaus an, dass nach Vorlage einer Kopie des Einkommensteuerbescheides eine Prüfung der Einstufung erfolgen und ggf Beiträge nacherhoben oder Differenzbeiträge erstattet würden. Der Kläger konnte deshalb erkennen, dass eine Einstufung nicht nach der für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige geltenden Beitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V und damit mit dem Höchstbeitrag, sondern auf Grund der Berücksichtigung niedrigerer Einnahmen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V erfolgt war, obwohl keine Nachweise über die voraussichtlichen Einkünfte vorgelegen hatten, und deshalb eine Überprüfung und endgültige Beitragsfestsetzung noch erfolgen musste. Entgegen der Auffassung der Revision wurde ihm damit hinreichend bestimmt Inhalt und Umfang sowie Grund der Vorläufigkeit mitgeteilt (vgl dazu Urteile des BSG vom 28. Juni 1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f und vom 16. November 1995 - 4 RLw 4/94 - SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12 f). Allein aus der von der Beklagten gewählten Bezeichnung des Einstufungsbescheids bzw der Einstufung "unter Vorbehalt" konnte daher nicht geschlossen werden, dass eine das Verwaltungsverfahren über die Beitragseinstufung ab 1. Januar 1999 endgültig abschließende Regelung, wenn auch unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder der Rücknahme, von der Beklagten getroffen werden sollte, wie dies das LSG angenommen hat.
b) Die Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt ist bei hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten auch zulässig, wenn diese - wie hier der Kläger - mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbstständige Tätigkeit aufgenommen haben und deshalb der Nachweis über die Einnahmen iS des § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V für die endgültige Beitragsfestsetzung noch nicht erbracht werden kann.
Das Gesetz regelt allerdings im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung die lediglich einstweilige Beitragsfestsetzung nicht. Beitragsbescheide müssen daher in der Regel die Beiträge endgültig festsetzen. So hat der Senat es in seiner Entscheidung vom 27. November 1984 (12 RK 70/82 - BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20 S 62) als zulässig angesehen, bei einem selbstständig Erwerbstätigen den der Beitragsbemessung für die Zukunft zu Grunde zu legenden Grundlohn nach § 180 Abs 4 Satz 3 RVO anhand der bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorhandenen neuesten Steuerunterlagen zu bestimmen und zugleich ausgeführt, dass die darauf aufbauende Beitragsberechnung bis zu einer neuen, wieder nur für die Zukunft wirkenden Bestimmung des Grundlohns auf Grund späterer Unterlagen rechtmäßig ist. Diese zur RVO ergangene Rechtsprechung gilt grundsätzlich auch für die Beitragsbemessung bei hauptberuflich Selbstständigen nach § 240 SGB V.
Die besonderen Vorschriften für die Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen in § 240 Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V setzen, wie die oa Rechtsprechung des BSG zur RVO (Urteil vom 27. November 1984 - 12 RK 70/82 - BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20 S 62) voraus, dass die Beiträge der freiwillig Versicherten in der Regel endgültig festgesetzt werden, da der Nachweis geänderter Einnahmen nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden darf. Offensichtlich ist auch, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen bei den hauptberuflich Selbstständigen in der Regel nur zeitversetzt berücksichtigt werden können. Zur Beitragsbemessung ist das Arbeitseinkommen iS von § 15 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) und damit der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts, heranzuziehen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 26. September 1996 - 12 RK 46/95 - BSGE 79, 133, 138 ff = SozR 3-2500 § 240 Nr 27 S 102 ff), der nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststeht. Es können deshalb nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums iS von § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen solange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden, bis ein neuer Einkommensnachweis vorliegt. Diese Folge der Regelung ist im Gesetzgebungsverfahren auch erkannt worden. Nach dem Bericht des Bundestagsausschusses für Gesundheit sollte die Beitragsbemessung nach niedrigeren Einnahmen als in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze nur bei deren Nachweis, zB durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides, erfolgen (vgl BT-Drucks 12/3937 S 17), was voraussetzt, dass ein vergangenheitsbezogener Einkommensnachweis wie der Steuerbescheid Grundlage für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung ist. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen der hauptberuflich Selbstständigen ist nicht zu beanstanden. Auf einen längeren Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt wird.
Die Beiträge der hauptberuflich Selbstständigen können entgegen der gesetzlichen Regelung allerdings auch zeitversetzt dann nicht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen festgesetzt werden, wenn - wie hier vom Kläger - am Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit bei der erstmaligen Beitragseinstufung Nachweise über ihre Einnahmen noch nicht erbracht werden können. Nach § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V wäre in diesem Fäll der Höchstbeitrag zu zahlen, bis in der Regel frühestens nach Ablauf des Kalenderjahres Nachweise über die tatsächlich erzielten Einnahmen vorliegen. Eine Änderung der Beitragshöhe für die Vergangenheit, dh die Zeit vom Beginn der Tätigkeit bis zur Vorlage des Nachweises, wäre nach § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V ausgeschlossen. Damit wäre bei einer endgültigen Beitragsfestsetzung zu Beginn der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit die Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen faktisch ausgeschlossen, obwohl das Gesetz auch für diesen Personenkreis eine einkommensgerechte Beitragseinstufung vorsieht. Selbstständige, die in der Regel nur wegen einer vorangegangenen Pflichtversicherung nach § 9 Abs 1 SGB V das Recht haben, der gesetzlichen Krankenversicherung beizutreten, müssten vielmehr zu Beginn ihrer Tätigkeit ausnahmslos Höchstbeiträge zahlen, auch wenn sie - ggf nach langer Pflichtmitgliedschaft - keine Möglichkeit haben, sich bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen zu versichern. Dies gilt auch für Existenzgründer, die einen Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421 l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - oder eine entsprechende Leistung nach § 16 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - haben und für die seit der Änderung des § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V durch Art 3 Nr 6 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4621) mit Wirkung ab 1. Januar 2003 und durch Art 5 Nr 11a des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) mit Wirkung ab 1. Januar 2005 eine niedrigere Mindestbeitragsbemessungsgrenze gilt. Auch dieser Personenkreis hätte trotz der mit dieser Regelung beabsichtigten Erleichterung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit (vgl BT-Drucks 15/26 S 26 und BT-Drucks 15/1749 S 36) wegen des fehlenden Nachweises der Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu Beginn der Selbstständigkeit Höchstbeitrage zu zahlen. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses, insbesondere auch eines andernfalls möglicherweise vorliegenden unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffs, kann die Krankenkasse bei dem Personenkreis der hauptberuflich Selbstständigen zu Beginn ihrer Tätigkeit jedenfalls dann, wenn zu erwarten ist, dass die Einnahmen nicht die Beitragsbemessungsgrenze erreichen, einstweilige Regelungen der Beitragshöhe treffen (vgl zur Zulässigkeit vorläufiger Regelungen im Sozialrecht Urteile des BSG vom 28. Juni 1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 115 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 17 und vom 28. November 1990 - 4 RLw 5/90 - SozR 3-1300 § 32 Nr 4 S 34 f). Mit einer einstweiligen Regelung wird in diesem Fall auch berücksichtigt, dass das Verwaltungsverfahren zur Beitragsfestsetzung hier deshalb nicht zum Abschluss gebracht werden kann, weil dem Mitglied der "Nachweis niedrigerer Einnahmen" iS von § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V vor Erteilung des ersten Einkommensteuerbescheides nicht möglich ist.
Die einkommensgerechte Beitragseinstufung bei Beginn einer selbstständigen Tätigkeit kann auch nicht auf andere Weise erreicht werden. Eine endgültige Beitragseinstufung auf Grund einer Schätzung der zu erwartenden Einnahmen durch die Krankenkasse ist ungeeignet, denn bei dem Personenkreis der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen fehlt schon die Grundlage für eine verlässliche Schätzung der zukünftigen Einnahmen, die die Krankenkassen mit noch zumutbarem Verwaltungsaufwand durchführen könnten. Eine für eine endgültige Beitragseinstufung verbindliche Selbsteinschätzung des Versicherten bzw eine Glaubhaftmachung der zukünftigen Einnahmen - wie von der Revision vorgeschlagen - kennt das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht und reicht auch nach dem Wortlaut des § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V für die einkommensbezogene Beitragsbemessung nicht aus. Soweit die Revision gegen die Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt geltend macht, der Selbstständige müsse die Höhe der Beiträge verlässlich kalkulieren können, verkennt sie, dass ohne eine vorläufige Einstufung nach den zu erwartenden Einnahmen - wie oben dargelegt - der Höchstbeitrag festzusetzen wäre.
Da eine einstweilige Regelung hier zulässig war, kann offen bleiben, ob die Beklagte in den Bescheiden vom 1. August 2001 eine endgültige Regelung ohne Bindung an die Regelung im Bescheid vom 17. November 1999 auch dann hätte vornehmen dürfen, wenn die Beitragseinstufung als vorläufig zwar zwischen den Beteiligten bindend, aber rechtswidrig erfolgt wäre.
2. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden vom 1. August 2001 nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 1999 die Beitragshöhe zutreffend festgesetzt. Als Einnahmen des hauptberuflich selbstständigen Klägers waren seine 1999 erzielten Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit nach § 15 SGB IV zu berücksichtigen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 26. September 1996 - 12 RK 46/95 - BSGE 79, 133, 138 ff = SozR 3-2500 § 240 Nr 27 S 102 ff). Unerheblich ist, dass der Kläger nach seinen Angaben gegen den Einkommensteuerbescheid für 1999 Einspruch eingelegt hatte. Eine einkommensbezogene Beitragseinstufung abweichend vom Höchstbeitrag nach § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V setzt den Nachweis geringerer Einnahmen voraus. Diese waren nach den Feststellungen des LSG jedoch nur in Höhe des im Steuerbescheid für 1999 ausgewiesenen Betrags nachgewiesen.
Zutreffend hat die Beklagte auch für die Beitragsbemessung im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 30. Juni 2001 die im Steuerbescheid für 1999 ausgewiesenen Einkünfte und nicht die im Steuerbescheid für 2000 festgesetzten niedrigeren Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit berücksichtigt. Gemäß § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V können Veränderungen der Beitragsbemessung erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises der Einkünfte folgenden Monats wirksam werden. Der Kläger hat den Nachweis geringerer Einnahmen durch Vorlage des am 11. September 2002 erlassenen Einkommensteuerbescheids für 2000 erst nach Ablauf des hier streitigen Beitragszeitraums und nach der mit Bescheid vom 1. August 2001 erfolgten endgültigen Beitragsfestsetzung geführt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1542549 |
BSGE 2007, 120 |
DStR 2006, 2218 |