Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. März 1997 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 12. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 1995 verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1995 Altersrente unter zusätzlicher Berücksichtigung seiner in der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung in der Zeit vom 1. September 1977 bis 30. Juni 1990 versicherten Arbeitsentgelte bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe des Werts der Altersrente des Klägers.
Der 1933 geborene Kläger war seit dem 3. September 1956 bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1991 im volkseigenen Betrieb (VEB) Carl Zeiss Jena bzw Jenoptik GmbH Jena beschäftigt; anschließend bezog er Altersübergangsgeld. Mit Wirkung vom 1. September 1977 trat er der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei und entrichtete hierzu bis zum 30. Juni 1990 – mit Ausnahme für das Jahr 1979 – Beiträge; folgende Verdienste wurden versichert: 1977 2.400,00 Mark; 1978 6.968,18 Mark; 1980 bis 1983 und 1987 jährlich 7.200,00 Mark; 1984 6.872,00 Mark; 1985 7.088,00 Mark; 1986 7.170,00 Mark; 1988 6.950,00 Mark; 1989 7.140,00 Mark und 1990 3.600,00 Mark.
Aufgrund seiner Beschäftigung bei Carl Zeiss Jena erwarb der Kläger außerdem Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena von 1888. Diese sicherte ua den bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten bei Eintritt des Rentenfalles beitragsfreie Pensionsansprüche aus betrieblichen Mitteln zu, wenn sie mindestens fünf Jahre im Betrieb beschäftigt waren und beim Eintritt des Pensionsfalles noch in einem Arbeitsverhältnis zu Carl Zeiss Jena standen. Dieses Pensionsstatut wurde zum 28. Februar 1991 geschlossen (Beschluß der Stiftung vom 25. Februar 1991). Wer zum Zeitpunkt der Schließung noch keine nur noch vom Eintritt der Pensionierung abhängige Berechtigung erworben hatte, konnte keine Rechte (Ansprüche oder Anwartschaften) nach dem Pensionsstatut mehr erwerben. Für diejenigen, die eine solche Berechtigung bereits erworben hatten, wurde wie folgt differenziert: Zu diesem Zeitpunkt bereits entstandene Ansprüche auf Leistungen nach dem Pensionsstatut wurden in der bisher zustehenden Höhe weiter erfüllt; für eine Übergangszeit, dh wenn die Pensionierung bis zum 31. Dezember 1992 erfolgte, konnten noch weiterhin Ansprüche nach dem Pensionsstatut entstehen. Erfolgte die Pensionierung danach, gab es keinen Anspruch auf Zahlung einer Pensionsleistung mehr; statt dessen erhielten die Berechtigten auf der Grundlage von Sozialplänen eine Abfindung als Entschädigung für den Verlust ihrer Anwartschaften auf Leistungen nach dem Pensionsstatut, wenn sie am 28. Februar 1991 mindestens fünf Jahre bei Carl Zeiss Jena beschäftigt gewesen waren. Demgemäß erhielt auch der Kläger aufgrund einer Vereinbarung mit der Jenoptik GmbH vom 11. Mai 1992 nach dem Sozialplan vom 30. September 1991 eine Abfindung ua für den Verlust seiner Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung nach dem Pensionsstatut in Höhe von insgesamt 82.027,60 DM.
Durch das am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Gesetz zur Gleichstellung mit Zusatzversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (ZVsG), verkündet als Art 4 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom 24. Juni 1993 (BGBl I S 1038), wurde den nach dem Pensionsstatut Anspruchs- und Anwartschaftsberechtigten das Recht eingeräumt, auf Antrag solchen Berechtigten gleichgestellt zu werden, „die Ansprüche oder Anwartschaften in einem Zusatzversorgungssystem des Beitrittsgebiets erworben haben”. Von dem Recht, einen Gleichstellungsantrag zu stellen, machte der Kläger keinen Gebrauch.
Die Beklagte gewährt dem Kläger seit 1. Januar 1995 Altersrente (wegen Arbeitslosigkeit) in Höhe von 1.743,33 DM. Dabei berücksichtigt sie bei der Feststellung des Werts dieser Rente nicht den in dem Zeitraum 1. September 1977 bis 30. Juni 1990 in der FZR versicherten Verdienst des Klägers, sondern nur seinen in der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets versichert gewesenen Verdienst (Bescheid vom 12. Dezember 1994; Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 1995). Das Sozialgericht (SG) Altenburg hat die hiergegen erhobene Klage durch Urteil vom 14. März 1997 abgewiesen.
Der Kläger hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er trägt im wesentlichen vor, die Berechnung gemäß § 4 Abs 3 ZVsG beschränke sich nicht auf die Sozialpflichtversicherungsgrenze von 600,00 Mark iS des Rentenrechts der ehemaligen DDR. Vielmehr seien die in der FZR zurückgelegten Versicherungszeiten der Berechnung mit zugrunde zu legen; jedenfalls verstoße das ZVsG gegen das Grundgesetz (GG).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. März 1997 (S 12 An 927/95) und den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente ab 1. Januar 1995 unter Berücksichtigung der in der Zeit vom 1. September 1977 bis 30. Juni 1990 in der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der DDR versicherten Verdienste als Pflichtbeitragszeiten zu gewähren, hilfsweise, den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig und begründet. Das SG hat seine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 12. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 1995 ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig; er verletzt den Kläger in seinem Recht auf Altersrente und war daher abzuändern. Der Kläger hat Anspruch auf monatliche Zahlung dynamisierter Rentenbeträge unter Berücksichtigung seiner in der FZR seit 1971 versicherten Arbeitsentgelte bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze.
§ 4 Abs 3 ZVsG, auf den sich die Beklagte zur Berücksichtigung lediglich der in der Sozialpflichtversicherung versichert gewesenen Verdienste zu Unrecht beruft, stellt nämlich lediglich klar, daß bei Carl Zeiss Beschäftigten, die nicht FZR-versichert und/oder zusatzversorgt waren und die keinen Gleichstellungsantrag nach § 3 ZVsG gestellt haben, für den Wert ihrer Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur die in der Sozialpflichtversicherung versicherten Entgelte berücksichtigt werden. Waren Carl Zeiss Beschäftigte darüber hinaus FZR-versichert, sind ihre 600,00 Mark/Monat übersteigenden, in der FZR versicherten Entgelte bei der Berechnung ihrer SGB VI-Rente auch dann zu berücksichtigen, wenn sie keinen Gleichstellungsantrag nach dem ZVsG gestellt haben.
§ 4 Abs 3 ZVsG findet in Fällen der vorliegenden Art keine Anwendung, weil diese nicht in den thematischen (sachlichen) Anwendungsbereich des ZVsG fallen. Fälle der vorliegenden Art sind dadurch gekennzeichnet, daß es sich um ehemals bei Carl Zeiss Beschäftigte handelt, die in der DDR nicht nur Rechte in der Sozialpflichtversicherung und nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena erworben haben, sondern die daneben ihre 600,00 Mark monatlich übersteigenden Verdienste in der FZR durch eigene Beiträge versichert haben.
Zwar ordnet § 4 Abs 3 ZVsG an, daß bei der „Berechnung oder Neuberechnung der Rente eines Berechtigten, der einen Antrag auf Gleichstellung nicht gestellt hat, für Zeiten vom 1. März 1971 an nur der in der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets versicherte Verdienst zugrunde zu legen” ist. Dieser Wortlaut und die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 4 ZVsG (vgl BT-Drucks 12/4810, S 34 zu § 4) könnten vordergründig den Schluß nahelegen, die Vorschrift finde ausnahmslos bei allen früheren Berechtigten aus dem Pensionsstatut Anwendung, also auch in den Fällen der vorliegenden Art (FZR-Versicherte). Es kann dahingestellt bleiben, ob die sog Gesetzesmaterialien die Folgerung zulassen, bei den Verfassern des Gesetzentwurfs habe ein dahingehender entsprechender „politischer Wille” bestanden, obwohl kein Anhalt gegeben ist, sie hätten die weitreichenden verfassungsrechtlichen Probleme eines solchen Eingriffs in bestehende und grundrechtlich geschützte Rechtspositionen auch nur ansatzweise bedacht. Ein solcher „politischer Wille” hat jedenfalls trotz der Formulierung, daß „nur der in der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets versicherte Verdienst zugrunde zu legen ist” (vgl § 4 Abs 3 ZVsG), keinen hinreichenden Ausdruck gefunden. § 1 Abs 1 und 2 ZVsG sowie eine verfassungsorientierte Auslegung des § 4 Abs 3 ZVsG am Zweck des Gesetzes führen vielmehr zu dem Ergebnis, daß § 4 Abs 3 ZVsG nur Geltung beansprucht, soweit die Altersversorgung ehemaliger Beschäftigter von Carl Zeiss Jena (in der früheren DDR und) im Beitrittsgebiet ausschließlich auf Renten und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und dem Pensionsstatut beruht hatte.
§ 1 Abs 1 ZVsG regelt den Geltungsbereich des ZVsG und bestimmt, daß dieses (nur) für „Ansprüche und Anwartschaften nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena vom 3. Dezember 1888 in der Fassung vom 30. Dezember 1977 (Pensionsstatut), zuletzt geändert durch Beschluß der Carl-Zeiss-Stiftung Jena vom 25. Februar 1991” gilt. Der Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich dagegen nicht auf sonstige Rechte oder Ansprüche; es ermächtigt somit auch nicht dazu, nach dem Rentenversicherungsrecht des SGB VI entstandene (und ggf bereits durch Verwaltungsakt verbindlich festgestellte) Rechte einzuschränken, zu entziehen oder nachträglich von einer Gegenleistung abhängig zu machen, selbst wenn diese nicht auf eigener Beitragsleistung iS von Art 14 Abs 1 GG beruhen, sondern den Berechtigten durch Bundesrecht mit Blick auf ihre in der DDR in der FZR versicherten Verdienste eingeräumt worden sind.
Zum gleichen Auslegungsergebnis führt eine Betrachtung der Regelungstendenz des ZVsG. Dieses Gesetz hat den Zweck, in der gesetzlichen Rentenversicherung diejenigen ehemals bei Carl Zeiss Beschäftigten durch die Einräumung eines Gestaltungsrechts besserzustellen, deren Altersversorgung in der DDR allein auf der Sozialpflichtversicherung und dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena beruhte; für deren SGB VI-Rente wären ohne die Besserstellung durch das ZVsG nur die in der Sozialpflichtversicherung versicherten Entgelte bis 600,00 Mark/Monat berücksichtigungsfähig. Sachliches Thema des ZVsG ist allein, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen „die nach dem Pensionsstatut erworbenen Ansprüche und Anwartschaften” (auf Antrag des Berechtigten)” den in Zusatzversorgungen des Beitrittsgebietes erworbenen Ansprüchen und Anwartschaften gleichgestellt” werden (so ausdrücklich § 1 Abs 2 ZVsG). Von diesem Überführungsprogramm werden von vornherein andere Berechtigungen als Pensionsforderungen nicht erfaßt. Daher schränkt das ZVsG erworbene Rechte derjenigen Carl Zeiss Beschäftigten nicht ein, deren Verdienste über der Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialpflichtversicherung (600,00 Mark/Monat) liegen und für die Ermittlung des Werts ihrer SGB VI-Rente schon nach den Vorschriften des SGB VI zu berücksichtigen sind (zur Berücksichtigung nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vgl das Urteil des Senats vom 23. Juni 1998 – B 4 RA 2/98 R – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Das Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena sicherte den im ehemaligen VEB Carl Zeiss Jena beschäftigten Arbeitnehmern bei Eintritt des Rentenfalles (Alter, Invalidität, Tod) beitragsfreie Pensionsansprüche aus betrieblichen Mitteln zu, die bei längerer Betriebszugehörigkeit zusammen mit der Rente aus der Sozialpflichtversicherung der DDR etwa die Höhe des letzten monatlichen Nettoarbeitsentgelts erreichte. Mit Blick hierauf machte die Mehrzahl der im VEB Carl Zeiss Jena Beschäftigten keinen Gebrauch von der Möglichkeit, Beiträge zur FZR zu entrichten (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP, BT-Drucks 12/4810, S 21 zu IV). Für diese stellte sich die Situation nach Schließung des Pensionsstatuts zum 1. März 1991 wie folgt dar: Je nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts in den Ruhestand erhielten sie zusätzlich zu ihrer SGB VI-Rente, deren monatlicher Wert (Rentenhöhe) nur nach Maßgabe der in der Sozialpflichtversicherung versichert gewesenen Entgelte berechnet wird, entweder einen laufenden, aber statischen Betrag aus der betrieblichen Altersversorgung oder aufgrund von Sozialplänen eine sämtliche Ansprüche und Anwartschaften aus dem Pensionsstatut ersetzende einmalige Abfindung. Mit Blick hierauf wird in der Begründung des Gesetzentwurfs zum ZVsG von einer „unzureichenden sozialen Sicherung” ehemaliger Carl Zeiss Beschäftigter gesprochen und davon, daß „dieser sozialpolitisch unbefriedigende Zustand” dadurch beendet werden solle, daß Ansprüche und Anwartschaften nach dem Pensionsstatut Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR gleichgestellt werden; dadurch werde die Berechnung der Rente auf die ehemaligen Zeiss Beschäftigten auf der Grundlage des erzielten Entgelts bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ermöglicht (vgl aaO, S 22).
Es sollte den ehemaligen Zeiss Beschäftigten also ermöglicht werden, durch freie Entscheidung hinsichtlich der Rentenhöhe einen Schutz in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erlangen, wie er Zusatzversorgten gewährt worden war, deren SGB VI-Rente nach Maßgabe des § 6 Abs 1 AAÜG ermittelt wird. Sofern sie sich für diese Gleichstellung entschieden, dh den Gleichstellungsantrag stellten, wurde außerdem eine Gegenleistung gefordert, weil die Mehraufwendungen aus Steuermitteln zu tragen sind. Der Antragsteller hat hierzu entweder laufende Pensionszahlungen an die Bundeskasse Bonn abzutreten (§ 3 Abs 2 ZVsG) oder den anteiligen Wert seiner Abfindung an diese zu zahlen (§ 3 Abs 3 ZVsG).
Für Personen, die keinen Antrag auf Gleichstellung ihrer nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena erworbenen Ansprüche und Anwartschaften gestellt und der Bundeskasse Bonn das im Zusammenhang mit dem Pensionsstatut Erlangte nicht zur Verfügung gestellt haben, stellt § 4 Abs 3 ZVsG klar, daß sie, soweit es um ihre Ansprüche und Anwartschaften aus der Carl-Zeiss-Stiftung Jena geht, Rentenansprüche nach dem SGB VI nur nach Maßgabe ihrer in der DDR in der Sozialpflichtversicherung versicherten Verdienste erwerben können. Denn Zeiten der Beschäftigung in der DDR, für die nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena Ansprüche und Anwartschaften erworben wurden, sind nicht per se als Zeiten zu berücksichtigen, die in einem sog Zusatzversorgungssystem zurückgelegt wurden und nach Maßgabe des AAÜG zur Vormerkung und bei Eintritt des Versicherungsfalles zur Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten führen können. Die Altersversorgung nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena gehörte von vornherein nicht zu denjenigen Alterssicherungssystemen in der DDR, die der Deutsche Bundestag im (Gesetz zum) Einigungsvertrag (EV) den Systemen zugeordnet hat, bei denen eine Überführung in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebietes geprüft bzw durchgeführt werden sollte; ebensowenig gehört sie deshalb zu den Systemen, die er in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG unter der Bezeichnung Zusatz- und Sonderversorgungssysteme abschließend aufgezählt hat.
Dabei kann ausgeschlossen werden, daß das Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena nur versehentlich nicht in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgeführt wird; denn wäre diese Art der Altersversorgung beim Renten-Überleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606), als dessen Art 3 das AAÜG verkündet wurde, tatsächlich vergessen worden, hätte es nahegelegen, die Anlagen 1 und 2 nach Bekanntwerden dieses „Versehens” entsprechend zu ergänzen. Indessen wurde insoweit ein eigenes Gesetz erlassen. Dieses trägt dem Umstand Rechnung, daß es sich bei den Leistungen nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena um eine – gemessen an bundesdeutschen Maßstäben – von der staatlichen Versicherung und Versorgung der DDR organisatorisch und funktionell unabhängige Form einer betrieblichen Altersversorgung handelt. Zwar rechnete die Stiftung ab 1978 Renten aus der Sozialpflichtversicherung, aus Zusatzversorgungssystemen und aus der FZR zur Vermeidung einer „Überversorgung” auf die betriebliche Pension nach Maßgabe von § 6 des Pensionsstatuts an. Die Stiftung begrenzte damit ihre Verpflichtungen aus der Satzung. Die Funktion des Pensionsstatuts wurde hierdurch nicht entscheidend geändert oder ihm gar der Charakter einer betrieblichen Altersversorgung genommen; das Pensionsstatut garantierte weiterhin eine Altersversorgung in voller Höhe des letzten Nettoarbeitsentgelts und zielte damit funktionell auf eine „Restabsicherung” derjenigen Verdienste ab, die in den übrigen Altersversorgungssystemen der DDR gerade nicht abgesichert waren. Die Berücksichtigung „staatlicher” Renten bei der Ausgestaltung des Pensionsstatus ändert im übrigen nichts daran, daß die Pensionsansprüche aus einer Beschäftigung bei Carl Zeiss Jena nicht durch staatliches Recht der DDR geregelt und garantiert waren; ihre Rechtsgrundlage fanden sie allein im Pensionsstatut von 1888. Schuldner des Anspruchs war (und ist) nicht der Staat oder eine seiner Untergliederungen, sondern die von den Stiftungsbetrieben getragene Carl-Zeiss-Stiftung Jena bzw deren (partielle) Rechtsnachfolgerin, die Ernst-Abbe-Stiftung.
§ 4 Abs 3 ZVsG ist vor diesem Hintergrund schon nach der Thematik des ZVsG in Fällen der vorliegenden Art sachlich nicht anwendbar, erlaubt also ua keinen Eingriff in diejenigen Rechtspositionen aus der Rentenversicherung des SGB VI, die dem Berechtigten unabhängig vom Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena mit Blick auf seine in der FZR versicherten Verdienste bereits durch den EV und das SGB VI selbst eingeräumt (und ggf bindend zuerkannt) waren. Das ZVsG beansprucht demgemäß Geltung nur für Ansprüche und Anwartschaften nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena vom 3. Dezember 1888 idF vom 30. Dezember 1977 (Pensionsstatut; vgl § 1 Abs 1 ZVsG). Es bezweckt nur, die rentenrechtliche Stellung derjenigen Beschäftigten von Carl Zeiss Jena zu verbessern, deren Altersversorgung nicht planmäßig nach Maßgabe des Pensionsstatuts sichergestellt werden konnte bzw deren Anwartschaften durch Sozialplanmaßnahmen abgefunden worden waren. Von einer Regelung der Rechte und Anwartschaften, die früher unabhängig davon aus der FZR (oder aus einem Sonder- oder Zusatzversorgungssystem) entstanden waren, ist in diesem Zusammenhang (vgl § 1 Abs 1 und 2 ZVsG) indessen nicht die Rede; auf sie erstreckt sich – wie oben ausgeführt – der Geltungsbereich des Gesetzes nicht.
Eine Gleichstellung mit Berechtigten, „die Ansprüche oder Anwartschaften in einem Zusatzversorgungssystem des Beitrittsgebiets erworben haben” (vgl § 3 Abs 1 Satz 1 ZVsG), kommt von vornherein nur in Betracht, soweit der Antragsberechtigte eine derartige Rechtsposition nicht ohnehin, also auch ohne den Gleichstellungsantrag bereits innehat. Bei Personen, die von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten, ihren 600,00 Mark übersteigenden Verdienst in der FZR durch eigene Beiträge zu versichern, führte § 3 Abs 1 ZVsG insoweit lediglich zu einer weiteren Rechtsgrundlage für ihren schon erlangten sozialen Schutz einer Berücksichtigung der erzielten Entgelte bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze. Wurde von der Möglichkeit, Arbeitsentgelte und -einkommen in der FZR durch eigene Beiträge zu versichern, nicht im höchstmöglichen Umfang Gebrauch gemacht, sind jedenfalls für die Ermittlung des Werts der SGB VI-Rente die tatsächlich FZR-versicherten Entgelte zu berücksichtigen. Wäre der in § 4 Abs 3 ZVsG geregelte Rechtsfolgenausspruch auch auf diese Personengruppe anwendbar, bedeutete dies, daß der Fortbestand des Wertes ihrer SGB VI-Berechtigung, soweit dieser an in der FZR versicherte Arbeitsentgelte anknüpft, nunmehr nachträglich rückwirkend und gleichheitswidrig durch das am 1. Juli 1993 in Kraft getretene ZVsG von der Stellung eines Gleichstellungsantrages und der damit verbundenen Rückzahlungspflicht der arbeitsrechtlich begründeten Sozialplanabfindung bzw der Abtretung von arbeitsrechtlichen Pensionsansprüchen abhängig gemacht würde. Die im Beitrittsgebiet erzielten Arbeitsentgelte eines bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten für Zeiten, in denen er der FZR angehörte, würden nur dann über den Betrag von 600,00 Mark/Monat hinaus im versicherten bzw in vollem Umfang bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, wenn er der Bundeskasse Bonn nach Inkrafttreten des ZVsG seine laufenden Pensionszahlungen bzw eine erhaltene, zum Verlust betrieblicher Altersversorgung führende Abfindung zur Verfügung stellt. Demgegenüber werden entsprechende Entgelte eines nicht bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten ohne eine derartige Gegenleistung berücksichtigt.
Sachliche Gründe iS von Art 3 Abs 1 GG für eine derartige formale Gleichbehandlung sämtlicher ehemals bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten sind nicht ersichtlich. Solche wären aber angesichts der unterschiedlichen Sachverhalte, insbesondere des Charakters der Pensionsansprüche als eine Leistung betrieblicher Altersversorgung erforderlich, zumal der Deutsche Bundestag an den allgemeinen Gleichheitssatz in dem Sinne gebunden ist, daß er weder wesentliches Gleiches ohne sachlichen Grund ungleich noch – was vorliegend in Betracht käme – wesentlich Ungleiches ohne sachlichen Grund gleich behandeln darf (vgl BVerfGE 1, 264 ≪275 f≫; 4, 144 ≪155≫; 9, 124 ≪129 f≫; 86, 81 ≪87≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen