Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Brandenburg |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 30. November 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten in ihrem Versicherungsverlauf als rentenrechtliche Zeiten vorzumerken sind.
Die im Oktober 1937 geborene Klägerin war – damals noch als Staatsangehörige der ehemaligen UdSSR – dort ab April 1954 bis Juli 1974 beschäftigt. Im Juli 1974 siedelte sie in die DDR über und erwarb 1976 deren Staatsangehörigkeit. In dem – aus Anlaß eines Antrags der Klägerin auf Kontenklärung vom September 1975 – mit Bescheiden vom 29. August 1996 und 21. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 1997 erstellten Versicherungsverlauf nahm die Beklagte die von der Klägerin in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht auf. Das SG hat der Klage, mit der die Feststellung dieser Zeiten als „Beitragszeiten” begehrt worden ist, mit Urteil vom 24. Juni 1999 insoweit stattgegeben, als es die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet hat, den Zeitraum vom 1. April 1954 bis 1. Juli 1974 als rentenrechtliche Zeit vorzumerken. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 30. November 1999 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Eine Verpflichtung der Beklagten zur Vormerkung der streitigen Zeiten ergebe sich weder aus dem SGB VI noch aus einem völkerrechtlichen Vertrag iVm Art 59 Abs 2 GG. Die Bundesrepublik Deutschland habe mit der UdSSR keinen völkerrechtlichen Vertrag über die rentenrechtliche Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten in der UdSSR geschlossen; sie sei auch nicht unmittelbar aus dem von der DDR mit der UdSSR geschlossenen Vertrag vom 24. Mai 1960 über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens (GBl I, 1960, S 453 – Vertrag vom 24. Mai 1960) verpflichtet. Entgegen der Auffassung des SG seien die von der Klägerin in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten auch nicht von der Übergangsregelung in Art 7 Abs 4 der Abkommensanwendungsverordnung vom 3. April 1991 (BGBl 1991 II, 614 – Abk-AnwendungsVO) idF der Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl 1992 II, 1231 – Anwendungs-ÄndV) erfaßt. Soweit dort bestimmt sei, daß Leistungen an Personen zu erbringen seien, die sich entweder am 2. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufgehalten hätten oder bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 in das Beitrittsgebiet eingereist seien, wenn sie sich dort seither unbefristet rechtmäßig aufhalten und deren Anspruch vor dem 1. Januar 1996 entstanden sei, beziehe sich das Erfordernis der Anspruchsentstehung bis längstens 31. Dezember 1995 auf den gesamten persönlichen Anwendungsbereich dieser Norm und sei im Fall der Klägerin nicht erfüllt. Denn ihr Recht auf Altersrente sei nicht vor dem 1. Januar 1996 entstanden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des § 149 SGB VI iVm Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO idF der Anwendungs-ÄndV. Die Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen in dieser Vorschrift sei entgegen der Auffassung des LSG nicht so auszulegen, daß sich der Konditionalsatz, „wenn sie sich dort seither unbefristet rechtmäßig aufhalten und der Anspruch vor dem 1. Januar 1996 entsteht”, auch auf die zuvor alternativ zuerst aufgeführte Personengruppe beziehe, zu der die Klägerin gehöre. Es komme daher nicht darauf an, ob ihr Recht auf Altersrente schon vor dem 1. Januar 1996 entstanden sei. Eine Gleichstellung der beiden alternativ aufgeführten Personengruppen sei nicht gewollt und nicht definiert; sie würde auch zu einer ungerechtfertigten Vereinheitlichung führen. Bei der zuerst genannten Personengruppe handele es sich durchweg um Bürger der DDR, die aufgrund der staatlichen Genehmigung der UdSSR ihre dortige Staatsbürgerschaft hätten ablegen müssen, nur durch danach genehmigte Eheschließung mit einem Bürger der DDR unter Aufgabe sämtlicher Rechte und Pflichten sowie der Rückkehrmöglichkeit ihre Heimat hätten verlassen dürfen und ihren ständigen Wohnsitz dann in der DDR genommen hätten. Der Anteil der ehemaligen Bürger der UdSSR, die eine derartige Genehmigung erhalten hätten, sei äußerst gering gewesen und falle kaum ins Gewicht; er werde von der ersten Alternative in Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO sachlich gerechtfertigt gegenüber der zahlenmäßig viel größeren Gruppe derjenigen Personen begünstigt, die sich zwar am 2. Oktober 1990 ebenfalls gewöhnlich im Beitrittsgebiet aufgehalten hätten, jedoch nicht den Nachweis der zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten im Zusammenhang mit einer erfolgten Ausbürgerung hätten vorlegen können. Diese Auslegung gehe nicht über den Ermächtigungsrahmen des Verordnungsgebers hinaus und führe auch nicht dazu, daß ehemaligen Sowjetbürgern auf Dauer Rechte zustünden, die Versicherte der ehemaligen DDR, für die ausschließlich das SGB VI Anwendung finde, nicht hätten. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 29. September 1998 (B 4 RA 34/98 R) ausgeführt habe, seien nur diejenigen Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen, die bei einem Bürger der Sowjetunion, der ständig in der DDR gewohnt habe, gemäß dem Abkommen zwischen der UdSSR und der DDR bei der Ermittlung einer Rente nach DDR-Vorschriften hätten berücksichtigt werden müssen. Dies sei bei ihr aufgrund der ihr zur Vorlage bei den zuständigen DDR-Behörden beim Ablegen ihrer Staatsbürgerschaft ausgehändigten amtlich beglaubigten Übersetzung ihrer in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten der Fall gewesen. Ihr sei durch die ehemalige DDR ein Rentenanspruch zugesichert worden mit der Maßgabe, daß eine Rückkehr bzw jegliche Ansprüche gegen die UdSSR unwiderruflich ausgeschlossen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 30. November 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 24. Juni 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Auslegung der Klägerin führe zu einer dauerhaften weiteren Anwendung des Vertrags vom 24. Mai 1960 zwischen der DDR und der UdSSR auf dem Gebiet des Sozialwesens. Damit entfalle der Übergangscharakter, der der Vorschrift zukommen müsse. Die Bezugnahme der Klägerin auf das Urteil des BSG vom 29. September 1998 (B 4 RA 34/98 R) könne nicht überzeugen. Mit den zitierten Äußerungen habe das BSG lediglich begründet, auf welchem Umstand der mit Art 7 Abs 4 der Abk-AnwendungsVO idF der Anwendungs-ÄndV gewählte Stichtag (2. Oktober 1990) basiere, wobei eine grundsätzliche Anwendbarkeit des Sozialversicherungsabkommens zwischen der DDR und der UdSSR vorausgesetzt worden sei. Daran anschließend habe das BSG aber eindeutig klargestellt, daß eine Anspruchsentstehung bis längstens zum 31. Dezember 1995 für den persönlichen Anwendungsbereich der Norm insgesamt Beachtung verlange.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die von der Klägerin in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten in deren Versicherungsverlauf als rentenrechtliche Zeiten festzustellen.
Nach § 149 Abs 3 SGB VI enthält der Versicherungsverlauf diejenigen im Versicherungskonto gespeicherten Daten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind. Der Versicherungsträger ist nach Klärung des Versicherungskontos verpflichtet, die im Versicherungsverlauf enthaltenen, länger als sechs Jahre zurückliegenden Daten durch Bescheid festzustellen (§ 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI). Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI). Zweck dieses Verfahrens und insbesondere des Vormerkungsbescheids nach § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI ist eine Beweissicherung hinsichtlich derjenigen Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können und Grundlage für eine Rentenauskunft (§ 149 Abs 1 Satz 1 SGB VI) sind; die rentenrechtliche Bedeutsamkeit beurteilt sich deshalb ausgehend von der derzeitigen Rechtslage (vgl BSG Urteile vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93 – SozR 3-2600 § 58 Nr 2 und vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 108/95 – SozR 3-2600 § 58 Nr 9, S 50; Senatsurteil vom 1. Dezember 1999 – B 5 RJ 26/98 R – BSGE 85,161,163 = SozR 3-5050 § 22 Nr 7, stRspr). Danach handelt es sich aber bei den Beschäftigungszeiten der Klägerin in der ehemaligen UdSSR nicht um rentenrechtliche Zeiten iS des § 54 Abs 1 SGB VI, die im Leistungsfall Berücksichtigung finden müßten.
1. Wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat, kann die Klägerin ihr Begehren nicht auf das Abkommen zwischen der DDR und der UdSSR stützen. Dieses Abkommen ist kein Bestandteil des für das BSG allein maßgeblichen Bundesrechts (§ 162 SGG).
a) Die Bundesrepublik ist nicht Rechtsnachfolgerin der mit Wirksamwerden der Beitrittserklärung gemäß Art 23 Satz 2 GG aF als Gebietskörperschaft und Völkerrechtssubjekt – und damit als Partei völkerrechtlicher Verträge – untergegangenen DDR (vgl dazu BVerfG Beschluß vom 10. Juni 1997 – 2 BvR 1516/96 – BVerfGE 96, 68, 94; Senatsurteil vom 22. September 1999 – B 5 RJ 36/98 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 4 mwN). Mit Ablauf des 2. Oktober 1990 sind die an die Staatsbürgerschaft bzw ein geregeltes Sozialversicherungswesen gebundenen Sozialversicherungsabkommen (AbkSozSich) der DDR erloschen; ihre Fortgeltung als bundesdeutsches Recht ist im EinigVtr weder allgemein noch speziell hinsichtlich des hier in Rede stehenden Vertrags vom 24. Mai 1960 (GBl I, 453) festgelegt (BSG Urteile vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 107/93 – SozR 3-4100 § 249c Nr 5, vom 29. September 1998 – B 4 RA 4/98 R – BSGE 83, 19 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 1 und B 4 RA 34/98 R – SozR 3-8000 Art 3 Nr 1 ≪zum AbkSozSich DDR-UdSSR≫; vgl auch Urteile vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 44/98 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 3 ≪zum AbkSozSich DDR-Ungarn≫ und B 4 RA 29/98 R – nicht veröffentl – sowie vom 1. Februar 2000 – B 8 KN 8/97 – BSGE 85, 256 = SozR 3-8100 Art 12 Nr 5 ≪zum AbkSozSich DDR-Tschechoslowakei≫ sowie vom 29. Juni 2000 – B 4 RA 62/99 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 6 ≪zum AbkSozSich DDR-Bulgarien≫ und Senatsurteil vom 22. September 1999 – B 5 RJ 36/98 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 4 ≪zum AbkSozSich DDR-Griechenland≫). Art 12 EinigVtr enthält insoweit lediglich eine (Selbst-)Verpflichtung der Bundesrepublik, vor einer abschließenden Meinungsbildung zum Schicksal der völkerrechtlichen Verträge der DDR deren Vertragspartner zu konsultieren (BSG Urteile vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 107/93 – SozR 3-4100 § 249c Nr 5, vom 19. September 1998 – B 4 RA 4/98 R – SozR 3-8000 Art 12 Nr 1 und vom 1. Februar 2000 – B 8 KN 8/97 R – BSGE 85, 256, 260 ff = SozR 3-8100 Art 12 Nr 5; Senatsurteil vom 22. September 1999 – B 5 RJ 36/98 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 4).
b) Art 3 Abs 1 EinigVtrG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung vorübergehend die weitere Anwendung der von Art 12 EinigVtr erfaßten Verträge der DDR im Bereich der sozialen Sicherheit in dem in Art 3 des EinigVtr genannten Gebiet zu regeln, bis das vereinte Deutschland seine Haltung zum Übergang dieser Verträge festgelegt hat. Auf dieser Grundlage wurde die Abk-AnwendungsVO erlassen, wonach ua der Vertrag vom 24. Mai 1960 im Beitrittsgebiet vorübergehend weiter anzuwenden war (Art 1 Nr 4 Abk-AnwendungsVO). Durch Art 2 iVm Art 1 Nr 5 Buchst b Anwendungs-ÄndV wurde diese Regelung rückwirkend zum 3. Oktober 1990 dahin geändert, daß die Abk-AnwendungsVO mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft trat, wobei gleichzeitig eine Übergangsregelung geschaffen wurde, die jedoch im Fall der Klägerin nicht greift.
Die Berücksichtigung der streitigen Zeiten für einen künftigen Rentenanspruch der Klägerin könnte sich – wie auch vom LSG ausgeführt – nur aus der Übergangsbestimmung in Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO idF der Anwendungs-ÄndV iVm dem Vertrag vom 24. Mai 1960 ergeben. Danach sind Leistungen nach dieser Verordnung iVm den in Art 1 genannten Verträgen auch „den Personen zu erbringen, die sich entweder am 2. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufgehalten haben oder bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 in das Beitrittsgebiet eingereist sind, wenn sie sich dort seither unbefristet rechtmäßig aufhalten und der Anspruch vor dem 1. Januar 1996 entsteht”. Die Regelung enthält zwei verschiedene Stichtage; der erste grenzt den persönlichen Anwendungsbereich der Regelung ein, der zweite deren zeitliche Geltung. Wie der 4. Senat des BSG zwischenzeitlich mit seinem Urteil vom 29. Juni 2000 (B 4 RA 62/99 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 6, 83 f) klargestellt hat, ist diese Regelung dahingehend zu verstehen, daß sie die Erbringung von Versicherungsleistungen aus den erfaßten Abkommen an Personen, die sich entweder am 2. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufgehalten haben oder bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 in das Beitrittsgebiet eingereist sind, nur erlaubt, wenn der „Anspruch” bis zum 31. Dezember 1995 entstanden ist. Das Erfordernis, der „Anspruch” müsse vor dem 1. Januar 1996 entstehen, begrenzt somit den zeitlichen Geltungsbereich der Übergangsregelung für ihren gesamten persönlichen Anwendungsbereich. Der Senat schließt sich dieser Auffassung nach eigener Prüfung an. Es kann deshalb dahinstehen, ob sich diese Auffassung – wozu der Senat neigt – bereits den Ausführungen im Urteil des 4. Senats vom 29. September 1998 (B 4 RA 34/98 R – SozR 3-8000 Art 3 Nr 1) entnehmen läßt.
aa) In der Aufeinanderfolge von Art 7 Abs 3 und 4 Abk-AnwendungsVO macht bereits die gewählte Formulierung deutlich, daß der jeweils genannte Stichtag für die Anspruchsentstehung den jeweils zeitlichen Anwendungsbereich der Norm insgesamt begrenzt. Art 7 Abs 3 Abk-AnwendungsVO erfaßt Leistungsansprüche, die vor dem Außerkrafttreten der Verordnung entstanden sind, Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO solche, die noch vor dem 31. Dezember 1995 entstehen. Diese Eingrenzung macht auch schon deshalb Sinn, weil die Verordnung entsprechend ihrer amtlichen Bezeichnung insgesamt nur eine vorübergehende Anwendung der in ihr genannten Verträge regelt.
bb) Ein Anhaltspunkt für die Vorstellung der Klägerin, mit dem in Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO zuerst genannten Personenkreis sei nur die kleine Gruppe von Bürgern der DDR erfaßt, die im Zusammenhang mit einer Eheschließung und nur aufgrund der staatlichen Genehmigung der UdSSR und unter Aufgabe von deren Staatsangehörigkeit sowie aller Rechte und Pflichten sowie der Rückkehrmöglichkeit die UdSSR hätten verlassen dürfen und dann ihren ständigen Wohnsitz in der DDR genommen hätten, ergibt sich weder aus der Formulierung der Vorschriften, noch aus ihrem Sinn und Zweck. Die Vorschrift gilt für alle in Art 1 Abk-AnwendungsVO aufgeführten völkerrechtlichen Verträge der DDR, das sind außer dem hier in Rede stehenden Vertrag mit der UdSSR noch AbkSozSich der DDR mit Bulgarien, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei und Ungarn. Es ist nicht, auch nicht für die Personen, die sich am 2. Oktober 1990 schon längere Zeit im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufhielten, darauf abgestellt, welche Staatsangehörigkeit sie zu diesem Zeitpunkt oder früher hatten (vgl insoweit auch BSG Urteil vom 29. Juni 2000 – B 4 RA 62/99 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 6 zum Fall eines bulgarischen Staatsangehörigen, der sich seit 1972 gewöhnlich im Beitrittsgebiet aufgehalten hatte).
Der Verlust der Staatsangehörigkeit der UdSSR war auch nicht Voraussetzung für die Begünstigung der Klägerin durch den Vertrag vom 24. Mai 1960; dieser entsprach vielmehr hinsichtlich seines Anwendungsbereichs den anderen AbkSozSich der DDR. Sie galten jeweils für Personen, die Staatsangehörige der DDR oder des jeweils anderen Vertragsstaats waren, und waren für die Dauer des Wohnsitzes im Gebiet der Vertragsstaaten anzuwenden (vgl Abendroth, DAngVers 1992, 339, 340 f). Dabei wurde der „Wohnsitz” als „ständiges Wohnen” (Art 2 des Vertrags vom 24. Mai 1960) im Sinne eines gewöhnlichen Aufenthalts verstanden und entspricht daher dem in § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I verwendeten Begriff (Abendroth, aaO, S 341). Wenn in Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO unterschieden wird zwischen einerseits Personen, die sich am 2. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufgehalten haben, und andererseits Personen, die bis Ablauf des 2. Oktober 1990 in das Beitrittsgebiet eingereist sind, so hat diese Unterscheidung – wie auch das Erfordernis eines weiteren rechtmäßigen Aufenthalts deutlich macht – keine andere Bedeutung, als daß für die zweite Personengruppe mit der Einreise ebenfalls ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet sein muß (vgl BSG Urteil vom 29. September 1998 – B 4 RA 34/98 R – SozR 3-8000 Art 3 Nr 1, S 6); andernfalls wären auch bei Fortbestand der DDR die Abkommensregelungen nicht zum Tragen gekommen.
cc) Die von der Klägerin angeführten differenzierenden Gesichtspunkte haben im übrigen auch bei Erlaß der Abk-AnwendungsÄndVO offensichtlich keine Rolle gespielt. Vielmehr sollte damit eine „Vertrauen schützende” Regelung zugunsten von Rentnern und Personen anwartschaftsberechtigter rentennaher Jahrgänge geschaffen werden („großzügige Besitzschutzregelung”, so die Begründung der Verordnung durch die Bundesregierung, BR-Drucks 776/92, S 2, 12).
2. Die Übergangsregelung des Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO in der hier maßgeblichen Fassung ist auch verfassungsgemäß.
a) Was die Ungleichbehandlung der Versicherten aus dem Beitrittsgebiet, deren Rentenanspruch erstmals ab 1. Januar 1996 entsteht, gegenüber denjenigen, deren Anspruch vorher entstanden ist, angeht, schließt sich der Senat den Ausführungen im Urteil des 4. Senats vom 29. Juni 2000 (aaO – SozR 3-8100 Art 12 Nr 6, S 84 f) an, daß der Verordnungsgeber die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt – Anwendung einer Vielzahl bereits mit Wirksamwerden des Beitritts erloschener Verträge, Ungewißheit über Dauer und Ausgang von Verhandlungen über den Abschluß völkerrechtlicher Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den früheren Partnerländern der DDR bzw deren Nachfolgestaaten, mit der fortdauernden Begünstigung verbundene finanzielle Belastungen – orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfaßt hat. Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß der Verordnungsgeber mit der Stichtagsregelung noch über den Zeitpunkt (30. Juni 1995) hinausgegangen ist, der in Art 30 Abs 5 EinigVtr für die Wahrung der Interessen der Versicherten im Beitrittsgebiet allgemein festgelegt ist.
b) Der Verordnungsgeber hat aber auch keine sachwidrige Gleichbehandlung vorgenommen, indem er den zeitlichen Geltungsbereich einheitlich für Personen, die sich am 2. Oktober 1990 schon länger in der DDR aufhielten, und solchen, die bis zu diesem Zeitpunkt eingereist waren, festgesetzt hat. Das im Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG enthaltene Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede (stRspr vgl zB BVerfG Beschluß vom 15. Juli 1998 – 1 BvR 1554/89 – BVerfGE 98, 365, 385) ist durch eine für alle Betroffenen gleiche Regelung nur verletzt, wenn sie für eine Personengruppe Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht zur Folge hätte, daß ihr gegenüber die gleiche Behandlung nicht mehr zu rechtfertigen wäre (BVerfG Beschluß vom 13. Mai 1986 – 1 BvL 55/83 – BVerfGE 72,141 = SozR 2200 § 1265 Nr 78). Derartige Unterschiede sind hier indes nicht ersichtlich. Der Vertrag vom 24. Mai 1960 folgt dem sog Eingliederungsprinzip, dh er knüpft an den Aufenthalt des Berechtigten im jeweils anderen Staat an und schließt einen Leistungsexport aus (vgl den Hinweis in der Begründung der Anwendungs-ÄndV, BR-Drucks 776/92, S 11; vgl auch BSG Urteil vom 29. Juni 2000 – B 4 RA 62/99 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 6, S 85). Die Sozialversicherung der DDR wurde mithin nach Öffnung der Grenzen auch leistungspflichtig für Personen, die sich dort ohne förmliche Ausreiseerlaubnis und Aufgabe der Staatsbürgerschaft im Herkunftsland gewöhnlich aufhalten konnten (§ 1 Abs 1 Buchst b DDR-RentV vom 23. November 1979 – GBl I Nr 38, S 401). Personen, die sich – wie die Klägerin – schon länger dort aufhielten, hatten durch die Stichtagsregelung hinsichtlich der Anrechnung von Beschäftigungszeiten für einen Anspruch aus der deutschen Sozialversicherung keine größeren Verluste hinzunehmen als später zugereiste Personen. Selbst wenn der Vortrag der Klägerin zutreffen sollte, daß ihr infolge ihres Staatsangehörigkeitswechsels eine Rückkehr in ihr Herkunftsland verwehrt ist bzw die dort erworbenen Rentenanwartschaften – unabhängig vom Erlöschen des Vertrags vom 24. Mai 1960 – auch bei erneutem ständigen Aufenthalt dort nicht mehr realisiert werden könnten, ist dies kein Verlust, der in der bundesdeutschen Rentenversicherung ausgeglichen werden müßte. Die von der Klägerin geltend gemachte Bescheinigung ihrer Versicherungszeiten in der UdSSR konnte nur im Rahmen der Anwendbarkeit des Sozialversicherungsrechts der DDR Bedeutung erlangen (vgl § 2 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst h DDR-RentV). Daraus läßt sich jedoch keine Gleichstellung bzw Qualifizierung dieser Zeiten als Beitrittsgebiets-Beitragszeiten (§ 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI) herleiten (vgl BSG Urteile vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 121/95 – SozR 3-2600 § 248 Nr 1, S 4, vom 29. Juni 2000 – B 4 RA 62/99 R – SozR 3-8100 Art 12 Nr 6, S 73,76 und vom 16. November 2000 – B 4 RA 55/99 R – SozR 3-2600 § 248 Nr 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 641259 |
NJ 2002, 167 |