Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 25.11.1991) |
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.11.1990) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. November 1991 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Überbrückungsgeld gemäß § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Zeit ab 1. September 1988.
Der Kläger war vom 1. Juni 1972 bis 30. April 1988 bei der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands beschäftigt; nach den Feststellungen des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) wurde das Beschäftigungsverhältnis aufgrund eines Aufhebungsvertrags vom 12. April 1988 zum 30. April 1988 gelöst und gleichzeitig eine Abfindung von 52.000,– DM vereinbart.
Der Kläger meldete sich am 25. April 1988 mit Wirkung zum 1. Mai 1988 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheid vom 9. Juni 1988 stellte die Beklagte fest, daß sein Leistungsanspruch wegen der vereinbarten Abfindung bis zum 17. August 1988 gemäß § 117 Abs 2 und 3 AFG ruhe. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers hiergegen blieben erfolglos. Der Kläger erhielt demgemäß Alg erst ab 18. August 1988, das er bis 31. August 1988 bezog; am 1. September 1988 nahm er eine Tätigkeit als selbständiger Gastwirt auf.
Nach den Feststellungen des LSG hatte er zuvor am 13. Juni 1988 wegen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Überbrückungsgeld beantragt. Mit Bescheid vom 19. Juli 1988 lehnte die Beklagte die Gewährung von Überbrückungsgeld ab, weil der Kläger nicht mindestens vier Wochen vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bis zu deren Aufnahme Alg oder Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen habe. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. November 1988; Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Frankfurt am Main vom 30. November 1990).
Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Überbrückungsgeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Urteil vom 25. November 1991). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe entgegen der Auffassung der Beklagten mindestens vier Wochen Alg iS des § 55a AFG bezogen; insoweit genüge es, daß der Alg-Anspruch gemäß § 117 Abs 2 AFG geruht habe. Gegen diese Auslegung spreche nicht der Wortlaut des Gesetzes, da je nach Sachzusammenhang der Formulierung „Bezug” eine unterschiedliche Bedeutung zukomme. § 55a AFG sei durch das 7. AFG-Änderungsgesetz (AFG-ÄndG) in das AFG eingefügt worden, weil die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch einen Arbeitslosen ebenso zur Entlastung des Arbeitsmarktes beitrage wie die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung. Der Zweck des § 55a AFG werde auch erreicht, wenn der Leistungsanspruch des Arbeitslosen – wie beim Kläger – vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nach § 117 Abs 2 AFG geruht habe und lediglich aus diesem Grund das Alg nicht für die volle Dauer von vier Wochen habe tatsächlich ausgezahlt werden können.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 55a AFG idF des 8. AFG-ÄndG und führt dazu aus, zu Unrecht habe das LSG die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm als erfüllt angesehen und sie (die Beklagte) verurteilt, eine neue Entscheidung zu treffen. Erforderlich sei für die Gewährung von Überbrückungsgeld in jedem Falle, daß vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit tatsächlich mindestens vier Wochen Alg bezogen worden sei, sich also bereits eine entsprechende Belastung der Versichertengemeinschaft ergeben habe. Hierfür spreche nicht zuletzt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift selbst.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Zu Recht hat das SG die zulässige Klage abgewiesen, so daß die Berufung des Klägers hiergegen unbegründet ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung durch die Beklagte wegen des beantragten Überbrückungsgeldes; die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Es liegen bereits nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55a Abs 1 AFG vor, der hier idF des insoweit am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ergänzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Leistungsmißbrauch (Achtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes) vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602 – 8. AFG-ÄndG) anzuwenden ist. Danach kann die Beklagte Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden für längstens 26 Wochen als Ermessensleistung (vgl hierzu BSGE 67, 279 ff = SozR 3-4100 § 55a Nr 1) Überbrückungsgeld gewähren, wenn der Arbeitslose bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eine Rechtsvoraussetzung und als solche von den Gerichten voll zu prüfen. Erst wenn es vorliegt, ist Raum für eine Ermessensbetätigung durch die Beklagte. Im vorliegenden Fall ist es nicht erfüllt; denn ein Vorbezug von Alg oder Alhi in dem vom Gesetz geforderten Umfang liegt entgegen der Ansicht des LSG nicht vor. Alg wurde dem Kläger lediglich in der Zeit vom 18. August 1988 bis 31. August 1988 gezahlt; für den Zeitraum vom 1. Mai 1988 bis 17. August 1988 ist dessen Gewährung mit bindendem Bescheid vom 9. Juni 1988 unter Hinweis auf die Ruhensvorschrift des § 117 Abs 2 und 3 AFG abgelehnt worden, wie rechtskräftig feststeht.
Dieser Ruhenszeitraum kann nicht dem Zeitraum des tatsächlichen Bezugs von Alg gleichgestellt bzw zum Bezugszeitraum hinzugezählt werden. Dafür spricht bereits eine am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung, was keiner näheren Begründung bedarf (so auch Wanka, SGb 1991, 364 f). Zwar hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 17. Oktober 1990 – 11 RAr 109/88 – (SozR 3-4100 § 55a Nr 2) ausgeführt, das BSG habe mehrfach entschieden, daß dem Begriff des Bezugs einer Leistung je nach Sachzusammenhang eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden könne, und insbesondere wegen der Bedeutung des Ruhens eines Anspruchs auf sein Urteil vom 23. Februar 1989 – 11 RAr 44/87 – (SozR 4100 § 46 Nr 10) und ein solches des 9b-Senats (SozR 3-4100 § 46 Nr 5) hingewiesen. Zum einen hat der 11. Senat im Urteil vom 17. Oktober 1990 jedoch selbst offengelassen, ob und wann das Ruhen eines Anspruchs dem Bezug gleichgesetzt werden kann und tragend nur über die Frage der Unmittelbarkeit des Vorbezugs entschieden, weil die Vorbezugszeit als solche tatsächlich erfüllt war; entsprechendes gilt für die darin zitierten Urteile des 9b- und 11. Senats, die zudem andere Sachverhalte betrafen als im anhängigen Verfahren. Im Urteil vom 23. Februar 1989 (SozR 4100 § 46 Nr 10) hatte der 11. Senat über das Erfordernis eines bestimmten Vorbezugs von Alg für die Gewährung von Unterhaltsgeld (Uhg) nach § 46 Abs 2 AFG zu befinden. Er hat auch dort unentschieden gelassen, ob ein ruhender Anspruch als „Bezug” genügt; denn er hat den Kläger mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs klaglos gestellt, weil es dem in § 46 Abs 1 Satz 1 AFG genannten tatsächlichen Vorbezug von Alg gleichstehe, wenn der nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG bestehende Anspruch auf Alg (iS der „Gleichwohlgewährung”) rechtswidrig nicht erfüllt worden sei. Auch das Urteil des 9b-Senats vom 28. Juni 1990 (SozR 3-4100 § 46 Nr 5) rechtfertigt nicht die vom Kläger gewünschte Relativierung des Begriffs „Bezug”. Es ging dort um die Frage, ob der Anspruch auf Uhg in Höhe des Alg, wenn eine berufliche Bildungsmaßnahme wegen Arbeitslosigkeit notwendig ist, dadurch entfällt, daß der Teilnehmer, der noch einen restlichen Anspruch auf Alg hat, dieses nicht bis zum Beginn der Maßnahme in Anspruch nimmt, sondern vor der Maßnahme noch eine befristete Aushilfstätigkeit ausübt. Der 9b-Senat hat dies verneint, in der Entscheidung aber darauf abgestellt, daß dieses Ergebnis aufgrund einer erweiternden Auslegung des Wortlauts von § 46 Abs 2 Satz 1 AFG nach Sinn und Zweck der Vorschrift für vertretbar gehalten werde.
Es ist deshalb daran festzuhalten, daß der „Bezug” von Leistungen nach seinem Wortsinn grundsätzlich den tatsächlichen Erhalt der Leistungen nahelegt (BSG SozR 4100 § 105b Nr 3), was im Urteil des 11. Senats vom 17. Oktober 1990 übrigens nicht bestritten wird. Zwar muß dies nicht zur Folge haben, daß im Einzelfall aufgrund anderer Auslegungskriterien nicht auch Ersatztatbestände anstelle eines tatsächlichen Leistungsbezugs als hinreichend angesehen werden können (vgl BSG SozR 4100 § 105b Nr 3). Jedoch kann dies hier nicht angenommen werden, da auch die sonstigen Auslegungsmethoden (systematische, historische, teleologische) das aufgrund der wörtlichen Auslegung gewonnene Ergebnis bestätigen. Ob in anderen Fällen des Ruhens des Alg- bzw Alhi-Anspruchs oder bei sonstigen Konstellationen gleiches gilt, läßt der Senat offen.
§ 55a AFG wurde durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484 ≪7. AFG-ÄndG≫) eingefügt und griff auf den früheren § 135 Abs 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) zurück (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2). Darin war bestimmt, daß in Ausnahmefällen Beziehern von Alg, die eine selbständige Tätigkeit aufnehmen, bis zur Erreichung eines angemessenen Einkommens, längstens bis zur Dauer von 26 Wochen eine Überbrückungsbeihilfe gewährt werden könne, wobei nach Meinung von Literatur und Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe auch dann als erfüllt angesehen wurden, wenn ein Arbeitnehmer in unmittelbarem Anschluß an ein beendetes Beschäftigungsverhältnis eine selbständige Tätigkeit aufnahm und deshalb zu keiner Zeit einen Leistungsanspruch wegen Arbeitslosigkeit besaß (vgl Krebs, Kommentar zum AVAVG, Stand September 1966, § 135 RdNr 4).
Mit dem durch das 7. AFG-ÄndG eingefügten § 55a AFG hat der Gesetzgeber erstmals einen mindestens zehnwöchigen vorausgehenden Bezug von Leistungen bis zur Aufnahme der Tätigkeit zur Voraussetzung gemacht. Wenngleich in der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks 10/4211) und zum gleichlautenden Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. (BT-Drucks 3923) nur ausgeführt ist, die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch einen Arbeitslosen trage ebenso zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei wie die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung, und eine erfolgreiche Existenzgründung könne zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze führen (aaO Seite 21 bzw Seite 20), so verdeutlicht das Erfordernis der Vorbezugszeit von Alg bzw Alhi doch, daß im Gegensatz zu § 135 AVAVG nicht jeder Arbeitslose, der im Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die Voraussetzungen zum Bezug von Alg oder Alhi erfüllte, in den Genuß der Förderung kommen sollte (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2). Die Förderung wurde vielmehr begrenzt auf Arbeitslose, die einen Leistungsbezug von gesetzlicher Mindestdauer aufweisen konnten und ihren Leistungsanspruch im Falle der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit verlieren mußten. Es sollte nur der Antragsteller gefördert werden, der bereits eine Mindestzeit arbeitslos und wegen des damit verbundenen Leistungsbezugs eine Belastung für die Versichertengemeinschaft war, von der diese nun um den Preis einer zeitlich begrenzten Weiterzahlung des Alg oder der Alhi (§ 55a Abs 2 AFG) für die Zukunft befreit wurde (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2). Entschärft wurde die frühere Regelung dadurch, daß nach § 55a Abs 4 Satz 2 AFG aF die Beklagte durch Anordnung Ausnahmen von der Dauer der vorausgegangenen Arbeitslosigkeit machen konnte, so daß auch kürzere Vorbezugszeiten ausreichend sein konnten.
Durch das 8. AFG-ÄndG wurde diese Ermächtigung (§ 55a Abs 4 Satz 2 AFG) gestrichen; gleichzeitig wurde unter Verlängerung der Bezugsdauer des Überbrükungsgeldes von 13 Wochen auf 26 Wochen lediglich noch eine vorausgehende Zeit des Bezuges von Alg bzw Alhi von vier Wochen vorgeschrieben. Im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. (BT-Drucks 11/800 S 17) ist die Änderung damit begründet, daß die frühere kurze Förderungszeit von 13 Wochen ein Hemmnis dargestellt habe, weshalb die Förderungszeit auf längstens 26 Wochen erhöht worden sei. Die Dauer des vorausgegangenen Bezugs von Alg oder Alhi als Voraussetzung für die Gewährung von Überbrückungsgeld werde von zehn auf vier Wochen verkürzt und dafür die Anordnungsermächtigung über Ausnahmen von dieser Dauer gestrichen, da sich die lange grundsätzliche Dauer von zehn Wochen mit der Ermöglichung von Ausnahmen als wenig praktikabel erwiesen habe. Diese Änderung des § 55a AFG verstärkt aus systematischen Gründen den Eindruck, den bereits die am Wortlaut orientierte Auslegung vermittelt hat.
Die historische Entwicklung der geltenden Regelung des § 55a AFG und die unmittelbaren Gründe seiner Entstehung bestätigen dies; der Gesetzgeber wollte durch die Einführung einer kürzeren Vorbezugszeit und die Beseitigung der Ermächtigung für Ausnahmeregelungen eine einfachere und praktikablere Lösung bieten. Zwar ist nicht erkennbar, weshalb er gerade eine Vorbezugszeit von vier Wochen für erforderlich gehalten hat; jedoch ist diese normative Vorgabe als solche zu akzeptieren, ohne daß seitens des Gerichtes Zweckmäßigkeitserwägungen zur Dauer oder gar zum generellen Erfordernis der Vorbezugszeit angestellt werden dürften.
Entscheidend sprechen schließlich teleologische Gesichtspunkte gegen die Einbeziehung eines Ruhenszeitraums iS des § 117 Abs 2 und 3 AFG in die nach § 55a Abs 1 AFG erforderliche Vorbezugszeit. Der Gesetzgeber hat – verkürzt dargestellt – mit der Normierung der Vorbezugszeit das Ziel verfolgt, Förderungsleistungen bei nahtlosem Anschluß zwischen Beendigung des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und selbständiger Tätigkeit auszuschließen, indem er einen Mindestbezug von Alg oder Alhi vorgeschrieben hat. Die erstrebte Nicht-Nahtlosigkeit zwischen Aufgabe der früheren Beschäftigung und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sollte damit durch die Zahlung von Alg bzw Alhi, nicht durch den Zeitablauf alleine, dokumentiert werden. Diesem Ziel würde es widersprechen, wenn ein Ruhenszeitraum nach § 117 Abs 2 und 3 AFG dem Bezugszeitraum des § 55a Abs 1 AFG zuzurechnen wäre.
Die Ruhensvorschrift des § 117 Abs 2 und 3 AFG enthält die unwiderlegbare Vermutung, daß in den wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährten Abfindungen, Entschädigungen und ähnlichen Leistungen in pauschaliertem Umfang auch Arbeitsentgeltanteile enthalten sind (BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; BSG SozR 4100 § 117 Nrn 5 und 13; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6; GK-AFG, Stand November 1992, § 117 RdNr 30; Gagel, AFG, Stand Mai 1991, § 117 RdNr 114 f; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, AFG, 2. Auflage, § 117 Anm 12). Wie § 117 Abs 1 AFG den Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg verhindern soll, weil der Arbeitslose noch keinen Lohnausfall hat (vgl BSGE 46, 20, 29 = SozR 4100 § 117 Nr 2 und BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3), so beruht die Regelung des § 117 Abs 2 und 3 AFG auf der Erwägung, daß der Arbeitslose (noch) nicht der Leistung der Versichertengemeinschaft bedarf. Sie soll Entschädigungen für Lohnausfall erfassen, die in den in § 117 Abs 2 AFG angesprochenen Fällen in einem bestimmten, insbesondere durch § 117 Abs 3 AFG pauschalierten Umfang angenommen werden, und gleichzeitig Manipulationen zur Umgehung des § 117 Abs 1 AFG verhindern (BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6). Ist dies aber so, so würde die Anrechnung des Ruhenszeitraums des § 117 AFG auf die Vorbezugszeit des § 55a AFG dem widersprechen, weil einerseits § 55a Abs 1 AFG eine Mindestbelastung der Solidargemeinschaft voraussetzt und andererseits § 117 Abs 2 und 3 AFG ein Ruhen des Anspruchs gerade wegen des fehlenden Sicherungsbedarfs durch die Solidargemeinschaft vorsieht.
Eine zugunsten des Klägers andere Betrachtung ist hier nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte es rechtswidrig unterlassen hätte, zustehendes Alg nach Maßgabe des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG auszuzahlen, wenn der frühere Arbeitgeber die vereinbarte Abfindung zurückgehalten hätte (vgl BSG SozR 4100 § 46 Nr 10). Aus dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG folgt nämlich, daß der Kläger die Abfindung erhalten hat.
Unerheblich ist hier ferner, ob die Beklagte den Ruhenszeitraum falsch berechnet hat und bei richtiger Berechnung die Vorbezugszeit von vier Wochen erfüllt wäre. Abgesehen davon, daß dafür keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, bedarf es insoweit keiner weiteren Untersuchung und deshalb auch keiner Zurückverweisung an das LSG zum Nachholen fehlender Feststellungen. Die Entscheidung der Beklagten über das Ruhen des Alg-Anspruchs des Klägers ist rechtskräftig gerichtlich bestätigt worden. Ihre Überprüfung wäre nur im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) möglich. Insoweit liegt hier ein anderer Sachverhalt vor als der, über den der 11. Senat des BSG im Urteil vom 23. Februar 1989 (SozR s4100 § 46 Nr 10) entschieden hat. Der 11. Senat hat dort wegen rechtswidriger Vorenthaltung von Alg gemäß § 117 Abs 4 Satz 1 AFG ungeachtet eines bindend gewordenen Alg-Ablehnungsbescheides einen vom Senat geforderten, aber fehlenden Alg-Bezug im Wege des Herstellungsanspruchs unterstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen