Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Elternrente. wesentliche Änderung der Verhältnisse. freie Schadensschätzung
Orientierungssatz
1. Nach ZPO § 287, der im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, kann das Gericht die Schadenshöhe auf der Grundlage der tatsächlichen Anhaltspunkte nach freiem Ermessen schätzen. Die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß ein Schaden gerade in der Höhe vorliegt, ist nicht erforderlich. Auch die Dauer einer Rente - die hier vom Vorliegen des mutmaßlichen Unterhaltsanspruchs der Kläger abhängt - kann nach allgemeiner Ansicht im Rahmen des ZPO § 287 Abs 1 geschätzt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Schadenshöhe, dh die Dauer der Rente, von hypothetischen Geschehensabläufen abhängt. Eine Beweislastentscheidung kann in solchen Fällen in der Regel nicht ergehen, da das Gericht die Schätzung aufgrund der vorhandenen Anhaltspunkte treffen muß, auch wenn diese kein genaues Bild ergeben.
2. Auch die mutmaßliche Änderung eines nur gedachten Geschehensablaufs kann eine wesentliche Änderung iS des RVO § 622 Abs 1 sein. Die mutmaßliche Änderung eines nicht Wirklichkeit gewordenen Geschehensablaufs rechtfertigt eine Neufeststellung, wenn der hypothetische Geschehensablauf für die Feststellung der Leistung maßgeblich gewesen ist (vgl BSG 1974-06-27 8 RU 292/73 = SozR 2200 § 596 Nr 3, BSG 1975-10-22 8 RU 194/74 = SozR 2200 § 622 Nr 6). In einem solchen Fall ist es nicht gerechtfertigt, zwischen tatsächlich eingetretenen und mutmaßlichen Ereignissen, die zu der mutmaßlichen Änderung des gedachten Geschehensablaufs führen, zu unterscheiden.
Normenkette
RVO § 596 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 622 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; ZPO § 287
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 12.10.1977; Aktenzeichen L 3 U 76/77) |
SG Speyer (Entscheidung vom 28.01.1977; Aktenzeichen S 16 U 144/76) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Oktober 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger sind die Eltern des am 22. August 1967 im Alter von nahezu 28 1/2 Jahren durch einen Arbeitsunfall getöteten ledigen Schweißers C N Die Beklagte gewährte ihnen durch Bescheid vom 18. Januar 1968 Elternrente.
Durch Bescheid vom 23. Januar 1969 entzog sie die Rente, da der Verunglückte mit Vollendung des 30. Lebensjahres verheiratet gewesen wäre und deshalb den Klägern keinen Unterhalt mehr hätte leisten können. Das Sozialgericht (SG) hob den Rentenentziehungsbescheid auf. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Durch Bescheid vom 1. Juli 1976 entzog die Beklagte erneut die Rente mit Ablauf des Monats August 1976, da mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, daß der Sohn der Kläger inzwischen geheiratet hätte und damit seine Unterhaltsfähigkeit gegenüber den Klägern nach menschlicher Voraussicht entfallen wäre.
Das SG hat durch Urteil vom 28. Januar 1977 diesen Bescheid aufgehoben und ausgeführt: Nach der Statistik sei für die gerade 30jährigen ledigen Männer in Deutschland eine Eheschließung bereits unwahrscheinlich, da mit Vollendung des 30. Lebensjahres schon 85% der Männer verheiratet gewesen seien. Auch bei einem Vergleich der für die einzelnen Lebensjahre statistisch festgestellten Eheschließungen ergebe sich, daß die Wahrscheinlichkeit zu heiraten bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres groß sei, anschließend bis zum 30. Lebensjahr bereits stark abfalle und dann nur noch sehr gering werde.
Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 12. Oktober 1977 zurückgewiesen und ua ausgeführt: Die Wahrscheinlichkeit einer späteren Eheschließung des Sohnes der Kläger müsse bereits aufgrund seines Alters im Unfallzeitpunkt in Frage gestellt werden. Diese Wahrscheinlichkeit sei unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles vollends zu verneinen. Die Lebensverhältnisse des Verunglückten hätten sich durch eine besonders enge Bindung an die Familie ausgezeichnet. Als der Sohn der Kläger im Alter von 28 1/2 Jahren tödlich verunglückte, sei er noch nicht verlobt gewesen. Es fehle jeder Anhalt, aus dem auf die Absicht einer Eheschließung in überschaubarer Zeit zu schließen wäre. Aus den Auskünften der Gemeinde, wo der Sohn der Kläger bis zu seinem Tode gewohnt habe, und der Heimatgemeinde der Kläger ergebe sich vielmehr, daß er noch keinerlei Beziehungen angeknüpft hatte, welche die Bereitschaft zu einer späteren Eheschließung erkennen ließen. Bis zum Beginn seiner Tätigkeit in Deutschland habe er mit seinen Eltern einen gemeinsamen Haushalt im elterlichen Haus geführt. Hierzu habe er praktisch seinen gesamten Lohn beigesteuert. Nach Deutschland sei er nur gegangen, um auch für die Eltern besser sorgen zu können. Darüber hinaus lasse die enge Bindung an seine Eltern vermuten, daß er selbst nach einer Eheschließung keinen eigenen, sondern mit den Klägern weitgehend einen gemeinsamen Haushalt geführt hätte. Die Kläger hätten demnach weiterhin zu seiner Familie gehört, so daß die Ausgaben für den Lebensunterhalt sämtlicher Familienangehöriger aus einer gemeinsamen Kasse bestritten worden wären.
Der Senat hat durch Beschluß vom 9. März 1978 die Revision gegen das Urteil des LSG vom 12. Oktober 1977 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Dieser Beschluß wurde dem Bevollmächtigten der Beklagten am 20. März 1978 zugestellt.
Am 9. Mai 1978 hat die Beklagte Revision eingelegt und zugleich beantragt, ihr wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages trägt die Beklagte vor: Ihr Prozeßbevollmächtigter habe nach Zustellung des Beschlusses vom 9. März 1978 ein Schreiben diktiert und seine erfahrene und bis dahin zuverlässige Bürogehilfin angewiesen, nach Absendung des Briefes die Handakte unverzüglich ihm vorzulegen. Aus einem Versehen der Bürogehilfin sei die Akte jedoch nicht vorgelegt worden, sondern in die Aktenablage gelangt. Nachdem später dieses Versehen entdeckt worden sei, habe man sofort Revision eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt. Der Antrag stützt sich auf eine entsprechende eidesstattliche Versicherung der Bürogehilfin.
Zur Begründung der Revision trägt die Beklagte ua vor: Das LSG hätte noch weitere statistische Unterlagen insbesondere über das Heiratsalter der Italiener beiziehen müssen. Das Alter, in denen bei Italienern die Heiratschancen als gering zu bewerten seien, liege wesentlich höher als vom LSG angenommen. Wie hoch das fiktive Alter sei, von dem an eine Eheschließung nicht mehr als wahrscheinlich angenommen werden dürfe, sei noch durch das LSG zu klären.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kläger haben im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Der Beklagten ist wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Frist ist ohne Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten versäumt worden, da dieser auf die Beachtung seiner klaren Einzelanweisung in der vorliegenden Sache durch seine erfahrene und bis dahin zuverlässige Bürogehilfin vertrauen durfte.
Die somit zulässige Revision ist jedoch nicht begründet.
Nach § 622 Abs 1 der Reichversicherungsordnung (RVO) ist eine Leistung neu festzustellen - also auch zu entziehen -, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Leistung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt, welche die Neufeststellung rechtfertigt. Nach § 596 Abs 1 RVO besteht ein Anspruch auf Elternrente, wenn und solange die Anspruchsberechtigten ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können. Damit ist nach allgemeiner Ansicht das mutmaßliche Bestehen eines familienrechtlichen Unterhaltsanspruchs Voraussetzung für die Gewährung von Elternrente (vgl Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 596 RVO Anm 6b und 10; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl, S. 590). Das Gesetz stellt auf einen Geschehensablauf ab, der in Wirklichkeit nicht eintreten kann.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß auch die mutmaßliche Änderung eines nur gedachten Geschehensablaufs eine wesentliche Änderung im Sinne des § 622 Abs 1 RVO sein kann (entgegen Zehe, SGb 1975, 134 und 1976, 237; Andreas, ZfS 1974, 361). Die mutmaßliche Änderung eines nicht Wirklichkeit gewordenen Geschehensablaufs rechtfertigt eine Neufeststellung, wenn der hypothetische Geschehensablauf für die Feststellung der Leistung maßgeblich gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 622 Nr 6 und § 596 Nr 3). In einem solchen Fall ist es nicht gerechtfertigt, zwischen tatsächlich eingetretenen und mutmaßlichen Ereignissen, die zu der mutmaßlichen Änderung des gedachten Geschehensablaufs führen, zu unterscheiden. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, daß es für die Feststellung einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 622 Abs 1 RVO nicht ausreicht, daß eine solche unter Umständen eingetreten sein könnte (SozR Nr 12 zu § 622 RVO). Dies betraf jedoch einen Fall, in dem die Feststellung der Leistung nicht von einem mutmaßlichen Geschehensablauf abhing. Wie der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 1975 (SozR 2200 § 622 Nr 6, S. 13) bereits ausgeführt hat, ist das Eintreten der Umstände, die zu der mutmaßlichen Änderung führen, nicht immer mit einer solchen Sicherheit vorhersehbar, daß die zeitliche Begrenzung der Rente bereits im Bescheid vorgenommen werden könnte. Selbst statistische Aussagen über das Heiratsalter können sich im Verlauf des zu beurteilenden Zeitraums wesentlich ändern, da das Heiratsverhalten der Bevölkerung nicht gleichbleibt (vgl zB Höhn, Wirtschaft und Statistik - WiSta -, 1976, 717, 721). Auch ist es für den Berechtigten nicht unbedingt günstiger, wenn die Rente gleich im Bewilligungsbescheid zeitlich begrenzt wird, da das Bewilligungsverfahren sich dadurch in die Länge ziehen kann (vgl Urteil des 8. Senats aaO).
Das LSG hat aber aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Recht angenommen, daß keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 622 Abs 1 RVO vorgelegen hat, da der Unterhaltsanspruch der Kläger gegen den Verstorbenen im Zeitpunkt des Erlasses des Entziehungsbescheids mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht entfallen wäre. Die Frage, ob die Kläger weiterhin einen Unterhaltsanspruch gegen den Verstorbenen gehabt hätten, ist gemäß Art 19 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) nach italienischem Recht zu beurteilen, da der Vater des Verstorbenen italienischer Staatsangehöriger ist (BSG SozR 2200 § 596 Nr 2; Soergel/Siebert, BGB 10. Aufl, Art 19 EGBGB Anm 1; Palandt, BGB, 37. Aufl, Art 19 EGBGB Anm 2). Da das LSG über den Inhalt des nicht revisiblen italienischen Rechts keine Feststellungen getroffen hat, kann dies ausnahmsweise vom Revisionsgericht nachgeholt werden (BSGE 7, 122, 125; Meyer-Ladewig, SGG, § 162 Anm 7; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 162 SGG Anm II 3, S. III/80-86). Nach italienischem Recht ist der Unterhaltsanspruch der Kläger gegen den Verstorbenen ähnlich wie nach deutschem Recht von der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten abhängig (Art 438 des italienischen Codice civile - Cc - ; vgl dazu BSG Urteil vom 19. Mai 1978 8 RU 102/77; Grunsky/Wuppermann, Italienisches Familienrecht, 1971, S. 141 f. und 218; Tölzer, SozSich 71, 166, 169). Allerdings ist die Reihenfolge der Unterhaltsberechtigung im italienischen Recht anders geregelt als im deutschen Recht. Während nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Ehegatte und Kinder vorrangig vor den Eltern unterhaltsberechtigt sind, bestimmt Art 442 Cc, daß das Gericht geeignete Vorkehrungen treffen muß, um die Unterhaltsleistungen des Verpflichteten angemessen unter die Berechtigten zu verteilen (abgedruckt bei Grunsky/Wuppermann aaO, S. 219). Nach italienischem Recht ist es somit möglich, daß Eltern einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Sohn haben, auch wenn dieser eine eigene Familie zu unterhalten hat. Nach § 596 Abs 1 RVO wird Elternrente allerdings nur gewährt, solange die Anspruchsberechtigten ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt in wesentlicher Höhe hätten geltend machen können. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, aber aus deren Sinn und Zweck. Elternrente ist nur zu gewähren, wenn der Verstorbene die Verwandten vor dem Arbeitsunfall wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde. Es wäre nicht gerechtfertigt, für das Andauern der Rentenberechtigung geringere Voraussetzungen zu fordern als für den Beginn der Rente. Die Frage der Wesentlichkeit des Unterhalts ist im Verhältnis zum Unterhaltsbedarf der Berechtigten zu beurteilen (vgl RVA AN 1922, 262 zu § 593 RVO aF).
Die Beklagte sieht die wesentliche Änderung in den für den Bescheid vom 18. Januar 1968 maßgebenden Verhältnissen darin, daß der tödlich verunglückte Sohn der Kläger im Jahre 1976 verheiratet gewesen wäre und nach einem allgemeinen Erfahrungssatz bei einem Arbeiter mit durchschnittlichem Einkommen, der eine eigene Familie mit Kindern zu unterhalten hat, nicht anzunehmen ist, daß er seine Eltern durch laufende Zahlungen aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterstützen könnte (vgl BSG SozR 2200 § 596 Nr 3, S. 13 mwN; BSG Urteil vom 27. Juli 1978 - 2 RU 93/77 - ; OLG Düsseldorf, NJW 61, 1408; Staudinger, BGB, 10./11. Aufl, § 849 Anm 157 a).
Das LSG hat jedoch festgestellt, daß der Sohn G mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine Familie gegründet hätte. Dies ist eine Tatsachenfeststellung, die das Revisionsgericht auf Rüge nur daraufhin nachprüfen kann, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung allgemeine Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt hat (vgl Meyer-Ladewig aaO § 162 Anm 3; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 162 Anm II 6 S. III/80-90). Das ist hier nicht der Fall. An die Erbringung des Beweises dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden, wie sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 287 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ergibt (ähnlich schon BSG SozR 2200 § 596 Nr 3, S. 14). Nach dieser Vorschrift, die im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist (vgl Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 128 Anm 2 b S. II/134; Meyer-Ladewig, aaO, § 118 Anm 14, § 128 Anm 3), kann das Gericht die Schadenshöhe auf der Grundlage der tatsächlichen Anhaltspunkte nach freiem Ermessen schätzen. Die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß ein Schaden gerade in der Höhe vorliegt, ist nicht erforderlich (vgl Stein/Jonas, ZPO, 19. Aufl, § 287 Anm III 1; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl, § 287 Anm D IV). Auch die Dauer einer Rente - die hier vom Vorliegen des mutmaßlichen Unterhaltsanspruchs der Kläger abhängt - kann nach allgemeiner Ansicht im Rahmen des § 287 Abs 1 ZPO geschätzt werden (zB BGH in JZ 1951, 113, 114; Wieczorek aaO, § 287 Anm C IV a 1; Stein/Jonas aaO, § 287 Anm I 2 b und Fußnote 20). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Schadenshöhe, dh die Dauer der Rente, von hypothetischen Geschehensabläufen abhängt. Eine Beweislastentscheidung kann in solchen Fällen in der Regel nicht ergehen, da das Gericht die Schätzung aufgrund der vorhandenen Anhaltspunkte treffen muß, auch wenn diese kein genaues Bild ergeben (vgl zB Wieczorek aaO, § 287 ZPO Anm B II a). Hier ist zwar nicht ein Schadensersatzanspruch in zivilrechtlichem Sinn streitig, die gleiche Sachlage rechtfertigt jedoch eine Anwendung der für § 287 ZPO entwickelten Grundsätze.
Das LSG hat seine mit Verfahrensrügen nicht angegriffene tatsächliche Feststellung, daß der Sohn G der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht geheiratet hätte, auch aufgrund der besonderen Umstände des zu entscheidenden Einzelfalles getroffen. Diese tatsächlichen Feststellungen tragen das Urteil, so daß auf die weitere Begründung des LSG, gegen eine Heirat spreche auch das statistische Heiratsalter, nicht eingegangen zu werden braucht (vgl zum statistischen Heiratsalter das Urteil des Senats vom 27. Juli 1978 - 2 RU 93/77 -). Zusätzlich wird das Urteil durch die ebenfalls nicht mit Verfahrensrügen angegriffene tatsächliche Feststellung des LSG getragen, daß aufgrund der von ihm gewürdigten besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles der Sohn G der Kläger seine Eltern auch bei einer möglichen Heirat unterhalten hätte.
Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen hat das LSG mit Recht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, so daß auch die Revision der Beklagten ohne Erfolg blieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen denen der Hauptsache (BSG SozR 1500 § 193 Nr 2).
Fundstellen