Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz eines Flugzeugführers während einer Dienstreise auf dem Wege zum Abendessen und zurück
Leitsatz (amtlich)
Während einer Dienstreise entfällt der Versicherungsschutz auf dem Weg von der Einnahme einer Mahlzeit nicht allein deshalb, weil der Versicherte sich nach der Essenseinnahme noch länger als zwei Stunden in der Gaststätte aufgehalten hat.
Orientierungssatz
1. Während einer Dienstreise steht dem Versicherungsschutz auf dem Wege zur und von der Einnahme der Mahlzeit nicht entgegen, daß der Versicherte die Mahlzeit nicht im Hotel, sondern in einem anderen Restaurant eingenommen hat.
2. Dem Versicherungsschutz auf dem Weg zum Abendessen und zurück steht auch nicht entgegen, daß der Flugzeugführer dieses Restaurant auch aufsuchte, weil er mit Mitgliedern seiner Crew und mit den Besatzungsmitgliedern anderer Flugzeuge der Lufthansa sowie mit dem ortsansässigen Personal der Fluggesellschaft gemeinsam essen wollte. Selbst wenn es sich insoweit nicht im wesentlichen um einen der versicherten Tätigkeit dienenden Gedanken- und Erfahrungsaustausch, sondern um private Interessen gehandelt haben sollte, würde dies schon nach den in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannten Grundsätzen des Versicherungsschutzes bei sogenannten gemischten Tätigkeiten den Versicherungsschutz nicht ausschließen.
Normenkette
RVO § 548 Abs 1 S 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 26.09.1979; Aktenzeichen L 3 U 978/78) |
SG Darmstadt (Entscheidung vom 03.08.1978; Aktenzeichen S 1 U 11/78) |
Tatbestand
I
Der Kläger war bei der D L AG (D) als Flugzeugführer tätig. Er landete mit seiner Maschine am 25.September 1977 gegen 7.17 Uhr Ortszeit in R d J und begab sich mit seiner Crew in das ihm zugewiesene und etwa 30 km entfernt liegende Hotel I. Der Abflug war für den 28. September 1977 vorgesehen. Nach dem Eintreffen in dem Hotel schlief der Kläger bis etwa 20.00 Uhr. Gegen 21.00 Uhr fuhr er in das rund 10 km entfernte Restaurant Ch J in dem die L-Besatzungen oft speisten und das, wie das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in R d J mitteilte, inmitten vieler Restaurants liegt. Der Kläger traf dort zwischen 21.30 und 21.45 Uhr ein. Das Essen wurde sogleich bestellt und auch sofort serviert. Gegen 1.00 Uhr verließ der Kläger das Restaurant, in dem er sich noch mit Mitgliedern seiner Crew sowie anderen L-Besatzungen und den ortsansässigen Angestellten der D unterhalten hatte. Während auch Mitglieder seiner Crew noch in das Vergnügungsviertel gingen, wollte der Kläger mit einem Besatzungsmitglied ins Hotel zurückkehren. Während sie auf ein Taxi warteten, wurde der Kläger ohne ersichtlichen Grund von hinten niedergeschossen und schwer verletzt.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 26. Januar 1978 Entschädigungsleistungen ab, da der Versicherte sich auf der Straße in R J ausschließlich aus privaten Gründen aufgehalten hätte.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 3. August 1978 die Beklagte zur Entschädigungsleistung verurteilt, da der Weg nach und von der Nahrungsaufnahme im ursächlichen Zusammenhang mit dem Dienst gestanden habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 26. September 1979 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ua ausgeführt: Die Beweggründe des Angreifers hätten sich nicht aus einer persönlichen Feindschaft mit dem Angegriffenen ergeben. Der Unfallversicherungsschutz sei aber nicht gegeben, weil der Kläger sich zur Zeit des Überfalls weder bei einer seinem Unternehmen zuzurechnenden betrieblichen Tätigkeit (§ 548 der Reichsversicherungsordnung -RVO- ) noch auf einem mit einer solchen im Zusammenhang stehenden Weg befunden habe (§ 550 RVO). Grundsätzlich gehöre auch auf Dienstreisen die Nahrungsaufnahme selbst zum unversicherten persönlichen Lebensbereich. Stehe aber die Einnahme des Essens nicht in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis, gehörten auch das Zurücklegen des Weges zum Essen und der Rückweg von dort nicht zur versicherten Tätigkeit nach § 548 RVO. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juni 1977 (SozR 2200 § 548 Nr 33) entnehmen, auch nicht aus den Ausführungen, nach denen es dem Dienstreisenden oder Geschäftsreisenden versicherungsrechtlich freigestellt sei, im Hotel oder in einem nicht unverhältnismäßig weit entfernten Restaurant zu essen. Dieser Satz dürfe nicht isoliert von den sonstigen Ausführungen des 2. Senats des BSG in diesem Urteil betrachtet werden. Danach gehörten die Wege zur Nahrungsaufnahme während einer Dienstreise zu den Verrichtungen, die im ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stünden, die den Versicherten in die fremde Stadt geführt habe. Auf diesem Wege bestehe Versicherungsschutz. Dies entspreche außerhalb einer Dienstreise dem Versicherungsschutz gemäß § 550 Abs 1 RVO auf den Wegen zur Nahrungsaufnahme. Hieraus, dh aus der Entsprechung von solchen Wegen nach § 550 Abs 1 RVO als Betätigung nach § 548 RVO auf einer Dienstreise, ziehe die Beklagte zutreffend den Schluß, daß die Grundsätze über den Versicherungsschutz auf Wegen zur Nahrungsaufnahme nach § 550 RVO entsprechend anzuwenden seien. Diesem Versicherungsschutz liege der Gedanke zugrunde, daß die Nahrungsaufnahme den Versicherten befähigen solle, seine Beschäftigung alsbald bis zum Schluß der Arbeitsschicht fortzusetzen. Der Weg zur Nahrungsaufnahme sei dabei zeitlich eng in die betriebliche Tätigkeit eingebettet. Werde dieser Gesichtspunkt auf die entsprechenden Wege auf Dienstreisen übertragen, erfordere die Anerkennung eines rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhanges zwar nicht gleichermaßen eine enge zeitliche Aufeinanderfolge von Tätigkeit - Weg - Tätigkeit, da auf Dienstreisen generell eher ein ursächlicher Zusammenhang anzunehmen sein werde als bei den sonst gleichen Verhältnissen am Wohnort oder Betriebsort. Allerdings dürfe der zeitliche Zusammenhang nicht völlig außer acht gelassen werden, vielmehr müsse eine angemessene zeitliche Beziehung zwischen der Tätigkeit und dem Weg sowie anschließender erneuter Aufnahme der Tätigkeit bestehen. Je länger auf Dienstreisen Zwischenräume der Freizeit eingeschoben seien, um so mehr beschränke sich der Unfallversicherungsschutz auf das zur Aufrechterhaltung der Arbeitsaufnahme Notwendige. Nach diesen Gründen ergebe sich aber, daß der Kläger durch die Dienstreise nicht in die Notwendigkeit versetzt worden sei, in der Nacht des Überfalls gerade zu dieser Zeit und an diesem Ort sich aufhalten zu müssen. Der Kläger habe nicht zur Einnahme der Mahlzeit das in dem Vergnügungsviertel gelegene Restaurant aufsuchen müssen. Im übrigen sei die Entfernung zwischen dem Hotel I und dem Restaurant Ch nicht mehr nicht unverhältnismäßig weit.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor: Das LSG habe zu Unrecht unterlassen, den genauen zeitlichen Ablauf des Abends vor dem Unfall zu ermitteln. Dazu hätte es sich aber gedrängt fühlen müssen, da es den vom SG festgestellten Zeitangaben nicht gefolgt sei. Das LSG hätte sich außerdem gedrängt fühlen müssen, Feststellungen über die spezifische Ortsgefahr zu treffen. Im übrigen habe das LSG zu Unrecht den Versicherungsschutz auf dem Wege zum Abendessen verneint. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, das nächste Restaurant aufzusuchen. Soweit das Berufungsgericht für den Versicherungsschutz auf den Wegen zu und von der Nahrungsaufnahme eine zeitliche Aufeinanderfolge von Tätigkeit - Weg - Tätigkeit fordere, verkenne es mit seiner Gleichsetzung von Ruhezeit und Freizeit die Besonderheit von Dienstreisen von Flugzeug-Besatzungsmitgliedern. Der Weg zu dem Restaurant sei auch nach den maßgebenden örtlichen Verhältnissen nicht unverhältnismäßig weit gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Gegen die Gefahren einer Großstadt, wie sie auch in anderen deutschen Großstädten bestünden, sei der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gerichtet.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist begründet.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nicht schon unter Versicherungsschutz stand, weil er sich aufgrund seiner versicherten Tätigkeit als Flugkapitän in einer fremden Stadt befand. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist auch bei Dienstreisen zu unterscheiden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängen, und solchen Verrichtungen, die der privaten Sphäre des Reisenden angehören. Der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte sich rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflußten Belangen widmet (vgl ua BSGE 8, 48, 49 ff.; 39, 180, 181; BSG SozR 2200 § 548 Nr 21 und 33; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl, S. 481 t und Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 548 Anm 65 - jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Allerdings ist, wie der BSG in seiner Rechtsprechung von Anfang an nicht verkannt hat, ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis am Ort der auswärtigen Beschäftigung in der Regel eher anzunehmen als am Wohnort oder Betriebsort. So gehört ua der Weg zur Nahrungsaufnahme während einer Dienstreise zu den Verrichtungen, die im ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, die den Versicherten in die fremde Stadt geführt hat (vgl BSGE 8, 48, 52/53; BSG SozR Nr 17 und 57 zu § 542 RVO aF; BSG SozR 2200 § 548 Nr 33). Auf diesem Weg besteht Versicherungsschutz gemäß § 548 Abs 1 Satz 1 RVO. Dies entspricht außerhalb einer Dienstreise dem Versicherungsschutz gemäß § 550 Abs 1 RVO auf den Wegen zur Nahrungsaufnahme vom Ort der Tätigkeit und zurück (s. BSGE 14, 157, 159; Brackmann aaO S. 486 h I). Das LSG meint zu Unrecht, auf dem Weg nach und von der Nahrungsaufnahme habe kein Versicherungsschutz bestanden, da während der Essenseinnahme ebenfalls kein Versicherungsschutz gegeben gewesen sei. Die unterschiedliche Beurteilung des Versicherungsschutzes auf den Wegen nach und von der Nahrungsaufnahme und während der Einnahme des Essens rechtfertigt sich während einer Dienstreise oder Geschäftsreise - entsprechend der Rechtsprechung zu § 550 RVO - im wesentlichen daraus, daß der Kläger auch zu Hause eine Mahlzeit hätte einnehmen müssen, so daß es sich insoweit auf einer Dienstreise grundsätzlich ebenfalls um eine privaten Interessen dienende Verrichtung handelt, daß er aber zu Hause nicht - wie hier - durch die versicherte Tätigkeit gehalten gewesen wäre, ein Restaurant aufzusuchen. Das Aufsuchen des Restaurants steht demnach im ursächlichen Zusammenhang mit der Dienstreise des Klägers.
Dem Versicherungsschutz des Klägers auf dem Wege zur und von der Einnahme der Mahlzeit hat auch nicht entgegengestanden, daß er die Mahlzeit nicht im Hotel, sondern in einem anderen Restaurant eingenommen hat. Der Senat hat in seinem Urteil vom 23.Juni 1977 (SozR 2200 § 548 Nr 33) bereits dargelegt, daß die gegenteilige Auffassung, ein Versicherungsschutz auf Wegen zur Nahrungsaufnahme und zurück sei auf Dienstreisen nur insoweit gegeben, als hierfür die nächstgelegene Gegebenheit wahrgenommen werde, sich auch nicht auf die Entscheidung des Senats vom 30. Juni 1960 (BSGE 12, 247) stützen kann. Abgesehen davon, daß dieses Urteil nicht den Versicherungsschutz auf Wegen nach und von der Nahrungsaufnahme, sondern beim Essen selbst (vergiftete Speisen) betrifft, geht auch diese Entscheidung davon aus, daß trotz der Möglichkeit, in der Kantine des Betriebes zu essen, in dem sich der Versicherte aus dienstlichen Gründen aufhält, der Versicherungsschutz auch auf Wegen nach und von dem Ort seiner auswärtigen Tätigkeit zu einer Gaststätte in der Nähe besteht (s. BSGE aaO S. 250 und 251; Brackmann aaO S. 486 h I). Dem LSG ist weiterhin nicht darin zuzustimmen, daß der Versicherungsschutz auf dem Weg während einer Dienstreise zu einem Restaurant die "Notwendigkeit" voraussetzt, dort die Mahlzeit einzunehmen. Dem Versicherungsschutz auf dem Weg zum Abendessen und zurück steht auch nicht, wie das LSG meint, entgegen, daß der Kläger dieses Restaurant auch aufsuchte, weil er mit Mitgliedern seiner Crew und mit den Besatzungsmitgliedern anderer Flugzeuge der L sowie mit dem ortsansässigen Personal der D gemeinsam essen wollte. Selbst wenn es sich insoweit nicht im wesentlichen um einen der versicherten Tätigkeit dienenden Gedankenaustausch und Erfahrungsaustausch, sondern um private Interessen des Klägers gehandelt haben sollte, würde dies schon nach den in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannten Grundsätzen des Versicherungsschutzes bei sogenannten gemischten Tätigkeiten (s. ua Brackmann aaO S. 480 t mit weiteren Nachweisen) den Versicherungsschutz nicht ausschließen. Der hier maßgebende Sachverhalt enthält keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger nur gelegentlich anderer, privaten Zwecken dienenden und nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Dienstreise stehenden Verrichtungen das Abendessen einnehmen wollte und der Weg zum Restaurant dann wesentlich allein durch diese privaten Zwecken dienenden Verrichtungen bedingt gewesen wäre, so daß in diesem Fall auch ein Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Restaurant nicht bestanden hätte.
In dem der Entscheidung des Senats vom 23. Juni 1977 (aaO) zugrunde liegenden Sachverhalt befand sich das Restaurant, in dem das Abendessen eingenommen wurde, nur ca fünf Gehminuten vom Hotel entfernt. Ob die Entfernung vom Hotel und dem Restaurant unverhältnismäßig weit ist und deshalb der für den Versicherungsschutz maßgebende ursächliche Zusammenhang zwischen der Dienstreise und dem Aufsuchen des Restaurants fehlt, beurteilt sich nach den jeweiligen besonderen Verhältnissen des Einzelfalles. Diese sind im vorliegenden Fall aber dadurch gekennzeichnet, daß sich in der unmittelbaren Nähe des Hotels I nur noch ein Restaurant-Hotel befand und beide Hotels in einem Gebiet lagen, in dem es sich nach der Auskunft der D auf die das LSG durch die Bezugnahme auf die Akten verweist, wegen der Überfälle nicht empfahl, nach Einbruch der Dunkelheit zu Fuß zu gehen. Das von dem Kläger aufgesuchte Restaurant befand sich nach der Auskunft des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in dem Zentrum der Gaststätten und wurde von einem deutschen Gastronom geleitet. In diesem Restaurant trafen sich oft die Besatzungen der D und das ortsansässige Personal. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Fahrt des Klägers von dem ihm durch die D zugewiesenen, außerhalb der Stadt gelegenen Hotel zum Restaurant nicht als unangemessen weit anzusehen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG traf der Kläger in dem Restaurant zwischen 21.30 und 21.45 Uhr ein, wo er das Essen sogleich bestellte und ihm sofort serviert wurde. Das Restaurant verließ er, wie das LSG festgestellt hat, gegen 1.00 Uhr. Diese Feststellungen hat das LSG aufgrund der Aussagen der Zeugin getroffen, die zur Crew gehörte und den Kläger mit in das Restaurant und anschließend auf die Straße begleitete. Auch das SG ist von diesen Angaben der Zeugin ausgegangen. Weshalb sich das LSG, wie die Revision rügt, zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, ist nicht ersichtlich und nicht dargelegt. Der Senat braucht jedoch nicht abschließend zu den Verfahrensrügen Stellung zu nehmen. Selbst wenn man mit dem LSG davon ausgeht, daß der Kläger in etwa einer Stunde das Abendessen eingenommen hatte und danach noch mehr als zwei Stunden im Restaurant sitzen blieb, schließt dies den Versicherungsschutz auf dem Weg von dem Restaurant ins Hotel nicht aus. Grundsätzlich besteht während einer Dienstreise auf dem Weg von der Nahrungsaufnahme zum Hotel Versicherungsschutz. Aus der Art der sich an das Abendessen anschließenden Verrichtungen kann - neben anderen Kriterien - im Einzelfall allerdings auch während einer Dienstreise geschlossen werden, daß privaten Zwecken dienende Verrichtungen, die nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, so bestimmend sind, daß der danach anschließende Weg zum Hotel als Weg von diesen Verrichtungen und nicht mehr als solcher vom Ort der Nahrungsaufnahme angesehen werden kann. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat sich nach dem Essen in dem Speiserestaurant mit den übrigen Mitgliedern seiner Crew und anderer Besatzungen sowie mit den ortsansässigen Angestellten der D unterhalten. Er ist auch danach nicht mit in andere Restaurants bzw Vergnügungslokale gegangen. Sein Aufenthalt in dem Restaurant war somit, wie oben schon zum Versicherungsschutz bei sogenannten gemischten Tätigkeiten dargelegt ist, geprägt durch die den besonderen Umständen einer Dienstreise ins Ausland angepaßte Einnahme des Abendessens. Diese vom Einzelfall abhängigen besonderen Umstände gestatten es nicht, nach Ablauf von zwei Stunden auf dem Weg von der Nahrungsaufnahme keinen Versicherungsschutz anzunehmen und damit der Zeitdauer nach der Einnahme des Abendessens die rechtliche Bedeutung beizumessen, wie es sich aus Gründen der Rechtssicherheit bei einer Unterbrechung des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne des § 550 RVO rechtfertigt (s. BSG SozR 2200 § 550 Nr 12). Der Senat hat auch bei der Unterbrechung einer Geschäftsreise bzw Dienstreise durch einen mehrtägigen Urlaub den Versicherungsschutz auf der Weiterfahrt zum Zielort der Geschäftsreise bzw Dienstreise grundsätzlich für gegeben erachtet (BSG SozR Nr 4 zu § 548 RVO; Brackmann aaO S. 482a). Auch der Kläger hatte im Zeitpunkt des Unfalls seine - weitere - versicherte Tätigkeit in R J noch vor sich und hielt sich zur Verrichtung dieser Tätigkeit in der Stadt auf. Das LSG mißt dem Satz in der Begründung des Urteils vom 23. Juni 1977 (aaO), der Versicherungsschutz nach § 548 RVO auf dem Wege zur Nahrungsaufnahme während einer Dienstreise entspreche dem Versicherungsschutz gemäß § 550 Abs 1 RVO auf Wegen zur Nahrungsaufnahme vom Ort der Tätigkeit, eine sowohl seinem Wortlaut als auch seiner Stellung im Rahmen der Begründung nicht zutreffende Bedeutung bei. Der Senat hat diesen Vergleich lediglich insoweit gezogen, als auch auf dem Weg von dem Ort der Tätigkeit zur Nahrungsaufnahme und zurück Versicherungsschutz besteht. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß eine angemessene zeitliche Beziehung zwischen Tätigkeit und Weg sowie anschließender erneuter Aufnahme der versicherten Tätigkeit bestehen müsse und je länger auf einer Dienstreise Zwischenräume der Freizeit (lay-over, Ruhezeit) eingeschoben seien, um so mehr beschränke sich der Unfallversicherungsschutz auf das zur Aufrechterhaltung der Arbeitsaufnahme Notwendige. Es ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt, während einer Dienstreise den ursächlichen Zusammenhang des Weges nach und von der Nahrungsaufnahme danach unterschiedlich zu beurteilen, ob der Versicherte den dienstlichen Auftrag in der Stadt, in der er sich aufhält, in wenigen Stunden, am nächsten Morgen oder erst in zwei Tagen durchzuführen hat; denn auch der Zeitpunkt der Durchführung dieses Auftrages bestimmt sich nach der ihm im Rahmen der Dienstreise obliegenden, in der Zeitplanung geregelten versicherten Tätigkeit, so daß mit zu berücksichtigen ist, daß der Kläger sich auf Veranlassung der D länger in R aufhalten mußte. Die "zeitliche Aufeinanderfolge von Tätigkeit - Weg - Tätigkeit", die das LSG hervorhebt, richtete sich beim Kläger nach den die versicherte Tätigkeit bestimmenden Verhältnissen. Auch ein längeres Auseinanderliegen von Nahrungsaufnahme und Wiederaufnahme der in der fremden Stadt vorgesehenen dienstlichen Verrichtungen steht somit dem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und dem Versicherungsschutz des Versicherten nicht entgegen (s. auch zum Bereitschaftsdienst Brackmann aaO S. 481a mit weiteren Nachweisen).
Die versicherte Tätigkeit des Klägers war auch ursächlich für den Überfall und die dabei erlittenen Verletzungen. Wie das LSG nicht verkannt hat, setzt der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis (Überfall) und der versicherten Tätigkeit nicht unbedingt ein betriebsbezogenes Tatmotiv voraus; dieser Zusammenhang ist vielmehr auch gegeben, wenn die versicherte Tätigkeit eine wesentliche Bedingung für den Überfall gebildet hat, wenn sie zB den Beschäftigten an die Stelle geführt hat, wo im fraglichen Zeitpunkt eine zur Gewalttat entschlossene Person seiner habhaft werden kann (vgl BSGE 10, 56, 60; 17, 75, 77; Brackmann aaO S. 484 x). Dies ist hier der Fall, da nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG persönliche Feindschaft oder ähnliche betriebsfremde Beziehungen zwischen dem Angreifer und dem Überfallenen nicht bestanden haben.
Da das LSG den Versicherungsschutz des Klägers zu Unrecht verneint hat und nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts Unfallfolgen wahrscheinlich vorhanden sind, die Entschädigungsleistungen der Beklagten begründen, ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 1659076 |
BSGE, 100 |
Breith. 1981, 302 |