Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten in der UdSSR aufgrund des DDRUdSSRSozwVtr. Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet. konstitutive Rechtsgewährung
Leitsatz (amtlich)
Für die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten in der UdSSR aufgrund des Vertrags über Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens zwischen der DDR und der UdSSR (DDRUdSSRSozwVtr) verlangt Art 7 Abs 4 der DDRVtrV vom 3.4.1991 idF der DDRVtrVÄndV vom 18.12.1992 nicht, daß ein spätestens am 2.10.1990 im Beitrittsgebiet bestehender gewöhnlicher Aufenthalt bis zum Erwerb des Rentenrechts beibehalten wird.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
DDRVtrV Art. 1 Nr. 4 Fassung: 1992-12-18, Art. 7 Abs. 4 Fassung: 1992-12-18; DDRVtrVÄndV; EinigVtr Art. 12; EinigVtrG Art. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 1997 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. Oktober 1995 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist der monatliche Wert eines Rechts auf Regelaltersrente. Der Kläger macht geltend, er habe Anspruch auf höhere Rente, weil seine in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten nach dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der DDR und der UdSSR bei seiner Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) kraft Übergangsrechts rentensteigernd zu berücksichtigen seien.
Der 1929 geborene Kläger war von 1955 bis 1968 – damals noch Staatsangehöriger der UdSSR – in Leningrad als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. 1965 heiratete er eine in der DDR wohnhafte deutsche Staatsangehörige. Er siedelte 1968 in die DDR über und war bis 1990 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Akademie der Wissenschaften der DDR, (Ost-)Berlin, beschäftigt. Im Juni 1990 trat er in den Vorruhestand. Im selben Jahr trat seine Ehefrau eine Arbeitsstelle in Niedersachsen an. Im August 1991 erwarb der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit; Ende 1991 zog er aus dem Beitrittsgebiet – von B. … bei B. … – zu seiner Ehefrau in die alten Bundesländer.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte dem Kläger antragsgemäß seit 1. Mai 1994 Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Rentenbewilligungsbescheid vom 4. Mai 1994, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 1994). Bei der Ermittlung des monatlichen Werts des Rechts auf Rente (sog Rentenhöhe) fanden nach den Vorschriften des sog Rentenüberleitungsrechts zwar seine in der DDR, nicht aber seine in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten Berücksichtigung. Hierzu führte die BfA aus, der Kläger gehöre nicht zu dem durch das Fremdrentengesetz (FRG) oder das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) begünstigten Personenkreis; auch finde der Vertrag zwischen der DDR und der UdSSR über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens vom 24. Mai 1960 (GBl-DDR I Nr 46 S 453) iVm den hierzu aufgrund des Einigungsvertragsgesetzes (EinigVtrG) vom 23. September 1990 (BGBl II S 885) ergangenen Bestimmungen keine Anwendung, da der Kläger seinen Wohnsitz in die alten Bundesländer verlegt habe. Zwar sei dieser Vertrag nach der aufgrund Art 3 Abs 1 EinigVtrG ergangenen Verordnung über die vorübergehende weitere Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der DDR im Bereich der sozialen Sicherheit (Abk-AnwendungsVO) vom 3. April 1991 (BGBl II 1991 S 614) vorübergehend weiter anzuwenden gewesen. Diese Verordnung sei jedoch durch die Verordnung zur Änderung dieser Verordnung (Anwendungs-ÄndVO) vom 18. Dezember 1992 (BGBl II 1992 S 1231) zum 31. Dezember 1992 außer Kraft gesetzt worden; die tatbestandlichen Voraussetzungen der in der Anwendungs-ÄndVO aus Gründen des Vertrauensschutzes getroffenen Übergangsregelungen erfülle der Kläger nicht, da er seinen gewöhnlichen Aufenthalt am 1. Mai 1993 in den alten Bundesländern gehabt habe.
Das Sozialgericht (SG) Kiel hat die Beklagte unter Abänderung des Rentenbewilligungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verpflichtet, die Beschäftigungszeiten des Klägers in der ehemaligen UdSSR vom 1. März 1955 bis 12. Februar 1968 „rentenrechtlich anzuerkennen” (Urteil vom 30. Oktober 1995). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben, die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Abk-AnwendungsVO auf Versicherte, die sich ständig gewöhnlich im Beitrittsgebiet aufhalten, sei nicht zu beanstanden, da die Bundesregierung nur ermächtigt worden sei, vorübergehend die weitere Anwendung der Sozialversicherungsabkommen der DDR mit ehemaligen Ostblockstaaten im Beitrittsgebiet zu regeln. Ebensowenig liege ein Verstoß gegen Art 11, Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) vor (Urteil vom 28. Mai 1997).
Der Kläger hat die vom Senat nach Maßgabe seines Beschlusses vom 30. Juni 1998 zugelassene Revision eingelegt und im wesentlichen vorgetragen, die Auslegung der Abk-AnwendungsVO seitens des LSG verstoße gegen Art 3 Abs 1, Art 6 und Art 11 GG.
Er beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. Oktober 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hätte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG nicht aufheben und die Klage nicht abweisen dürfen. Das SG hat den angefochtenen Rentenbewilligungsbescheid zu Recht abgeändert und die Beklagte sinngemäß verpflichtet, bei der Feststellung des monatlichen Werts des Rechts auf Rente die vom Kläger in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten wie in der DDR zurückgelegte Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen.
Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie – wie der Kläger – das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt haben (vgl § 35 SGB VI). Der monatliche Wert dieses Rechts auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird nach den Vorschriften des SGB VI festgesetzt. Er hängt – von der Berücksichtigung von Anrechnungs-, Ersatz- und Zurechnungszeiten sowie nach dem FRG oder WGSVG berücksichtigungsfähigen Zeiten abgesehen – vor allem von den vom Versicherten während seines Versicherungslebens durch Beiträge zu den Rentenversicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland versicherten Arbeitsentgelten und Arbeitseinkommen ab (vgl § 63 Abs 1 SGB VI). Die Rentenversicherungsträger der Bundesrepublik Deutschland waren und sind deshalb im Grundsatz auch nur ihren Versicherten – und damit ausgehend von einer wesentlich durch Entrichtung individueller Beiträge zu ihnen selbst bestimmten Versicherungsbiographie – zur Leistung verpflichtet. Dies ist bei Personen, die ihr Arbeits- und Versicherungsleben in der DDR verbrachten, regelmäßig nicht der Fall. Mit Blick hierauf war es im Rahmen der im Einigungsvertrag (EV) vereinbarten und gesetzlich angeordneten sog Rentenüberleitung erforderlich, die von der DDR geregelten und zuerkannten Ansprüche ua aus der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) oder – wie beim Kläger – aus Zusatzversorgungssystemen durch einen konstitutiven Akt bundesdeutscher Gesetzgebung im Rahmen und nach den Vorgaben der Ordnung des Bundesrechts zu ersetzen, also Ansprüche, Rechte und Anwartschaften neu zu begründen und auszugestalten; durch Bundesgesetz waren dabei geeignete Grundlagen für die Wertbestimmung subjektiver Rechte nach den Grundsätzen des SGB VI zu schaffen.
Diese Vorschriften des SGB VI zur sog Rentenüberleitung (vgl ua §§ 254b ff iVm §§ 63 ff SGB VI) führen vorliegend dazu, daß zwar die in der DDR zurückgelegten Beschäftigungszeiten des Klägers kraft konstitutiver gesetzlicher Gewährung Eingang in die Ermittlung des Werts seiner SGB VI-Rente finden; sie sehen indessen keine Berücksichtigung seiner in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten vor. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Berücksichtigung dieser Zeiten ergibt sich auch nicht aus dem völkerrechtlichen Vertrag iVm Art 59 Abs 2 GG: Die Bundesrepublik selbst hat mit der UdSSR keinen völkerrechtlichen Vertrag über Regelungsgegenstände der vorliegenden Art (rentenrechtliche Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten) geschlossen. Auch ist sie nicht (unmittelbar) aus dem von der DDR mit der UdSSR geschlossenen Vertrag über Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens vom 24. Mai 1960 verpflichtet, da sie weder Vertragspartner dieses Vertrags war noch Rechtsnachfolgerin der DDR und damit auch auf diese Weise nicht Trägerin der aus diesem Vertrag resultierenden Pflichten der DDR geworden ist; eine derartige Bindung läßt sich schließlich auch nicht aus den Grundsätzen über Staatennachfolge oder aus allgemeinen Regeln des Völkerrechts herleiten (hierzu im einzelnen Urteil des Senats vom 29. September 1998 – B 4 RA 4/98 R – zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl auch BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 107/93, SozR 3-4100 § 249c Nr 5).
Die in der UdSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten des Klägers sind bei der Ermittlung des Rentenwertes vielmehr allein deshalb zu berücksichtigen, weil die Bundesrepublik Deutschland – über die mit der sog Rentenüberleitung ohnehin verbundene Einräumung von Rechten hinaus – mit Blick auf die in dem Abkommen zwischen der DDR und der UdSSR getroffenen Regelungen (vgl dort Art 2) eine zusätzliche Selbstverpflichtung eingegangen ist, die ihre Grundlage in Art 3 EinigVtrG iVm Art 12 EV und der hierauf ergangenen Verordnungen hat (hier: Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO idF der Anwendungs-ÄndVO vom 18. Dezember 1992).
Aufgrund von Art 3 Abs 1 Satz 1 EinigVtrG wurde die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung (VO) vorübergehend die weitere Anwendung der von Art 12 EV erfaßten völkerrechtlichen Verträge der DDR im Bereich der sozialen Sicherheit (gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, Arbeitsförderung sowie Familienleistungen) in dem in Art 3 EV genannten Gebiet zu regeln, bis das vereinte Deutschland seine Haltung zum Übergang dieser Verträge festgelegt hat. Die Bundesregierung machte von dieser VO-Ermächtigung mit der Abk-AnwendungsVO Gebrauch. In Art 1 Nr 4 dieser mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 in Kraft getretenen VO ordnete sie ua die vorübergehende weitere Anwendung des Vertrages vom 24. Mai 1960 zwischen der DDR und der UdSSR über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens an. Mit der Anwendungs-ÄndVO wurde die Abk-AnwendungsVO geändert und bestimmt, daß diese mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft tritt (vgl Art 7 Abs 2 der Abk-AnwendungsVO), die Abk-AnwendungsVO nach ihrem Außerkrafttreten aber noch auf Ansprüche anzuwenden ist, die am 31. Dezember 1992 aufgrund der VO iVm den in Art 1 genannten Verträgen bestanden haben (vgl Art 7 Abs 3 Abk-AnwendungsVO); § 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO bestimmt, daß Leistungen auch an Personen zu erbringen sind, die sich entweder am 2. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufgehalten haben oder bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 in das Beitrittsgebiet eingereist sind, wenn sie sich dort seither unbefristet rechtmäßig aufhalten und der Anspruch vor dem 1. Januar 1996 entstanden ist.
Die Voraussetzungen des Art 7 Abs 4 aaO sind vorliegend erfüllt: Der 1929 geborene Kläger hat sich am 2. Oktober 1990 gewöhnlich im Beitrittsgebiet aufgehalten und sein Recht auf Altersrente mit Vollendung seines 65. Lebensjahres mithin vor dem 1. Januar 1996 erworben. Daß er seinen Wohnsitz Ende 1991 aus dem Gebiet der ehemaligen DDR (sog Beitrittsgebiet) zum Zwecke der Familienzusammenführung in die alten Bundesländer verlegt hat, um mit seiner Ehefrau zusammenleben zu können, steht der Anwendung des og Abkommens entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entgegen.
Bei der aufgrund von Art 3 EV ergangenen Abk-AnwendungsVO handelt es sich um einen der Bundesrepublik Deutschland zurechenbaren Akt der Rechtsetzung, durch den Personen, welche unter den persönlichen Anwendungsbereich der VO fallen, über die Vorschriften der sog Rentenüberleitung hinaus, konstitutiv begünstigt werden. Ihnen wird das Recht auf eine Rente nach den Vorschriften des SGB VI nicht nur unter Berücksichtigung ihrer – außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze und ohne Beitragsleistung zum bundesdeutschen System der gesetzlichen Rentenversicherung – in der DDR zurückgelegten Beschäftigungszeiten eingeräumt, vielmehr erhalten sie im Rahmen einer abermaligen Ausnahmeregelung auch in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegte Beschäftigungszeiten wertsteigernd angerechnet. Von dieser Vergünstigung sind allerdings nicht sämtliche in der Vergangenheit oder in der Zukunft im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beschäftigungszeiten erfaßt, sondern nur diejenigen, die bei einem Bürger der Sowjetunion oder der DDR, der ständig in der DDR wohnte, nach dem zwischen der DDR und der ehemaligen Sowjetunion unmittelbar vor dem Untergang der DDR, nämlich spätestens am 2. Oktober 1990, ggf bei der Ermittlung einer nach den Vorschriften der DDR ermittelten Rente hätten berücksichtigt werden müssen.
Art 7 Abs 4 der Abk-AnwendungsVO regelt nicht die dauerhafte und zukunftsgerichtete Anwendung des Abkommens auch nach dem Untergang der DDR durch den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland. Die Anwendbarkeit der Regelungen dieses Abkommens wurde in der Abk-AnwendungsVO vom 3. April 1991 vielmehr entsprechend der Ermächtigung in Art 3 Abs 1 EinigVtrG von vornherein nur „vorübergehend” zu dem Zweck angeordnet, den gesetzgebenden Organen der Bundesrepublik Deutschland eine Überlegungs- und Handlungsfrist bezüglich der von der DDR abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge zu verschaffen. Mit Art 1 Nr 5 Buchst b der Anwendungs-ÄndVO vom 18. Dezember 1992 hat der im EV hierzu ermächtigte Verordnungsgeber die Abk-AnwendungsVO zum 31. Dezember 1992 außer Kraft gesetzt (Art 7 Abs 2 Abk-AnwendungsVO) und damit die vorübergehende weitere Anwendung der Verträge beendet. Zugleich wurde eine „Vertrauen schützende” Regelung zugunsten von Rentnern und Personen anwartschaftsberechtigter rentennaher Jahrgänge geschaffen „großzügige Besitzschutzregelung”, so Begründung der VO durch die Bundesregierung, BR-Drucks 776/92, S 2), die ihren Rechtsgrund allerdings nicht im rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes findet, sondern sich als staatliche Gewährung darstellt. Maßgeblicher Stichtag ist insofern der 2. Oktober 1990. Begünstigt sind hierdurch in der Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland nur Personen, die unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen, also vor allem (ggf auch nur ehemalige) Staatsbürger der UdSSR,
- die sich entweder am 2. Oktober 1990 (bereits länger) im Beitrittsgebiet gewöhnlich aufgehalten haben oder
- bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 in das Gebiet der DDR eingereist sind (und dort einen gewöhnlichen Aufenthalt genommen haben).
Anknüpfungspunkt hinsichtlich des gewählten Stichtages ist dabei der Umstand, daß nach dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der DDR und der UdSSR für Bürger der Sowjetunion eine Gleichstellung mit DDR-Bürgern nur unter der Voraussetzung „ständigen Wohnens im Territorium der DDR” in Betracht kam (vgl Art 2 des Vertrages zwischen der DDR und der Sowjetunion), es ein solches „Staatsgebiet der DDR” ab dem 3. Oktober 1990 aber nicht mehr gab.
Lag – wie beim Kläger – spätestens am 2. Oktober 1990 ein gewöhnlicher Aufenthalt im Beitrittsgebiet bereits vor, verlangt Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO nicht, daß der Berechtigte diesen bis zum Erwerb des Rentenrechts beibehalten hat. Der an die Alternativen a) und b) anschließende Konditionalsatz „wenn sie sich dort seither unbefristet rechtmäßig aufhalten und der Anspruch vor dem 1. Januar 1996 entsteht”, kann sich nämlich schon logisch nicht insgesamt auf beide Personengruppen beziehen. Es wäre dann nicht nachvollziehbar, warum die – ohne weiteres gemeinsam unter b) zu fassenden – Personengruppen zunächst unterschieden werden, um die Anwendung der Übergangsregelung im unmittelbaren Anschluß dann doch wieder von der Erfüllung einheitlicher Voraussetzungen abhängig zu machen. Wenn daher auch der Rechtsnatur des § 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO als vertrauensschützender Übergangsregelung entsprechend das Erfordernis der Anspruchsentstehung bis längstens 31. Dezember 1995 für den persönlichen Anwendungsbereich der Norm insgesamt Beachtung verlangt, gilt dies jedenfalls nicht für den Teilsatz „wenn sie sich dort seither unbefristet rechtmäßig aufhalten”. Diese Wendung knüpft nämlich im wesentlichen nur an eine Umschreibung des „gewöhnlichen Aufenthalts” an, wie sie auch in der ständigen Rechtsprechung des Senats (stellvertretend: SozR 3-6710 Art 1 Nr 1; SozR 3-7833 § 1 Nr 2) ihren Niederschlag gefunden hat und wäre demgemäß im Zusammenhang der hier einschlägigen Alternative a) eine bloße Wiederholung der dort bereits ausdrücklich angesprochenen Voraussetzung eines am 2. Oktober 1990 schon bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts.
Bestätigt wird diese Interpretation des genannten Konditionalsatzes und seine Beschränkung auf Fälle, in denen eine (den gewöhnlichen Aufenthalt begründende) Einreise ins Beitrittsgebiet erst am 2. Oktober 1990 erfolgte, durch das der Vorschrift zugrundeliegende Programm. Art 7 Abs 4 Abk-AnwendungsVO regelt den Anwendungsbereich der (bundesdeutschen) Bestandsschutzregelung und beschränkt in diesem Zusammenhang die Begünstigung durch das Abkommen zwischen der DDR und der UdSSR auf solche Personen, die noch „zu DDR-Zeiten”, also bis zum letzten Tag der Existenz des Völkerrechtssubjekts DDR, mit der Anwendung des genannten Abkommens rechnen durften. Dies entspricht dem in der Begründung des Entwurfs der Anwendungs-ÄndVO geäußerten politischen Willen, allen denjenigen Personen auch nach Außerkrafttreten der Abk-AnwendungsVO „aus Gründen des Vertrauensschutzes” noch bestimmte Leistungsansprüche einzuräumen, die zu einer Zeit, als sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet nahmen, noch nicht von für sie ungünstigen rentenrechtlichen Folgen der Auflösung der DDR als Folge des Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland ausgehen mußten, dh für alle Personen, die sich bei der Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 bereits im Beitrittsgebiet aufhielten bzw deren Aufenthaltsnahme vor diesem Zeitpunkt erfolgte” (so Begründung der Bundesregierung, BR-Drucks 776/92, S 12). Es sind dies ua Staatsbürger der Sowjetunion, die spätestens am 2. Oktober 1990 in der DDR einen gewöhnlichen Aufenthalt begründeten. Mit der Erfüllung dieser Voraussetzung ist ein hinreichender Bezug zur Rechtsordnung des Beitrittsgebiets hergestellt und umgekehrt sichergestellt, daß keine ungerechtfertigte Begünstigung lediglich durchreisender Personen erfolgt. Sachliche Gründe dafür, die Berücksichtigung vor dem 3. Oktober 1990 in der Sowjetunion zurückgelegter Beschäftigungszeiten bei der Festsetzung von SGB VI-Renten zusätzlich von der Beibehaltung eines spätestens am 2. Oktober 1990 begründeten gewöhnlichen Aufenthalts im Gebiet der ehemaligen DDR abhängig zu machen, liegen demgegenüber nach Sinn und Zweck von Art 7 Abs 4 Anwendungs-ÄndVO nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
ZAP-Ost 1998, 716 |
NZS 1999, 354 |
SozR 3-8000 Art. 3, Nr. 1 |