Leitsatz (amtlich)
1. § 130 Abs. 4 StGB ist auch als nichtallgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent.
2. Die Offenheit des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für derartige Sonderbestimmungen nimmt den materiellen Gehalt der Meinungsfreiheit nicht zurück. Das Grundgesetz rechtfertigt kein allgemeines Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts.
Verfahrensgang
BVerwG (Urteil vom 25.06.2008; Aktenzeichen BVerwG 6 C 21.07) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen ein Revisionsurteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches das versammlungsrechtliche Verbot einer für den 20. August 2005 angemeldeten Rudolf Heß-Gedenkkundgebung in Wunsiedel zum Gegenstand hat. Gestützt ist die Entscheidung auf § 15 Abs. 1 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (in der Neufassung vom 15. November 1978, BGBl I S. 1789 ≪1791≫ – Versammlungsgesetz ≪VersG≫) in Verbindung mit § 130 Abs. 4 des Strafgesetzbuchs (StGB). Der Beschwerdeführer wendet sich sowohl gegen § 130 Abs. 4 StGB selbst als auch gegen dessen Auslegung im konkreten Fall.
I.
Die Vorschrift des § 130 Abs. 4 StGB wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuchs vom 24. März 2005 in das Strafgesetzbuch eingeführt und trat mit Wirkung zum 1. April 2005 in Kraft (BGBl I S. 969 ≪970≫). Sie lautet:
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
Versammlungsrechtlich erlangt § 130 Abs. 4 StGB wegen § 15 Abs. 1 VersG Bedeutung. Dieser lautet:
(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist nach dieser Vorschrift unter anderem dann anzunehmen, wenn die Verletzung von Strafrechtsnormen droht (vgl. BVerfGE 69, 315 ≪352≫).
II.
1. Der Beschwerdeführer meldete im Voraus bis in das Jahr 2010 jährlich wiederkehrend, darunter auch für den 20. August 2005, eine Veranstaltung unter freiem Himmel in der Stadt Wunsiedel mit dem Thema „Gedenken an Rudolf Heß” an. Dort befindet sich das Grab von Rudolf Heß. In diesem Jahr sollte die geplante Veranstaltung zusätzlich das Motto tragen „Seine Ehre galt ihm mehr als die Freiheit”.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2005 verbot das Landratsamt unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Veranstaltung sowie jede Form von Ersatzveranstaltungen sowohl unter freiem Himmel als auch in geschlossenen Räumen im Bereich des Stadtgebiets Wunsiedel. Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz blieben durch alle Instanzen erfolglos. Gegen den Bescheid vom 29. Juni 2005 erhob der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Klage in der Hauptsache, die mit Urteil vom 9. Mai 2006 abgewiesen wurde (B 1 K 05.768). Die hiergegen gerichtete Berufung wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 26. März 2007 gleichfalls zurück (24 B 06.1894, juris Rn. 16 ff.).
2. Mit hier angegriffenem Urteil vom 25. Juni 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht auch die Revision des Beschwerdeführers zurück (BVerwGE 131, 216).
a) Das Verbot könne auf die Gefahr der Verwirklichung des § 130 Abs. 4 StGB gestützt werden. Dieser sei ein „allgemeines Gesetz” im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Allgemeine Gesetze seien alle Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verböten, sondern dem Schutz eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienten, das in der Rechtsordnung allgemein und unabhängig davon geschützt sei, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden könne (Verweis auf BVerfGE 7, 198 ≪209 f.≫; 111, 147 ≪155≫; 120, 180 ≪200≫). Das sei bei § 130 Abs. 4 StGB der Fall. Die Bestimmung verfolge den Schutz des Rechtsguts „öffentlicher Friede” sowie den Schutz der Menschenwürde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Der öffentliche Friede werde in der Rechtsordnung nicht nur vor Meinungsäußerungen bewahrt, sondern auch vor anderen Angriffshandlungen. Auch Art. 1 Abs. 1 GG schütze die Menschenwürde als obersten Verfassungswert des Grundgesetzes und dessen tragendes Konstitutionsprinzip vor Eingriffen jeglicher Art. Mithin sei § 130 Abs. 4 StGB ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG, obwohl die Vorschrift gegen bestimmte Meinungsinhalte gerichtet sei.
Auch allgemeine Gesetze müssten mit der Verfassungsordnung in Einklang stehen. Die Menschenwürde setze der Meinungsfreiheit dabei jedoch schon eine absolute Grenze. Auch bei dem öffentlichen Frieden handele es sich um einen gewichtigen Gemeinwohlbelang, der geeignet sei, der Meinungsfreiheit Schranken zu setzen. § 130 Abs. 4 StGB lasse es zu, bei seiner Auslegung sowohl dem besonderen Rang der Meinungsfreiheit als auch dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter hinreichend Rechnung zu tragen.
§ 130 Abs. 4 StGB verletze auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Angesichts der in mehrfacher Hinsicht jede historische Dimension sprengenden, von Deutschen im Namen des deutschen Volkes begangenen Menschenrechtsverletzungen durch die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft sei es auch mit Blick auf das Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG, Sachverhalte von gleicher Art und gleichem Gewicht gleich zu behandeln, nicht zu beanstanden, dass sich § 130 Abs. 4 StGB auf die positive Bewertung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft beschränke. Darin liege auch keine Verletzung des besonderen Gleichheitssatzes von Art. 3 Abs. 3 GG.
Schließlich laufe § 130 Abs. 4 StGB nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zuwider. Sämtliche Tatbestandsmerkmale seien entweder aus sich selbst heraus oder aus dem Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, wo sie bereits eine Konkretisierung erfahren hätten, hinreichend bestimmbar.
§ 130 Abs. 4 StGB verstoße auch nicht gegen das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Der Schutz des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK reiche vorliegend nicht weiter als derjenige von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in diesen Fällen zeige.
b) Für die in Frage stehende Versammlung sei mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass der Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB erfüllt worden wäre. Die Versammlungsbehörde habe die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Anforderungen bei der Auslegung der hier in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale ausreichend berücksichtigt.
Mit dem Merkmal „nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft” habe der Gesetzgeber die Begrifflichkeit des § 194 StGB verwendet. Die in Bezug genommenen Maßnahmen seien abzugrenzen von staatlichen Maßnahmen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, die nicht Ausdruck gerade der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft seien, sondern übliches Regierungshandeln darstellten. Die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft sei gekennzeichnet durch den totalen Machtanspruch des Staates und die Leugnung von Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit. Dementsprechend müssten sich Äußerungen im Sinne des § 130 Abs. 4 StGB auf die von dem nationalsozialistischen Regime systematisch begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen beziehen. Meinungsäußerungen, die einzelne Aspekte der damaligen Staats- und Gesellschaftsordnung positiv bewerteten, bei denen sich aber kein Bezug zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft und den sie kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen herstellen lasse, erfüllten nicht den Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB.
Die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft „billige”, wer sie gutheiße. Eine konkludente Billigung reiche aus. Im Sinne von § 130 Abs. 4 StGB könne eine solche auch dann vorliegen, wenn Verantwortungsträger oder Symbolfiguren des nationalsozialistischen Regimes positiv bewertet würden. Voraussetzung hierfür sei, dass aus dem Äußerungszusammenhang deutlich werde, dass die betreffende Person auch als Symbol für die Herrschaft des Nationalsozialismus als solche verstanden werde. Denn die Herrschaft des Nationalsozialismus in den Jahren zwischen 1933 bis 1945 habe zu einem wesentlichen Teil aus Gewalt- und Willkürherrschaft bestanden; infolgedessen schließe die Billigung des Regimes, wenn sie durch positive Hervorhebung einer Führungsperson ohne Einschränkungen zum Ausdruck gebracht werde, die Billigung der ausgeübten Gewalt- und Willkürherrschaft ein. Dagegen erfüllten positive Äußerungen über einzelne – auch führende – Nationalsozialisten, die nur deren Person gälten und nicht mit einer Billigung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems oder seiner Menschenrechtsverletzungen verbunden seien, den Straftatbestand des § 130 Abs. 4 StGB nicht. Das sei selbst dann der Fall, wenn ihnen die Absicht zugrunde liege, den Nationalsozialismus zu verharmlosen oder von Vorwürfen zu entlasten. Solche Äußerungen stünden – ebenso wie positive Sachaussagen über bestimmte Aspekte des Nationalsozialismus ohne Bezug zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft – unter dem Schutz der Meinungsfreiheit.
Bei Durchführung der streitigen Versammlung wäre die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft in der dargelegten Weise gebilligt worden. Es habe die unmittelbare Gefahr bestanden, dass bei Durchführung der Versammlung für ein unvoreingenommenes und verständiges Durchschnittspublikum am Ort der Versammlung klar erkennbar die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft durch eine besondere positive Hervorhebung der Person von Rudolf Heß gebilligt worden wäre. Dies folge bei Wahrung der sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Grundsätze aus Äußerungen im Zusammenhang mit der streitigen Versammlung und mit entsprechenden Veranstaltungen, die in den Vorjahren jeweils anlässlich des Todestages von Rudolf Heß in Wunsiedel stattgefunden hätten. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sei davon auszugehen, dass die umstrittene Versammlung mit früheren Veranstaltungen (auch) hinsichtlich der Äußerungen zu der Person Rudolf Heß im Wesentlichen vergleichbar abgelaufen wäre.
Die beabsichtigte Ehrung von Rudolf Heß sei demnach nicht auf Teilaspekte seiner Person oder seines Handelns beschränkt gewesen. Vielmehr hätte Rudolf Heß als Person insgesamt vorbehaltlos und in einer weiteren Steigerungen nicht mehr zugänglichen Weise positiv bewertet werden sollen, wie sich aus dem Thema, Motto und Ort der Veranstaltung sowie den Darstellungen von Rudolf Heß etwa als Märtyrer oder als bis in den Tod unbeugsamen Getreuen auf den entsprechenden Versammlungen der Vorjahre zeige. Dabei ergebe sich aus den konkreten Umständen insbesondere, dass die Ehrung auch – und gerade – Rudolf Heß in seiner Eigenschaft als führendem Nationalsozialisten und „Stellvertreter des Führers” hätte gelten sollen. Insgesamt hätte es sich bei der geplanten Versammlung um eine glorifizierende und mythologisierende Hervorhebung von Rudolf Heß als uneingeschränkt positiver Leitfigur mit gleichsam kultischen und religiösen Zügen gehandelt.
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung dränge es sich danach auf, dass die Überhöhung der Person Rudolf Heß als stillschweigende Billigung des nationalsozialistischen Regimes in allen seinen Erscheinungsformen und damit auch als Gutheißen der von diesem Regime ausgeübten Gewalt- und Willkürherrschaft wahrgenommen worden wäre. Es komme hierbei nicht darauf an, dass – soweit ersichtlich – die das nationalsozialistische Regime kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen nicht ausdrücklich gebilligt worden wären. Ebenso wenig sei entscheidungserheblich, ob bei isolierter Betrachtung einzelner Äußerungen diese mehrdeutig und in Betracht kommende Deutungsvarianten nicht als Gutheißen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft anzusehen seien. Entscheidend sei vielmehr, dass bei einer Gesamtwürdigung aller Äußerungen vor dem Hintergrund der Begleitumstände für einen damit vertrauten, unvoreingenommenen und verständigen Betrachter am Ort der geplanten Versammlung klar erkennbar geworden wäre, dass das nationalsozialistische Regime in seiner Gesamtheit einschränkungslos hätte gebilligt werden sollen.
Die Versammlungsbehörde habe auch zu Recht mit einer Verletzung der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft gerechnet. Unter der Verletzung der Würde der Opfer sei eine Verletzung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG zu verstehen. Hiervon sei vorliegend auszugehen, weil es bei Durchführung der Versammlung zu einer uneingeschränkten Billigung des gesamten nationalsozialistischen Herrschaftssystems gekommen wäre mitsamt seiner verbrecherischen Untaten und damit insbesondere auch der menschenverachtenden Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden aus rassischen Gründen. In der erkennbaren Identifikation mit der nationalsozialistischen Rassenideologie liege aber stets ein Angriff auf die Menschenwürde der getöteten und überlebenden Opfer dieser Ideologie.
Schließlich wäre bei Durchführung der Versammlung auch eine Störung des öffentlichen Friedens eingetreten. Die Veranstaltung wäre voraussichtlich in der Öffentlichkeit nicht unbemerkt geblieben, sondern hätte weit über Wunsiedel hinaus Beachtung gefunden und insbesondere bei überlebenden Opfern und bei den Nachkommen der getöteten Opfer die verständliche Angst vor künftigen Angriffen auf ihre Menschenwürde ausgelöst.
III.
Mit seiner am 6. August 2008 eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 8 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG sowie einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK.
Hierzu führt er im Wesentlichen aus: § 130 Abs. 4 StGB sei kein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG, da er sich gegen eine bestimmte politische Richtung wende. Es sei nicht verständlich, warum nur die Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft strafrechtlich geschützt seien. In Art. 1 Abs. 1 GG werde die Menschenwürde insgesamt unter Schutz gestellt. Die Menschenwürde sei nur dann betroffen, wenn der Kernbereich der Persönlichkeit berührt werde. Dass die Menschenwürde von Opfern des Nationalsozialismus in dieser Weise verletzt werde, wenn Rudolf Heß als „Friedensflieger” und „Märtyrer” bezeichnet werde oder seiner insgesamt in Ehren gedacht werde, sei fernliegend. Selbst wenn § 130 Abs. 4 StGB verfassungsgemäß sein sollte, sei er jedenfalls nicht auf den Fall der Ehrung von Rudolf Heß anzuwenden. Außerdem sei Art. 3 GG verletzt, weil nur Gewalt- und Willkürmaßnahmen des Nationalsozialismus, nicht aber etwa auch des Kommunismus, genannt seien. Es sei falsch, dass die Menschenrechtsverletzungen unter dem Nationalsozialismus jede historische Dimension sprengten, wie Beispiele aus der Geschichte zeigten. Auch Maos rote Garden oder die spanischen Eroberer hätten Millionen Menschen umgebracht; ebenso seien Millionen Indianer in Nordamerika oder „Klassengegner” in Kambodscha ermordet worden. Dass diese Opfer quantitativ und qualitativ weniger bedeutsam seien als die Opfer des Nationalsozialismus, sei nicht verständlich. Es gebe in der Geschichte auch andere Gewalt- und Willkürregimes, insbesondere die kommunistischen Diktaturen.
§ 130 Abs. 4 StGB verletze zudem das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Neben den Tathandlungen „Billigen”, „Rechtfertigen” und „Verherrlichen” sei insbesondere das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Friedens nicht hinreichend bestimmt. Diese Tatbestandsmerkmale böten Raum für eine uferlose Auslegung. Wenn irgendeine Person des „Dritten Reichs” wie Rudolf Heß geehrt werden solle, erfülle dies nicht den Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB. Eine andere Auffassung führe dazu, dass letztlich jede billigende Äußerung zu irgendwelchen Maßnahmen des „Dritten Reichs” strafbar sei.
In Fragen, welche die Öffentlichkeit wesentlich berührten, gelte die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede. Rudolf Heß sei bei den vergangenen Veranstaltungen ohne Bezug zu irgendwelchen Verfolgungsmaßnahmen im Nationalsozialismus geehrt worden. So sei es auch bei künftigen Veranstaltungen geplant. § 130 Abs. 4 StGB sei auf die Ehrung von Rudolf Heß nicht anwendbar, es sei denn, er würde ausdrücklich deshalb geehrt, weil er beispielsweise die Nürnberger Gesetze unterschrieben habe. Dies sei jedoch nicht der Fall. Dass die konkludente Billigung so weit verstanden werde, sei willkürlich und verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Es sei widersprüchlich, einerseits zu behaupten, dass „positive Äußerungen über Einzelne, die nur der Person gelten, nicht von § 130 Abs. 4 StGB erfasst sein sollen”, anderseits die Ehrung von Rudolf Heß aber doch unter die Vorschrift zu subsumieren. Rudolf Heß sei infolge eklatanter Verletzung juristischer Grundsätze (keine Strafe ohne Gesetz) vom Internationalen Militärgerichtshof verurteilt worden. Er habe seine Verurteilung nie anerkannt und deswegen nie um Gnade bitten wollen. Seine Ehre habe ihm deshalb tatsächlich mehr als die Freiheit gegolten. Warum die positive Bewertung von Rudolf Heß im Blick darauf, dass er „für den Frieden eingekerkert” gewesen sei oder Friedensgespräche geführt habe, irgendeinen Bezug zu Unrechtshandlungen im Nationalsozialismus haben solle, sei nicht ersichtlich. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Veranstaltungsort für die Subsumtion unter § 130 Abs. 4 StGB eine Rolle spiele. Wenn die Veranstaltung auf dem „Reichsparteitagsgelände” stattfinden würde, sei unter Umständen ein Bezug zum „Dritten Reich” gegeben, so jedoch nicht. Ebenfalls sei in keinem Redebeitrag auf vergangenen Veranstaltungen behauptet worden, dass Rudolf Heß im Auftrag von Hitler nach Großbritannien geflogen sei. Richtig sei, dass Rudolf Heß sich bei seinen Friedensbemühungen auf seine Funktion als Stellvertreter Hitlers berufen habe. Eine stillschweigende Billigung des nationalsozialistischen Regimes in allen seinen Erscheinungsformen scheide im Übrigen deshalb aus, weil Rudolf Heß wegen seines Friedensflugs von der Partei ausgeschlossen und von Hitler als verrückt bezeichnet worden sei. Seine Familie sei verfolgt worden.
Auch die Annahme einer in der Versammlung liegenden Menschenwürdeverletzung sei nicht tragfähig. Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts werde deutlich, dass entgegen den abstrakten Maßstäben doch unzulässigerweise aus der Billigung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems quasi automatisch auf eine Menschenwürdeverletzung geschlossen werde. Soweit das Bundesverwaltungsgericht insoweit eine Verbindung zur nationalsozialistischen Rassenideologie herstelle, sei darauf hinzuweisen, dass dieser Aspekt oder ähnliche Gesichtspunkte auf einer Veranstaltung unter der Leitung des Beschwerdeführers nie angesprochen worden seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe ohne tatsächliche Anhaltspunkte die Gefahr einer Störung des öffentlichen Friedens bejaht. Dass „die Veranstaltung voraussichtlich in der Öffentlichkeit nicht unbemerkt geblieben wäre”, sei insoweit kein zulässiges Kriterium. Auch dass die Veranstaltung „insbesondere bei überlebenden Opfern und bei den Nachkommen der getöteten Opfer die verständliche Angst vor künftigen Angriffen auf ihre Menschenwürde und vor der gefährlichen Ausbreitung des zugrunde liegenden Gedankenguts auslösen würde”, werde nur behauptet, nicht aber belegt.
IV.
Zu dem Verfahren haben die Bundesregierung und die Landesanwaltschaft Bayern inhaltlich Stellung genommen.
1. Die Bundesregierung führt zur Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen Folgendes aus:
a) § 130 Abs. 4 StGB sei mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar. Es sei bereits zweifelhaft, ob die von § 130 Abs. 4 StGB sanktionierten Handlungen überhaupt vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst seien. Rechtsextremistische Versammlungen, in deren Rahmen die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft im Sinne von § 130 Abs. 4 StGB gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt werde, entfalteten, indem sie die Existenzberechtigung von ganzen Bevölkerungsgruppen verneinten, eine außerargumentative Druckwirkung.
Jedenfalls sei § 130 Abs. 4 StGB ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG, da er nicht eine Meinung als solche verbiete, sondern dem Schutz höchstrangiger Rechtsgüter diene. Schutzgut sei zum einen der öffentliche Friede, zum anderen aber auch die Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Gemeint sei damit die Menschenwürde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG. § 130 Abs. 4 StGB sei auf diese Weise auch von der Schranke des Rechts der persönlichen Ehre gedeckt.
Die Abwägung gehe zugunsten der Schutzgüter des öffentlichen Friedens und der Würde der Opfer aus. Dabei scheide eine Abwägung der Meinungsfreiheit mit der Menschenwürde der Opfer aus Art. 1 Abs. 1 GG von vornherein aus; der Schutz der Menschenwürde habe stets Vorrang vor anderen Rechtsgütern. Aber auch dem Schutz des öffentlichen Friedens komme vorliegend gegenüber der Meinungsfreiheit Vorrang zu. Meinungsäußerungen im Sinne von § 130 Abs. 4 StGB gefährdeten die Freiheit des öffentlichen Diskurses, indem sie ihrerseits eine einschüchternde Wirkung entfalteten, weil sie sich zumindest implizit immer auch gegen die Existenzberechtigung von anderen Menschen oder ganzen Bevölkerungsgruppen richteten, so dass sie neben der offenen Meinungskundgabe die Botschaft einer latenten Gewaltbereitschaft und Bedrohung dieser Gruppen transportierten. Der öffentliche Friede schütze die geistige Auseinandersetzung vor illegitimen, „ungeistigen” Einschüchterungs- und Bedrohungshandlungen. In diesem Zusammenhang könne nicht davon abstrahiert werden, dass es bereits eine Vielzahl von Brandanschlägen und gewaltsamen Übergriffen gegen Ausländer mit tödlichem Ausgang gegeben habe. Das bedeute, dass der von rechtsextremistischen Aufmärschen ausgehende Einschüchterungseffekt seine Wirkung vor dem Hintergrund schon begangener Gewalttaten entfalte. § 130 Abs. 4 StGB richte sich gegen diese „Vergiftung” des politischen und gesellschaftlichen Klimas. Ziel sei es, das Entstehen eines Meinungsklimas zu verhindern, in dem – auch zur Erlangung politischer Macht – bestimmte Menschen und Bevölkerungsgruppen zunächst ausgegrenzt und letztlich physischer Gewalt ausgesetzt würden.
Selbst wenn man § 130 Abs. 4 StGB nicht als „allgemeines Gesetz” qualifiziere, sei die Vorschrift durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 Alternative 3 GG gerechtfertigt. Ehrschützende Vorschriften dürften dabei auch als Sonderrecht Meinungen als solche wegen ihres Inhalts verbieten. Dass die Norm dem Schutz der persönlichen Ehre diene, ergebe sich aus deren tatbestandlicher Ausgestaltung sowie aus den Gesetzesmaterialien. Diesem Normverständnis könne auch nicht entgegengehalten werden, dass § 130 Abs. 4 StGB nur den Schutz der Würde verstorbener Opfer bezwecke, während Träger des Rechts der persönlichen Ehre nur lebende Personen sein könnten. Das Wort „Opfer” bezeichne ohne Frage auch überlebende Personen. Abgesehen davon sei mit der Verletzung der Würde der Opfer des Nationalsozialismus auch eine Verletzung der Würde ihrer Nachfahren verbunden. Schließlich schütze die Norm auch das postmortale Persönlichkeitsrecht der verstorbenen Opfer und könne auch unter diesem Gesichtspunkt auf die Schranke der persönlichen Ehre gestützt werden. Der Einwand, dieses könne nur einzelne identifizierbare Personen schützen, nicht aber alle Opfer des Nationalsozialismus insgesamt, gehe fehl. Ein solch enges Verständnis des postmortalen Persönlichkeitsrechts möge vielleicht unter „normalen” Umständen angebracht sein; in Bezug auf die Opfer von nationalsozialistischen Verbrechen sei dies jedenfalls berechtigterweise nicht der Fall.
Die Meinungsfreiheit müsse im Kollisionsfall stets hinter den Schutz der Menschenwürde zurücktreten. Selbst wenn man davon ausginge, dass im Einzelfall ausnahmsweise nicht der absolut unantastbare und abwägungsfeste Kernbereich der Menschenwürde, sondern nur eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Opfer durch die Erfüllung des Tatbestandes des § 130 Abs. 4 StGB vorläge, so wöge die Beeinträchtigung der beiden geschützten Rechtsgüter „öffentlicher Friede” und „Würde der Opfer des Nationalsozialismus” immer noch schwer genug, damit sich die vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffene Konkordanzentscheidung zwischen der Meinungsfreiheit und den beiden Schutzgütern insbesondere in Form der konkreten Ausgestaltung des § 130 Abs. 4 StGB als verhältnismäßig erweise. Gegen die Verhältnismäßigkeit der Norm spreche auch nicht, dass bei Meinungsbeiträgen, die dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage dienten, die Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede gelte. Denn eine Äußerung, die unter § 130 Abs. 4 StGB falle, sei von vornherein kein Beitrag, der dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage diene. Ähnlich einer „Schmähkritik” stehe hier die Verletzung der Würde der Opfer im Vordergrund.
b) § 130 Abs. 4 StGB verstoße auch nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, da die verwendeten Begriffe mit den Mitteln herkömmlicher Auslegung aufgrund anderer Vorschriften des Strafgesetzbuchs und der strafgerichtlichen Rechtsprechung konkretisierbar seien. So werde der Begriff der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft in § 194 StGB verwendet. Hierunter sei ein Herrschaftssystem zu verstehen, das sich über elementare Menschenrechte hinwegsetze. Mit diesem Begriff werde die Abgrenzung zu sonstigem staatlichen Handeln dieser Zeit geleistet. Auch die Tathandlungen des Billigens, Rechtfertigens und Verherrlichens knüpften an gängige, hinreichend bestimmte Rechtsbegriffe aus anderen Tatbeständen an. Die Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft sei auch durch Gedenken an Symbolfiguren und Verantwortungsträger des NS-Regimes möglich. Eine Auslegung, die eine ausdrückliche Gutheißung fordere oder nur die Ehrung solcher Symbolfiguren des Nationalsozialismus ausreichen lasse, die in besonderer Weise systematische Würdeverletzungen organisiert oder durchgeführt hätten, werde dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar sei nur eine objektiv unhaltbare und deshalb willkürliche Auslegung. Dies sei bei der Annahme, § 130 Abs. 4 StGB erfasse auch die Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft durch die besondere Ehrung eines Verantwortungsträgers oder einer Symbolfigur des NS-Regimes, jedoch nicht der Fall. Hierfür spreche zunächst der allgemeine Wortsinn, wonach „Herrschaft” stets von Menschen getragen und insbesondere eine Diktatur in besonderer Weise personal geprägt sei. Ebenfalls zeige die Entstehungsgeschichte, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch solche Konstellationen von § 130 Abs. 4 StGB erfasst sein sollten. Weiter stelle der Begriff der Billigung nicht auf eine bestimmte Tat, sondern auf die Gewalt- und Willkürherrschaft als solche ab und umfasse dabei auch die bloß konkludente Billigung. Schließlich entspreche es Sinn und Zweck des § 130 Abs. 4 StGB, dass derartige Ehrbekundungen als Vorwand zur Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts und Gutheißung des NS-Regimes als Ganzes beurteilt würden. Eine solche Auslegung halte sich jedenfalls dann in dem durch Art. 103 Abs. 2 GG gesetzten Rahmen, wenn die entsprechende Symbolfigur des NS-Regimes an einer der Gewalt- und Willkürherrschaft zuzurechnenden Maßnahme beteiligt gewesen sei.
Hinreichend bestimmt sei auch das Merkmal der Verletzung der Würde der Opfer. Der Begriff „Opfer” erfasse nicht nur verstorbene Personen, sondern auch solche, die die Verfolgung durch den Nationalsozialismus überlebt hätten. Unter einer Verletzung der Würde der Opfer sei die Verletzung von deren Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG zu verstehen. Hiervon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn es bei Durchführung der Versammlung zu einer uneingeschränkten Billigung des gesamten nationalsozialistischen Herrschaftssystems samt seiner verbrecherischen Untaten komme.
Auch bezüglich des Tatbestandsmerkmals der Störung des öffentlichen Friedens bestünden im Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach seinem Wortsinn setze der Begriff des öffentlichen Friedens nicht nur die Erfüllung von Sicherheitsbedürfnissen voraus. Vielmehr gehöre hierzu auch ein Mindestmaß an Toleranz und ein öffentliches Klima, das nicht durch Unruhe, Unfrieden und Unsicherheit gekennzeichnet sei und in dem einzelne Bevölkerungsgruppen nicht ausgegrenzt würden. Eine solche „Vergiftung des politischen Klimas” könne gerade durch die positive Darstellung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erfolgen. Denn einem solchen System sei es immanent, dass das Entstehen eines Meinungsklimas propagiert werde, in dem – auch zur Erlangung politischer Macht – bestimmte Menschen zunächst ausgegrenzt und letztlich physischer Gewalt ausgesetzt würden. Der öffentliche Friede sei gestört, wenn offene oder latente Gewaltpotentiale geschaffen würden und damit in dem angegriffenen Bevölkerungsteil das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert werde. Denn ein solches Szenario erschüttere das Vertrauen aller Bevölkerungsteile darauf, in der Bundesrepublik Deutschland vor gewaltsamen Einwirkungen geschützt zu sein, weil nicht die Gewähr bestehe, dass sich Handel und Wandel innerhalb der Staatsgrenzen im Einklang mit Gesetz und Verfassung vollziehen würden.
§ 130 Abs. 4 StGB werde in vielen Fällen in Verbindung mit einem versammlungsrechtlichen Verbot gemäß § 15 Abs. 1 VersG Anwendung finden. Für die Frage, ob es hinreichend wahrscheinlich sei, dass eine Störung des öffentlichen Friedens eintreten werde, könne insoweit auf die höchstrichterliche Judikatur zum Begriff der „öffentlichen Ordnung” im Rahmen von § 15 Abs. 1 VersG zurückgegriffen werden. Wenn es zulässig sei, die Versammlungsfreiheit aufgrund einer Gefährdung der „öffentlichen Ordnung” – zumindest durch Auflagen – zu beschränken und hierfür bereits dieser „unbestimmteste aller Rechtsbegriffe” als den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG Rechnung tragend anerkannt sei, dann müsse dies erst recht im insoweit wesentlich engeren Rahmen von § 130 Abs. 4 StGB gelten. So habe der Gesetzgeber durch die ausdrückliche gesetzliche Normierung und Konkretisierung dieser Rechtsprechung zur „öffentlichen Ordnung” gerade ein Mehr an demokratischer Legitimation und Bestimmtheit geschaffen als dies bisher für Verbote auf dieser Grundlage der Fall gewesen sei.
c) Schließlich sei auch die konkrete Rechtsanwendung verfassungsrechtlich tragfähig. Dass die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft konkludent gebilligt werde, ergebe sich aus dem Zusammenspiel von Veranstaltungsthema („Gedenken an Rudolf Heß”), Veranstaltungsort (Begräbnisstätte von Rudolf Heß) sowie Veranstaltungsform (Gedenkveranstaltung „mit Trauermarsch”). Das Gedenken an Rudolf Heß werde in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausführlich als ein erkennbarer Vorwand zur Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts sowie zur (schlüssigen) Gutheißung des NS-Regimes enttarnt. Rudolf Heß sei auch als eine Symbolfigur des NS-Regimes zu bewerten, da er ein führender Repräsentant des NS-Regimes gewesen und an einer der Gewalt- und Willkürherrschaft zuzurechnenden Maßnahme beteiligt gewesen sei. Dies ergebe sich direkt aus seiner Stellung innerhalb der NSDAP, in der er ab Dezember 1932 die Position des Leiters der „Politischen Zentralkommission” eingenommen habe und damit nach Adolf Hitler zum ranghöchsten Funktionär der Partei aufgerückt sei. In der seit dem 1. September 1939 von Adolf Hitler verabschiedeten Nachfolgeregelung sei Rudolf Heß im Falle des Todes Adolf Hitlers und Hermann Görings als dritter Mann im „Dritten Reich” bestimmt worden. Rudolf Heß habe den Röhm-Putsch als sogenannte Staatsnotwehr gerechtfertigt und die Nürnberger Rassegesetze vom 15. September 1935 unterschrieben. Demgegenüber sollte Rudolf Heß in der geplanten Versammlung als „Friedensflieger” und „Märtyrer” geehrt werden. Diese Darstellung eines führenden Repräsentanten des NS-Regimes als „Opfer” und im Zusammenhang mit Begriffen wie „Frieden” und „Gerechtigkeit” verkehre das Täter-Opfer-Verhältnis des NS-Regimes in sein Gegenteil, bedeute eine Verhöhnung der durch die von Rudolf Heß als Führungs- und Symbolfigur des NS-Regimes (mit-)verantworteten nationalsozialistischen Willkürmaßnahmen Betroffenen dar und verletze hierdurch deren Würde und Achtungsanspruch. Auch die zu prognostizierende Gefahr einer Friedensstörung sei zu Recht bejaht worden. Durch die angekündigte Veranstaltung zu Ehren von Rudolf Heß habe das Entstehen eines von Angst geprägten Meinungsklimas unmittelbar bevorgestanden. Die Ehrbekundungen gegenüber Rudolf Heß sollten erkennbar eines Systems gedenken, dem es immanent gewesen sei, durch Propagieren eines solchen Meinungsklimas bestimmte Menschen zunächst auszugrenzen und letztlich auch physischer Gewalt auszusetzen.
2. Die Landesanwaltschaft Bayern hält die Verfassungsbeschwerde gleichfalls für unbegründet. Ihre Darlegungen decken sich weitgehend mit denen der Bundesregierung. Darüber hinaus führt sie Folgendes aus: Ob es sich bei § 130 Abs. 4 StGB um ein allgemeines Gesetz handele, könne dahinstehen. Jedenfalls müsse im Wege praktischer Konkordanz bei kollidierenden Grundrechten, hier einerseits dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der noch lebenden sowie der verstorbenen Opfer des Nationalsozialismus aus Art. 1 Abs. 1 GG und anderseits der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers, ein gerechter Ausgleich gefunden werden. Zu berücksichtigen sei die Dimension des als historisch gesicherte Tatsache anzusehenden Rassenmordes an den Juden im „Dritten Reich” und ihres mit normalen Maßstäben nicht zu erfassenden Schicksals. Andere Rechtsordnungen, die in vergleichbarer Weise vorbelastet seien, schränkten die Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit teilweise noch stärker ein, wie beispielsweise die Republik Österreich mit dem Verbotsgesetz 1947 (StGBl Nr. 13/1945). Darüber hinaus diene der Straftatbestand des § 130 Abs. 4 StGB ähnlich wie derjenige des § 86a StGB der Abwehr einer Wiederbelebung des Nationalsozialismus und der Wahrung des politischen Friedens dadurch, dass jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens vermieden werde. Es gebe in Deutschland eine innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet sei, dass verfassungsfeindliche, den Nationalsozialismus billigende, verherrlichende oder rechtfertigende Bestrebungen geduldet würden.
V.
Am 29. Oktober 2009 ist der Beschwerdeführer verstorben.
Entscheidungsgründe
B.
Über die Verfassungsbeschwerde kann trotz des Todes des Beschwerdeführers entschieden werden. Sie ist zulässig, soweit mit ihr eine Verletzung der Art. 3 Abs. 3, Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 103 Abs. 2 GG geltend gemacht wird. Im Übrigen ist sie unzulässig.
I.
Darüber, welche Folgen der Tod des Beschwerdeführers auf ein anhängiges Verfassungsbeschwerdeverfahren hat, ist gesetzlich nichts bestimmt. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass sich eine Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung höchstpersönlicher Rechte des Beschwerdeführers im Falle seines Todes erledigt (vgl. BVerfGE 6, 389 ≪442 f.≫; 12, 311 ≪315≫; 109, 279 ≪304≫; BVerfGK 9, 62 ≪69≫). Dieser Grundsatz gilt indes nicht ausnahmslos. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits früh betont, dass sich diese Frage letztlich nur für den einzelnen Fall unter Berücksichtigung der Art des angegriffenen Hoheitsakts und des Standes des Verfassungsbeschwerdeverfahrens entscheiden lässt (vgl. BVerfGE 6, 389 ≪442≫).
Vorliegend wurde der Beschwerdeführer unter mehrmaliger Ablehnung seiner Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz auf den Rechtsweg in der Hauptsache verwiesen, um die sich stellenden schwierigen Fragen zunächst von den Fachgerichten klären zu lassen und sie dann gegebenenfalls dem Bundesverfassungsgericht in aufbereiteter Form einer Prüfung zuzuführen. Er hat mit Blick auf die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens und als Versammlungsveranstalter im Interesse zahlreicher Betroffener daraufhin den Rechtsweg durch drei Instanzen erfolglos durchlaufen und Verfassungsbeschwerde erhoben. Beim Tod des Beschwerdeführers hatten die Bundesregierung und die Landesanwaltschaft Bayern unter Bezugnahme auf die grundlegende Bedeutung der Entscheidung etwa für den öffentlichen Frieden bereits ausführlich Stellung genommen; die Sache war entscheidungsreif, der Senat hatte sie beraten, und das Verfahren stand unmittelbar vor seinem Abschluss. Zudem soll die erstrebte Entscheidung über die höchstpersönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers hinaus Klarheit über die Rechtslage für Meinungsäußerungen bei einer Vielzahl zukünftiger Versammlungen und öffentlichen Auftritten schaffen und hat folglich allgemeine verfassungsrechtliche Bedeutung. Da die Verfassungsbeschwerde auch die Funktion hat, das objektive Verfassungsrecht zu wahren, auszulegen und fortzubilden (vgl. BVerfGE 98, 218 ≪242 f.≫), kann das Bundesverfassungsgericht unter diesen Umständen auch nach Versterben des Beschwerdeführers über seine Verfassungsbeschwerde entscheiden.
II.
Zulässig ist die Verfassungsbeschwerde zunächst hinsichtlich der auf Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG gestützten Rüge. Als Bestätigung eines Versammlungsverbots kann die angegriffene Entscheidung den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Versammlung in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise wegen ihres Inhalts verboten wird. Denn der Inhalt einer Meinungsäußerung, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, kann nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken. Dabei richtet sich die Reichweite der Versammlungsfreiheit insoweit nach dem Umfang des von Art. 5 Abs. 1 und 2 GG gewährten Schutzes (vgl. BVerfGE 90, 241 ≪246≫; 111, 147 ≪154 f.≫). Auch hinsichtlich der Zulässigkeit der Rügen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG bestehen keine Bedenken.
Demgegenüber sind für eine Betroffenheit des Beschwerdeführers in Art. 4 Abs. 1 GG keine Anhaltspunkte ersichtlich. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch bezüglich Art. 10 EMRK in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Allerdings beeinflussen die Gewährleistungen der Konvention in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Auslegung der Grundrechte und sind bei der Auslegung des innerstaatlichen Rechts von den Fachgerichten zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370≫; 83, 119 ≪128≫; 111, 307 ≪317≫). Ein Verstoß gegen diese Berücksichtigungspflicht kann dabei grundsätzlich als Verstoß gegen das in seinem Schutzbereich berührte Grundrecht in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gerügt werden (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪316≫). Es fehlt insoweit indes vorliegend an einem substantiierten Vorbringen. Der Beschwerdeführer hat sich in keiner Weise sachlich mit den Gewährleistungen der Konvention auseinander gesetzt.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. § 130 Abs. 4 StGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar (C I-V) und vom Bundesverwaltungsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet worden (D).
I.
§ 130 Abs. 4 StGB greift in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ein.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪210≫). Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪210≫; 61, 1 ≪8≫; 90, 241 ≪247≫). Insofern lassen sie sich auch nicht als wahr oder unwahr erweisen. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (vgl. BVerfGE 90, 241 ≪247≫). Die Bürger sind dabei rechtlich auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 – 1 BvQ 13/01 –, NJW 2001, S. 2069 ≪2070≫ und vom 15. September 2008 – 1 BvR 1565/05 –, NJW 2009, S. 908 ≪909≫).
Geschützt sind damit von Art. 5 Abs. 1 GG auch Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. Dementsprechend fällt selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG heraus. Den hierin begründeten Gefahren entgegenzutreten, weist die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes primär bürgerschaftlichem Engagement im freien politischen Diskurs sowie der staatlichen Aufklärung und Erziehung in den Schulen gemäß Art. 7 GG zu.
Indem § 130 Abs. 4 StGB an die Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft anknüpft und diese unter weiteren Voraussetzungen unter Strafe stellt, greift die Vorschrift in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ein.
II.
Der Eingriff in die Meinungsfreiheit ist gerechtfertigt. § 130 Abs. 4 StGB ist eine gesetzliche Grundlage, die in verfassungsrechtlich zulässiger Weise einen Eingriff in die Meinungsfreiheit rechtfertigen kann. Zwar handelt es sich bei der Strafnorm nicht um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG (1). Als Sonderrecht kann sie auch nicht auf das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 Alternative 3 GG gestützt werden (2). In Bezug auf das nationalsozialistische Regime in den Jahren zwischen 1933 und 1945 erlaubt Art. 5 Abs. 1 und 2 GG jedoch auch Eingriffe durch Vorschriften, die nicht den Anforderungen an ein allgemeines Gesetz entsprechen. Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die diese Herrschaft unter deutscher Verantwortung über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der für die Identität der Bundesrepublik Deutschland prägenden Bedeutung dieser Vergangenheit, können Äußerungen, die dies gutheißen, Wirkungen entfalten, denen nicht allein in verallgemeinerbaren Kategorien Rechnung getragen werden kann (3).
1. § 130 Abs. 4 StGB ist kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG.
a) Nach Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG findet die Meinungsfreiheit ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Darunter sind Gesetze zu verstehen, die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪209 f.≫; 28, 282 ≪292≫; 71, 162 ≪175 f.≫; 93, 266 ≪291≫; stRspr). Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann (vgl. BVerfGE 111, 147 ≪155≫; 117, 244 ≪260≫).
aa) Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Gesetz ein allgemeines ist, ist zunächst die Frage, ob eine Norm an Meinungsinhalte anknüpft. Erfasst sie das fragliche Verhalten völlig unabhängig von dem Inhalt einer Meinungsäußerung, bestehen hinsichtlich der Allgemeinheit keine Zweifel. Knüpft sie demgegenüber an den Inhalt einer Meinungsäußerung an, kommt es darauf an, ob die Norm dem Schutz eines auch sonst in der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts dient. Ist dies der Fall, ist in der Regel zu vermuten, dass das Gesetz nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet ist, sondern meinungsneutral-allgemein auf die Abwehr von Rechtsgutverletzungen zielt. Insoweit nimmt nicht schon jede Anknüpfung an den Inhalt von Meinungen als solche einem Gesetz den Charakter als allgemeines Gesetz. Vielmehr sind auch inhaltsanknüpfende Normen dann als allgemeine Gesetze zu beurteilen, wenn sie erkennbar auf den Schutz bestimmter Rechtsgüter und nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet sind. Hiervon ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Art. 5 Abs. 2 GG etwa die Vorschriften zu den politischen Mäßigungspflichten der Soldaten und Beamten (vgl. BVerfGE 28, 282 ≪292≫; 39, 334 ≪367≫), zur Strafbarkeit der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a StGB (vgl. BVerfGE 47, 198 ≪232≫; 69, 257 ≪268 f.≫), zur Beleidigung nach § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪291≫; BVerfGK 8, 89 ≪96≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 –, NJW 2009, S. 3016 ≪3017≫) oder zur Vorgängerfassung des Volksverhetzungstatbestandes nach § 130 StGB a.F. (vgl. BVerfGE 90, 241 ≪251≫; 111, 147 ≪155≫) als allgemeine Gesetze beurteilt.
Allerdings kann aus dieser Rechtsprechung nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass immer, wenn eine Norm ein anerkanntes Rechtsgut schützt, deren Allgemeinheit schon allein damit gesichert ist (vgl. Enders, JZ 2008, S. 1092 ≪1094≫). Die Tatsache, dass ein meinungsbeschränkendes Gesetz ein anerkanntes Rechtsgut schützt, garantiert dessen Allgemeinheit nicht für jeden Fall, sondern ist lediglich Indiz für die Wahrung rechtsstaatlicher Distanz und die Einhaltung des Gebots der Meinungsneutralität. Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass das fragliche Rechtsgut schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung geschützt sein muss (vgl. BVerfGE 111, 147 ≪155≫; 117, 244 ≪260≫) und damit Inhaltsanknüpfungen in Neutralität zu den verschiedenen politischen Strömungen und Weltanschauungen stehen müssen. Entsprechend war für die Qualifizierung des § 90a StGB als allgemeines Gesetz maßgeblich, dass diese Vorschrift die Herabwürdigung der Bundesrepublik Deutschland „unabhängig von einer politischen Überzeugung” unter Strafe stellt (vgl. BVerfGE 47, 198 ≪232≫). Nichts anderes gilt für die §§ 86, 86a StGB, die das Bundesverfassungsgericht gleichfalls als allgemeine Gesetze beurteilt hat (vgl. BVerfGE 111, 147 ≪155≫). Zwar wird in § 86 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausdrücklich an nationalsozialistische Organisationen angeknüpft. Im Kontext der Gesamtnorm des § 86 Abs. 1 StGB handelt es sich dabei aber dennoch nicht um Sonderrecht. Die Vorschrift richtet sich nicht gegen die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, sondern erhebt einen sachlich beschränkten Strafanspruch gegen die organisationsbezogene Fortführung von förmlich verbotenen Vereinigungen und Parteien und erstreckt ihn auf alle hiervon betroffenen Organisationen gleichermaßen.
bb) An der Allgemeinheit eines Gesetzes fehlt es, wenn eine inhaltsbezogene Meinungsbeschränkung nicht hinreichend offen gefasst ist und sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet.
Gesetze zum Schutz von Rechtsgütern sind nur allgemein, wenn sie sich bei der gebotenen Gesamtsicht als konsequent und abstrakt vom Rechtsgut her gedacht erweisen und ohne Ansehung konkret vorfindlicher Auffassungen ausgestaltet sind. Hierzu gehört eine hinreichend allgemein gefasste Formulierung der Verletzungshandlung sowie der geschützten Rechtsgüter, die sicherstellt, dass die Norm im politischen Kräftefeld als gegenüber verschiedenen Gruppierungen offen erscheint und sich die pönalisierte oder verbotene Meinungsäußerung grundsätzlich aus verschiedenen politischen, religiösen oder weltanschaulichen Grundpositionen ergeben kann. Geboten ist eine Fassung der Norm, die in rechtsstaatlicher Distanz gegenüber konkreten Auseinandersetzungen im politischen oder sonstigen Meinungskampf strikte „Blindheit” gegenüber denen gewährleistet, auf die sie letztlich angewendet werden soll. Sie darf allein an dem zu schützenden Rechtsgut ausgerichtet sein, nicht aber an einem Wert- oder Unwerturteil hinsichtlich der konkreten Haltungen oder Gesinnungen.
Die Allgemeinheit des Gesetzes verbürgt damit entsprechend dem Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung wegen politischer Anschauungen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alternative 9 GG) für Eingriffe in die Meinungsfreiheit ein spezifisches und striktes Diskriminierungsverbot gegenüber bestimmten Meinungen. Gesetze, die an den Inhalt von Meinungsäußerungen anknüpfen und durch solche verursachte Rechtsgutverletzungen unterbinden oder sanktionieren, sind nur unter strenger Neutralität und Gleichbehandlung zulässig.
Die Frage, ob eine Norm nach diesen Grundsätzen noch als allgemeines Gesetz oder als Sonderrecht zu beurteilen ist, lässt sich dabei nicht schematisch beantworten. Es kommt vielmehr auf eine Gesamtsicht an. Abzustellen ist hierbei insbesondere darauf, in welchem Maße eine Norm sich auf abstrakt-inhaltsbezogene, für verschiedene Haltungen offene Kriterien beschränkt oder konkret-standpunktbezogene, insbesondere etwa ideologiebezogene Unterscheidungen zugrunde legt (vgl. ähnlich bereits BVerfGE 47, 198 ≪232≫). Ein Indiz für Sonderrecht ist es etwa, wenn sich eine Norm als Antwort auf einen konkreten Konflikt des aktuellen öffentlichen Meinungskampfes versteht oder anknüpfend an inhaltliche Positionen einzelner vorfindlicher Gruppierungen so formuliert ist, dass sie im Wesentlichen nur gegenüber diesen zur Anwendung kommen kann. Entsprechendes gilt für Sanktionen eines Verhaltens, das typischerweise einer konkreten Geisteshaltung oder einer spezifischen weltanschaulichen, politischen oder historischen Deutung entspringt, beziehungsweise auch für Normen, die exklusiv auf die Zugehörigkeit zu Gruppen abstellen, die durch solche Haltungen definiert sind. Je mehr eine Norm so angelegt ist, dass sie absehbar allein Anhänger bestimmter politischer, religiöser oder weltanschaulicher Auffassungen trifft und somit auf den öffentlichen Meinungskampf einwirkt, desto mehr spricht dafür, dass die Schwelle zum Sonderrecht überschritten ist. Ein Anzeichen für Sonderrecht ist gleichfalls, wenn ein meinungsbeschränkendes Gesetz an bestimmte historische Deutungen von Geschehnissen anknüpft oder es sich auf den Schutz von Rechtsgütern eines nicht mehr offenen, sondern bereits feststehenden Personenkreises beschränkt. Insgesamt kommt es darauf an, ob die meinungsbeschränkende Norm eine prinzipielle inhaltliche Distanz zu den verschiedenen konkreten Positionen im politischen und weltanschaulichen Meinungskampf wahrt.
b) Hiervon ausgehend ist § 130 Abs. 4 StGB kein allgemeines Gesetz. Zwar dient die Vorschrift dem öffentlichen Frieden und damit dem Schutz eines Rechtsguts, das auch sonst in der Rechtsordnung vielfältig geschützt wird. Jedoch gestaltet § 130 Abs. 4 StGB diesen Schutz nicht in inhaltsoffener, allgemeiner Art aus, sondern bezogen allein auf Meinungsäußerungen, die eine bestimmte Haltung zum Nationalsozialismus ausdrücken. Die Vorschrift dient nicht dem Schutz von Gewaltopfern allgemein und stellt bewusst nicht auf die Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der Gewalt- und Willkürherrschaft totalitärer Regime insgesamt ab, sondern ist auf Äußerungen allein in Bezug auf den Nationalsozialismus begrenzt. Auch der Entstehungsgeschichte nach wurde die Vorschrift maßgeblich als Antwort auf öffentliche Versammlungen und Aufmärsche von Rechtsradikalen verstanden, die in ihren Kundgebungen an die Zeit des Nationalsozialismus anknüpfen – nicht zuletzt gerichtet gerade auch gegen die jährlichen Gedenkveranstaltungen für Rudolf Heß (vgl. Sitzungsprotokoll des Deutschen Bundestags 15/158 vom 18. Februar 2005, S. 14818, 14820; Innenausschussprotokoll 15/56 vom 7. März 2005, S. 11, 22 ff., 44, 45, 53 f., 57; BTDrucks 15/5051, S. 6; Sitzungsprotokoll des Deutschen Bundestags 15/164 vom 11. März 2005, S. 15352). Sie ist insoweit die Reaktion des Gesetzgebers auf konkrete politische, als besonders gefährlich beurteilte Auffassungen im öffentlichen Meinungskampf. Die Vorschrift pönalisiert Meinungsäußerungen, die sich allein aus einer bestimmten Deutung der Geschichte und einer entsprechenden Haltung ergeben können. Sie ist damit nicht blind gegenüber vorfindlichen Grundpositionen, sondern normiert bereits im Tatbestand konkret-standpunktbezogene Kriterien. Damit ist sie kein allgemeines Gesetz, sondern Sonderrecht zur Abwehr von speziell solchen Rechtsgutverletzungen, die sich aus der Äußerung einer bestimmten Meinung, nämlich der Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, ergeben.
2. § 130 Abs. 4 StGB kann als Sonderrecht auch nicht auf das Recht der persönlichen Ehre nach Art. 5 Abs. 2 Alternative 3 GG – hier bezogen auf die Würde der Opfer – gestützt werden. Das Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG erstreckt sich auch auf Bestimmungen zum Ehrschutz.
Art. 5 Abs. 2 GG legt einen Begriff des allgemeinen Gesetzes zugrunde, nach dem die Schwelle zum Sonderrecht nicht schon erreicht wird, wenn ein meinungsbeschränkendes Gesetz überhaupt an Meinungsinhalte anknüpft, sondern erst dann, wenn bereits der Tatbestand konkret-standpunktbezogene Anknüpfungen enthält und die Norm damit nicht meinungsneutral ausgestaltet ist. Das in dem Erfordernis der Allgemeinheit liegende Verbot von Sonderrecht gewährleistet nach dieser Auffassung einen Schutz vor Diskriminierung in Anknüpfung an bestimmte Meinungen und politische Anschauungen, wie er ähnlich auch in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alternative 9 GG („politische Anschauungen”) enthalten ist, und sichert damit rechtsstaatliche Distanz zum Schutz der Meinungsfreiheit. In diesem Verständnis muss das Sonderrechtsverbot dann aber allgemein gelten und sich auf alle meinungsbeschränkenden Gesetze erstrecken. Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend oder der persönlichen Ehre unterliegen ihm ebenso wie solche zum Schutz anderer Rechtsgüter. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch bisher schon etwa den Straftatbestand der Beleidigung als allgemeines Gesetz angesehen (vgl. BVerfGE 69, 257 ≪268 f.≫; 93, 266 ≪291≫; vgl. auch BVerfGK 1, 289 ≪291≫). Dieses Verständnis findet auch in der Geschichte der Meinungsfreiheit eine Stütze. Bereits nach Art. 118 der Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) fand die Meinungsfreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Eine zusätzliche, über Einzelbestimmungen zum Zensurverbot hinausgehende Ausnahme zum Jugend- und Ehrschutz enthielt die Vorschrift nicht. Vielmehr wurden solche Bestimmungen als von den allgemeinen Gesetzen grundsätzlich mitumfasst angesehen, und zwar unabhängig von den verschiedenen Positionen um die inhaltliche Auslegung des Allgemeinheitskriteriums zwischen der Sonderrechtslehre (vgl. Häntzschel, AöR, Bd. 10, 1926, S. 228 ≪232≫; Häntzschel, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 29, 1932, S. 651 ≪657 ff.≫; Rothenbücher, in: VVDStRL Heft 4 1928, S. 6 ≪20≫) und der Lehre von Smend (vgl. VVDStRL Heft 4 1928, S. 44 ≪52≫). Es ist nicht ersichtlich, dass der Grundgesetzgeber mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG diesbezüglich eine andere Grundentscheidung treffen wollte. Die ausdrückliche Aufnahme des Jugend- und Ehrschutzes in Art. 5 Abs. 2 GG sollte lediglich sicherstellen, dass solche Vorschriften weiterhin zulässig sind. Sie sollte jedoch nicht die an alle Gesetze zu stellenden Anforderungen an eine rechtsstaatliche Distanz durch Meinungsneutralität zurücknehmen.
3. § 130 Abs. 4 StGB ist auch als nichtallgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung des nationalsozialistischen Regimes in den Jahren zwischen 1933 und 1945 Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent.
a) Von dem Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ist eine Ausnahme anzuerkennen für Vorschriften, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 zielen. Das menschenverachtende Regime dieser Zeit, das über Europa und die Welt in unermesslichem Ausmaß Leid, Tod und Unterdrückung gebracht hat, hat für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eine gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung, die einzigartig ist und allein auf der Grundlage allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen nicht eingefangen werden kann. Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte (vgl. Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der Westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, S. 18, 20, 22, 56), insbesondere auch des Parlamentarischen Rates (vgl. Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Anlage zum stenographischen Bericht der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 6. Mai 1949, S. 5, 6, 9) und bildet ein inneres Gerüst der grundgesetzlichen Ordnung (vgl. nur Art. 1, Art. 20 und Art. 79 Abs. 3 GG). Das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes gedeutet werden und ist von seinem Aufbau bis in viele Details hin darauf ausgerichtet, aus den geschichtlichen Erfahrungen zu lernen und eine Wiederholung solchen Unrechts ein für alle Mal auszuschließen. Die endgültige Überwindung der nationalsozialistischen Strukturen und die Verhinderung des Wiedererstarkens eines totalitär nationalistischen Deutschlands war schon für die Wiedererrichtung deutscher Staatlichkeit durch die Alliierten ein maßgeblicher Beweggrund und bildete – wie etwa die Atlantik-Charta vom 14. August 1941, das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 und das Kontrollratsgesetz Nr. 2 zur Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen vom 10. Oktober 1945 zeigen – eine wesentliche gedankliche Grundlage für die Frankfurter Dokumente vom 1. Juli 1948, in denen die Militärgouverneure die Ministerpräsidenten aus ihren Besatzungszonen mit der Schaffung einer neuen Verfassung beauftragten. Auch für die Schaffung der Europäischen Gemeinschaften sowie zahlreiche internationale Vertragswerke wie insbesondere auch die Europäische Menschenrechtskonvention ging von den Erfahrungen der Zerstörung aller zivilisatorischen Errungenschaften durch den Nationalsozialismus ein entscheidender Impuls aus. Sie prägen die gesamte Nachkriegsordnung und die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Völkergemeinschaft bis heute nachhaltig.
Vor diesem Hintergrund entfaltet die propagandistische Gutheißung der historischen nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft mit all dem schrecklichen tatsächlich Geschehenen, das sie zu verantworten hat, Wirkungen, die über die allgemeinen Spannungslagen des öffentlichen Meinungskampfes weit hinausgehen und allein auf der Grundlage der allgemeinen Regeln zu den Grenzen der Meinungsfreiheit nicht erfasst werden können. Die Befürwortung dieser Herrschaft ist in Deutschland ein Angriff auf die Identität des Gemeinwesens nach innen mit friedensbedrohendem Potential. Insofern ist sie mit anderen Meinungsäußerungen nicht vergleichbar und kann nicht zuletzt auch im Ausland tiefgreifende Beunruhigung auslösen. Dieser geschichtlich begründeten Sonderkonstellation durch besondere Vorschriften Rechnung zu tragen, will Art. 5 Abs. 2 GG nicht ausschließen. Das Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze, mit dem Art. 5 Abs. 2 GG den Gesetzgeber in Anknüpfung an lange Traditionslinien darauf verpflichtet, Rechtsgüterschutz vor Meinungsäußerungen unabhängig von bestimmten Überzeugungen, Haltungen und Ideologien zu gewährleisten, kann für diese die geschichtsgeprägte Identität der Bundesrepublik Deutschland betreffende, auf andere Konflikte nicht übertragbare einzigartige Konstellation keine Geltung beanspruchen. § 130 Abs. 4 StGB ist dementsprechend nicht deshalb verfassungswidrig, weil er eine Sonderbestimmung ist, die allein die Bewertung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zu ihrem Gegenstand hat.
b) Die Offenheit des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für derartige Sonderbestimmungen, die sich auf Äußerungen zum Nationalsozialismus in den Jahren zwischen 1933 und 1945 beziehen, nimmt den materiellen Gehalt der Meinungsfreiheit nicht zurück. Insbesondere kennt das Grundgesetz kein allgemeines antinationalsozialistisches Grundprinzip (vgl. so aber in der Sache: Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, S. 121 ≪123 ff.≫; OVG Münster, Beschluss vom 23. März 2001 – 5 B 395/01 –, NJW 2001, S. 2111), das ein Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts erlaubte. Ein solches Grundprinzip ergibt sich insbesondere weder aus Art. 79 Abs. 3 GG noch aus Art. 139 GG, in dem aufgrund bewusster Entscheidung allein die dort genannten Vorschriften von der Geltung der Verfassung ausgenommen werden. Das Grundgesetz gewährt Meinungsfreiheit im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung vielmehr grundsätzlich auch den Feinden der Freiheit. Der Parlamentarische Rat bekannte sich hierzu auch gegenüber dem soeben erst überwundenen Nationalsozialismus. In den Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG legte er fest, dass nicht schon die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen als solche die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung bildet, sondern erst eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. BVerfGE 5, 85 ≪141≫). Entsprechend gewährleistet Art. 5 Abs. 1 und 2 GG die Meinungsfreiheit als Geistesfreiheit unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit, rechtlichen Durchsetzbarkeit oder Gefährlichkeit (vgl. BVerfGE 90, 241 ≪247≫). Art. 5 Abs. 1 und 2 GG erlaubt nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung, sondern ermächtigt erst dann zum Eingriff, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen.
Auch die nach Art. 5 Abs. 1 und 2 GG anzuerkennende Ausnahme von dem Allgemeinheitserfordernis meinungsbeschränkender Gesetze aufgrund der Einzigartigkeit der Verbrechen der historischen nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft und der daraus folgenden Verantwortung für die Bundesrepublik Deutschland öffnet hierzu keine Türen, sondern belässt die Verantwortung für die notwendige Zurückdrängung solch gefährlicher Ideen der Kritik in freier Diskussion. Sie erlaubt dem Gesetzgeber lediglich, für Meinungsäußerungen, die eine positive Bewertung des nationalsozialistischen Regimes in ihrer geschichtlichen Realität zum Gegenstand haben, gesonderte Bestimmungen zu erlassen, die an die spezifischen Wirkungen gerade solcher Äußerungen anknüpfen und ihnen Rechnung tragen. Auch solche Bestimmungen müssen jedoch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen und hierbei strikt an einem veräußerlichten Rechtsgüterschutz, nicht aber einer inhaltlichen Bewertung der betroffenen Meinung orientiert sein.
III.
§ 130 Abs. 4 StGB genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Vorschrift verfolgt mit dem Schutz des öffentlichen Friedens einen legitimen Zweck, zu dessen Erreichung sie geeignet, erforderlich und angemessen ist.
1. § 130 Abs. 4 StGB dient dem Schutz des öffentlichen Friedens. Hierin liegt ein legitimer Schutzzweck, der bei sachgerechtem, im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG eingegrenztem Verständnis den Eingriff in die Meinungsfreiheit rechtfertigen kann.
a) Voraussetzung für einen Eingriff in Art. 5 Abs. 1 GG und maßgeblich für dessen Verhältnismäßigkeit ist die Bestimmung eines legitimen Zwecks (vgl. BVerfGE 80, 137 ≪159≫; 104, 337 ≪347≫; 107, 299 ≪316≫). Legitim ist grundsätzlich jedes öffentliche Interesse, das verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist. Welche Zwecke legitim sind, hängt dabei auch vom jeweiligen Grundrecht ab, in das eingegriffen wird. Nicht legitim ist insbesondere eine Aufhebung des in dem jeweiligen Grundrecht enthaltenen Freiheitsprinzips als solchen. Für die Meinungsfreiheit findet dies in der Wechselwirkungslehre seinen spezifischen Ausdruck: Zwischen Grundrechtsschutz und Grundrechtsschranken findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die allgemeinen Gesetze zwar Schranken setzen, diese aber ihrerseits wieder im Licht dieser Grundrechtsverbürgungen bestimmt werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪208 f.≫; 94, 1 ≪8≫; 107, 299 ≪331≫). Die Schranken der Meinungsfreiheit dürfen deren substantiellen Gehalt nicht in Frage stellen. Dies gilt für die Auslegung ebenso wie für das beschränkende Gesetz und die mit ihm verfolgten Zwecke selbst (vgl. BVerfGE 77, 65 ≪75≫).
Für Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 GG folgt hieraus, dass ihre Zielsetzung nicht darauf gerichtet sein darf, Schutzmaßnahmen gegenüber rein geistig bleibenden Wirkungen von bestimmten Meinungsäußerungen zu treffen. Die Absicht, Äußerungen mit schädlichem oder in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlichem Inhalt zu behindern, hebt das Prinzip der Meinungsfreiheit selbst auf und ist illegitim (vgl. schon Häntzschel, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 29, 1932, S. 651 ff.; Rothenbücher, in: VVDStRL Heft 4 1928, S. 6 ff.). Entsprechendes gilt – unbeschadet Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 Abs. 2 GG – für das Anliegen, die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ansichten zu verhindern. Allein die Wertlosigkeit oder auch Gefährlichkeit von Meinungen als solche ist kein Grund, diese zu beschränken (vgl. BVerfGE 90, 241 ≪247≫). Art. 5 Abs. 1 GG erlaubt nicht, die Meinungsfreiheit unter einen generellen Abwägungsvorbehalt zu stellen.
Legitim ist es demgegenüber, Rechtsgutverletzungen zu unterbinden. Soweit der Gesetzgeber darauf zielt, Meinungsäußerungen insoweit einzuschränken, als mit ihnen die Schwelle zur individualisierbaren, konkret fassbaren Gefahr einer Rechtsverletzung überschritten wird, verfolgt er einen legitimen Zweck. Der Gesetzgeber kann insoweit insbesondere an Meinungsäußerungen anknüpfen, die über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt sind und etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder der Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auslösen können.
Für den Schutz von materiellen Rechtsgütern ergibt sich hieraus eine Art Eingriffsschwelle für die Gefahrenabwehr: Gefahren, die lediglich von den Meinungen als solchen ausgehen, sind zu abstrakt, als dass sie dazu berechtigten, diese staatlicherseits zu untersagen. Solange eine Gefahr nur in der Abstraktion des Für-richtig-Haltens und dem Austausch hierüber besteht, ist die Gefahrenabwehr der freien geistigen Auseinandersetzung der verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen untereinander anvertraut. Meinungsbeschränkende Maßnahmen in Bezug auf den Inhalt von Äußerungen können hingegen dann zulässig sein, wenn die Meinungen Rechtsgüter Einzelner oder Schutzgüter der Allgemeinheit erkennbar gefährden. Die Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter ist dann ein legitimes Ziel des Gesetzgebers. Der Staat ist damit rechtsstaatlich begrenzt auf Eingriffe zum Schutz von Rechtsgütern in der Sphäre der Äußerlichkeit. Demgegenüber steht ihm ein Zugriff auf das subjektive Innere der individuellen Überzeugung, der Gesinnung und dabei nach Art. 5 Abs. 1 GG auch das Recht, diese mitzuteilen und zu verbreiten, nicht zu.
Rein geistige Wirkungen und rechtsverletzende Wirkungen von Meinungsäußerungen stehen dabei nicht in strenger Alternativität zueinander. Sie sind nicht rein formal abgrenzbar und können sich überschneiden. Dem Gesetzgeber kommt bei der Gestaltung von meinungsbeschränkenden Gesetzen insoweit ein Spielraum zu. Er muss sich jedoch von vornherein auf die Verfolgung von Schutzzwecken beschränken, die an dieser Grenze orientiert sind und nicht schon das Prinzip der freien geistigen Auseinandersetzung selbst zurücknehmen. Diesen Grenzziehungen hat auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu folgen. Je konkreter und unmittelbarer ein Rechtsgut durch eine Meinungsäußerung gefährdet wird, desto geringer sind die Anforderungen an einen Eingriff; je vermittelter und entfernter die drohenden Rechtsgutverletzungen bleiben, desto höher sind die zu stellenden Anforderungen. Entsprechend sind Eingriffe in die Meinungsfreiheit umso eher hinzunehmen, als sie sich auf die Formen und Umstände einer Meinungsäußerung in der Außenwelt beschränken. Je mehr sie hingegen im Ergebnis eine inhaltliche Unterdrückung der Meinung selbst zur Folge haben, desto höher sind die Anforderungen an das konkrete Drohen einer Rechtsgutgefährdung.
b) Der Gesetzgeber hat § 130 Abs. 4 StGB auf den Schutz des öffentlichen Friedens gestützt (vgl. BTDrucks 15/4832, S. 3; Innenausschussdrucksache 15(4)191, S. 5; BTDrucks 15/5051, S. 5). Dies ist verfassungsrechtlich tragfähig. Allerdings ist nach vorstehenden Maßstäben dem Begriff des öffentlichen Friedens ein eingegrenztes Verständnis zugrunde zu legen.
aa) Nicht tragfähig für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Meinungsfreiheit ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien oder auf die Wahrung von als grundlegend angesehenen sozialen oder ethischen Anschauungen zielt. Eine Beunruhigung, die die geistige Auseinandersetzung im Meinungskampf mit sich bringt und allein aus dem Inhalt der Ideen und deren gedanklichen Konsequenzen folgt, ist notwendige Kehrseite der Meinungsfreiheit und kann für deren Einschränkung kein legitimer Zweck sein. Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer Beeinträchtigung des „allgemeinen Friedensgefühls” oder der „Vergiftung des geistigen Klimas” sind ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte. Auch das Ziel, die Menschenrechte im Rechtsbewusstsein der Bevölkerung zu festigen, erlaubt es nicht, zuwiderlaufende Ansichten zu unterdrücken. Die Verfassung setzt vielmehr darauf, dass auch diesbezüglich Kritik und selbst Polemik gesellschaftlich ertragen, ihr mit bürgerschaftlichem Engagement begegnet und letztlich in Freiheit die Gefolgschaft verweigert wird. Demgegenüber setzte die Anerkennung des öffentlichen Friedens als Zumutbarkeitsgrenze gegenüber unerträglichen Ideen allein wegen der Meinung als solcher das in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgte Freiheitsprinzip selbst außer Kraft.
bb) Ein legitimer Zweck, zu dessen Wahrung der Gesetzgeber öffentlich wirkende Meinungsäußerungen begrenzen darf, ist der öffentliche Friede jedoch in einem Verständnis als Gewährleistung von Friedlichkeit. Ziel ist hier der Schutz vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind, das heißt den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern. Auch hier knüpft der Eingriff in die Meinungsfreiheit möglicherweise zwar an den Inhalt der Meinungsäußerung an. Jedoch richtet sich der Schutz des öffentlichen Friedens auf die Aufrechterhaltung des friedlichen Miteinanders. Es geht um einen vorgelagerten Rechtsgüterschutz, der an sich abzeichnende Gefahren anknüpft, die sich in der Wirklichkeit konkretisieren. In diesem Sinne ist der öffentliche Friede ein Schutzgut, das verschiedenen Normen des Strafrechts seit jeher zugrunde liegt wie etwa den Verboten der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB), der Androhung von Straftaten (§ 126 StGB), der Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) oder auch den anderen Straftatbeständen des Volksverhetzungsparagraphen (§ 130 Abs. 1 bis 3 StGB).
c) Der Gesetzgeber hat § 130 Abs. 4 StGB ausweislich der Gesetzesbegründung allein und tragfähig auf den Schutz des öffentlichen Friedens gestützt. Die Frage, ob beziehungsweise in welchem Verständnis die Norm auch auf den Schutz der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft gestützt werden könnte, kann damit dahinstehen.
2. Die Ausgestaltung des § 130 Abs. 4 StGB ist geeignet, den öffentlichen Frieden in seinem Verständnis als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung zu schützen.
§ 130 Abs. 4 StGB definiert als unter Strafe gestellte Tathandlungen die Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Bestraft wird damit das Gutheißen nicht von Ideen, sondern von realen Verbrechen, die in der Geschichte einmalig und an Menschenverachtung nicht zu überbieten sind. Das Gesetz richtet sich gegen das Wachrufen und Billigen der Untaten eines Regimes, das zur Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen schritt und sich als Schreckbild unermesslicher Brutalität in das Bewusstsein der Gegenwart eingebrannt hat. Dass ein Gutheißen der Gewalt- und Willkürherrschaft dieser Zeit der Bevölkerung heute regelmäßig als Aggression und als Angriff gegenüber denjenigen erscheint, die sich in ihrem Wert und ihren Rechten erneut in Frage gestellt sehen, und angesichts der geschichtlichen Realität mehr bewirkt als eine bloße Konfrontation mit einer demokratie- und freiheitsfeindlichen Ideologie, ist eine verfassungsrechtlich tragfähige Einschätzung des Gesetzgebers. Denn es handelt sich dabei um mehr als um eine bloß anstößige geistige Relativierung des Gewaltverbots. Vielmehr löst die Kundgabe einer positiven Bewertung dieses Unrechtsregimes regelmäßig einerseits Widerstand dagegen aus oder erzeugt Einschüchterung und hat anderseits enthemmende Wirkung bei der angesprochenen Anhängerschaft solcher Auffassungen.
Bezogen auf die historische nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft weisen die Tatbestandsmerkmale der Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung auch eine hinreichende Intensität auf, um typischerweise die Friedlichkeit der politischen Auseinandersetzung zu gefährden. Die Vorschrift stellt nicht schon eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit unter Strafe, sondern die nach außen manifestierte Gutheißung der realen historischen Gewalt- und Willkürherrschaft, wie sie unter dem Nationalsozialismus ins Werk gesetzt wurde. Ungeachtet des vom Gesetzgeber zusätzlich aufgenommenen Merkmals der Verletzung der Würde der Opfer liegt bereits hierin eine geeignete Anknüpfung zum Schutz des öffentlichen Friedens im Sinne der Friedlichkeit. Die Vorschrift ist von der gesetzgeberischen Wertung insoweit ähnlich angelegt wie bisher schon § 140 StGB, der die Belohnung und Billigung von bestimmten, tatsächlich begangenen und besonders schweren Straftaten unter Strafe stellt.
Ungeeignet ist die Ausgestaltung des § 130 Abs. 4 StGB auch nicht insoweit, als die Bestrafung nicht nur auf Äußerungen in der Öffentlichkeit, sondern auch auf solche in geschlossenen Versammlungen erstreckt wird. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass das Gutheißen dieser Gewalt- und Willkürherrschaft in aller Regel auch aus geschlossenen Versammlungen heraus nach außen Reaktionen hervorruft. Soweit dieses im Einzelfall nicht zutrifft, kann dies über das weitere Tatbestandsmerkmal der Störung des öffentlichen Friedens korrigierend aufgefangen werden (siehe unten C V 2 b).
3. Für den vom Gesetzgeber erstrebten Schutz des öffentlichen Friedens ist § 130 Abs. 4 StGB auch erforderlich. Ein milderes Mittel, das in Bezug auf die hier in Frage stehenden Rechtsverletzungen den Schutz des öffentlichen Friedens in gleich wirksamer Weise gewährleisten kann, ist nicht ersichtlich.
4. § 130 Abs. 4 StGB ist in seiner Ausgestaltung auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Vorschrift begründet bei einer Auslegung, die Art. 5 Abs. 1 GG Rechnung trägt, einen angemessenen Ausgleich zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz des öffentlichen Friedens. Sie ist insbesondere nicht in dem Sinne übermäßig weit gefasst, dass sie inhaltlich schon allein die Verbreitung von rechtsradikalen und auch an die Ideologie des Nationalsozialismus anknüpfenden Ansichten unter Strafe stellte. Weder verbietet sie generell eine zustimmende Bewertung von Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes, noch eine positive Anknüpfung an Tage, Orte oder Formen, denen ein an diese Zeit erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt. Die Strafandrohung ist auf die Gutheißung allein der historisch real gewordenen Gewalt- und Willkürherrschaft unter dem Nationalsozialismus begrenzt, für die Deutschland eine fortwirkende, besondere, geschichtlich begründete Verantwortung trägt. Ergänzend verlangt der Straftatbestand, dass diese untersagte Bekräftigung auch tatsächlich – wie regelmäßig zu erwarten – in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise erfolgt und zu einer Störung des öffentlichen Friedens führt. Untypische Situationen, in denen im Einzelfall die in dem Verbot liegende Einschränkung der Meinungsfreiheit unangemessen sein kann, können durch dieses Tatbestandsmerkmal aufgefangen werden (siehe unten C V 2 b). Insgesamt ist § 130 Abs. 4 StGB in einer Weise ausgestaltet, die auch verhältnismäßig im engeren Sinne ist.
IV.
§ 130 Abs. 4 StGB verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Verbot der Benachteiligung wegen politischer Anschauungen), der vor Eingriffen schützt, die schon an das bloße „Haben” einer politischen Anschauung anknüpfen. Hingegen richtet sich die Verfassungsmäßigkeit von Eingriffen, die an die Äußerung und Betätigung solcher Anschauungen anknüpfen, grundsätzlich nach den jeweiligen Freiheitsgrundrechten (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪368≫). Dies gilt jedenfalls dann, wenn den entsprechenden Freiheitsgrundrechten, wie vorliegend Art. 5 Abs. 1 und 2 GG, spezielle Gleichheitsgewährleistungen innewohnen. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 GG kommt damit nicht in Betracht. Erst recht können sich aus Art. 3 Abs. 1 GG keine weitergehenden Anforderungen als aus Art. 5 Abs. 1 und 2 GG ergeben.
V.
§ 130 Abs. 4 StGB steht auch mit Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang.
1. Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Einerseits geht es um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Anderseits soll sichergestellt werden, dass nur der Gesetzgeber über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, über die Voraussetzungen einer Bestrafung selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 71, 108 ≪114≫).
Das schließt nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Maße der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen ist es ferner unvermeidlich, dass in Grenzfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten schon oder noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Dann genügt, wenn sich deren Sinn im Regelfall mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden ermitteln lässt und in Grenzfällen dem Adressaten zumindest das Risiko der Bestrafung erkennbar wird (vgl. BVerfGE 41, 314 ≪320≫; 71, 108 ≪114 f.≫; 73, 206 ≪235≫; 85, 69 ≪73≫; 87, 209 ≪223 f.≫; 92, 1 ≪12≫).
2. Diesen Anforderungen wird die Ausgestaltung des § 130 Abs. 4 StGB gerecht.
a) Keinen Zweifeln an der hinreichenden Bestimmtheit gemäß Art. 103 Abs. 2 GG unterliegen die Begriffe der Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft sowie die tatbestandlichen Modalitäten „öffentlich oder in einer Versammlung” und „in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise”. Jedes dieser Tatbestandsmerkmale ist schon von seiner sprachlichen Fassung her hinreichend deutlich und begrenzt, um im Sinne der Anforderungen der Rechtsprechung auslegungsfähig zu sein. Die Frage, wie eng oder weit diese Begriffe im Kontext der Norm auszulegen sind, ist eine Frage ihrer Anwendung. Die Norm selbst ist hinsichtlich dieser Merkmale nicht in einer Weise offen, dass sie die Strafbarkeit insoweit ohne vorgegebenes Maß in die Hände der Strafjustiz legen würde.
b) Auch das Tatbestandsmerkmal der Störung des öffentlichen Friedens ist im Kontext des § 130 Abs. 4 StGB mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar.
aa) Allerdings ist ein Rückgriff des Strafgesetzgebers auf den „öffentlichen Frieden” als Tatbestandsmerkmal nicht aus sich heraus verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Tatsache, dass der öffentliche Friede bei hinreichend begrenztem Verständnis ein geeignetes Schutzgut der Strafgesetzgebung sein kann, besagt noch nicht, dass auf diesen Begriff ohne weiteres auch als Tatbestandsmerkmal zurückgegriffen werden darf. Verstanden als Tatbestandsmerkmal, das eigenständig strafbegründend wirkt, wirft der Begriff des öffentlichen Friedens vielmehr Zweifel hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot auf. Er ist vielfältig offen für unterschiedliche Deutungen, die auf ein schwer zu fassendes subjektives Kollektivgefühl der Unsicherheit abstellen und dabei anfällig sind für ein Verständnis, das der grundlegenden Bedeutung der Freiheitsrechte in der grundgesetzlichen Ordnung nicht hinreichend Rechnung trägt. Insofern lässt sich heute auch nicht mehr bruchlos an entsprechende Regelungstraditionen vor der Zeit des Grundgesetzes anknüpfen. Entsprechend steht die Literatur dem strafrechtlichen Rückgriff auf den öffentlichen Frieden weithin kritisch gegenüber (vgl. Fischer, Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, 1986, S. 630 ff.; Enders/Lange, JZ 2006, S. 105 ≪108≫; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, 2005, S. 90 ff., 282 ff.; Junge, Das Schutzgut des § 130 StGB, 2000, S. 26 ff.). Als allein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal oder als ergänzendes Tatbestandsmerkmal in Straftatbeständen, die nicht schon durch andere Tatbestandsmerkmale grundsätzlich tragfähige und hinreichend begrenzte Konturen erhalten, kann dessen Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG Bedenken ausgesetzt sein.
Demgegenüber bestehen gegen das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Friedens dann keine Bedenken, wenn die vom Gesetzgeber als strafwürdig beurteilte Störung des öffentlichen Friedens durch andere, ihrerseits hinreichend bestimmte Tatbestandsmerkmale konkret umschrieben wird, die bereits für sich die Strafandrohung jedenfalls grundsätzlich zu tragen vermögen. Wird in einem solchen Fall der öffentliche Friede als zusätzliches Tatbestandsmerkmal herangezogen, lässt sich dessen Inhalt aus einem solchen Kontext inhaltlich näher bestimmen. Der öffentliche Friede ist dann als ein Tatbestandsmerkmal zu verstehen, dessen Inhalt sich aus dem jeweiligen Normenzusammenhang je eigens bestimmt. Es hat dabei nur noch die Funktion eines Korrektivs. Grundsätzlich begründet bereits die Verwirklichung der anderen Tatbestandsmerkmale die Strafbarkeit, bei deren Erfüllung auch die Störung des öffentlichen Friedens (beziehungsweise die Eignung hierzu) vermutet werden kann. Eigenständige Bedeutung hat es nur in atypischen Situationen, wenn diese Vermutung aufgrund besonderer Umstände nicht trägt (siehe unten D I 1 b). Bei dem öffentlichen Frieden handelt es sich insoweit nicht um ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern um eine „Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle” (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 130 Rn. 14b). Es ist damit ein Korrektiv, das es insbesondere erlaubt, auch grundrechtlichen Wertungen im Einzelfall Geltung zu verschaffen.
bb) Nach diesen Maßgaben bestehen gegen die Bestimmtheit des § 130 Abs. 4 StGB keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die öffentlich oder in einer Versammlung zum Ausdruck gebrachte Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der historischen nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft durfte der Gesetzgeber schon für sich jedenfalls grundsätzlich als eine strafwürdige und hinreichend bestimmt erfasste Störung des öffentlichen Friedens ansehen. Aus diesem Kontext heraus wird die Störung des öffentlichen Friedens auch als Tatbestandsmerkmal bestimmbar: Sie besteht in einem Absenken der Schwelle der Gewaltbereitschaft und in der bedrohenden Wirkung, die solchen Äußerungen vor dem speziellen Hintergrund der deutschen Geschichte in der Regel zukommt. Eine solche Wirkung kann bei Verwirklichung der weiteren Tatbestandsmerkmale grundsätzlich vermutet werden. Das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Friedens gemäß § 130 Abs. 4 StGB erlaubt es dabei jedoch, atypischen Situationen im Sinne der Meinungsfreiheit Rechnung zu tragen.
D.
Die angegriffene Entscheidung ist auch auf Rechtsanwendungsebene verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung von § 15 Abs. 1 VersG in Verbindung mit § 130 Abs. 4 StGB durch das Bundesverwaltungsgericht ist mit Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar.
I.
1. a) Die Auslegung und Anwendung der Strafgesetze ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Gesetze, die in die Meinungsfreiheit eingreifen, müssen dabei jedoch so interpretiert werden, dass der prinzipielle Gehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich im öffentlichen Leben, führen muss, auf jeden Fall gewahrt bleibt. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪208 f.≫; stRspr).
Die verfassungsrechtlichen Maßgaben zu der Vereinbarkeit des § 130 Abs. 4 StGB mit Art. 5 Abs. 1 GG müssen dementsprechend auch die Auslegung der Norm anleiten. Danach sind die Tatbestandsmerkmale so auszulegen, dass der Strafanspruch allein Beeinträchtigungen des öffentlichen Friedens im dargelegten Verständnis der Friedlichkeit gilt (siehe oben C III 1 b bb).
Für die insoweit maßgebliche Frage, ob die Äußerung einer Meinung allein auf der geistigen Wirkebene bleibt oder die Schwelle zu einer sich abzeichnenden Rechtsgutgefährdung überschreitet, kommt es dabei insbesondere darauf an, ob die Gefahren, die als Folge dieser Meinungsäußerung im Raum stehen, erst als Fernwirkung mit der weiteren freien Überzeugungsbildung drohen oder ob deren Realisierung mit der Äußerung bereits in Gang gesetzt wird. Je mehr die mit der Propagierung einer Ideologie intendierten Wirkungen nur als abstrakte Konsequenz eines Gedankengebäudes erscheinen, desto deutlicher verbleiben sie in der geistigen Sphäre, die grundsätzlich geschützt ist. Je mehr sie hingegen durch die Art der Äußerung konkret und unmittelbar greifbar werden, je mehr sie auf konkrete Personen, Personengruppen oder reale Situationen aktuell bedrohlich bezogen werden, desto eher lassen sie sich der Realsphäre zuordnen. Eine bloß symbolische Präsentation von Überzeugungen, Lehren oder Heilsentwürfen wird dabei eher der geistigen Sphäre zugeordnet werden können, als wenn Rechtsverletzungen etwa in Form historischer Ereignisse konkret und unmittelbar ausgemalt und als wünschenswert in den Raum gestellt werden.
b) Nach diesen Grundsätzen ist für eine Verwirklichung des § 130 Abs. 4 StGB erforderlich, dass die mit dieser Vorschrift erfasste Gutheißung erkennbar gerade auf den Nationalsozialismus als historisch reale Gewalt- und Willkürherrschaft bezogen ist. Verstanden als zusammengehöriger Begriff, der die für das NS-Regime kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2005 – 3 StR 60/05 –, NStZ 2006, S. 335 ≪337≫) und damit geschichtlich reale Willkürakte von verbrecherischer Qualität umschreibt, bezeichnet er Rechtsverletzungen, deren zustimmende Evozierung in der Öffentlichkeit oder einer Versammlung eine potentielle Wiederholbarkeit real werden lässt und die Friedlichkeit der politischen Auseinandersetzung gefährden kann. Demgegenüber reicht für die Erfüllung dieses Tatbestandes nicht jedwede Zustimmung zu Geschehnissen dieser Zeit oder eine Gutheißung allgemein nationalsozialistischen Gedankenguts. So genügt etwa eine falsche Geschichtsinterpretation oder das Bekenntnis zur nationalsozialistischen Ideologie für eine Bestrafung nach § 130 Abs. 4 StGB nicht.
Im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG auszulegen sind auch die Tatbestandsmerkmale der Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung. Dabei ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn hierunter auch eine konkludente, das heißt eine nicht ausdrückliche, aber sich aus den Umständen ergebende Billigung verstanden wird. Allerdings muss sich diese nach außen manifestieren. Erforderlich ist insoweit eine erkennbar aktive Billigung, die ihre Sinnbedeutung in sich selbst trägt (vgl. auch BGHSt 22, 282 ≪286≫). Eine Billigung in Form des – auch geschichtsverfälschend einseitigen – bloßen Unterlassens der Erwähnung von geschehenen Gewalttaten im Zusammenhang mit positiven Bezugnahmen auf Ereignisse der NS-Zeit überschreitet die Schwelle zur enthemmenden Gewaltverherrlichung hingegen grundsätzlich nicht. Demgegenüber kann eine Billigung auch in der glorifizierenden Ehrung einer historischen Person liegen, wenn sich aus den konkreten Umständen ergibt, dass diese als Symbolfigur für die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft als solche steht.
Liegt nach vorstehenden Maßgaben eine Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft vor, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn hieraus die Vermutung abgeleitet wird, dass durch solche Äußerungen auch die Würde der Opfer verletzt wird. Der Gesetzgeber hat § 130 Abs. 4 StGB primär und für sich tragfähig auf den Schutz des öffentlichen Friedens gestützt und dabei das weitere Tatbestandsmerkmal „in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise” als modale Ergänzung eingrenzend angefügt. Hiergegen bestehen verfassungsrechtlich keine Bedenken, unabhängig davon, ob oder wie weit der Schutz der Würde der Opfer immer mit dem Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG zusammenfällt. Auf ein Vorliegen der besonders strengen Voraussetzungen für die Annahme einer Menschenwürdeverletzung kommt es bei der Auslegung des § 130 Abs. 4 StGB folglich nicht an.
Entsprechend kann bei tatbestandlicher Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft grundsätzlich das Vorliegen einer Störung des öffentlichen Friedens vermutet werden. Das Tatbestandsmerkmal der Störung des öffentlichen Friedens dient primär der Erfassung untypischer Situationen, in denen die Vermutung der Friedensstörung aufgrund besonderer Umstände nicht trägt und sich deshalb die Meinungsfreiheit durchsetzen muss (vgl. oben C V 2 b). In Betracht zu ziehen ist dies, wenn im konkreten Fall gewaltanreizende und einschüchternde oder bedrohende Wirkungen ausgeschlossen werden können, etwa weil Äußerungen im Rahmen kleiner geschlossener Versammlungen keine Tiefen- oder Breitenwirkung erreichen, sie beiläufig bleiben oder unter den konkreten Umständen nicht ernst genommen werden können.
2. Für die Auslegung des § 130 Abs. 4 StGB gelten des Weiteren die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allgemein zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG entwickelten Deutungsregeln. Danach ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Maßgeblich ist hierfür der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Urteile, die den Sinn der umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪295 f.≫; stRspr).
II.
Die angegriffene Entscheidung ist nach diesen Maßstäben verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Bundesverwaltungsgericht legt seiner Auslegung des § 130 Abs. 4 StGB ein Verständnis zugrunde, das mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in Einklang steht. Es versteht § 130 Abs. 4 StGB im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG zutreffend dahin, dass nicht schon die Gutheißung von Maßnahmen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus als solche die Erfüllung des Tatbestandes begründet, sondern nur eine solche, die sich gerade auf den Nationalsozialismus als Gewalt- und Willkürherrschaft bezieht, wobei hierunter die systematisch begangenen, schweren Menschenrechtsverletzungen verstanden werden, wie sie historisch wirklich geworden sind. Ausdrücklich führt das Bundesverwaltungsgericht im Blick auf die Meinungsfreiheit aus, dass die positive Bewertung nur von einzelnen Aspekten der damaligen Staats- und Gesellschaftsordnung, bei denen sich kein Bezug zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft und den sie kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen herstellen lässt, den Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB nicht erfüllt.
Nicht zu beanstanden ist auch, wenn das Bundesverwaltungsgericht eine konkludente Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft durch die ostentative Verehrung von Verantwortungsträgern und Symbolfiguren dieses Regimes für möglich hält. Die Entscheidung legt insoweit eine differenzierende, der Meinungsfreiheit Rechnung tragende Auffassung zugrunde, nach der eine solche Billigung nur dann anzunehmen ist, wenn die geehrte Person unter den gegebenen Umständen als Symbolfigur für die Herrschaft des Nationalsozialismus als solche steht, nicht aber schon dann, wenn sich positive oder selbst verharmlosende Äußerungen auf – auch führende – Vertreter des Nationalsozialismus beziehen, die nur der Person gelten. Keinen verfassungsrechtlichen Einwänden unterliegt hierbei auch die Beurteilung, dass die uneingeschränkte Verherrlichung einer Symbolfigur, die für die nationalsozialistische Herrschaft insgesamt steht, sich zugleich als eine Billigung der Gewalt- und Willkürherrschaft darstellt. Eine Billigung, die sich vorbehaltlos auf die Herrschaft des Nationalsozialismus in den Jahren zwischen 1933 und 1945 als Ganze bezieht, wird bei einem unbefangenen Betrachter unweigerlich auch und vor allem als Billigung der diese Zeit kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen verstanden werden.
Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt die hierauf bezogene fachgerichtliche Beurteilung des konkreten Falls, nach der die vom Beschwerdeführer geplante Versammlung zum „Gedenken an Rudolf Heß” eine Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft bedeutet hätte. Das Bundesverwaltungsgericht geht zutreffend von den aus Art. 5 Abs. 1 GG folgenden Deutungsregeln für die Auslegung von Meinungsäußerungen aus und kommt vertretbar zu dem Urteil, dass die rückhaltlose Glorifizierung von Rudolf Heß aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums unter den konkreten Umständen nicht anders als eine uneingeschränkte Billigung der nationalsozialistischen Herrschaft im Ganzen – und damit insbesondere auch der unter ihr verübten Menschenrechtsverletzungen – hätte verstanden werden können. Es stellt hierbei maßgeblich darauf ab, dass Rudolf Heß – ungeachtet von einzelnen Äußerungen, die isoliert betrachtet auch offen für andere Deutungen wären – bei Gesamtwürdigung der geplanten Versammlung als „Stellvertreter des Führers”, wesentlich Mitverantwortlicher für das Geschehen und damit des nationalsozialistischen Regimes als solchen geehrt werden sollte. Angesichts der langjährigen und zeitweilig besonders engen Beziehung zwischen Adolf Hitler und Rudolf Heß, die auch in der äußerst hervorgehobenen Funktion von Rudolf Heß als „Stellvertreter des Führers” in allen Parteiangelegenheiten seinen Ausdruck gefunden hatte, sowie seiner persönlichen Verantwortung für massive Menschenrechtsverletzungen hält sich die Einschätzung, dass sich eine solche Deutung bei der Versammlung in den Vordergrund geschoben hätte, im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
Hieran anknüpfend ist es verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn das Bundesverwaltungsgericht – in Auslegung des § 130 Abs. 4 StGB als einfaches Recht – aus der uneingeschränkten Billigung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems regelhaft eine Verletzung der Würde der Opfer abgeleitet hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob, wie das Bundesverwaltungsgericht annimmt, hiermit stets auch eine Verletzung der Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG verbunden ist.
Auch bestehen gegen die Annahme einer Störung des öffentlichen Friedens durch die geplante Versammlung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte, die zu der Prüfung Anlass hätten geben müssen, ob vorliegend die grundsätzlich in der Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft liegende Störung des öffentlichen Friedens durch besondere Umstände auszuschließen war, sind nicht ersichtlich.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Kirchhof, Masing
Fundstellen
Haufe-Index 2263080 |
BVerfGE 2010, 300 |