Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung einer Schadensersatzklage des Beschwerdeführers gegen seinen Arbeitgeber nach einem Arbeitsunfall. Die Klage hatte aufgrund des in § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geregelten Haftungsausschlusses keinen Erfolg. Der Beschwerdeführer hält diese Vorschrift für verfassungswidrig. Seine unter anderem mit dieser Begründung erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundesarbeitsgericht zurück.
Entscheidungsgründe
II.
Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Allerdings ist die Ansicht des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts, die Frage der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Norm könne von vornherein keinen Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG darstellen, verfassungsrechtlich bedenklich.
a) In der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Auffassung, mit der Verfassungswidrigkeit der Norm könne eine Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht begründet werden, sonst nicht vertreten. So hat ein anderer Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits entschieden, dass die Frage, ob eine Norm verfassungsgemäß ist, eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG sein kann (BAG, Beschluss vom 25. Juli 2006 – 3 AZN 108/06 –, NZA 2007, S. 407). Zu vergleichbaren Rechtsmittelzulassungsvorschriften anderer Verfahrensordnungen finden sich ebenfalls Entscheidungen, in denen die Verfassungswidrigkeit einer Norm als Zulassungsgrund unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung nicht generell ausgeschlossen wird, sondern in denen im jeweiligen Einzelfall geprüft wird, ob die dahingehende Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den gesetzlichen Anforderungen entsprach (vgl. BSG, Beschluss vom 8. Dezember 2008 – B 12 R 38/07 B –, juris; BGH, Beschluss vom 28. April 2004 – IV ZR 144/03 –, VersR 2005, S. 140; BGH, Beschluss vom 26. November 2008 – XII ZB 103/08 –, juris; BFH, Beschluss vom 23. Juni 2005 – IX B 131/04 –, juris; BFH, Beschluss vom 14. März 2006 – IV B 2/05 –, juris; BFH, Beschluss vom 11. September 2007 – VI B 146/05 –, juris; zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Februar 2001 – 2 L 450/00 –, juris, m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18. September 2006 – BVerwG 10 B 55.06 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Juli 2007 – 6 A 1785/05 –, juris; vgl. aus der arbeitsrechtlichen Kommentarliteratur: Müller-Glöge, in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl. 2008, § 72 Rn. 13; Ulrich, in: Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl. 2008, § 72 Rn. 25, § 72a Rn. 56, 58; Koch, in: ErfK, 9. Aufl. 2009, § 72 ArbGG Rn. 6; Bepler, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 72 ArbGG Rn. 10; Klose, in: Beck'scher Online Kommentar, Stand: 1. Dezember 2008, § 72 ArbGG Rn. 7.1, § 72a ArbGG Rn. 11).
b) Den maßgeblichen Normen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 und § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) lässt sich die vom Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts angenommene Einschränkung nicht entnehmen.
Die Frage, ob eine gesetzliche Regelung verfassungswidrig ist, kann nach den Voraussetzungen, die üblicherweise für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung verlangt werden (vgl. BAG, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 6 AZN 648/07 –, NZA 2008, S. 1145 ≪1146≫; stRspr), unter diese Revisionszulassungsvorschriften subsumiert werden. So ist ohne weiteres vorstellbar, dass eine solche Frage entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist.
Problematisch kann allenfalls die Voraussetzung der Klärungsfähigkeit sein. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie in der Revisionsinstanz beantwortet werden kann (vgl. BAG, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 6 AZN 648/07 –, NZA 2008, S. 1145 ≪1146≫), das heißt wenn sich die Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts auf diese Frage erstreckt. Die Klärungsfähigkeit ist daher in den Fällen des § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 65 ArbGG oder dann zu verneinen, wenn es zur Klärung weiterer tatsächlicher Feststellungen bedürfte, die in der Revisionsinstanz nicht mehr in den Rechtsstreit eingeführt werden können (vgl. Müller-Glöge, in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl. 2008, § 72 Rn. 16). Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes kann von den Parteien hingegen durchaus in der Revisionsinstanz geltend gemacht werden. Gegen die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG spricht unter dem Gesichtspunkt der Klärungsfähigkeit auch nicht, dass dem Bundesarbeitsgericht dann, wenn es von der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm ausgeht, die endgültige Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit selbst nicht möglich ist, sondern dass dann eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfolgen muss. Die fehlende Verwerfungsbefugnis des Bundesarbeitsgerichts ändert nichts daran, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes zur Prüfungsbefugnis im Revisionsverfahren gehört (vgl. BAG, Beschluss vom 25. Juli 2006 – 3 AZN 108/06 –, NZA 2007, S. 407).
Im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde kommt eine einschränkende Auslegung der Revisionszulassungsvorschriften schließlich auch nicht deshalb in Betracht, weil der von der Verfassungswidrigkeit einer Norm betroffenen Partei die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde offen steht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird – jedenfalls unter bestimmten Umständen – gerade verlangt, dass vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde die Verfassungswidrigkeit einer Norm im Ausgangsverfahren mit allen dort dafür zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln geltend gemacht wird, soweit der Ausgang des Verfahrens von der Verfassungsmäßigkeit der Norm abhängt. Als eine solche prozessuale Möglichkeit wird auch die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 2007 – 1 BvR 2785/07 –, juris; vgl. auch BVerfGE 112, 50 ≪62≫).
c) Die Gründe des angegriffenen Beschlusses lassen nicht erkennen, warum der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts dennoch meint, mit der Verfassungswidrigkeit einer Norm könne eine Nichtzulassungsbeschwerde generell nicht begründet werden. Die knappen Ausführungen des Beschlusses an dieser Stelle könnten den Eindruck erwecken, es fehle schon deshalb an einer ausreichenden Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 3 ArbGG, weil der Beschwerdeführer die Zulassung der Revision mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII losgelöst von den gesetzlichen Zulassungsgründen des § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG habe erreichen wollen. Dies war jedoch nicht der Fall. Aus der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich, dass aus Sicht des Beschwerdeführers die Zulassung der Revision mit dem Ziel einer verfassungsrechtlichen Überprüfung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII „nach Maßgabe des § 72a Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG” erfolgen sollte. Möglicherweise hätte die Begründung den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift nicht genügt. Auf einen solchen Begründungsmangel im Detail hat das Bundesarbeitsgericht die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt. Die in der angegriffenen Entscheidung vertretene Auffassung ist daher einfachrechtlich nicht nachvollziehbar.
d) Die Auffassung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts ist zugleich verfassungsrechtlich bedenklich. Die Gerichte dürfen im Hinblick auf das Grundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verfahrensrechtliche Regelungen nicht so auslegen und anwenden, dass den Parteien der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eröffneten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫; 88, 118 ≪125≫; BVerfGK 4, 87 ≪90 f.≫). Das Bundesarbeitsgericht hat dem Beschwerdeführer im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ohne nähere Sachprüfung die Möglichkeit versperrt, die Zulassung der Revision nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Norm zu erreichen. Darin dürfte eine unzumutbare, mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz unvereinbare Erschwerung des Zugangs zur Revisionsinstanz liegen.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist dennoch nicht angezeigt. Der Beschwerdeführer hat eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zum Gegenstand einer mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rüge gemacht. Seine Kritik an der Auffassung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts hat er lediglich im Rahmen seiner Schilderung des „Sachverhalts” zum Ausdruck gebracht. In den Ausführungen zum „Rechtlichen” wird die Begründung einer Verletzung von Verfassungsrechten nicht auf diese Kritik gestützt, und dementsprechend findet sich ein derartiges Begehren auch nicht in dem Antrag, den der Beschwerdeführer in der Einleitung der Verfassungsbeschwerde formuliert hat. Überdies hat sich die Kammer aufgrund der Verfassungsbeschwerde mit seinen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII befasst und sie nicht für durchgreifend erachtet. Die Gründe, die das Bundesverfassungsgericht hierfür in früheren Entscheidungen angeführt hat (vgl. BVerfGE 34, 118 ≪129 ff.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 1995 – 1 BvR 753/94 –, AP RVO § 636 Nr. 21), sind nach wie vor tragfähig. Eine Aufhebung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts zur Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Ziel, deren auf die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Norm gestützte Begründung unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung erneut zu überprüfen, könnte dem Beschwerdeführer daher keinen die Annahme der Verfassungsbeschwerde nahe legenden Vorteil mehr bringen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen