Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalvertretungsrecht: Mitbestimmung bei Bestellung von Sicherheitsbeauftragten an einer Hochschule
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten gemäß § 719 RVO unterliegt grundsätzlich der Mitbestimmung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG - juris: PersVG BW - (= § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG).
2. Ausgenommen ist die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten für Lehrveranstaltungen der Hochschule gemäß § 719 Abs. 1 Sätze 1 und 4, § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. d) RVO.
Verfahrensgang
Gründe
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Frage, ob dem Personalrat bei der Bestellung von Sicherheitsbeauftragten im Sinne von § 719 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Mitbestimmungsrecht zusteht und ob dieses gegebenenfalls auch gilt, wenn Sicherheitsbeauftragte ausschließlich für Lehrveranstaltungen einer Universität bestellt werden.
Der beteiligte Rektor der Universität F. teilte dem antragstellenden Personalrat durch Schreiben vom 7. März 1990 mit, er beabsichtigte für vier näher gekennzeichnete Zuständigkeitsbereiche Sicherheitsbeauftragte nach § 719 RVO zu bestellen. Unter ihnen war der Akademische Rat Dr. G. beim Institut für Organische Chemie, der als einziger für eine Lehrveranstaltung, das „Chemische Praktikum für Mediziner”, bestellt werden sollte. In drei Fällen, darunter dem des Dr. G., lehnte der Antragsteller die Bestellung „vorsorglich” ab, weil es an Angaben zum Unterstellungsverhältnis fehle. Vom Beteiligten auf die betreffenden Institutsordnungen verwiesen, erklärte der Antragsteller erläuternd: Er benötige für das Beteiligungsverfahren Informationen, ob die genannten Beschäftigten in eigener (Teil-)Verantwortung leitende Aufgaben eines Vorgesetzten wahrzunehmen hätten; derartige Personen dürften nämlich nach den dafür maßgeblichen Vorschriften nicht zu Sicherheitsbeauftragten bestellt werden. Gleichwohl bestellte der Beteiligte durch Verfügungen vom 4. April 1990 die vier genannten Personen. Dem Antragsteller teilte er anschließend mit, daß die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten einer Zustimmung des Personalrats nicht bedürfe. Im übrigen sei bekannt, daß die Verantwortlichkeiten des Arbeitgebers für den Arbeits- und Unfallschutz den Leitern der Universitätseinrichtungen oblägen; bei den bestellten Personen hingegen handele es sich offenkundig nicht um Professoren mit Leitungsfunktion.
Daraufhin hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt festzustellen, daß der beteiligte Rektor bei der Bestellung der drei von ihm abgelehnten Beschäftigten das Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungsrecht des Antragstellers verletzt habe. Ihm stehe bei der nach § 719 Abs. 1 Satz 1 RVO vorgeschriebenen Bestellung von Sicherheitsbeauftragten ein Mitbestimmungsrecht zu, das sich aus § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG ergebe und von der Dienststelle nicht beachtet worden sei. Bei der Bestellung handele es sich im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes um eine „Maßnahme zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und sonstigen Gesundheitsschädigungen”. Soweit in § 719 Abs. 1 Satz 2 RVO für diese Fälle eine „Mitwirkung” vorgesehen sei, schließe dies eine nach personalvertretungsrechtlichen Vorschriften vorgesehene Mitbestimmung nicht aus.
Der Beteiligte ist dem Begehren des Antragstellers entgegengetreten. Er hat nicht in Abrede gestellt, daß dem Antragsteller ein Mitwirkungsrecht nach § 719 Abs. 1 Satz 2 RVO zustehe. Dem sei aber dadurch Rechnung getragen worden, daß der Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung erhalten habe. Hingegen unterliege die Bestellung der Sicherheitsbeauftragten nicht der Mitbestimmung und bedürfe daher auch nicht der Zustimmung des Antragstellers.
Das Verwaltungsgericht hat von einem Mitbestimmungsrecht nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG ausgehend dem Antrag stattgegeben und festgestellt, daß der Beteiligte in allen drei Fällen das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat.
Hiergegen hat der Beteiligte nur insoweit Beschwerde erhoben, als die erstinstanzliche Feststellung die Bestellung des Dr. G. betraf. Er hat beantragt, den Beschluß des Verwaltungsgerichts teilweise zu ändern und den Antrag des Antragstellers insoweit abzuweisen, als die Feststellung begehrt werde, er, der Beteiligte, habe bei der im April 1990 erfolgten Bestellung des Sicherheitsbeauftragten für den Bereich „Chemisches Praktikum für Mediziner” das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Beim Institut für Organische Chemie sei eine Abteilung für die Ausbildung der Mediziner mit einem eigenen Labor für das Chemische Praktikum eingerichtet, in dem sich ausschließlich studentische Arbeitsplätze befänden. Die Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten für diesen Bereich lägen daher ausschließlich beim Unfallschutz der an dem Praktikum teilnehmenden Studenten. Mit der Bestellung werde § 539 Abs. 1 Nr. 14 d RVO Rechnung getragen, wonach Studierende während der Ausbildung an Hochschulen in der gesetzlichen Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall versichert seien. Ein Sicherheitsbeauftragter erfülle u.a. auch Lehraufgaben, da in dem Praktikum die Vermittlung von Grundkenntnissen über den Unfallschutz unerläßlich sei.
Der Antragsteller ist der Beschwerde mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, daß im Zusammenhang mit dem Praktikum nicht nur die teilnehmenden Studenten gefährdet werden könnten, sondern darüber hinaus auch andere Beschäftigte der Universität. Dies sei jedenfalls nicht gänzlich auszuschließen. Beispielsweise hätten Hausmeister und Reinigungskräfte potentiell Zugang zu den Einrichtungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat der Beschwerde durch den angefochtenen Beschluß vom 8. September 1992 mit der Begründung stattgegeben, die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten nach § 719 RVO diene zwar den in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG genannten Zwecken; jedoch gehöre der Akt der Bestellung nicht zu den „Maßnahmen” im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes. Den zu bestellenden Beschäftigten würden die in § 719 Abs. 2 RVO beschriebenen Aufgaben zur hauptamtlichen oder nebenamtlichen Wahrnehmung übertragen. Demnach handele es sich um eine personelle Maßnahme. Derartige Maßnahmen aber würden personalvertretungsrechtlich in besonderen Mitbestimmungstatbeständen geregelt, wie dies z.B. hinsichtlich der Bestellung von Vertrauens- und Betriebsärzten in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 3 Nr. 1 BaWüPersVG geschehen sei. Sie fielen daher nicht unter § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG. Soweit Beamte betroffen seien, dürfe deren Bestellung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht der uneingeschränkten Mitbestimmung unterworfen werden, wie sie in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG allein vorgesehen sei. Ein Mitbestimmungsrecht ergebe sich auch nicht unmittelbar aus § 719 Abs. 1 Satz 2 RVO, zumal da der Bundesgesetzgeber nicht befugt sei, den Ländern den Umfang der Mitbestimmung der Personalvertretung in personellen Angelegenheiten der Beschäftigten im einzelnen vorzuschreiben. Die Art der nicht als personalvertretungsrechtliche Mitbestimmung zu verstehenden „Mitwirkung” gemäß § 719 Abs. 1 Satz 2 RVO sei für sich betrachtet nicht Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde. Mit ihr rügt der Antragsteller eine unrichtige Anwendung des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG, des § 719 Abs. 1 RVO und des § 33 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung des Landes Baden-Württemberg – AVV – vom 15. Dezember 1983, GABl 1984 S. 72 und beantragt, den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. September 1992 aufzuheben und die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. Juni 1991 zurückzuweisen.
Zur Begründung macht der Antragsteller geltend: Die Einrichtung der Funktion des Sicherheitsbeauftragten sei eine organisatorische Maßnahme, die zwar durch eine Person ausgeübt werde, jedoch in erster Linie den Sachzweck zu erfüllen habe. Als organisatorische Maßnahme sei sie § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG zuzuordnen. Eine Ausklammerung der Bestellung von Sicherheitsbeauftragten aus der Mitbestimmung sei auch nicht mit § 33 Abs. 1 der genannten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu vereinbaren. Die landesrechtliche Verwaltungsvorschrift verweise auf § 719 RVO. Damit sei diese Vorschrift in das Landesrecht übernommen worden. Trotz seines Wortlauts sei § 719 Abs. 1 Satz 2 RVO in dem Sinne auszulegen, daß die Bestellung der Mitbestimmung des Personalrats unterliege. Jedenfalls aber müsse „Mitwirkung” im Sinne dieser Vorschrift doch dahin verstanden werden, daß eine mit dem Ziel der Verständigung durchzuführende Beratung durchzuführen sei. Dem habe die bloße Benachrichtigung durch den Beteiligten nicht Rechnung getragen.
Der Beteiligte verteidigt den angefochtenen Beschluß. Er führt aus, die Mitbestimmung in Personalangelegenheiten werde ausschließlich in den §§ 75 bis 77 BaWüPersVG geregelt. Die aus dem allgemeinen Arbeitsschutz herausgehobene Bestellung von Vertrauens- und Betriebsärzten (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 3 Nr. 1 BaWüPersVG) nehme insoweit eine Sonderstellung ein. Die Ausnahme lasse sich auf die Sicherheitsbeauftragten nicht übertragen. Außerdem sei der Streitgegenstand seit der Beschwerde auf einen Fall beschränkt worden, in dem die Funktion des Sicherheitsbeauftragten unauflösbar mit der Lehraufgabe verbunden sei. Hier stehe auch die Lehrfreiheit einem Mitbestimmungsrecht entgegen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß dem Antragsteller ein Recht auf Mitbestimmung an der Bestellung des Akademischen Rates Dr. G. zum Sicherheitsbeauftragten des Chemischen Praktikums für Mediziner nicht zugestanden hat.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig; insbesondere fehlt es infolge der bereits durchgeführten Bestellung nicht am Rechtsschutzbedürfnis und am Feststellungsinteresse. Die Bestellung eines bereits eingestellten Beschäftigten (hier: eines in der Lehre tätigen Akademischen Beamten) zum Sicherheitsbeauftragten gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 14 d, § 719 Abs. 1 RVO vermittelt für den Bestellten keine subjektiven Rechte oder Pflichten, die nicht abgeändert oder rückgängig gemacht werden könnten. Würde nachträglich die Verletzung eines Mitbestimmungsrechts festgestellt, so hätte daher der Beteiligte entweder kraft einer objektiv-rechtlichen Verpflichtung die Bestellung rückgängig zu machen oder aber das nachzuholende Mitbestimmungsverfahren unverzüglich einzuleiten. Die nachträgliche Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens könnte der Antragsteller notfalls auch in einem Beschlußverfahren durchsetzen (vgl. Beschluß vom 20. Januar 1993 - BVerwG 6 P 18.90 - PersR 1993, 307 = ZTR 1993, 385; vgl. jetzt auch Hantl-Unthan, Einzelvertragliche Rechtsfolgen der kollektivrechtswidrig durchgeführten Arbeitnehmer-Einstellung im öffentlichen Dienst, 1993, S. 257 - 278). Unter diesen Voraussetzungen läßt sich nicht annehmen, daß durch die vollzogene Bestellung das Rechtsschutzbedürfnis oder das Feststellungsinteresse des Antragstellers entfallen wären.
2. Der angefochtene Beschluß beruht auf der Rechtsauffassung, die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten nach § 719 RVO diene zwar den in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG genannten Zwecken; jedoch gehöre der Akt der Bestellung wegen seines personalen Charakters nicht zu den „Maßnahmen” im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes. Soweit das Beschwerdegericht damit die Mitbestimmungspflichtigkeit der Bestellung von Sicherheitsbeauftragten generell verneint, ist seine Auslegung des Gesetzes unzutreffend.
a) Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG hat der Personalrat bei Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und sonstigen Gesundheitsschädigungen mitzubestimmen. Ihm wird damit die – erforderlichenfalls korrigierende – Einflußnahme auf Vorkehrungen des gesundheitlichen Arbeitsschutzes eingeräumt. Dies geschieht, damit er den Belangen der Beschäftigten auch dort Geltung verschaffen kann, wo innerhalb der Dienststelle oder des Betriebes Gefährdungen ihrer gesundheitlichen Unversehrtheit begegnet werden muß oder soll, welche sich weder durch die räumlichen und zeitlichen Bedingungen der Arbeitsleistung noch durch die Regelung des Arbeitsablaufs verhindern lassen. Voraussetzung für die Mitbestimmungsbefugnis des Personalrats ist nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift, daß die beabsichtigte Maßnahme „zur Verhütung” der genannten Gefährdung ergriffen werden soll, d.h. daß sie darauf abzielt, das Risiko von Gesundheitsschädigungen oder Unfällen innerhalb der Dienststelle oder des Betriebes zu mindern oder einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Damit unterliegen Maßnahmen eines Dienststellenleiters, die in erster Linie andere Zwecke verfolgen und sich nur mittelbar auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten auswirken, nicht dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Der Mitbestimmungstatbestand umfaßt nur Arbeitsschutzmaßnahmen, die nach gesetzlicher Vorschrift oder aus freiem Entschluß des Dienststellenleiters ergriffen werden sollen, um die Beschäftigten allgemein zu schützen oder vor konkreten Gefahren zu bewahren, welche die Tätigkeit auf bestimmten Arbeitsplätzen mit sich bringt (vgl. BVerwGE 74, 28 (30); Beschluß vom 23. Januar 1986 - BVerwG 6 P 8.83 - Buchholz 238.35 § 61 Nr. 3; Beschluß vom 25. August 1986 - BVerwG 6 P 16.84 - 238.3A § 75 BPersVG Nr. 46).
b) Mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, daß die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten eine Arbeitsschutzmaßnahme darstellt, mit der diese spezifischen Zwecke verfolgt werden. Das ergibt sich ohne weiteres aus den in § 719 Abs. 2 RVO genannten und oben schon näher beschriebenen Aufgaben, die mit der Bestellung auf den Sicherheitsbeauftragten übertragen werden. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht jedoch gemeint, der Akt der Bestellung gehöre nicht zu den „Maßnahmen” im Sinne von § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG. Daß bei der Bestellung eine personelle Auswahlentscheidung getroffen wird, steht dem nicht entgegen.
aa) Der Wortlaut des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG gibt für eine im Sinne des Beschwerdegerichts einengende Auslegung, die an diesen personalen Bezug anknüpfen könnte, nichts her. Personelle Einzelmaßnahmen sollen zwar nach einer im Betriebsverfassungsrecht überwiegend vertretenen Auffassung nicht zu den Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zählen (vgl. BAG Beschluß vom 10. April 1979 - 1 ABR 34/77 - BB 1979, 1713 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit = BAGE 31, 356; vgl. auch BAGE 58, 69 (86)). Diese Auffassung knüpft jedoch an den im Betriebsverfassungsgesetz gewählten Begriff „Regelungen” und dessen Gegensatz zu „Einzelmaßnahmen” an. Der in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG verwendete Begriff „Maßnahmen” hingegen hat nach allgemeinem Sprachgebrauch einen weiteren Inhalt und umfaßt z.B. auch die Anlage, Änderung, Ingangsetzung oder Außerbetriebnahme technischer Vorrichtungen sowie organisatorische und personelle Entscheidungen (vgl. zu § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG Glaubitz, BB 1977, 1403 (1405)). Daher wird in der personalvertretungsrechtlichen Literatur auch ganz überwiegend und zu Recht die Auffassung vertreten, daß die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten oder Fachkräften für Arbeitssicherheit unter den Wortlaut der Vorschrift falle (vgl. zu § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG: Rooschüz/Killinger/Schwarz, BaWüPersVG, 9. Aufl., § 79 Rnr. 10; zu § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG: Fischer/Goeres in Fürst GKÖD Bd. V K § 75 Rdnr. 101; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 75 Rdnr. 157; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 75 Rdnr. 175; Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Aufl., § 75 Rdnr. 62; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 75 Rdnr. 425; Coulin PersR 1989, 65; zu § 85 Abs. 1 Nr. 7 BlnPersVG: Ilbertz, BlnPersVG, 2. Aufl., § 85 Rdnr. 42; Germelmann, BlnPersVG, § 85 Rdnr. 98; a.M.: Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPersVG, Art. 75 Rdnr. 623).
bb) Der personale Bezug nimmt der Bestellung des Sicherheitsbeauftragten entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch nicht die Bedeutung als sonstige – vorwiegend soziale – Angelegenheit. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Personalangelegenheit im Sinne von § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BaWüPersVG. Es geht bei der Bestellung im wesentlichen nicht um eine auf das einzelne Beamten- oder Beschäftigungsverhältnis bezogene Maßnahme. Eine Übertragung und Begründung von subjektiven Rechten und Pflichten des einzelnen Beschäftigten oder eine sonstige Änderung seiner dienstrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Rechtsstellung solchen Gewichts, wie sie für Personalangelegenheiten im personalvertretungsrechtlichen Sinne kennzeichnend sind (vgl. § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG), ist nicht unmittelbarer Inhalt der Bestellung, steht auch nicht im Vordergrund der von ihr ausgelösten Rechtswirkungen. Hierzu ist im einzelnen zu bemerken:
Der Sicherheitsbeauftragte hat nach § 719 Abs. 2 RVO – in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Betriebs- bzw. Dienststellenleitung und dem Betriebs- bzw. Personalrat (vgl. Ausschußbericht BT-Drucks. IV/938 neu, S. 21) – den Arbeitgeber zwar von sich aus zu beraten, ihm Hinweise und Empfehlungen zu geben, er hat Kontrollen durchzuführen, seine Beobachtungen zu melden und seine Arbeitskollegen auf Unfallgefahren aufmerksam zu machen, sie zu beraten und aufzuklären. Dem Arbeitgeber gegenüber sind seine Vorschläge und Anregungen aber nicht verbindlich. Ihm selbst werden allein aufgrund der Bestellung auch keine konkreten Pflichten übertragen. Insbesondere gehen die öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers zur Unfallverhütung wie auch die straf- und zivilrechtliche Verantwortung weder ganz noch auch nur teilweise auf ihn über; er ist nur Helfer des Arbeitgebers ohne gesetzlichen Anspruch auf eine besondere Vergütung. Gegenüber seinen Arbeitskollegen hat er allein aufgrund seiner gesetzlichen Stellung als Sicherheitsbeauftragter noch keinerlei Weisungsbefugnis; für seine Aufgabe, das Sicherheitsbewußtsein der Arbeitnehmer zu stärken (vgl. Ausschußbericht BT-Drucks. IV/938 neu, S. 21), ist er nur auf seine Überzeugungskraft im persönlichen Gespräch und auf den persönlichen Zugang zu den Kollegen vor Ort angewiesen (vgl. zu allem auch Ausschußbericht BT- Drucks. IV/938 neu, S. 23; BSGE 37, 262 (265); Fitting/Auffarth/ Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 89 Rdnr. 25; Brock, HzS Gruppe 4, Erläuterungen Rdnr. 963 ff.; Ricke in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 719 RVO 11 Rdnr. 2; Gotzen/Doetsch, Kommentar zur Unfallversicherung, Anm. zu § 719 RVO S. 240; Ilgenfritz, BB 1964, 263). Nicht bei den weitgehend unverbindlichen Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis des betroffenen Beschäftigten liegt also das Schwergewicht der Entscheidung über die Bestellung, sondern es sind der soziale Bezug der Aufgabe zu den übrigen Beschäftigten und deren allgemeines Schutzinteresse, welche die Maßnahme als solche und auch die ihr innewohnende personelle Auswahlentscheidung maßgeblich prägen. Der Sicherheitsbeauftragte ist daher weder mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit zu vergleichen, weil dieser Unternehmerfunktionen übertragen sind, noch machen derartige Fachkräfte die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten wegen ihrer nur ergänzenden Funktion entbehrlich; beide Funktionen können oder sollen jedenfalls mit Rücksicht auf die Zielsetzungen des Gesetzes nicht zusammenfallen (vgl. Brock a.a.O. Rdnr. 962; Ricke a.a.O. § 719 RVO 11 Rdnr. 4; Ilgenfritz a.a.O.). Im übrigen kann grundsätzlich jeder Betriebs- bzw. Dienststellenangehörige zum Sicherheitsbeauftragten bestellt werden.
Die sozialen Belange treten bei der Bestellung des Sicherheitsbeauftragten wegen der gleichzeitig geringeren Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis auch deutlicher in den Vordergrund, als dies bei der Bestellung von Betriebsärzten der Fall ist. Daher kann nicht etwa vom Fehlen einer Sonderregelung, wie sie für die Bestellung von Vertrauens- und Betriebsärzten als Angestellte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BaWüPersVG) oder als Beamte (§ 79 Abs. 3 Nr. 1 BaWüPersVG) vorgesehen ist, auf einen Ausschluß der Mitbestimmung bei der Bestellung der Sicherheitsbeauftragten geschlossen werden. Die Bestellung solcher Ärzte „als Angestellte” bzw. „als Beamte” betrifft regelmäßig das Beschäftigungsverhältnis in seiner Gesamtheit; sie ist auch mit der Übertragung von unteilbaren Verantwortlichkeiten verbunden. Trotz des ebenfalls weitgehend sozialen Charakters (vgl. Rooschüz/Killinger/Schwarz a.a.O. Rdnr. 9) handelt es sich daher bei dieser anderen Art von Maßnahme gleichgewichtig auch um eine Personalmaßnahme. Dieser Doppelcharakter ist es, der die Sonderregelung für die Bestellung von Betriebs- und Vertrauensärzten rechtfertigt. Er ist es auch, der die Aufteilung in zwei Regelungen für Beamte und Angestellte erforderlich macht, um eine Harmonisierung mit den für Angestellte und Beamte unterschiedlichen Formen der Mitbestimmung bei der regelmäßig mit der Bestellung einhergehenden personellen Maßnahme (z.B. in der Form der Einstellung, Versetzung oder Umsetzung) zu ermöglichen. Für die Übertragung der Funktion des Sicherheitsbeauftragten, die eher derjenigen eines Obmannes ähnelt, erübrigt sich dies hingegen. Zwischen den beiden Bestellungsakten bestehen also grundlegende sachliche Unterschiede. Auch ist nicht anzunehmen, daß ausgerechnet die weniger bedeutsame Bestellung der Sicherheitsbeauftragten im Gegensatz zu der mit der Übertragung von Verantwortung verbundenen Bestellung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit gänzlich mitbestimmungsfrei sein sollte.
Im übrigen ist die Unterscheidung für sich allein gesehen wenig aussagekräftig. Eine derart strenge Trennung zwischen personellen, innerbetrieblichen und sozialen Angelegenheiten, wie sie der Beschwerdeentscheidung zugrunde liegt, erscheint daher nicht angebracht. Denn auch der Gesetzgeber hat auf eine sachliche Zuordnung der in § 79 BaWüPersVG aufgeführten, von ihm lediglich als „sonstige” bezeichneten Maßnahmen verzichtet. Nicht zuletzt dadurch hat er deutlich gemacht, daß er einer solchen Zuordnung für die Abgrenzung der einzelnen Mitbestimmungstatbestände keine ausschlaggebende Bedeutung beimißt (vgl. zum Bundespersonalvertretungsgesetz auch Fischer/Goeres a.a.O. K § 75 Rdnr. 7; Lorenzen/Haas/Schmitt a.a.O. § 75 Rdnr. 1 c).
cc) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts lassen sich Bedenken gegen eine Mitbestimmung bei der Bestellung der Sicherheitsbeauftragten auch nicht aus dem Demokratieprinzip, dem Rechtsstaatsprinzip, dem Grundsatz der Gewaltenteilung oder aus § 104 BPersVG herleiten. Zwar trifft es zu, daß Entscheidungen, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, insbesondere Entscheidungen in personellen Angelegenheiten von Beamten, nicht den Stellen entzogen werden dürfen, die der Volksvertretung verantwortlich sind. Dies gilt jedoch, soweit die personellen Angelegenheiten der Beamten angesprochen sind, nur für deren echte Personalangelegenheiten. Hierzu zählen jedenfalls die Entscheidungen über Einstellung, Beförderung, Versetzung und sonstige personelle Angelegenheiten der Beamten (BVerfGE 9, 268, 282). Die Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten hat hingegen nicht das politische Gewicht wie die vorstehend dargestellten personellen Angelegenheiten, da sie den personellen Status des Betreffenden als Beamter nicht berührt. Wollte man darüber hinausgehend jeden personalen Bezug ausreichen lassen, um eine Maßnahme der alleinigen Regierungsverantwortung vorzubehalten, so müßte die volle Mitbestimmung, die zur Letztentscheidung der Einigungsstelle führt, in den meisten Fällen entfallen. Denn im weitesten Sinne handelt es sich bei allen Mitbestimmungstatbeständen des § 79 BaWüPersVG auch um personalbezogene Angelegenheiten; gerade dieser Bezug ist es schließlich, der die Beteiligung der Personalvertretung in den dort geregelten Fällen überhaupt erst rechtfertigt (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt a.a.O. § 75 Rdnr. 1 c). Für die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten kommt noch hinzu, daß sie – wie dargelegt – zu keiner Übertragung von Verantwortlichkeiten auf den zu bestellenden Beschäftigten führt. Dann aber kann eine Mitbestimmung bei der Bestellung auch nicht daran scheitern, daß Verantwortlichkeiten der Verwaltung gegenüber der Volksvertretung zu wahren sind.
dd) Das Mitbestimmungsrecht aus § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG wird schließlich nicht durch die Regelung in § 83 BaWüPersVG ausgeschlossen. In der letztgenannten Vorschrift werden lediglich Beteiligungsrechte des Personalrats im Rahmen des Arbeitsschutzes festgelegt, welche die Mitbestimmungsrechte des Personalrats ergänzen (vgl. zum BPersVG: Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider a.a.O., § 81 Rdnr. 3; Lorenzen/Haas/Schmitt a.a.O. § 81 Rdnr. 5, 3. Spiegelstrich). Das wird schon daran deutlich, daß beide Regelungen nicht an materiell unterschiedliche Arbeitsschutzmaßnahmen anknüpfen. Lediglich die Beteiligungsformen und die Einbeziehung von Einrichtungen außerhalb der Dienststelle sind in § 83 BaWüPersVG gesondert geregelt.
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als zutreffend. Im vorliegenden Falle stand dem Antragsteller weder ein Recht zur Mitbestimmung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BaWüPersVG noch aus § 719 RVO ein Mitwirkungsrecht im Sinne von § 72 BaWüPersVG zu, weil es ausschließlich um die Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten für eine Lehrveranstaltung der Hochschule ging, die gemäß § 719 Abs. 1 Sätze 1 und 4, § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. d) RVO zu erfolgen hatte. Wenn neben derjenigen der Lehrpersonen ausschließlich die Sicherheit der studentischen Teilnehmer einer Lehrveranstaltung zu gewährleisten ist, fehlt es an einer Zuständigkeit des Personalrats für jede Form der Beteiligung an der Bestellung des Sicherheitsbeauftragten. Der Personalrat ist allein für die Wahrung der Belange der von ihm vertretenen Beschäftigten zuständig. Zu ihnen gehören die Studenten nicht.
Auch § 719 RVO führt insoweit nicht zu einer Zuständigkeitserweiterung der Personalräte. In § 719 Abs. 1 Satz 4 RVO werden die Studenten lediglich zu Berechnungszwecken den Beschäftigten fiktiv gleichgestellt. Zur Wahrung ihrer Interessen im Rahmen der Bestellung von Sicherheitsbeauftragten bedürfte es daher – wie bei den in § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. a und b RVO erwähnten Kindern und Schülern – einer eigenständigen Mitwirkungsregelung. Auf sie hat der Gesetzgeber bewußt verzichtet. Das ergibt sich aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens. Dort wird zwar nur für den schulischen Bereich die Möglichkeit der Mitwirkung der Schülermitverwaltung oder der Elternvertretung bei der Bestellung der Sicherheitsbeauftragten angesprochen, die „nicht an dieser Stelle zu regeln” sei. Für den Regelungsverzicht bei Sicherheitsbeauftragten der Lehrveranstaltungen für Studenten kann aber der Sache nach nichts anderes gelten. Auch insoweit ist anzunehmen, daß die Regelungen der Reichsversicherungsordnung es zwar nicht ausschließen wollten, auch Studenten als Sicherheitsbeauftragte zu bestellen und sie, wenn es ausschließlich oder in allererster Linie um ihre Sicherheit geht, auch an der Bestellung zu beteiligen. Vorschreiben konnte und wollte dies jedoch der Bundesgesetzgeber nicht (vgl. BT-Drucks. VI/1333 S. 5 zu § 1 Nr. 4).
Das Vorbringen der Rechtsbeschwerde rechtfertigt im vorliegenden Falle keine andere Würdigung. Von der allein noch strittigen Bestellung des Dr. G. zum Sicherheitsbeauftragten für das „Chemische Praktikum für Mediziner” war in allererster Linie die Sicherheit der studentischen Teilnehmer an der Lehrveranstaltung betroffen. Zwar ist denkbar, daß in Extremfällen von einem Unfall auch Personen betroffen sein könnten, die nicht zu den Teilnehmern der Lehrveranstaltung gehören. Diese bloße Möglichkeit kann jedoch die Zuständigkeit des Personalrats für Sicherheitsangelegenheiten der Lehrveranstaltung nicht begründen. Außenstehende zählen nicht zum Kreis der Ansprechpartner des allein für die Lehrveranstaltung bestellten Sicherheitsbeauftragten. Dafür, daß – abgesehen vom verantwortlichen Leiter – sonstige Bedienstete der Universität auch als Mitwirkende der Veranstaltung betroffen sein könnten, fehlt es an tatsächlichen Feststellungen. Insofern hat auch die Rechtsbeschwerde keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht. Jedenfalls aber bezweckt die Bestellung des Sicherheitsbeauftragten gemäß § 719 Abs. 1 Sätze 1 und 4, § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. d) RVO in allererster Linie den Schutz der auszubildenden Studenten. Sollten im Praktikum einige wenige Assistenten als Helfer des Übungsleiters und Sicherheitsbeauftragten zum Einsatz kommen, so wäre deren Schutz allenfalls mittelbar betroffen.
Fundstellen
Haufe-Index 60565 |
Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG, Nr 16 (S,LT) |
NVwZ-RR 1995, 94 (L) |
Quelle 1995, Nr 2, 27 (S) |
ZBR 1994, 387 (L) |
ZBR 1995, 57 (L) |
ZTR 1994, 522 (L) |
AP § 719 RVO (LT), Nr 1 |
AP § 75 BPersVG (L), Nr 55 |
AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit (L), Nr 5 |
AP § 99 BetrVG 1972 (L), Nr 114 |
AP, 0 |
DÖV 1995, 696 (L) |
DokBer B 1994, 244 (L) |
PersR 1994, 466-469 (LT) |
PersV 1995, 30-34 (LT) |
ZfPR 1994, 148-152 (LT) |