Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinderbezogener Anteil des Ortszuschlags
Leitsatz (redaktionell)
Ist Kindergeld bewilligt worden, so ist dies für den Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags maßgebend.
Normenkette
BBesG § 40 Abs. 3
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Entscheidung vom 15.11.1991; Aktenzeichen 15 K 1005/91) |
Tatbestand
Der Kläger, ein Ruhestandsbeamter, begehrt die Zahlung des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlags seiner Bezüge bzw. Versorgungsbezüge für seinen Sohn H. für den Zeitraum vom 1. April 1978 bis 31. Mai 1984 (Unterschiedsbetrag).
Der Kläger wurde mit Wirkung vom 31. Oktober 1978 in den Ruhestand versetzt. Bis Juli 1977 erhielt er für seine beiden Söhne Kindergeld und den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags. Der Beklagte stellte ab 1. August 1977 die Zahlung des Kindergeldes und des entsprechenden Teils des Ortszuschlags für den 1958 geborenen Sohn H. ein. Dieser leistete ab dem 1. Juli 1977 seinen Grundwehrdienst ab; am 4. Januar 1978 verpflichtete er sich zum Dienst als Soldat auf Zeit und wurde ab 1. April 1978 für ein Studium der Medizin beurlaubt. Während dieser Zeit erhielt er Ausbildungsgeld nach dem Soldatengesetz in Höhe von mehr als DM 750,-- pro Monat. Nachdem er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden war, wurde er mit Wirkung vom 21. Mai 1984 aus der Bundeswehr entlassen und von ihm Ausbildungsgeld in Höhe von DM 148 290,13 zurückgefordert.
Unter dem 23. Mai 1984 beantragte der Kläger nachträglich die Gewährung von Kindergeld und des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlags seit Einstellung der Zahlungen bezüglich seines Sohnes H. Diesen Antrag wies der Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 1986 zurück. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies der Beklagte im Hinblick auf die beantragten Kindergeldzahlungen zurück; im übrigen wurde der Widerspruch zunächst nicht beschieden.
Der Klage auf Zahlung des Kindergeldes gab das Landessozialgericht mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 9. Oktober 1990 statt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Über einen materiellen Anspruch des Klägers auf das streitige Kindergeld brauche das Gericht nicht zu entscheiden, da er bereits aus förmlichen Gründen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld habe. Der Beklagte habe es unterlassen, dem Kläger den Kindergeldanspruch vor Einstellung der Kindergeldzahlungen gemäß § 25 Abs. 1 BKKG förmlich zu entziehen. Deshalb bestehe die Leistungsbewilligung über den Juli 1977 hinaus fort.
Mit Bescheid vom 1. März 1991 wies der Beklagte auch den bis dahin nicht beschiedenen Teil des Widerspruchs des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid vom 18. Juni 1986 hinsichtlich des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlages zurück.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger den auf seinen Sohn H. bezogenen Teil des Ortszuschlags für die Zeit vom 1. April 1978 bis 31. Mai 1984 zu zahlen, und hat die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 18. Juni 1986 und vom 1. März 1991, soweit sie dem entgegenstanden, aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch des Klägers hänge nach Maßgabe von § 40 Abs. 3 Satz 1 BBesG von der Kindergeldberechtigung nach dem Bundeskindergeldgesetz ab. Allerdings stehe zwischen den Beteiligten aufgrund des Urteils des Landessozialgerichts rechtskräftig fest, daß der Kläger für den streitigen Zeitraum Anspruch auf Kindergeldleistungen habe, ohne daß damit das materiellrechtliche Bestehen eines Kindergeldanspruchs festgestellt worden sei. Die Entscheidung des Landessozialgerichts beruhe auf dem Umstand, daß dem Kläger für seinen Sohn H. nach Vollendung von dessen 16. Lebensjahr Kindergeld gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKKG bewilligt worden sei und diese Bewilligung dem Kläger nicht, was nach Auffassung des Landessozialgerichts gemäß § 25 Abs. 1 BKKG geboten gewesen wäre, durch Verwaltungsakt wieder entzogen worden sei. Zu der Frage, ob es für den Anspruch nach § 40 Abs. 3 Satz 1 BBesG auf das materiellrechtliche Bestehen eines Anspruchs auf Kindergeld ankomme, sei dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. Januar 1991 - 4 S 980/90 - (ZBR 1991, 283) zu folgen, in dem ausgeführt sei, die Bewilligung des Kindergeldes sei ein Verwaltungsakt. Solange ein solcher Bewilligungsbescheid wirksam bestehe, soweit also die Bewilligung nicht aufgehoben worden sei, könne nach dessen Maßgabe die Zahlung des bewilligten Kindergeldes verlangt werden, und zwar auch dann, wenn die materiellen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sein sollten. Dies habe die für die Besoldung zuständige Stelle bei der Entscheidung über den kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlags nach § 40 Abs. 3 S. 1 BBesG zu beachten.
Der Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verteidigt im wesentlichen das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 141, 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht entschieden, daß der Kläger einen Anspruch auf den kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlages für seinen Sohn H. im Rahmen seiner Besoldungs- bzw. Versorgungsbezüge hat.
Dieser Anspruch ergibt sich für die Zeit vom 1. April 1978 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am 31. Oktober 1978 aus §§ 39 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 3 BBesG und für die Zeit ab 1. November 1978 bis 31. Mai 1984 aus § 50 Abs. 1 BeamtVG in Verbindung mit § 40 Abs. 3 BBesG. Nach der für beide Zeiträume maßgeblichen Bestimmung des § 40 Abs. 3 BBesG gehören Beamte bzw. Ruhestandsbeamte der Stufe 2, "denen Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 3 oder § 8 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde", zur Stufe 3 und den folgenden Stufen des Ortszuschlages. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.
Die erste Alternative des § 40 Abs. 3 Satz 1 BBesG, wonach der Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlages besteht, liegt vor, wenn dem Beamten Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht. Entscheidend ist, daß dem Kläger in Anwendung des Bundeskindergeldgesetzes konkret ein Anspruch auf Kindergeld zusteht. Dem entspricht es, daß der Besoldungsgesetzgeber den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags auch unter Verweisung auf die Berechtigtenbestimmung im Bundeskindergeldgesetz geregelt hat. Der Besoldungsgesetzgeber geht insoweit von der Gleichheit des sozialpolitischen Zwecks in einer Person sowohl für die Gewährung von Kindergeld als auch für die Zahlung des kinderbezogenen Anteils des Ortszuschlags aus (vgl. Urteil vom 27. August 1992 - BVerwG 2 C 41.90 - ≪Buchholz 240 § 40 Nr. 26≫ mit Hinweis auf Urteil vom 13. Dezember 1978 - BVerwG 6 C 46.78 - ≪BVerwGE 57, 183, 185 *= Buchholz 235 § 40 Nr. 1≫).
Der Anspruch des Klägers auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags ergibt sich hier deshalb, weil nach dem Kindergeldgesetz dem Kläger für seinen Sohn in dem streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld bewilligt worden war. Aus der im Bundeskindergeldgesetz angelegten förmlichen Art der Entscheidung über die Bewilligung von Kindergeld folgt, daß dieser Entscheidung Maßgeblichkeit für andere Behörden zukommt (vgl. etwa zur Maßgeblichkeit der Entscheidung des Dienstherrn über das Vorliegen eines Dienstunfalles für die Entscheidung der Zivilgerichte über weitergehende Schadenersatzansprüche Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 1993 - III ZR 33/88 - ≪NJW 1993, 1790 f.≫). Hiervon ausgehend läßt auch die vollständige Anknüpfung des § 40 Abs. 3 BBesG an das Bundeskindergeldgesetz erkennen, daß eine nach diesem Gesetz ergangene Entscheidung ohne weiteres auch für den besoldungsrechtlichen Anspruch maßgebend sein soll: Dies ist auch in dem angefochtenen Urteil zu Recht unter Berufung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. Januar 1991 - 4 S 980/90 - (ZBR 1991, 283 ff.) bejaht worden. In diesem Urteil ist im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Bewilligung von Kindergeld für die Anwendung des § 40 Abs. 3 Satz 1 BBesG ausgeführt, daß die für die Besoldung zuständige Stelle bei der Entscheidung über den kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlags nach § 40 Abs. 3 Satz 1 BBesG vom Vorliegen der Kindergeldberechtigung aufgrund des Bewilligungsbescheids des Arbeitsamts auszugehen hat. Das gleiche gilt, wenn wie im Streitfalle die gleiche Behörde für die Gewährung des Kindergeldes und des kindergeldbezogenen Teils des Ortszuschlags zuständig ist. Die bestandskräftige Kindergeldbewilligung ist für den Anspruch auf den kinderbezogenen Anteil ebenso verbindlich, wenn - wie hier - wegen Vorliegens eines bestandskräftigen Verwaltungsakts die Behörde vom Landessozialgericht zur Zahlung von Kindergeld verurteilt wird. In gleicher Weise wäre die Behörde auch an eine Ablehnung von Kindergeld durch bestandskräftigen Verwaltungsakt oder ein diese Ablehnung bestätigendes rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts gebunden gewesen.
Fundstellen
Haufe-Index 543771 |
Buchholz 240 § 40 BBesG, Nr 27 (LT) |
BVerwGE 94, 98-100 (LT) |
BVerwGE, 98 |
DokBer B 1993, 327-329 (LT) |
NVwZ 1995, 170-171 (LT) |
ÖD 1994, 43-44 (LT) |
BWVPr 1994, 211 (L) |
ZTR 1994, 85 (LT) |
DÖD 1994, 38-39 (LT) |
PersV 1994, 95 (L) |
RiA 1995, 33-34 (LT) |
Schütz BeamtR ES/C I 1.1, Nr 51 (LT) |