Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Vorlagefragen in einem Rechtsstreit aufgrund der Ablehnung der Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld für wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht erfüllte Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Qualifizierung von Minderheitsgesellschaftern stehen gelassener fälliger Gehaltsansprüche als Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen. Stehenlassen von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist. Nationale Rechtsprechung zu Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen im Rahmen einer Beeinträchtigung der Ziele der Richtlinie 80/987. Begriff der nicht erfüllten Ansprüche im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 80/987
Beteiligte
Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark [gegen Bundesamt für Soziales und Behindertenw] |
Verfahrensgang
Tenor
1. Es verstößt gegen die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassung der die Europäische Union begründenden Verträge geänderten Fassung, dass ein Arbeitnehmer, der an der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bei der angestellt ist, eine erhebliche Beteiligung hält, ohne jedoch über einen beherrschenden Einfluss auf diese Gesellschaft zu verfügen, aufgrund der österreichischen Rechtsprechung zu Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen seinen Garantieanspruch für unter Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie fallende, wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht erfüllte Ansprüche auf Arbeitsentgelt verliert, wenn er nach Eintritt der ihm erkennbaren Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft das ihm zustehende laufende Arbeitsentgelt während mehr als 60 Tagen nicht ernsthaft einfordert.
2. Ein Mitgliedstaat darf grundsätzlich zur Vermeidung von Missbräuchen Maßnahmen ergreifen, durch die einem solchen Arbeitnehmer ein Garantieanspruch für Entgeltforderungen versagt wird, die nach dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, wegen Vorenthaltens des Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre, sofern nicht nachgewiesen ist, dass kein missbräuchliches Verhalten vorliegt. Im Rahmen der Garantie für unter Artikel 4 Absatz 2 der geänderten Richtlinie 80/987 fallende Ansprüche darf ein Mitgliedstaat nicht unterstellen, dass ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, in der Regel aus diesem Grund aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre, bevor die nicht erfüllten Entgeltansprüche einen Zeitraum von drei Monaten betreffen.
Gründe
1.
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 26. April 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 2001, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassung der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 80/987) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin Maria Walcher und dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark (im Folgenden: Bundesamt), das die Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld für wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht erfüllte Ansprüche auf Arbeitsentgelt abgelehnt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3.
In der ersten Begründungserwägung der Richtlinie 80/987 heißt es:
Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche … gewährleisten.
4.
Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:
(1) Diese Richtlinie gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind.
(2) Die Mitgliedstaaten können die Ansprüche bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern wegen der besonderen Art des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer oder wegen des Bestehens anderer Garantieformen, die den Arbeitnehmern einen Schutz gewährleisten, der dem sich aus dieser Richtlinie ergebenden Schutz gleichwertig ist, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnahmsweise ausschließen.
Die Liste der in Unterabsatz 1 genannten Gruppen von Arbeitnehmern befindet sich im Anhang.
5.
I...