Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 2000/78/EG. Diskriminierung wegen des Alters. Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters
Beteiligte
Oellerking Gebäudereinigungsges. mbH |
Nachgehend
Tenor
1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie § 10 Nr. 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, wonach Klauseln über die automatische Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen des Rentenalters des Beschäftigten zulässig sind, nicht entgegensteht, soweit zum einen diese Bestimmung objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik gerechtfertigt ist und zum anderen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Die Nutzung dieser Ermächtigung in einem Tarifvertrag ist als solche nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen, sondern muss gemäß den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel verfolgen.
2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer Maßnahme wie der in § 19 Nr. 8 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung enthaltenen Klausel über die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das Rentenalter von 65 Jahren erreicht haben, nicht entgegensteht.
3. Die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass es ihnen nicht zuwiderläuft, dass ein Mitgliedstaat einen Tarifvertrag wie den im Ausgangsverfahren in Frage stehenden für allgemeinverbindlich erklärt, soweit dieser Tarifvertrag den in seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmern nicht den Schutz nimmt, den ihnen diese Bestimmungen gegen Diskriminierungen wegen des Alters gewähren.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Arbeitsgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Januar 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2009, in dem Verfahren
Gisela Rosenbladt
gegen
Oellerking Gebäudereinigungsges. mbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič, J. Malenovský und L. Bay Larsen, der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin) sowie des Richters T. von Danwitz,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Rosenbladt, vertreten durch Rechtsanwalt K. Bertelsmann,
- der Oellerking Gebäudereinigungsges. mbH, vertreten durch Rechtsanwalt P. Sonne,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,
- Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von T. Ward, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. April 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Rosenbladt und der Oellerking Gebäudereinigungsges. mbH (im Folgenden: Oellerking) wegen der Voraussetzungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Frau Rosenbladt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 lautet:
„Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist...