Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Social Security Commissioner. Vereinigtes Königreich. Soziale Vergünstigungen für Arbeitnehmer. Bestattungsgeld. Freizuegigkeit. Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Soziale Vergünstigungen. Nationale Regelung, die die Gewährung von Bestattungsgeld davon abhängig macht, daß die Bestattung im Inland stattfindet. Unzulässigkeit. Keine Rechtfertigung
Leitsatz (amtlich)
Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, soweit danach die Gewährung einer Geldleistung zur Deckung der einem Wanderarbeitnehmer entstehenden Bestattungskosten davon abhängig ist, daß die Erd- oder Feuerbestattung in diesem Mitgliedstaat stattfindet.
Es ist nämlich davon auszugehen, daß eine Vorschrift des nationalen Rechts, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, selbst bei unterschiedsloser Geltung mittelbar diskriminierend ist und somit im Widerspruch zu der durch Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 vorgeschriebenen Gleichbehandlung steht, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, daß sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt.
Zum einen ist, was die Bestattungskosten anbelangt, darauf hinzuweisen, daß Wanderarbeitnehmern zwar Kosten der gleichen Art und in gleicher Höhe entstehen wie inländischen Arbeitnehmern, daß jedoch vor allem Wanderarbeitnehmer beim Tod eines Familienangehörigen angesichts der Bindungen, die die Angehörigen einer solchen Familie im allgemeinen mit ihrem Herkunftsstaat aufrechterhalten, eine Bestattung in einem anderen Mitgliedstaat vornehmen lassen werden. Zum anderen kann die Ablehnung der Gewährung einer Geldleistung im Falle einer Bestattung in einem anderen Mitgliedstaat weder mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit noch mit Überlegungen gerechtfertigt werden, die sich auf die Höhe der Bestattungskosten beziehen ° da die Kosten für die Überführung des Sarges zu einem weit von der Wohnung des Verstorbenen entfernten Ort ohnehin nicht ersetzt werden ° oder die Schwierigkeiten bei der Kontrolle der entstandenen Kosten betreffen.
Normenkette
EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 2
Beteiligte
Tenor
Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft steht einer Vorschrift wie Regulation 7 (1) (c) der Social Fund (Maternity and Funeral Expenses) Regulations 1987 entgegen, soweit danach die Gewährung einer Geldleistung zur Deckung der einem Wanderarbeitnehmer entstehenden Bestattungskosten davon abhängig ist, daß die Erd- oder Feuerbestattung in dem Mitgliedstaat stattfindet, dessen Rechtsvorschriften die Gewährung dieser Geldleistung vorsehen.
Gründe
1 Der Social Security Commissioner hat mit Beschluß vom 28. Juni 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn O' Flynn und dem Adjudication Officer wegen dessen Weigerung, das in den Social Fund (Maternity and Funeral Expenses) Regulations 1987 (Verordnung von 1987 über den Social Fund ° Mutterschaftsgeld und Bestattungsgeld; im folgenden: Verordnung von 1987) vorgesehene Bestattungsgeld zu zahlen.
3 Das Bestattungsgeld ist eine Sozialleistung, die unter dem Vorbehalt gewährt wird, daß ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Es soll die Kosten decken, die dem Antragsteller oder einem Angehörigen seiner Familie (d. h., nach dem Wortlaut der Verordnung von 1987, dem „verpflichteten Angehörigen”) bei einem Todesfall in der Familie entstehen.
4 Nach Regulation 7 (1) (c) der Verordnung von 1987 wird das Bestattungsgeld nur gezahlt, wenn „die Bestattung im Vereinigten Königreich stattfindet”. Gemäß Regulation 3 (1) dieser Verordnung ist unter „Bestattung” eine Erd- oder Feuerbestattung zu verstehen.
5 Gemäß Regulation 7 (2) der Verordnung von 1987 beläuft sich das Bestattungsgeld auf einen Betrag, der zur Deckung der vom verpflichteten Angehörigen zu tragenden wesentlichen Ausgaben ausreicht. Es deckt daher alle Kosten, die normalerweise mit der Erd- oder Feuerbestattung an einem nahe bei der Wohnung des Verstorbenen gelegenen Ort verbunden sind, und gegebenenfalls die Kosten für die Überführung des Leichnams innerhalb des Vereinigten Königreichs in diese Wohnung. Dagegen deckt es nicht die gesamten Kosten für die Überführung des Sarges zu einem weit von der Wohnung des Verstorbenen entfernten Bestattungsort. In diesem Fall sind die zusätzlichen Kosten für die Überführung des Sarges vo...