keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerbehinderter Mensch. Nichteinstellung. Schwerbehinderter. Entschädigung. Benachteiligung
Leitsatz (amtlich)
1. Steht fest, dass der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gegenüber entgegen § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX keine Gründe für die Ablehnung der Bewerbung mitgeteilt hat, so ist dessen Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft zu vermuten (im Anschluss an BAG, Urteil vom 15. Februar 2005 – 9 AZR 635/03).
2. Dem Arbeitgeber ist es im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung grundsätzlich verwehrt, sich auf sachliche Gründe für die Ablehnung zu berufen, die er dem betroffenen Bewerber bei seiner Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nicht mitgeteilt hat (so auch schon ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 19. Februar 2003 – 17 Ca 8469/02).
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 09.02.2005; Aktenzeichen 4 Ca 170/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 09. Februar 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch im Zusammenhang mit der Bewerbung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers.
Der als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger bewarb sich erfolglos um eine Stelle bei der Beklagten. In seiner Bewerbung hatte er auf seine Behinderung hingewiesen. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine schriftliche Absage, ohne Gründe zu nennen. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger erstinstanzlich eine Entschädigung in Höhe von 3 Monatsgehältern gefordert.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 92 – 97 d.A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger einen Entschädigungsanspruch gem. § 81 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX in Höhe von 2.200,00 EUR, der vom Kläger angegebenen Höhe eines Monatsgehalts, zugesprochen.
Gegen dieses Urteil vom 09. Februar 2005, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte hält die rechtlichen Folgerungen, die das Arbeitsgericht aus § 81 SGB IX gezogen hat, für unzutreffend. Insbesondere äußert sie die Auffassung, Abs. 1 Satz 9 dieser Vorschrift sei nur auf Betriebe anwendbar, in denen eine Schwerbehindertenvertretung besteht. Dass der Gesetzgeber notwendigerweise von mehreren Beteiligten ausgeht, folge schon aus dem Satz „Alle Beteiligten sind … zu unterrichten”. Außerdem folge aus dem Gesetz nicht, dass der Beklagten verwehrt sei, Ablehnungsgründe noch nachträglich vorzutragen. Die Rechtslage entspreche der des § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB. Auch dort sei es dem Arbeitgeber möglich, noch nachträglich Kündigungsgründe zu nennen. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass das Arbeitsgericht, obwohl es selbst einen minder schweren Fall angenommen hat, dem Arbeitgeber diese Möglichkeit der nachträglichen Rechtfertigung entzogen habe.
Die Beklagte beantragt
das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 09. Februar 2005, Az. 4 Ca 170/04 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Entscheidungsgründe
Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist zulässig.
Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht teilweise stattgegeben.
Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und in der Begründung an (§ 69 Abs. 2 ArbGG), in der sowohl die Kommentierung als auch die bisher zu § 81 SGB IX ergangene Rechtsprechung ausführlich gewürdigt wurden.
Inzwischen hat auch das Bundesarbeitgericht mit seinem Urteil vom 15. Februar 2005 – 9 AZR 635/03 – die im dortigen Verfahren vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung in § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 1 SGB IX, nach der ein wegen seiner Schwerbehinderung diskriminierter Bewerber, der auch bei benachteiligungsfreier Auswahl die Stelle nicht erhalten hätte, Anspruch auf Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern hat, verworfen. Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass der schwerbehinderte Bewerber eine Beweislastverschiebung herbeiführen kann, wenn er Hilfstatsachen darlegt und ggf. unter Beweis stellt, die eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lässt. Schließlich hat es die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft angenommen, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht über die eingegangene Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen unterrichtet hat.
Dem entsprechen die Feststellungen des Arbeitsgerichts im vorliegenden Fa...